Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 1413/15
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 427/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. November 2018 geändert und die Klage auch im Übrigen abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1974 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1990 bis zum 25. Januar 1994 eine Banklehre, schloss diese aber nicht erfolgreich ab. Sie war vom 4. Oktober bis zum 23. Dezember 1994, vom 1. Januar bis zum 28. April 1996 und zuletzt vom 1. April 2004 bis zum 30. November 2005 versicherungspflichtig beschäftigt. Sie übte vom 1. August 2002 bis zum 28. Februar 2003 und vom 1. Januar bis zum 30. April 2006 eine geringfügige nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Ausweislich der Gewerbeanmeldung und -abmeldung vom 7. Juli 2011 bzw. 22. Juli 2014 war die Klägerin vom 18. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2014 selbstständig erwerbstätig in der Tätigkeit "Mobile Kosmetik, kosmetische Fußpflege, Nageldesign, Verkauf diverser Produkte". Ab dem 1. April 2011 weist der Versicherungsverlauf der Klägerin durchgehend Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit für ihren am ... 1999 geborenen Sohn C. K. aus, für den ab dem 1. November 2004 die Pflegestufe I, vom 1. Januar 2013 an mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz, und im Rahmen der Überleitung ab dem 1. Januar 2017 der Pflegegrad 3 festgestellt worden ist. Dieser Sohn der Klägerin besuchte bis Sommer 2018 eine Schule für Menschen mit einem besonderen Förderbedarf und ist seit dem 1. September 2018 bis nachmittags in einer Werkstatt für behinderte Menschen (im Folgenden: WfbM). Die Klägerin hat unter dem 11. Dezember 2019 auf die gerichtliche Anfrage zu der für C. K. von ihr erbrachten Pflege mitgeteilt, er werde um 6.15 Uhr von einem Fahrdienst abgeholt und um 16.15 Uhr wieder nach Hause gebracht. Nachmittags werde er von ihr und ihrem Ehemann betreut. Es sei keine körperlich anstrengende Pflege erforderlich. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin hierzu ergänzt, ihr Sohn sei circa 60 kg schwer bei 1,57 m Körpergröße. Er wolle ab und zu zeigen, dass er ein Mann sei, stelle für sie aber keine körperliche Bedrohung dar.
Bei der Klägerin ist seit dem 22. Juli 2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.
Die Klägerin beantragte am 11. November 2014 bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst den Entlassungsbericht der MEDIAN Klinik L. vom 9. Dezember 2014 über die stationäre Rehabilitation vom 16. September bis zum 21. Oktober 2014 bei. Die Klägerin habe angegeben, sich im Wesentlichen durch Schmerzen, die alleinige Betreuung ihrer Kinder und die Pflege ihres behinderten Sohnes, der über 80-jährigen Großeltern und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter belastet zu fühlen. Für eine leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit (auch auf dem Abschlussbogen über die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ist leichte bis mittelschwere körperliche Arbeitsschwere angekreuzt) überwiegend im Gehen, im Stehen und im Sitzen, in Tages-, Früh- und Spätschichten bestehe eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich. Grund für die Leistungsminderung sei vordergründig die rezidivierende depressive Störung sowie die chronische Schmerzstörung bei Multimorbidität und insbesondere einer chronischen Lumboischialgie und einem Zustand nach zwei Bandscheibenoperationen. Empfohlen würden eine ambulante Langzeitpsychopharmakotherapie, eine ambulante Langzeitpsychotherapie und eine neue Leistungseinschätzung in zwölf Monaten.
Die Beklagte holte das Gutachten von der Nervenärztin Dr. med. habil. Gellerich vom 7. April 2015 (Untersuchung der Klägerin am 31. März 2015) ein. Die Klägerin habe angegeben, im Jahr 2008 eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen zu haben, da sie wegen ihres behinderten Sohnes die Nachmittage zur freien Verfügung haben müsse. Sie sei mit einer Wirbelsäulenverkrümmung geboren und habe bis zu ihrem 16. Lebensjahr ein Stützkorsett tragen müssen. 2009 seien verstärkt Probleme an der Halswirbelsäule (HWS) aufgetreten, 2009 und 2010 Operationen auf Grund von Bandscheibenvorfällen erfolgt. Im Übrigen habe sie auch Schmerzen an der Lendenwirbelsäule (LWS), sodass die gesamte Wirbelsäule betroffen sei. Häufig schliefen die Hände ein und der rechte Arm sei hin und wieder taub. Sie habe Probleme, längere Zeit zu sitzen und müsse häufig die Haltung wechseln. Das gesundheitliche Hauptproblem sei der Rücken mit den dadurch hervorgerufenen Einschränkungen. Im Ergebnis der Begutachtung hat die Gutachterin festgestellt, die Klägerin habe nachvollziehbare Zukunftssorgen und sei unsicher, ambivalent und grübelnd auf die schwierige familiäre Situation eingeengt. Die Klägerin sei nicht depressiv, sondern bedrückt, also nachvollziehbar reaktiv beeinträchtigt. Sie habe keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen. Psychiatrisch bestehe kein eigenständiges Leiden. Es liege ein chronisches Schmerzsyndrom bei Wirbelsäulenfehlbildung mit einem chronischen cervikalen und lumbalen Syndrom vor. Letztendlich seien die körperlichen Beschwerden wesentlich orthopädisch zu beurteilen, wenn inzwischen auch neurologische (radikuläre) Beschwerden hinzugetreten seien. Es seien nur leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung im Umfang von sechs Stunden täglich möglich. Maßnahmen zur Teilhabe würden vorgeschlagen, wobei allerdings die zeitlichen Einschränkungen der Klägerin durch die Pflege des Kindes berücksichtigt werden müssten.
Die Beklagte holte im Übrigen das Gutachten von der Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie K. vom 18. Juni 2015 (Untersuchung am 18. Juni 2015) ein. Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stünden Wirbelsäulenbeschwerden in Form von Schulter- und Nackenbeschwerden mit Ausstrahlung in die Arme rechts mehr als links sowie tiefe Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in beide Beine. Seit etwa 2008 leide die Klägerin unter regelmäßigen HWS- und LWS-Beschwerden. Seit März 2013 befinde sie sich in regelmäßiger psychologischer Behandlung. Ihr zweitältester Sohn besuche eine Schule für geistig behinderte Menschen bis 14.00 Uhr und müsse dann von ihr, der Klägerin, betreut werden. Als Diagnosen lägen bei der Klägerin vor:
Chronisches Brachiozervikalsyndrom und Kraniozervikalsyndrom, Zustand nach Cageimplantation C4/5 und C5/6 2009 und 2010.
Chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom beiderseits bei Thorakolumbalskoliose, DL-Kyphose und degenerative Veränderungen im thorakolumbalen und lumbosakralen Übergang.
Rechtskonvexe Thorokolumbalskoliose mit Oberkörperüberhang nach rechts.
Chronische somatoforme Schmerzstörung.
Die statische Belastbarkeit der Klägerin sei reduziert. Die Einschränkungen ergäben sich aus der Wirbelsäulenerkrankung bei deutlicher Thorakolumbalskoliose und Bewegungseinschränkung der HWS bei einem Zustand nach Bandscheiben-Operation C4/5 und C5/6. Wesentliche Einschränkungen ergäben sich aus dem psychosomatischen Schmerzsyndrom, welches sowohl ausreichend schmerztherapeutisch als auch psychotherapeutisch behandelt werde. Einseitige körperliche Belastungen, regelmäßiges mittelschweres Heben und Tragen sowie Arbeiten in Zwangshaltungen könne die Klägerin nicht mehr tolerieren. Die berufliche Leistungsfähigkeit als Kosmetikerin und Fußpflegerin sei wegen der Notwendigkeit des Arbeitens in Rumpfbeuge aufgehoben. Aus orthopädischer Sicht bestehe eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, wenn im Sitzen und im Wechsel mit Gehen und Stehen ohne schweres Heben und Tragen gearbeitet werden könne.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab. Bei der Klägerin liege ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen vor (Bescheid vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015).
Mit ihrer am 18. September 2015 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und sich im Wesentlichen auf das Ergebnis der Rehabilitationsmaßnahme in der MEDIAN Klinik B. Lobenstein bezogen. Sie hat sich auch auf den von ihr selbst abgeforderten Befundbericht der Psychologischen Psychotherapeutin K. (ohne Datum) gestützt, dem als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, zu entnehmen ist. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 41 bis 42 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. T. hat unter dem 22. September 2016 als Diagnosen eine Lumboischialgie bei Skoliose, eine Zervikobrachialgie bei Osteochondrose und Cage sowie einen Halux valgus beidseits mitgeteilt. Die Befunde hätten sich im Laufe der Zeit mit progredienten degenerativen Veränderungen an Wirbelsäule und Füßen verschlechtert. Auf Grund der skoliotischen Fehlhaltung, der Beschwerdesymptomatik sowie der schmerztherapeutischen Einstellung auf Morphin sei die Klägerin körperlich nicht belastbar. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. A. hat unter dem 23. September 2016 eine hinzugetretene Nierenerkrankung mit einer noch nicht abgeschlossenen Diagnostik berichtet. Die bei der Klägerin erhobenen Befunde würden tendenziell schlechter. Sie könne auch nicht sechs Stunden täglich arbeiten. Dem Befundbericht des Dialysezentrums Stadtfeld vom 29. September 2016 ist zu entnehmen, eine Einschränkung der Nierenfunktion bestehe bei der Klägerin nicht. Auf Grund der deutlichen Volumenbelastung durch die Zystennieren sei mit einer deutlichen körperlichen Beeinträchtigung zu rechnen. Eine weitere diagnostische Abklärung sei geplant. Die Fachärztin für Anästhesie Dr. C. hat in ihrem Befundbericht vom 11. Oktober 2016 ausgeführt, die Klägerin sei auf Grund ihrer Schmerzerkrankung und internistischen Erkrankung (multizystische Nieren mit einer chronischen Anämie) in allen Belangen des täglichen Lebens eingeschränkt. Der Klägerin sei es auch nicht möglich, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Zur Begründung ist insoweit mitgeteilt worden, die Klägerin befinde sich seit 2013 in psychotherapeutischer Behandlung. Es bestünden neben der chronifizierten Schmerzerkrankung psychische und physische Probleme bei der Alltagsbewältigung (Versorgung des geistig behinderten Sohnes mit Trisomie 21). Es bestünden ein chronifiziertes Schmerzsyndrom mit chronischen Rückenschmerzen bei vorbestehender Skoliose und eine symptomatische polyzystische Nierenerkrankung mit Wachstumstendenz der Nierenzysten sowie ein chronischer Erschöpfungszustand. Eine Aussicht auf Besserung des Zustandes bestehe nicht. Dem Bericht der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Universitätsklinikum M. vom 8. Oktober 2016 ist zu entnehmen, bei der Klägerin seien im Rahmen der Sonographie mehr als 20 Leberzysten und beidseits Nierenzysten mit einer Größe von teilweise bis 15 cm gesichert worden. Es bestehe ein hochgradiger Verdacht auf eine Polyzystische Lebererkrankung (einer seltenen Erkrankung = orphan disease) mit Nierenzysten. Mit Bezug auf die recht fortgeschrittenen Leber- und Nierenzysten sei eine mittelschwere bzw. schwere körperliche Tätigkeit wahrscheinlich nur eingeschränkt bis nicht möglich. Im Übrigen auf Blatt 52 bis 55, 56 bis 59, 60 bis 75, 76 bis 81, 82 bis 91, 92 bis 118, 119 bis 126, 127 bis 130, 132 bis 147 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat sodann Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens von der Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. vom 19. Januar 2018, das auf der Grundlage der am 1. November 2017 durchgeführten ambulanten Untersuchung der Klägerin erstattet worden ist. Die Klägerin habe zu ihrem Tagesablauf mitgeteilt, nach der Rückkehr ihres inzwischen 18-jährigen Sohnes aus der Schule für geistig behinderte Menschen um 14.00 Uhr rund um die Uhr für ihn da sein zu müssen. Nach dem Schulende 2018 werde er voraussichtlich in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen. Haushalt und Einkauf müssten bis zur Rückkehr des Sohnes abgeschlossen sein. Sie benötige dafür mehr Zeit als früher. Bis 2017 habe sie auch den pflegebedürftigen Großvater betreut. Die demenzkranke Großmutter sei inzwischen im Pflegeheim. Daneben kümmere sie sich um ihre Eltern, beschränke aber den Kontakt mehr auf Telefonate. Es seien folgende gesundheitliche Störungen bei der Klägerin (zu 1. bis 2. auf internistischem Fachgebiet, zu 3. bis 5. auf anderen Fachgebieten) ermittelt worden:
Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (familiäre Nierenzystenkrankheit) und Leberzysten ohne Einschränkung der Nieren- bzw. Leberfunktion und ohne Anämie.
