Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KG 2096/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 KG 3408/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zugangsvermutung in § 37 Abs. 2 SGB X wird durch die Behauptung, einen Bescheid (hier: Aufhebung von Kindergeld nach Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes) nicht erhalten zu haben, nicht beseitigt, wenn mit der Absendung des Bescheides auch eine Zahlungseinstellung verbunden war und der Adressat des Bescheides den Umstand, dass er keine Leistung mehr erhält, erst mehr als fünf Jahre nach der Zahlungseinstellung bemerkt.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Mannheimvom 26. Juni 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Kindergeld (KG) für seine Tochter E. für die Zeit von März 1991 bis Dezember 1995.
Der am 1949 geborene Kläger ist Vater der Kinder E. (geb. 1975), T. (geb. 1977) und J. (geb. 1984). Bis Februar 1991 bezog er für alle drei Kinder antragsgemäß KG. Mit einem am 09.01.1991 eingegangenen Schreiben vom 03.01.1991 teilte der Kläger dem Arbeitsamt Mannheim (Kindergeldkasse) mit, dass sich seine Bankverbindung geändert hat. Die Beklagte veranlasste daraufhin mit Verfügung vom 11.01.1991 die Überweisung des KG auf das neue Konto des Klägers. Anfang 1991 machte das Zentralamt der Beklagten der Kindergeldkasse Mannheim in einer KG-Terminanzeige folgende Mitteilung: "Aufhebungsbescheid wegen Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes E. vom ZA an Berechtigten versandt im Monat 01.91". Gleichzeitig wurde die Zahlung des KG für E. mit Ablauf des Monats Februar 1991 eingestellt. Ab März 1991 erhielt der Kläger nur noch KG für T. und J ... Eine Reaktion des Klägers auf die ab März 1991 erfolgte verminderte KG-Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger wandte sich erst im Juni 1993 wieder an die Kindergeldkasse. Zu diesem Zeit-punkt hatte die Beklagte auch die KG-Gewährung für die Tochter T. wegen Vollendung des 16. Lebensjahres aufgehoben. Dem Aufhebungsbescheid war ein Formular (Schulbescheini-gung) beigefügt, das der Kläger am 25.06.1993 bei der Kindergeldkasse ausgefüllt wieder einreichte und in dem der weitere Schulbesuch der Tochter T. bestätigt wurde. Daraufhin nahm die Beklagte die Zahlung von KG an T. wieder auf. Am 20.04.1994 reichte der Kläger ferner eine "Erklärung zu den Einkünften eines über 16 Jahre alten Kindes" für seine Tochter Tina bei der Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 30.10.1996, bei der Beklagten eingegangen am 11.11.1996 monierte der Kläger, dass ihm ab März 1991 nur für zwei Kinder KG gezahlt worden sei. Er fügte seinem Schreiben Schul- und Studienbescheinigungen für E. und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 1993 bei. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19.11.1996 KG für E. erst ab Mai 1996 und führte aus, rückwirkend könne das KG gemäß § 66 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nur für sechs Monate vor dem Monat gezahlt werden, in dem der schriftliche Antrag eingegangen ist und der Antrag sei erst am 19.11.1996 eingegangen.
Hiergegen erhob der Kläger entsprechend der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung Einspruch und führte aus, analog der Handhabung bei T. sei der Beklagten auch für E. im Januar 1991 eine Schulbescheinigung überlassen worden. Durch Einspruchsentscheidung vom 09.06.1997 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers ab.
Mit einem am 26.06.1997 beim Arbeitsamt Mannheim eingegangenen und von dort an das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) weitergeleiteten Schreiben hat der Kläger Klage er-hoben. Das FG hat mit Beschluss vom 23.08.2001 das Verfahren getrennt und das Verfahren wegen KG für den Zeitraum von März 1991 bis Dezember 1995 an das Sozialgericht Mann-heim (SG) verwiesen. Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe dem Arbeitsamt Mannheim im Dezember 1990 eine Schulbescheinigung für seine Tochter E. über-sandt. Ein besonderer Bescheid vom Januar 1991 sei ihm nicht zugegangen. In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 25.03.2002 hat der Kläger u.a. angegeben, er habe ge-wusst, dass ein weiterer Schulbesuch für Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nachzuweisen sei. Darauf sei er auch von der Schule, die seine Tochter damals besucht habe, hingewiesen worden. Er könne nicht ausschließen, dass er einen Aufhebungsbescheid be-kommen habe. Doch habe er alle Schreiben des Arbeitsamtes in einem Ordner abgeheftet; ein Aufhebungsbescheid sei nicht darunter. Er sei damals privat als Mitglied im Vorstand des Turnvereins sehr engagiert und auch sehr überlastet gewesen. Nur so könne er sich erklären, dass er übersehen habe, dass ihm für E. kein KG mehr gezahlt worden sei. Mit Schreiben vom 07.04.2002 hat er noch einmal betont, dass eine Schulbescheinigung für seine Tochter vorge-legt worden sei.
Mit Urteil vom 26.02.2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19.11.1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.06.1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger KG für E. für die Zeit ab 01.03.1991 zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. dargelegt, nach § 37 Abs. 2 SGB X gelte ein schriftlicher Bescheid , der durch die Post übermittelt werde, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel habe die Behörde den Zugang des Bescheides nachzuweisen. Bestreite der Adressat den Zugang, könne er in der Regel nicht substantiiert vortragen, warum ihn das Schriftstück nicht erreicht hat. In solchen Fällen genüge das bloße Bestreiten. Die Behörde müsse dann den Zugang nachweisen. Der Beklagten obliege der Nachweis, dass der Bescheid den Bereich ihres Zentralamts verlassen hat. Dieser Beweis könne nach den Regeln des Anscheinsbeweises nicht geführt werden, wenn die Absendung des Bescheides nicht in einem Absendevermerk festgehalten ist. Nach-dem hier kein Absendevermerk bzw. ein Vermerk über die Zuleitung des Bescheides an die Poststelle des Zentralamtes festgestellt werden könne, reiche die in den Akten enthaltene Do-kumentation über die Erstellung eines Bescheides (nicht dessen Absendung) nicht. Ein Auf-hebungsbescheid sei daher mangels Bekanntgabe nicht wirksam. Allerdings habe die Beklagte nach § 25 BKGG a.F. von der Erteilung eines Bescheides absehen dürfen, weil der Kläger vor dem 11.11.1996 nicht angezeigt hatte, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Ausbildungs-KG vorliegen. Diese Anzeige habe er aber am 11.11.1996 nachgeholt, sodass E. auch nach Februar 1991 weiter zu berücksichtigen sei. Die bis zum 17.12.1978 in § 17 Abs. 3 BKGG enthaltene Verweisung auf § 9 Abs. 2 BKGG a.F. sei weggefallen. Deshalb wirke die am 11.11.1996 erstattete Anzeige über die sechsmonatige Rückwirkungsfrist nach § 9 Abs. 2 BKGG a.F. hinaus mit der Folge, dass E. über Februar 1991 hinaus zu berücksichtigen sei. Die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung des Urteils ist dieser gegen Empfangsbekenntnis am 31.07.2002 zugestellt worden.
Am Montag, den 02.09.2002 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Aufhebungsbescheid für Evelyne im Januar 1991 sei wirksam ge-worden. Der Aufhebungsbescheid sei