Bluthochdruck ohne Linksherzhypertrophie und mit normaler Pumpfunktion.
Chronisches leichtes HWS-Syndrom mit Zustand nach zervikobrachialer Symptomatik rechts und Spondylodese-Operation mit Cage-Implantation 2009 am Segment C4/5 sowie 2010 am Segment C5/6 mit permanenten leichten Funktionsstörungen ohne Wurzelreizung oder motorische Ausfälle.
Chronisches Syndrom der Brustwirbelsäule (BWS) und LWS mit permanenten leichten Funktionsstörungen ohne Wurzelreizung oder motorische Ausfälle bei rechtskonvexer Thorakolumalskoliose und Bandscheibenvorwölbungen, L4/5 rechts mit intraforaminalem Anteil und Wurzeltangierung L5.
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Es hätten keine Anhaltspunkte für Simulation oder Aggravation bestanden, allerdings Verdeutlichungstendenzen, die Ausdruck einer Anpassungsstörung und der Begutachtungssituation geschuldet seien. Die Klägerin könne noch körperlich leichte und geistig mittelschwierige Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Folgen der polyzystischen Nierenkrankheit, des Wirbelsäulensyndroms und der chronischen Schmerzstörung ohne gesundheitliche Gefährdung verrichten. Wegen des LWS-Syndroms sollten Tätigkeiten im gelegentlichen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen angeboten werden. Arbeiten mit ständigen, längeren bzw. häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen seien wegen des LWS-Syndroms und der Nierenzysten nicht zumutbar. Arbeiten mit gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen könnten nicht angetragen werden. Heben, Tragen oder Bewegen mehr als leichter Lasten sollte nicht ohne mechanische Hilfsmittel erfolgen, auch wenn die demonstrierte Kraftentfaltung einen Umgang mit mittelschweren Lasten gestatten würde. Gerüst- und Leiterarbeiten sowie häufige Überkopfarbeiten seien wegen des HWS- und LWS-Syndroms nicht möglich. Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände und Fingergeschicklichkeit seien möglich. Die Greifformen seien nicht beeinträchtigt gewesen. Arbeiten im Freien, in Nässe oder Kälte seien wegen des lokalen Wirbelsäulensyndroms nicht geeignet. An das Seh- und Hörvermögen könnten durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Übersicht, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein seien unter Berücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms möglich. Arbeiten in Wechselschicht und unter besonderem Zeitdruck wie im Akkord oder am Fließband seien wegen der chronischen Schmerzstörung nicht geeignet. Die Klägerin könne die der Art nach zumutbaren Arbeiten acht Stunden täglich verrichten, wenn die qualitativen Einschränkungen beachtet würden. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Die festgestellte qualitative Minderung der Leistungsfähigkeit sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ab der Rentenantragstellung anzunehmen und bestehe auf Dauer. Die Einholung weiterer Gutachten werde nicht empfohlen.
Die Klägerin hat am 16. März 2018 beantragt, den Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie/Diabetologie und Palliativmedizin an der Helios Klinik Z. Dr. P. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gutachterlich zu hören.
Das Gericht hat dann parallel das Gutachten von Dr. P. angefordert und weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ...
Das auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 3. September 2018 erstellte Gutachten von Dr. P. (ohne Datum) ist am 8. Oktober 2018 bei dem Sozialgericht eingegangen. Die Klägerin habe bei Vorstellung für das Gutachten vornehmlich über rechtsseitige Oberarmschmerzen mit Ausstrahlung in die Schulter sowie gering ausgeprägte Schmerzen im Bereich der LWS sowie Kribbelparästhesien im Bereich des rechten Beines geklagt. Diese träten nur inkonstant auf und vornehmlich nach längerer körperlicher Belastung. Die aktuelle Schmerzmedikation mittels transdermaler Buprenorphin-Applikation führe hier zu einer Schmerzkontrolle, die jedoch Schmerzspitzen bei starker körperlicher Belastung nicht vollständig unterbinde. Dennoch ermögliche die zum Zeitpunkt der Untersuchung durchgeführte Schmerztherapie der Klägerin die Verrichtung täglicher Arbeiten im Haushalt sowie die Versorgung ihrer Kinder, wobei vornehmlich ihr von Trisomie 21 betroffener 19-jähriger Sohn den meisten Bedarf an Zuwendung habe. Die familiäre Versorgung und Organisation, für die vornehmlich die Klägerin innerhalb der Familie zuständig sei, verrichte die Klägerin nahezu uneingeschränkt. Zum Untersuchungstermin sie die Klägerin selbstständig im eigenen Pkw angereist. Im Rahmen der Untersuchung hätten sich lediglich durch Extrembewegungen zu provozierende Schmerzen gezeigt. Ansonsten seien keine relevanten Bewegungseinschränkungen nachzuweisen gewesen. Entsprechend sei von der Klägerin auch die fahrradergometrische Untersuchung bis zu einer Maximalbelastung von 100 Watt zu absolvieren gewesen, wobei die Untersuchung nur auf Grund körperlicher Erschöpfung, nicht auf Grund von Schmerzen habe abgebrochen werden müssen. Auf Grund dessen sowie unter Berücksichtigung der Lungenfunktionsprüfung und der elektrokardiographischen Untersuchung bestünden keine Zeichen einer kardiopulmonalen Insuffizienz. Die Nierenfunktion habe sich zum Zeitpunkt der Untersuchung als regelgerecht gezeigt. Der individuelle Verlauf einer polyzystischen Nierenerkrankung sei nicht vorhersehbar. Das klinische Spektrum reiche von asymptomatisch bis zu einer schweren Beeinträchtigung des Betroffenen. Zusammenfassend bestehe auf Grund der internistischen Erkrankung des Bluthochdrucks und der zystischen Veränderung von Leber und Niere keine Leistungseinschränkung. Limitierend seien in erster Linie die chronischen Schmerzen im Bereich des Schultergürtels rechts, der oberen Extremität rechts sowie im Bereich der LWS, die auf chronisch degenerative Veränderungen im Bereich des Knochen- und Bandscheibenapparates zurückzuführen seien. Zusätzlich würden intermittierend auftretende klinische Symptome des Ausfalls des Nervus peroneus beschrieben, wobei diese letztlich unter der aktuellen Schmerztherapie eine mäßige körperliche Belastung zuließen, was auch durch die Angaben der Klägerin erhärtet werde sowie im Rahmen der ergometrischen Untersuchung zu objektivieren sei. Körperlich leichte Tätigkeiten könnten auf Grund der bestehenden Erkrankungen ohne gesundheitliche Gefährdung durchgeführt werden. Es bestünden keine Anhalte für Simulation und Aggravation. Die Diskrepanz zwischen der nur gering zu objektivierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf Grund der bestehenden Schmerzen und des von der Klägerin angegebenen Ausmaßes der empfundenen Einschränkungen scheine hier eher durch psychisch/psychosomatische Einflussfaktoren im Rahmen des Schmerzsyndroms bedingt. Körperlich leichte und geistig mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten könnten auf Grund der bestehenden Erkrankungen ohne gesundheitliche Gefährdung durchgeführt werden. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, statische körperliche Belastungen, Arbeiten im Freien auch unter Witterungsschutz und in Wechsel- und/oder Nachtschicht oder unter besonderem Zeitdruck. Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände und der Fingergeschicklichkeit seien möglich, könnten jedoch durch die Entwicklung von Schmerzen im Bereich des Schultergürtels eingeschränkt werden. Arbeiten mit geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit sowie Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sollten auch unter der bestehenden Schmerzmedikation möglich sein. Eine Einschränkung der möglichen täglichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen auf sechs bis acht Stunden erfolge vornehmlich auf Grund des bestehenden chronischen Schmerzsyndroms, welches jedoch im Rahmen der Begutachtung eine ausreichende körperliche Belastbarkeit zugelassen habe. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Nachdem zusätzlich ein psychiatrisches Gutachten zur Beurteilung einer psychosomatischen Komponente bereits vom Gericht beauftragt worden sei, werde die Einholung weiterer Gutachten nicht empfohlen.
Dr. C. hat ein "neurologisch-psychiatrisch-psychotherapeutisches und speziell schmerztherapeutisches" Gutachten vom 30. Oktober 2018 auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 23. August 2018 erstattet. Die Klägerin habe über die vor allem durch die Betreuung ihres Sohnes C. K. dominierte und sie stark psychisch belastende familiäre Situation berichtet. Bei der Klägerin bestünden folgende Diagnosen:
Neurologisch:
Cervicobrachialgie mit Radikulopathie C6 mit radikulärem neuropathischem Schmerz und sensiblem Defizit bei Zustand nach Operation eines cervikalen Bandscheibenvorfalls mit Cage-Implantation in Höhe C5/6,
Cervikobrachialgie und Cervikocephalgie ohne Radikulopathie bei Zustand nach Bandscheibenvorfall in Höhe C4/5 mit Cage-Implantation (2009) LWS 2010,
multisegmentale lumbale Bandscheibenschäden mit Bandscheibenvorfall und Neuroforaminaeinengung in Höhe L5/S1 mit S1 Radikulopathie sensibel rechts,
leichtgradiges Carpaltunnelsyndrom rechts,
Kombinationskopfschmerz aus chronischem Spannungskopfschmerz und medikamentenbedingtem Dauerkopfschmerz,
degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit paravertebralen muskulären Dysbalancen und konsekutivem myofacialem Schmerzsyndrom,
intracerebrale Gefäßmalformation im Bereich der Capsula interna links ohne derzeitige klinische Relevanz,
Ausschluss eines disseminiert entzündlichen ZNS-Prozesses im Sinne einer Multiplen Sklerose.
Psychiatrisch:
anhaltende schwere depressive Störung mit gegenwärtig schwerer depressiver Episode,
anhaltende somatoforme Schmerzerkrankung auf dem Boden somatischer und psychischer Faktoren,
schwere Anpassungsstörung bei familiärer Problemlage (Down-Syndrom eines Sohnes) sowie internistische Erkrankung.
Orthopädisch:
degeneratives Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen mit positiven antinukleären Antikörpern ohne aktuellen Nachweis einer rheumatologischen Erkrankung,
Nierenzysten und Leberzysten bei Verdacht auf hereditäre Erkrankung, unklarer Bauchspeicheldrüsenprozess,
arterielle Hypertonie,
chronische Anämie.
Mit den vorgenannten Erkrankungen sei eine anhaltende schwere depressive Erkrankung mit ausgeprägter Herabgestimmtheit, Grübelzwängen, Gedankenkreisen, schwerer Regression und sozialem Rückzugsverhalten, ausgeprägter Affektlabilität und zum Teil pseudodementen kognitiven Beeinträchtigungen sowie Scham- und Schuldgefühl in Verbindung mit der bestehenden Anpassungsstörung bei schuldhaft verarbeiteter eigener somatischer Erkrankung und vor allem der völligen Fehlverarbeitung und Erziehungsproblematik des an Down-Syndrom erkrankten Sohnes von jetzt 19 Jahren. Zum aktuellen Zeitpunkt sei jede regelmäßige Erwerbstätigkeit völlig, auch im Umfang von drei Stunden täglich, ausgeschlossen. Die aktuelle Schwere der psychischen Erkrankung, der chronischen Schmerzerkrankung, der völligen Krankheitsfehlverarbeitung, der familiären Situation und der eigenen Erkrankung sei hierfür überwiegend maßgebend. Zudem bestünden auf Grund der chronischen Anämie und der Zystenerkrankung von Niere und Leber eine Minderung der Belastbarkeit und eine rasche Erschöpfbarkeit. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei auf Grund der chronifizierten Schmerzerkrankung und der allgemeinen, auch internistisch und neurologisch mitbegründeten Bewegungseinschränkung und Verminderung der Leistungsfähigkeit reduziert. Mehrmals täglich seien 500 m nicht zurückzulegen. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ein eigenes Kfz sollte auf Grund der Schwere der depressiven Erkrankung, der bestehenden Medikation, insbesondere der hochdosierten Opiatmedikation, nicht geführt werden. Da im Vorgutachten von Dr. med. habil. Gellerich am 31. März 2015 nur eine gegenwärtig mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung berichtet werde und sie in der Zusammenfassung keine psychiatrischen Leiden beschreibe, sei davon auszugehen, dass es erst nach diesem Zeitpunkt zu der Schwere der Symptomatik gekommen sei. Diese Verschlechterung erkläre sich aus der hier erhobenen Anamnese, vor allem auf dem Boden der Zunahme der Schwierigkeiten mit dem erwachsen gewordenen, an Down-Syndrom erkrankten Sohn sowie auf Grund der Zuspitzung der internistischen Erkrankung mit einer Angst der Klägerin vor einer Dialysepflichtigkeit. Die Einschränkung bestehe nicht auf Dauer. Eine Veränderung erfordere jedoch eine Optimierung sowohl des schmerztherapeutischen als auch des psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungskonzeptes. Neben einer pharmakologischen Therapie und physiotherapeutischen Ansätzen sei die psychologische Betreuung der Schmerzerkrankung ganz wesentlich. Zudem sollten in der Familie die Strukturen geändert werden. Unterstützung und Entlastung für den behinderten Sohn könnten eine ganz wesentliche Verbesserung in der Gesamtsituation bewirken. Realistisch benötigten die genannten Maßnahmen eine Zeitdauer von sicher zwei Jahren, um tragfähige Veränderungen und eine Besserungstendenz zu bewirken. Auf Grund dessen werde eine Erwerbsminderungsberentung für zwei Jahre unter Festschreibung genannter Therapieansätze vorgeschlagen. Unter den Bedingungen sei eine Besserung der Leistungsfähigkeit auf sechs Stunden und mehr täglich realistisch. Die Angelegenheit sei abschließend geklärt.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 13. November 2018 unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2020 zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin sei voll erwerbsgemindert. Bei der Klägerin liegt ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich vor. Das ergebe sich letztlich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. C., aber auch bereits aus dem Entlassungsbericht der im September/Oktober 2014 durchgeführten Rehabilitation. Auch dort sei unter Beachtung psychischer Gesundheitsstörungen bereits ein Leistungsvermögen der Klägerin von unter drei Stunden täglich eingeschätzt worden. Da die Klägerin aus psychiatrischen Erkrankungen heraus nicht arbeiten könne, komme es auf die Frage, ob sie aus orthopädischen oder internistischen Gründen nicht arbeiten könne, nur noch insoweit an, ob das Leistungsvermögen der Klägerin auf Dauer aufgehoben ist. Dies sei ausweislich der Gutachten von Frau K., Dr. H. und Dr. P. nicht der Fall. Das Gericht habe seiner Entscheidung den Entlassungszeitpunkt aus der Rehabilitation am 21. Oktober 2014 zugrunde gelegt, da die Einschätzung von Dr. med. habil. Gellerich falsch sei. In Bezug auf die Befristung folge das Gericht dem Vorschlag des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C., wobei aus Sicht des Gerichts eine Änderung der Tagesstrukturen der Klägerin unter Berücksichtigung der Versorgung des behinderten Sohnes kaum durchführbar. Der Zeitraum der befristeten Rente ergebe sich aus einem mit dem siebten Monat nach der Leistungsminderung beginnenden Rente für zunächst drei Jahre (bis zum 30. April 2018) mit einer sich daran anschließenden Verlängerung bis zur Untersuchung bei Dr. C. (am 23. August 2018) und dann einer Verlängerung um zwei Jahre bis zum 31. August 2020.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22. November 2018 zugestellte Urteil am 10. Dezember 2018 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels führt sie im Wesentlichen aus, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. C. seine Leistungseinschätzung für den Untersuchungszeitpunkt getroffen habe. Würde man diesem Gutachten folgen, sei von einem Leistungsfall der Erwerbsminderung am 23. August 2018 auszugehen. Allerdings sei dem Gutachten auch in Bezug auf die Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens der Klägerin nicht zu folgen. Diese sei nicht mit vorliegenden Befunden zu begründen. Die bekanntermaßen von der Klägerin realisierten Aktivitäten ließen eine quantitative Leistungsminderung gerade nicht erkennen. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. zur Gehfähigkeit und zum Führen eines Kfz stünden im Widerspruch zu den Vorgutachten und seien nicht mit einer Begründung versehen. Soweit die Kontextfaktoren der Belastung durch die Pflege des behinderten Sohnes im Rahmen der Einschätzung des Leistungsvermögens berücksichtigt seien, stehe dies in Widerspruch zu den Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung der Deutschen Rentenversicherung (Stand 2012, Seite 50).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. November 2018 aufzuheben und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Gutachten von Dr. C. sei in sich widerspruchsfrei und in seinem Ergebnis überzeugend. Die jahrelange Fehlverarbeitung der Erkrankung ihres Sohnes, die für ihre psychische Erkrankung und Schmerzstörung mitverantwortlich sei, lasse sich nicht durch eine Änderung in den Familienstrukturen aus der Welt schaffen. Von der Beklagten seien keine Ermittlungen durchgeführt worden. Das Gutachten von Dr. med. habil. Gellerich sei nicht als solches zu bewerten, da sie keine Diagnose auf psychiatrischem Fachgebiet gestellt habe.
Für die von der Klägerin vom 3. bis zum 24. Oktober 2018 in der Ostseeklinik Zingst wahrgenommene Mutter-Kind-Kur sind im Entlassungsbericht vom 24. Oktober 2018 ein psychovegetativer Erschöpfungszustand und durch eine zystische Nierenerkrankung verursachte chronische Schmerzen und Schlafstörungen mitgeteilt worden. Besondere Belastungen bestünden durch den erhöhten Förderungs- und Betreuungsbedarf des 19-jährigen Sohnes mit Down-Syndrom. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 383 bis 384 Bd. III der Gerichtsakten Bezug genommen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens sind Befundberichte von den behandelnden Ärzten eingeholt worden. Zu den Einzelheiten wird auf Blatt 381 bis 384, 386 bis 391, 392 bis 394 und 397 bis 398 Bd. III der Gerichtsakten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine Rente zu bewilligen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2020.
Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Klägerin ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sie seit Rentenantragstellung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Für den Zeitraum vom 1. Mai 2015 bis zum 28. Februar 2019 stützt der Senats sich auf das Leistungsbild, das durch drei Sachverständigengutachten im Klageverfahren (erstellt von Dr. H., Dr. P. und Dr. C.) und zwei deren Feststellungen stützende Gutachten aus dem Widerspruchsverfahren (erstellt von Dr. med. habil. Gellerich und Frau K.).
Soweit die Klägerin meint, es seien hier keine Ermittlungen durchgeführt worden, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Rehabilitationsentlassungsbericht der MEDIAN Klinik L. vom 9. Dezember 2014 bezieht sich auf Feststellungen zum Zeitpunkt der Entlassung am 21. Oktober 2014. Bereits die dortigen Angaben zur Mehrfachbelastung durch eine Pflege auch der Großeltern sind für den im Berufungsverfahren streitigen Zeitraum nicht unverändert zugrunde zu legen. Im Übrigen wurde in dem Bericht auf körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten abgestellt, die nicht den Maßstab des § 43 SGB VI bilden. Die Leistungseinschätzung ist auch als vorläufig gekennzeichnet und bezieht sich auf einen Zustand ohne eine fachpsychiatrische Behandlung der Klägerin. Dr. C. hat sich für den vor der durch ihn durchgeführten Untersuchung liegenden Zeitraum nicht gegen das Gutachten von Dr. med. habil. Gellerich gestellt, sondern hat deren Feststellungen ausdrücklich zum Gegenstand seiner Bewertung gemacht und sich hiervon nur zeitlich im Sinne einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlimmerung der Beschwerden der Klägerin abgegrenzt.
Bezüglich des unter Berücksichtigung der Feststellungen in dem Gutachten von Dr. C. zu diskutierenden Zeitraums einer Rentengewährung ab dem siebten Monat nach der von ihm durchgeführten Untersuchung, das heißt ab dem 1. März 2019, sieht der Senat keine Möglichkeit, an der Entscheidung des Sozialgerichts festzuhalten.
Der Senat übersieht nicht, dass der Sohn C. K. als behinderter Mensch sicherlich in erheblichem Umfang von der durch die Klägerin für ihn zu Hause sichergestellten Pflege profitiert hat bzw. profitiert. In rechtlicher Hinsicht ist insoweit voranzustellen, dass die Klägerin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hier nur auf Grund der im Versicherungsverlauf berücksichtigten Zeiten für eine Pflegetätigkeit erfüllt. Der Senat hat diesbezüglich die besondere Situation der Klägerin mit der intensiven Pflege ihres Sohnes C. K. im Übrigen unter dem Gesichtspunkt der Einbeziehung der Belastung durch die Pflege in Bezug auf die Genese einer Erkrankung der Klägerin und bei der Überzeugungsbildung, ob die bei der Klägerin bestehende Beeinträchtigung im Ergebnis in medizinischer Hinsicht eine "Krankheit oder Behinderung" im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist, zu berücksichtigen gehabt. Den Umstand, dass die Klägerin seit Rentenantragstellung bis einschließlich August 2018 aus Gründen der Betreuung ihres Sohnes C. K. bereits tatsächlich nicht hat im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses arbeiten können, weil sie so sehr in seine Betreuung einbezogen gewesen ist, dass nachvollziehbar keine zumutbaren zeitlichen Ressourcen für eine weitere Erwerbstätigkeit bestanden haben, musste der Senat nicht abschließend würdigen, da es für diesen Zeitraum an medizinischen Feststellungen fehlt, auf den eine Verurteilung der Beklagten hätte gestützt werden können.
In Bezug auf den näher zu behandelnden Aspekt der Pflege ist vorauszuschicken, dass mit einer Pflegetätigkeit als solcher regelmäßig nicht eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI verknüpft werden kann, das Pflegerisiko also nicht in die Rentenversicherung verlagert werden kann. Für eine solche Verlagerung ergeben sich weder aus den Regelungen des SGB VI noch denen des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) hinreichende Anhaltspunkte. Insbesondere fehlt es an einer Erstattungsregelung, die einen Ausgleich zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und den Pflegekassen für diese Aufwendungen ermöglichen würde. Blendet man die Pflegetätigkeit der Klägerin aus, bestehen für den Senat keine Zweifel, dass sie auch vom 1. März 2019 bis zum 31. August 2020 noch mindestens sechs Stunden täglich geistig einfache und körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten hat verrichten können. Die internistischen und orthopädischen Erkrankungen der Klägerin stehen nach den Gutachten von Dr. H. und Dr. P. einer Leistungsfähigkeit der Klägerin in diesem Umfang nicht entgegen. Die von der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung bei dem Senat eingereichten Fotos sind für einen medizinischen Laien erschreckend, aber nicht geeignet, fachkundige Feststellungen zu ersetzen. Der Senat hat keine eigene Sachkunde insbesondere zu Fragen einer Erkrankung, die als orphan disease eingestuft ist, und stützt sich insoweit auf die von Dr. P. abgegebene Beurteilung der sich durch diese Erkrankung im hier streitigen Zeitraum ergebenden Funktionseinschränkungen.
Für die diagnostische Einschätzung einer erheblichen psychischen Erkrankung der Klägerin durch Dr. C. ist zu berücksichtigen, dass dieser die tatsächliche familiäre Situation der Klägerin in die Diagnosestellung einbezieht. An dem Gutachten ist zu beanstanden, dass der Sachverständige entsprechend den Angaben der Klägerin vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung über die maßgebende Änderung der Pflegesituation durch die Aufnahme von C. K. in eine WfbM zum 1. September 2018 informiert gewesen ist, diese Information aber nicht zum Gegenstand seines Gutachtens gemacht hat. Es begegnet im Übrigen erheblichen Bedenken, dass eine jeden Tag aktuelle Überlastungssituation eine hinreichend dauerhafte Erwerbsminderung für die Zukunft bewirken könnte. Unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts und des Schutzes von Ehe und Familie im Verfassungsrang kann von Seiten des Rentenversicherungsträgers im Rahmen von Mitwirkungspflichten eine Änderung nicht verlangt werden. Diese Abgrenzung muss daher auf rechtlicher Ebene in der Weise vorgenommen werden, die dem Versicherten einerseits sein Selbstbestimmungsrecht über seine Lebensverhältnisse belässt, andererseits für die Frage einer Leistungsfähigkeit auf eine typisierende Betrachtung zurückgreift, welche die Umstände ausblendet, die rechtlich nicht dem Versicherungsrisiko der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind. Der Senat muss sich nicht mit den von der Beklagten für diese Auffassung in Anspruch genommenen Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung auseinandersetzen, da diese der Auffassung des Senats nicht widersprechen. Dr. C. hat im Übrigen dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, dass sich die Klägerin seit Rentenantragstellung zwar in psychologischer, nicht aber in psychiatrischer Behandlung befindet, sodass die Einschätzung eines therapeutischen Zugangs zu der Erkrankung entsprechend eine Prognoseentscheidung bleiben muss (vgl. zu der regelmäßig zu fordernden psychiatrischen Therapie als Vorbedingung der Feststellung einer Leistungsminderung z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Mai 2016 - L 5 R 4194/13 -, juris). Bedenklich an der Gesamteinschätzung von Dr. C. ist auch, dass er fachfremd eine zu einer Erschöpfung der Klägerin beitragende chronische Anämie diagnostiziert hat, die nach der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. in Übereinstimmung mit der Bewertung der behandelnden Fachärzte und Dr. P. nicht festzustellen ist.
Im Übrigen stehen sich zwei alternative Zuordnungen der erheblichen Beeinträchtigung der Klägerin gegenüber: einerseits die von Dr. C. angenommene Diagnose einer anhaltenden schweren depressiven Störung, andererseits die von Dr. med. habil. Gellerich angenommene nicht krankhafte Reaktion auf eine reale Belastungssituation. Letzteres ist nicht einer "Krankheit oder Behinderung" im Rechtssinne zuzuordnen, sondern stellt eine situativ bedingte Beeinträchtigung im Rahmen einer gesunden menschlichen Reaktion dar. Es ist nicht erkennbar, dass diese Frage in der aktuellen Situation im Sinne einer "Krankheit" im hier maßgebenden Rechtssinn für die Erwerbsminderung beantwortet werden könnte. Soweit die Klägerin meint, dass inzwischen eine von der Familiensituation loszulösende chronifizierte psychische Erkrankung vorliege, findet dies keine Stütze in den insgesamt fünf Gutachten (einschließlich des Gutachtens von Dr. C.), die seit Beginn des Rentenverfahrens eingeholt worden sind. Träfe dies zu, wäre im Übrigen umso mehr auf eine im Vordergrund stehende psychiatrische Behandlung der Klägerin zu verweisen, die bei einer anhaltenden schweren depressiven Störung bereits von Seiten der behandelnden Ärzte aus Gründen des Schutzes der Klägerin hätte veranlasst werden müssen. Insoweit ist indes hervorzuheben, dass die psychologische Betreuung der Klägerin ausweislich des Befundberichts von Dipl.-Psych. K. vom 17. Juli 2019 auf der Grundlage einer rezidivierenden depressiven Störung mit einer mittelgradigen depressiven Episode durchgeführt worden ist.
Bei der Klägerin liegt weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 33 f.; diese Rechtsprechung findet weiterhin Anwendung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R -, juris, RdNr. 22ff.). Das Leistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für Tätigkeiten wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen, Reinigungsarbeiten, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus.
Der Senat ist auch überzeugt, dass bei der Klägerin kein Katalog- oder Seltenheitsfall vorliegt, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Aus Sicht des Senats bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit den bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen nicht viermal täglich knapp mehr 500 m in 20 Minuten zurückgelegt werden könnten. Dr. H. und Dr. P. haben jeweils keine relevanten Einschränkungen der Gehfähigkeit der Klägerin festgestellt. Der Senat kann die Einschätzung von Dr. C., dass die Klägerin nicht mehrfach täglich Gehstrecken von dieser Entfernung zurücklegen könnte, dahinstehen lassen, da die Klägerin über eine Fahrerlaubnis und einen Pkw verfügt. Einschränkungen der Fahrtauglichkeit der Klägerin sind insbesondere durch Dr. H. und Dr. P. (dort unter Hinweis auf die tägliche Benutzung eines Kfz) nicht mitgeteilt worden, sodass sich der Senat der Auffassung von Dr. C. insoweit nicht anschließen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1974 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1990 bis zum 25. Januar 1994 eine Banklehre, schloss diese aber nicht erfolgreich ab. Sie war vom 4. Oktober bis zum 23. Dezember 1994, vom 1. Januar bis zum 28. April 1996 und zuletzt vom 1. April 2004 bis zum 30. November 2005 versicherungspflichtig beschäftigt. Sie übte vom 1. August 2002 bis zum 28. Februar 2003 und vom 1. Januar bis zum 30. April 2006 eine geringfügige nicht versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Ausweislich der Gewerbeanmeldung und -abmeldung vom 7. Juli 2011 bzw. 22. Juli 2014 war die Klägerin vom 18. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2014 selbstständig erwerbstätig in der Tätigkeit "Mobile Kosmetik, kosmetische Fußpflege, Nageldesign, Verkauf diverser Produkte". Ab dem 1. April 2011 weist der Versicherungsverlauf der Klägerin durchgehend Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit für ihren am ... 1999 geborenen Sohn C. K. aus, für den ab dem 1. November 2004 die Pflegestufe I, vom 1. Januar 2013 an mit einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz, und im Rahmen der Überleitung ab dem 1. Januar 2017 der Pflegegrad 3 festgestellt worden ist. Dieser Sohn der Klägerin besuchte bis Sommer 2018 eine Schule für Menschen mit einem besonderen Förderbedarf und ist seit dem 1. September 2018 bis nachmittags in einer Werkstatt für behinderte Menschen (im Folgenden: WfbM). Die Klägerin hat unter dem 11. Dezember 2019 auf die gerichtliche Anfrage zu der für C. K. von ihr erbrachten Pflege mitgeteilt, er werde um 6.15 Uhr von einem Fahrdienst abgeholt und um 16.15 Uhr wieder nach Hause gebracht. Nachmittags werde er von ihr und ihrem Ehemann betreut. Es sei keine körperlich anstrengende Pflege erforderlich. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin hierzu ergänzt, ihr Sohn sei circa 60 kg schwer bei 1,57 m Körpergröße. Er wolle ab und zu zeigen, dass er ein Mann sei, stelle für sie aber keine körperliche Bedrohung dar.
Bei der Klägerin ist seit dem 22. Juli 2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.
Die Klägerin beantragte am 11. November 2014 bei der Beklagten die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst den Entlassungsbericht der MEDIAN Klinik L. vom 9. Dezember 2014 über die stationäre Rehabilitation vom 16. September bis zum 21. Oktober 2014 bei. Die Klägerin habe angegeben, sich im Wesentlichen durch Schmerzen, die alleinige Betreuung ihrer Kinder und die Pflege ihres behinderten Sohnes, der über 80-jährigen Großeltern und das schwierige Verhältnis zu ihrer Mutter belastet zu fühlen. Für eine leichte bis mittelschwere körperliche Arbeit (auch auf dem Abschlussbogen über die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ist leichte bis mittelschwere körperliche Arbeitsschwere angekreuzt) überwiegend im Gehen, im Stehen und im Sitzen, in Tages-, Früh- und Spätschichten bestehe eine Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich. Grund für die Leistungsminderung sei vordergründig die rezidivierende depressive Störung sowie die chronische Schmerzstörung bei Multimorbidität und insbesondere einer chronischen Lumboischialgie und einem Zustand nach zwei Bandscheibenoperationen. Empfohlen würden eine ambulante Langzeitpsychopharmakotherapie, eine ambulante Langzeitpsychotherapie und eine neue Leistungseinschätzung in zwölf Monaten.
Die Beklagte holte das Gutachten von der Nervenärztin Dr. med. habil. Gellerich vom 7. April 2015 (Untersuchung der Klägerin am 31. März 2015) ein. Die Klägerin habe angegeben, im Jahr 2008 eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgenommen zu haben, da sie wegen ihres behinderten Sohnes die Nachmittage zur freien Verfügung haben müsse. Sie sei mit einer Wirbelsäulenverkrümmung geboren und habe bis zu ihrem 16. Lebensjahr ein Stützkorsett tragen müssen. 2009 seien verstärkt Probleme an der Halswirbelsäule (HWS) aufgetreten, 2009 und 2010 Operationen auf Grund von Bandscheibenvorfällen erfolgt. Im Übrigen habe sie auch Schmerzen an der Lendenwirbelsäule (LWS), sodass die gesamte Wirbelsäule betroffen sei. Häufig schliefen die Hände ein und der rechte Arm sei hin und wieder taub. Sie habe Probleme, längere Zeit zu sitzen und müsse häufig die Haltung wechseln. Das gesundheitliche Hauptproblem sei der Rücken mit den dadurch hervorgerufenen Einschränkungen. Im Ergebnis der Begutachtung hat die Gutachterin festgestellt, die Klägerin habe nachvollziehbare Zukunftssorgen und sei unsicher, ambivalent und grübelnd auf die schwierige familiäre Situation eingeengt. Die Klägerin sei nicht depressiv, sondern bedrückt, also nachvollziehbar reaktiv beeinträchtigt. Sie habe keine inhaltlichen oder formalen Denkstörungen. Psychiatrisch bestehe kein eigenständiges Leiden. Es liege ein chronisches Schmerzsyndrom bei Wirbelsäulenfehlbildung mit einem chronischen cervikalen und lumbalen Syndrom vor. Letztendlich seien die körperlichen Beschwerden wesentlich orthopädisch zu beurteilen, wenn inzwischen auch neurologische (radikuläre) Beschwerden hinzugetreten seien. Es seien nur leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung im Umfang von sechs Stunden täglich möglich. Maßnahmen zur Teilhabe würden vorgeschlagen, wobei allerdings die zeitlichen Einschränkungen der Klägerin durch die Pflege des Kindes berücksichtigt werden müssten.
Die Beklagte holte im Übrigen das Gutachten von der Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie K. vom 18. Juni 2015 (Untersuchung am 18. Juni 2015) ein. Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stünden Wirbelsäulenbeschwerden in Form von Schulter- und Nackenbeschwerden mit Ausstrahlung in die Arme rechts mehr als links sowie tiefe Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in beide Beine. Seit etwa 2008 leide die Klägerin unter regelmäßigen HWS- und LWS-Beschwerden. Seit März 2013 befinde sie sich in regelmäßiger psychologischer Behandlung. Ihr zweitältester Sohn besuche eine Schule für geistig behinderte Menschen bis 14.00 Uhr und müsse dann von ihr, der Klägerin, betreut werden. Als Diagnosen lägen bei der Klägerin vor:
Chronisches Brachiozervikalsyndrom und Kraniozervikalsyndrom, Zustand nach Cageimplantation C4/5 und C5/6 2009 und 2010.
Chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom beiderseits bei Thorakolumbalskoliose, DL-Kyphose und degenerative Veränderungen im thorakolumbalen und lumbosakralen Übergang.
Rechtskonvexe Thorokolumbalskoliose mit Oberkörperüberhang nach rechts.
Chronische somatoforme Schmerzstörung.
Die statische Belastbarkeit der Klägerin sei reduziert. Die Einschränkungen ergäben sich aus der Wirbelsäulenerkrankung bei deutlicher Thorakolumbalskoliose und Bewegungseinschränkung der HWS bei einem Zustand nach Bandscheiben-Operation C4/5 und C5/6. Wesentliche Einschränkungen ergäben sich aus dem psychosomatischen Schmerzsyndrom, welches sowohl ausreichend schmerztherapeutisch als auch psychotherapeutisch behandelt werde. Einseitige körperliche Belastungen, regelmäßiges mittelschweres Heben und Tragen sowie Arbeiten in Zwangshaltungen könne die Klägerin nicht mehr tolerieren. Die berufliche Leistungsfähigkeit als Kosmetikerin und Fußpflegerin sei wegen der Notwendigkeit des Arbeitens in Rumpfbeuge aufgehoben. Aus orthopädischer Sicht bestehe eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten, wenn im Sitzen und im Wechsel mit Gehen und Stehen ohne schweres Heben und Tragen gearbeitet werden könne.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab. Bei der Klägerin liege ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten mit weiteren Funktionseinschränkungen vor (Bescheid vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015).
Mit ihrer am 18. September 2015 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und sich im Wesentlichen auf das Ergebnis der Rehabilitationsmaßnahme in der MEDIAN Klinik B. Lobenstein bezogen. Sie hat sich auch auf den von ihr selbst abgeforderten Befundbericht der Psychologischen Psychotherapeutin K. (ohne Datum) gestützt, dem als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, zu entnehmen ist. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 41 bis 42 Bd. II der Gerichtsakten Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. T. hat unter dem 22. September 2016 als Diagnosen eine Lumboischialgie bei Skoliose, eine Zervikobrachialgie bei Osteochondrose und Cage sowie einen Halux valgus beidseits mitgeteilt. Die Befunde hätten sich im Laufe der Zeit mit progredienten degenerativen Veränderungen an Wirbelsäule und Füßen verschlechtert. Auf Grund der skoliotischen Fehlhaltung, der Beschwerdesymptomatik sowie der schmerztherapeutischen Einstellung auf Morphin sei die Klägerin körperlich nicht belastbar. Die Fachärztin für Innere Medizin Dr. A. hat unter dem 23. September 2016 eine hinzugetretene Nierenerkrankung mit einer noch nicht abgeschlossenen Diagnostik berichtet. Die bei der Klägerin erhobenen Befunde würden tendenziell schlechter. Sie könne auch nicht sechs Stunden täglich arbeiten. Dem Befundbericht des Dialysezentrums Stadtfeld vom 29. September 2016 ist zu entnehmen, eine Einschränkung der Nierenfunktion bestehe bei der Klägerin nicht. Auf Grund der deutlichen Volumenbelastung durch die Zystennieren sei mit einer deutlichen körperlichen Beeinträchtigung zu rechnen. Eine weitere diagnostische Abklärung sei geplant. Die Fachärztin für Anästhesie Dr. C. hat in ihrem Befundbericht vom 11. Oktober 2016 ausgeführt, die Klägerin sei auf Grund ihrer Schmerzerkrankung und internistischen Erkrankung (multizystische Nieren mit einer chronischen Anämie) in allen Belangen des täglichen Lebens eingeschränkt. Der Klägerin sei es auch nicht möglich, leichte körperliche Arbeiten zu verrichten. Zur Begründung ist insoweit mitgeteilt worden, die Klägerin befinde sich seit 2013 in psychotherapeutischer Behandlung. Es bestünden neben der chronifizierten Schmerzerkrankung psychische und physische Probleme bei der Alltagsbewältigung (Versorgung des geistig behinderten Sohnes mit Trisomie 21). Es bestünden ein chronifiziertes Schmerzsyndrom mit chronischen Rückenschmerzen bei vorbestehender Skoliose und eine symptomatische polyzystische Nierenerkrankung mit Wachstumstendenz der Nierenzysten sowie ein chronischer Erschöpfungszustand. Eine Aussicht auf Besserung des Zustandes bestehe nicht. Dem Bericht der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie am Universitätsklinikum M. vom 8. Oktober 2016 ist zu entnehmen, bei der Klägerin seien im Rahmen der Sonographie mehr als 20 Leberzysten und beidseits Nierenzysten mit einer Größe von teilweise bis 15 cm gesichert worden. Es bestehe ein hochgradiger Verdacht auf eine Polyzystische Lebererkrankung (einer seltenen Erkrankung = orphan disease) mit Nierenzysten. Mit Bezug auf die recht fortgeschrittenen Leber- und Nierenzysten sei eine mittelschwere bzw. schwere körperliche Tätigkeit wahrscheinlich nur eingeschränkt bis nicht möglich. Im Übrigen auf Blatt 52 bis 55, 56 bis 59, 60 bis 75, 76 bis 81, 82 bis 91, 92 bis 118, 119 bis 126, 127 bis 130, 132 bis 147 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat sodann Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens von der Fachärztin für Innere Medizin/Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. vom 19. Januar 2018, das auf der Grundlage der am 1. November 2017 durchgeführten ambulanten Untersuchung der Klägerin erstattet worden ist. Die Klägerin habe zu ihrem Tagesablauf mitgeteilt, nach der Rückkehr ihres inzwischen 18-jährigen Sohnes aus der Schule für geistig behinderte Menschen um 14.00 Uhr rund um die Uhr für ihn da sein zu müssen. Nach dem Schulende 2018 werde er voraussichtlich in eine Werkstatt für behinderte Menschen aufgenommen. Haushalt und Einkauf müssten bis zur Rückkehr des Sohnes abgeschlossen sein. Sie benötige dafür mehr Zeit als früher. Bis 2017 habe sie auch den pflegebedürftigen Großvater betreut. Die demenzkranke Großmutter sei inzwischen im Pflegeheim. Daneben kümmere sie sich um ihre Eltern, beschränke aber den Kontakt mehr auf Telefonate. Es seien folgende gesundheitliche Störungen bei der Klägerin (zu 1. bis 2. auf internistischem Fachgebiet, zu 3. bis 5. auf anderen Fachgebieten) ermittelt worden:
Autosomal-dominante polyzystische Nierenerkrankung (familiäre Nierenzystenkrankheit) und Leberzysten ohne Einschränkung der Nieren- bzw. Leberfunktion und ohne Anämie.
Bluthochdruck ohne Linksherzhypertrophie und mit normaler Pumpfunktion.
Chronisches leichtes HWS-Syndrom mit Zustand nach zervikobrachialer Symptomatik rechts und Spondylodese-Operation mit Cage-Implantation 2009 am Segment C4/5 sowie 2010 am Segment C5/6 mit permanenten leichten Funktionsstörungen ohne Wurzelreizung oder motorische Ausfälle.
Chronisches Syndrom der Brustwirbelsäule (BWS) und LWS mit permanenten leichten Funktionsstörungen ohne Wurzelreizung oder motorische Ausfälle bei rechtskonvexer Thorakolumalskoliose und Bandscheibenvorwölbungen, L4/5 rechts mit intraforaminalem Anteil und Wurzeltangierung L5.
Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren.
Es hätten keine Anhaltspunkte für Simulation oder Aggravation bestanden, allerdings Verdeutlichungstendenzen, die Ausdruck einer Anpassungsstörung und der Begutachtungssituation geschuldet seien. Die Klägerin könne noch körperlich leichte und geistig mittelschwierige Tätigkeiten unter Berücksichtigung der Folgen der polyzystischen Nierenkrankheit, des Wirbelsäulensyndroms und der chronischen Schmerzstörung ohne gesundheitliche Gefährdung verrichten. Wegen des LWS-Syndroms sollten Tätigkeiten im gelegentlichen Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen angeboten werden. Arbeiten mit ständigen, längeren bzw. häufigen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen seien wegen des LWS-Syndroms und der Nierenzysten nicht zumutbar. Arbeiten mit gelegentlichen einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen könnten nicht angetragen werden. Heben, Tragen oder Bewegen mehr als leichter Lasten sollte nicht ohne mechanische Hilfsmittel erfolgen, auch wenn die demonstrierte Kraftentfaltung einen Umgang mit mittelschweren Lasten gestatten würde. Gerüst- und Leiterarbeiten sowie häufige Überkopfarbeiten seien wegen des HWS- und LWS-Syndroms nicht möglich. Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände und Fingergeschicklichkeit seien möglich. Die Greifformen seien nicht beeinträchtigt gewesen. Arbeiten im Freien, in Nässe oder Kälte seien wegen des lokalen Wirbelsäulensyndroms nicht geeignet. An das Seh- und Hörvermögen könnten durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Arbeiten mit durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Übersicht, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein seien unter Berücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms möglich. Arbeiten in Wechselschicht und unter besonderem Zeitdruck wie im Akkord oder am Fließband seien wegen der chronischen Schmerzstörung nicht geeignet. Die Klägerin könne die der Art nach zumutbaren Arbeiten acht Stunden täglich verrichten, wenn die qualitativen Einschränkungen beachtet würden. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Die festgestellte qualitative Minderung der Leistungsfähigkeit sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ab der Rentenantragstellung anzunehmen und bestehe auf Dauer. Die Einholung weiterer Gutachten werde nicht empfohlen.
Die Klägerin hat am 16. März 2018 beantragt, den Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie/Diabetologie und Palliativmedizin an der Helios Klinik Z. Dr. P. nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gutachterlich zu hören.
Das Gericht hat dann parallel das Gutachten von Dr. P. angefordert und weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C ...
Das auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 3. September 2018 erstellte Gutachten von Dr. P. (ohne Datum) ist am 8. Oktober 2018 bei dem Sozialgericht eingegangen. Die Klägerin habe bei Vorstellung für das Gutachten vornehmlich über rechtsseitige Oberarmschmerzen mit Ausstrahlung in die Schulter sowie gering ausgeprägte Schmerzen im Bereich der LWS sowie Kribbelparästhesien im Bereich des rechten Beines geklagt. Diese träten nur inkonstant auf und vornehmlich nach längerer körperlicher Belastung. Die aktuelle Schmerzmedikation mittels transdermaler Buprenorphin-Applikation führe hier zu einer Schmerzkontrolle, die jedoch Schmerzspitzen bei starker körperlicher Belastung nicht vollständig unterbinde. Dennoch ermögliche die zum Zeitpunkt der Untersuchung durchgeführte Schmerztherapie der Klägerin die Verrichtung täglicher Arbeiten im Haushalt sowie die Versorgung ihrer Kinder, wobei vornehmlich ihr von Trisomie 21 betroffener 19-jähriger Sohn den meisten Bedarf an Zuwendung habe. Die familiäre Versorgung und Organisation, für die vornehmlich die Klägerin innerhalb der Familie zuständig sei, verrichte die Klägerin nahezu uneingeschränkt. Zum Untersuchungstermin sie die Klägerin selbstständig im eigenen Pkw angereist. Im Rahmen der Untersuchung hätten sich lediglich durch Extrembewegungen zu provozierende Schmerzen gezeigt. Ansonsten seien keine relevanten Bewegungseinschränkungen nachzuweisen gewesen. Entsprechend sei von der Klägerin auch die fahrradergometrische Untersuchung bis zu einer Maximalbelastung von 100 Watt zu absolvieren gewesen, wobei die Untersuchung nur auf Grund körperlicher Erschöpfung, nicht auf Grund von Schmerzen habe abgebrochen werden müssen. Auf Grund dessen sowie unter Berücksichtigung der Lungenfunktionsprüfung und der elektrokardiographischen Untersuchung bestünden keine Zeichen einer kardiopulmonalen Insuffizienz. Die Nierenfunktion habe sich zum Zeitpunkt der Untersuchung als regelgerecht gezeigt. Der individuelle Verlauf einer polyzystischen Nierenerkrankung sei nicht vorhersehbar. Das klinische Spektrum reiche von asymptomatisch bis zu einer schweren Beeinträchtigung des Betroffenen. Zusammenfassend bestehe auf Grund der internistischen Erkrankung des Bluthochdrucks und der zystischen Veränderung von Leber und Niere keine Leistungseinschränkung. Limitierend seien in erster Linie die chronischen Schmerzen im Bereich des Schultergürtels rechts, der oberen Extremität rechts sowie im Bereich der LWS, die auf chronisch degenerative Veränderungen im Bereich des Knochen- und Bandscheibenapparates zurückzuführen seien. Zusätzlich würden intermittierend auftretende klinische Symptome des Ausfalls des Nervus peroneus beschrieben, wobei diese letztlich unter der aktuellen Schmerztherapie eine mäßige körperliche Belastung zuließen, was auch durch die Angaben der Klägerin erhärtet werde sowie im Rahmen der ergometrischen Untersuchung zu objektivieren sei. Körperlich leichte Tätigkeiten könnten auf Grund der bestehenden Erkrankungen ohne gesundheitliche Gefährdung durchgeführt werden. Es bestünden keine Anhalte für Simulation und Aggravation. Die Diskrepanz zwischen der nur gering zu objektivierenden Einschränkung der Leistungsfähigkeit auf Grund der bestehenden Schmerzen und des von der Klägerin angegebenen Ausmaßes der empfundenen Einschränkungen scheine hier eher durch psychisch/psychosomatische Einflussfaktoren im Rahmen des Schmerzsyndroms bedingt. Körperlich leichte und geistig mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten könnten auf Grund der bestehenden Erkrankungen ohne gesundheitliche Gefährdung durchgeführt werden. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, statische körperliche Belastungen, Arbeiten im Freien auch unter Witterungsschutz und in Wechsel- und/oder Nachtschicht oder unter besonderem Zeitdruck. Arbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit der Hände und der Fingergeschicklichkeit seien möglich, könnten jedoch durch die Entwicklung von Schmerzen im Bereich des Schultergürtels eingeschränkt werden. Arbeiten mit geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit sowie Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit sollten auch unter der bestehenden Schmerzmedikation möglich sein. Eine Einschränkung der möglichen täglichen Arbeitszeit unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen auf sechs bis acht Stunden erfolge vornehmlich auf Grund des bestehenden chronischen Schmerzsyndroms, welches jedoch im Rahmen der Begutachtung eine ausreichende körperliche Belastbarkeit zugelassen habe. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt. Nachdem zusätzlich ein psychiatrisches Gutachten zur Beurteilung einer psychosomatischen Komponente bereits vom Gericht beauftragt worden sei, werde die Einholung weiterer Gutachten nicht empfohlen.
Dr. C. hat ein "neurologisch-psychiatrisch-psychotherapeutisches und speziell schmerztherapeutisches" Gutachten vom 30. Oktober 2018 auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung der Klägerin am 23. August 2018 erstattet. Die Klägerin habe über die vor allem durch die Betreuung ihres Sohnes C. K. dominierte und sie stark psychisch belastende familiäre Situation berichtet. Bei der Klägerin bestünden folgende Diagnosen:
Neurologisch:
Cervicobrachialgie mit Radikulopathie C6 mit radikulärem neuropathischem Schmerz und sensiblem Defizit bei Zustand nach Operation eines cervikalen Bandscheibenvorfalls mit Cage-Implantation in Höhe C5/6,
Cervikobrachialgie und Cervikocephalgie ohne Radikulopathie bei Zustand nach Bandscheibenvorfall in Höhe C4/5 mit Cage-Implantation (2009) LWS 2010,
multisegmentale lumbale Bandscheibenschäden mit Bandscheibenvorfall und Neuroforaminaeinengung in Höhe L5/S1 mit S1 Radikulopathie sensibel rechts,
leichtgradiges Carpaltunnelsyndrom rechts,
Kombinationskopfschmerz aus chronischem Spannungskopfschmerz und medikamentenbedingtem Dauerkopfschmerz,
degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit paravertebralen muskulären Dysbalancen und konsekutivem myofacialem Schmerzsyndrom,
intracerebrale Gefäßmalformation im Bereich der Capsula interna links ohne derzeitige klinische Relevanz,
Ausschluss eines disseminiert entzündlichen ZNS-Prozesses im Sinne einer Multiplen Sklerose.
Psychiatrisch:
anhaltende schwere depressive Störung mit gegenwärtig schwerer depressiver Episode,
anhaltende somatoforme Schmerzerkrankung auf dem Boden somatischer und psychischer Faktoren,
schwere Anpassungsstörung bei familiärer Problemlage (Down-Syndrom eines Sohnes) sowie internistische Erkrankung.
Orthopädisch:
degeneratives Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen mit positiven antinukleären Antikörpern ohne aktuellen Nachweis einer rheumatologischen Erkrankung,
Nierenzysten und Leberzysten bei Verdacht auf hereditäre Erkrankung, unklarer Bauchspeicheldrüsenprozess,
arterielle Hypertonie,
chronische Anämie.
Mit den vorgenannten Erkrankungen sei eine anhaltende schwere depressive Erkrankung mit ausgeprägter Herabgestimmtheit, Grübelzwängen, Gedankenkreisen, schwerer Regression und sozialem Rückzugsverhalten, ausgeprägter Affektlabilität und zum Teil pseudodementen kognitiven Beeinträchtigungen sowie Scham- und Schuldgefühl in Verbindung mit der bestehenden Anpassungsstörung bei schuldhaft verarbeiteter eigener somatischer Erkrankung und vor allem der völligen Fehlverarbeitung und Erziehungsproblematik des an Down-Syndrom erkrankten Sohnes von jetzt 19 Jahren. Zum aktuellen Zeitpunkt sei jede regelmäßige Erwerbstätigkeit völlig, auch im Umfang von drei Stunden täglich, ausgeschlossen. Die aktuelle Schwere der psychischen Erkrankung, der chronischen Schmerzerkrankung, der völligen Krankheitsfehlverarbeitung, der familiären Situation und der eigenen Erkrankung sei hierfür überwiegend maßgebend. Zudem bestünden auf Grund der chronischen Anämie und der Zystenerkrankung von Niere und Leber eine Minderung der Belastbarkeit und eine rasche Erschöpfbarkeit. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei auf Grund der chronifizierten Schmerzerkrankung und der allgemeinen, auch internistisch und neurologisch mitbegründeten Bewegungseinschränkung und Verminderung der Leistungsfähigkeit reduziert. Mehrmals täglich seien 500 m nicht zurückzulegen. Die Klägerin könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Ein eigenes Kfz sollte auf Grund der Schwere der depressiven Erkrankung, der bestehenden Medikation, insbesondere der hochdosierten Opiatmedikation, nicht geführt werden. Da im Vorgutachten von Dr. med. habil. Gellerich am 31. März 2015 nur eine gegenwärtig mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung berichtet werde und sie in der Zusammenfassung keine psychiatrischen Leiden beschreibe, sei davon auszugehen, dass es erst nach diesem Zeitpunkt zu der Schwere der Symptomatik gekommen sei. Diese Verschlechterung erkläre sich aus der hier erhobenen Anamnese, vor allem auf dem Boden der Zunahme der Schwierigkeiten mit dem erwachsen gewordenen, an Down-Syndrom erkrankten Sohn sowie auf Grund der Zuspitzung der internistischen Erkrankung mit einer Angst der Klägerin vor einer Dialysepflichtigkeit. Die Einschränkung bestehe nicht auf Dauer. Eine Veränderung erfordere jedoch eine Optimierung sowohl des schmerztherapeutischen als auch des psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungskonzeptes. Neben einer pharmakologischen Therapie und physiotherapeutischen Ansätzen sei die psychologische Betreuung der Schmerzerkrankung ganz wesentlich. Zudem sollten in der Familie die Strukturen geändert werden. Unterstützung und Entlastung für den behinderten Sohn könnten eine ganz wesentliche Verbesserung in der Gesamtsituation bewirken. Realistisch benötigten die genannten Maßnahmen eine Zeitdauer von sicher zwei Jahren, um tragfähige Veränderungen und eine Besserungstendenz zu bewirken. Auf Grund dessen werde eine Erwerbsminderungsberentung für zwei Jahre unter Festschreibung genannter Therapieansätze vorgeschlagen. Unter den Bedingungen sei eine Besserung der Leistungsfähigkeit auf sechs Stunden und mehr täglich realistisch. Die Angelegenheit sei abschließend geklärt.
Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 13. November 2018 unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2015 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2020 zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin sei voll erwerbsgemindert. Bei der Klägerin liegt ein Leistungsvermögen von unter sechs Stunden täglich vor. Das ergebe sich letztlich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. C., aber auch bereits aus dem Entlassungsbericht der im September/Oktober 2014 durchgeführten Rehabilitation. Auch dort sei unter Beachtung psychischer Gesundheitsstörungen bereits ein Leistungsvermögen der Klägerin von unter drei Stunden täglich eingeschätzt worden. Da die Klägerin aus psychiatrischen Erkrankungen heraus nicht arbeiten könne, komme es auf die Frage, ob sie aus orthopädischen oder internistischen Gründen nicht arbeiten könne, nur noch insoweit an, ob das Leistungsvermögen der Klägerin auf Dauer aufgehoben ist. Dies sei ausweislich der Gutachten von Frau K., Dr. H. und Dr. P. nicht der Fall. Das Gericht habe seiner Entscheidung den Entlassungszeitpunkt aus der Rehabilitation am 21. Oktober 2014 zugrunde gelegt, da die Einschätzung von Dr. med. habil. Gellerich falsch sei. In Bezug auf die Befristung folge das Gericht dem Vorschlag des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C., wobei aus Sicht des Gerichts eine Änderung der Tagesstrukturen der Klägerin unter Berücksichtigung der Versorgung des behinderten Sohnes kaum durchführbar. Der Zeitraum der befristeten Rente ergebe sich aus einem mit dem siebten Monat nach der Leistungsminderung beginnenden Rente für zunächst drei Jahre (bis zum 30. April 2018) mit einer sich daran anschließenden Verlängerung bis zur Untersuchung bei Dr. C. (am 23. August 2018) und dann einer Verlängerung um zwei Jahre bis zum 31. August 2020.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 22. November 2018 zugestellte Urteil am 10. Dezember 2018 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels führt sie im Wesentlichen aus, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. C. seine Leistungseinschätzung für den Untersuchungszeitpunkt getroffen habe. Würde man diesem Gutachten folgen, sei von einem Leistungsfall der Erwerbsminderung am 23. August 2018 auszugehen. Allerdings sei dem Gutachten auch in Bezug auf die Einschätzung eines aufgehobenen Leistungsvermögens der Klägerin nicht zu folgen. Diese sei nicht mit vorliegenden Befunden zu begründen. Die bekanntermaßen von der Klägerin realisierten Aktivitäten ließen eine quantitative Leistungsminderung gerade nicht erkennen. Die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. zur Gehfähigkeit und zum Führen eines Kfz stünden im Widerspruch zu den Vorgutachten und seien nicht mit einer Begründung versehen. Soweit die Kontextfaktoren der Belastung durch die Pflege des behinderten Sohnes im Rahmen der Einschätzung des Leistungsvermögens berücksichtigt seien, stehe dies in Widerspruch zu den Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung der Deutschen Rentenversicherung (Stand 2012, Seite 50).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. November 2018 aufzuheben und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Gutachten von Dr. C. sei in sich widerspruchsfrei und in seinem Ergebnis überzeugend. Die jahrelange Fehlverarbeitung der Erkrankung ihres Sohnes, die für ihre psychische Erkrankung und Schmerzstörung mitverantwortlich sei, lasse sich nicht durch eine Änderung in den Familienstrukturen aus der Welt schaffen. Von der Beklagten seien keine Ermittlungen durchgeführt worden. Das Gutachten von Dr. med. habil. Gellerich sei nicht als solches zu bewerten, da sie keine Diagnose auf psychiatrischem Fachgebiet gestellt habe.
Für die von der Klägerin vom 3. bis zum 24. Oktober 2018 in der Ostseeklinik Zingst wahrgenommene Mutter-Kind-Kur sind im Entlassungsbericht vom 24. Oktober 2018 ein psychovegetativer Erschöpfungszustand und durch eine zystische Nierenerkrankung verursachte chronische Schmerzen und Schlafstörungen mitgeteilt worden. Besondere Belastungen bestünden durch den erhöhten Förderungs- und Betreuungsbedarf des 19-jährigen Sohnes mit Down-Syndrom. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 383 bis 384 Bd. III der Gerichtsakten Bezug genommen.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens sind Befundberichte von den behandelnden Ärzten eingeholt worden. Zu den Einzelheiten wird auf Blatt 381 bis 384, 386 bis 391, 392 bis 394 und 397 bis 398 Bd. III der Gerichtsakten Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine Rente zu bewilligen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Sie hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung vom 1. Mai 2015 bis zum 31. August 2020.
Nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Versicherte sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI teilweise erwerbsgemindert, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, bzw. nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI voll erwerbsgemindert, wenn sie unter diesen Bedingungen außerstande sind, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Klägerin ist nicht erwerbsgemindert in diesem Sinne, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass sie seit Rentenantragstellung nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Für den Zeitraum vom 1. Mai 2015 bis zum 28. Februar 2019 stützt der Senats sich auf das Leistungsbild, das durch drei Sachverständigengutachten im Klageverfahren (erstellt von Dr. H., Dr. P. und Dr. C.) und zwei deren Feststellungen stützende Gutachten aus dem Widerspruchsverfahren (erstellt von Dr. med. habil. Gellerich und Frau K.).
Soweit die Klägerin meint, es seien hier keine Ermittlungen durchgeführt worden, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Der Rehabilitationsentlassungsbericht der MEDIAN Klinik L. vom 9. Dezember 2014 bezieht sich auf Feststellungen zum Zeitpunkt der Entlassung am 21. Oktober 2014. Bereits die dortigen Angaben zur Mehrfachbelastung durch eine Pflege auch der Großeltern sind für den im Berufungsverfahren streitigen Zeitraum nicht unverändert zugrunde zu legen. Im Übrigen wurde in dem Bericht auf körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten abgestellt, die nicht den Maßstab des § 43 SGB VI bilden. Die Leistungseinschätzung ist auch als vorläufig gekennzeichnet und bezieht sich auf einen Zustand ohne eine fachpsychiatrische Behandlung der Klägerin. Dr. C. hat sich für den vor der durch ihn durchgeführten Untersuchung liegenden Zeitraum nicht gegen das Gutachten von Dr. med. habil. Gellerich gestellt, sondern hat deren Feststellungen ausdrücklich zum Gegenstand seiner Bewertung gemacht und sich hiervon nur zeitlich im Sinne einer zwischenzeitlich eingetretenen Verschlimmerung der Beschwerden der Klägerin abgegrenzt.
Bezüglich des unter Berücksichtigung der Feststellungen in dem Gutachten von Dr. C. zu diskutierenden Zeitraums einer Rentengewährung ab dem siebten Monat nach der von ihm durchgeführten Untersuchung, das heißt ab dem 1. März 2019, sieht der Senat keine Möglichkeit, an der Entscheidung des Sozialgerichts festzuhalten.
Der Senat übersieht nicht, dass der Sohn C. K. als behinderter Mensch sicherlich in erheblichem Umfang von der durch die Klägerin für ihn zu Hause sichergestellten Pflege profitiert hat bzw. profitiert. In rechtlicher Hinsicht ist insoweit voranzustellen, dass die Klägerin die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hier nur auf Grund der im Versicherungsverlauf berücksichtigten Zeiten für eine Pflegetätigkeit erfüllt. Der Senat hat diesbezüglich die besondere Situation der Klägerin mit der intensiven Pflege ihres Sohnes C. K. im Übrigen unter dem Gesichtspunkt der Einbeziehung der Belastung durch die Pflege in Bezug auf die Genese einer Erkrankung der Klägerin und bei der Überzeugungsbildung, ob die bei der Klägerin bestehende Beeinträchtigung im Ergebnis in medizinischer Hinsicht eine "Krankheit oder Behinderung" im Sinne des § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist, zu berücksichtigen gehabt. Den Umstand, dass die Klägerin seit Rentenantragstellung bis einschließlich August 2018 aus Gründen der Betreuung ihres Sohnes C. K. bereits tatsächlich nicht hat im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses arbeiten können, weil sie so sehr in seine Betreuung einbezogen gewesen ist, dass nachvollziehbar keine zumutbaren zeitlichen Ressourcen für eine weitere Erwerbstätigkeit bestanden haben, musste der Senat nicht abschließend würdigen, da es für diesen Zeitraum an medizinischen Feststellungen fehlt, auf den eine Verurteilung der Beklagten hätte gestützt werden können.
In Bezug auf den näher zu behandelnden Aspekt der Pflege ist vorauszuschicken, dass mit einer Pflegetätigkeit als solcher regelmäßig nicht eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI verknüpft werden kann, das Pflegerisiko also nicht in die Rentenversicherung verlagert werden kann. Für eine solche Verlagerung ergeben sich weder aus den Regelungen des SGB VI noch denen des Elften Buches Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) hinreichende Anhaltspunkte. Insbesondere fehlt es an einer Erstattungsregelung, die einen Ausgleich zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und den Pflegekassen für diese Aufwendungen ermöglichen würde. Blendet man die Pflegetätigkeit der Klägerin aus, bestehen für den Senat keine Zweifel, dass sie auch vom 1. März 2019 bis zum 31. August 2020 noch mindestens sechs Stunden täglich geistig einfache und körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten hat verrichten können. Die internistischen und orthopädischen Erkrankungen der Klägerin stehen nach den Gutachten von Dr. H. und Dr. P. einer Leistungsfähigkeit der Klägerin in diesem Umfang nicht entgegen. Die von der Klägerin vor der mündlichen Verhandlung bei dem Senat eingereichten Fotos sind für einen medizinischen Laien erschreckend, aber nicht geeignet, fachkundige Feststellungen zu ersetzen. Der Senat hat keine eigene Sachkunde insbesondere zu Fragen einer Erkrankung, die als orphan disease eingestuft ist, und stützt sich insoweit auf die von Dr. P. abgegebene Beurteilung der sich durch diese Erkrankung im hier streitigen Zeitraum ergebenden Funktionseinschränkungen.
Für die diagnostische Einschätzung einer erheblichen psychischen Erkrankung der Klägerin durch Dr. C. ist zu berücksichtigen, dass dieser die tatsächliche familiäre Situation der Klägerin in die Diagnosestellung einbezieht. An dem Gutachten ist zu beanstanden, dass der Sachverständige entsprechend den Angaben der Klägerin vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung über die maßgebende Änderung der Pflegesituation durch die Aufnahme von C. K. in eine WfbM zum 1. September 2018 informiert gewesen ist, diese Information aber nicht zum Gegenstand seines Gutachtens gemacht hat. Es begegnet im Übrigen erheblichen Bedenken, dass eine jeden Tag aktuelle Überlastungssituation eine hinreichend dauerhafte Erwerbsminderung für die Zukunft bewirken könnte. Unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsrechts und des Schutzes von Ehe und Familie im Verfassungsrang kann von Seiten des Rentenversicherungsträgers im Rahmen von Mitwirkungspflichten eine Änderung nicht verlangt werden. Diese Abgrenzung muss daher auf rechtlicher Ebene in der Weise vorgenommen werden, die dem Versicherten einerseits sein Selbstbestimmungsrecht über seine Lebensverhältnisse belässt, andererseits für die Frage einer Leistungsfähigkeit auf eine typisierende Betrachtung zurückgreift, welche die Umstände ausblendet, die rechtlich nicht dem Versicherungsrisiko der gesetzlichen Rentenversicherung zuzuordnen sind. Der Senat muss sich nicht mit den von der Beklagten für diese Auffassung in Anspruch genommenen Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung auseinandersetzen, da diese der Auffassung des Senats nicht widersprechen. Dr. C. hat im Übrigen dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen, dass sich die Klägerin seit Rentenantragstellung zwar in psychologischer, nicht aber in psychiatrischer Behandlung befindet, sodass die Einschätzung eines therapeutischen Zugangs zu der Erkrankung entsprechend eine Prognoseentscheidung bleiben muss (vgl. zu der regelmäßig zu fordernden psychiatrischen Therapie als Vorbedingung der Feststellung einer Leistungsminderung z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Mai 2016 - L 5 R 4194/13 -, juris). Bedenklich an der Gesamteinschätzung von Dr. C. ist auch, dass er fachfremd eine zu einer Erschöpfung der Klägerin beitragende chronische Anämie diagnostiziert hat, die nach der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. in Übereinstimmung mit der Bewertung der behandelnden Fachärzte und Dr. P. nicht festzustellen ist.
Im Übrigen stehen sich zwei alternative Zuordnungen der erheblichen Beeinträchtigung der Klägerin gegenüber: einerseits die von Dr. C. angenommene Diagnose einer anhaltenden schweren depressiven Störung, andererseits die von Dr. med. habil. Gellerich angenommene nicht krankhafte Reaktion auf eine reale Belastungssituation. Letzteres ist nicht einer "Krankheit oder Behinderung" im Rechtssinne zuzuordnen, sondern stellt eine situativ bedingte Beeinträchtigung im Rahmen einer gesunden menschlichen Reaktion dar. Es ist nicht erkennbar, dass diese Frage in der aktuellen Situation im Sinne einer "Krankheit" im hier maßgebenden Rechtssinn für die Erwerbsminderung beantwortet werden könnte. Soweit die Klägerin meint, dass inzwischen eine von der Familiensituation loszulösende chronifizierte psychische Erkrankung vorliege, findet dies keine Stütze in den insgesamt fünf Gutachten (einschließlich des Gutachtens von Dr. C.), die seit Beginn des Rentenverfahrens eingeholt worden sind. Träfe dies zu, wäre im Übrigen umso mehr auf eine im Vordergrund stehende psychiatrische Behandlung der Klägerin zu verweisen, die bei einer anhaltenden schweren depressiven Störung bereits von Seiten der behandelnden Ärzte aus Gründen des Schutzes der Klägerin hätte veranlasst werden müssen. Insoweit ist indes hervorzuheben, dass die psychologische Betreuung der Klägerin ausweislich des Befundberichts von Dipl.-Psych. K. vom 17. Juli 2019 auf der Grundlage einer rezidivierenden depressiven Störung mit einer mittelgradigen depressiven Episode durchgeführt worden ist.
Bei der Klägerin liegt weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats (GS) des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 33 f.; diese Rechtsprechung findet weiterhin Anwendung, vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R -, juris, RdNr. 22ff.). Das Leistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für Tätigkeiten wie z.B. ein Zureichen, Abnehmen, Reinigungsarbeiten, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus.
Der Senat ist auch überzeugt, dass bei der Klägerin kein Katalog- oder Seltenheitsfall vorliegt, der zu einer Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen könnte. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. GS BSG, Beschluss vom 19. Dezember 1996, a.a.O., zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Aus Sicht des Senats bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit den bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen nicht viermal täglich knapp mehr 500 m in 20 Minuten zurückgelegt werden könnten. Dr. H. und Dr. P. haben jeweils keine relevanten Einschränkungen der Gehfähigkeit der Klägerin festgestellt. Der Senat kann die Einschätzung von Dr. C., dass die Klägerin nicht mehrfach täglich Gehstrecken von dieser Entfernung zurücklegen könnte, dahinstehen lassen, da die Klägerin über eine Fahrerlaubnis und einen Pkw verfügt. Einschränkungen der Fahrtauglichkeit der Klägerin sind insbesondere durch Dr. H. und Dr. P. (dort unter Hinweis auf die tägliche Benutzung eines Kfz) nicht mitgeteilt worden, sodass sich der Senat der Auffassung von Dr. C. insoweit nicht anschließen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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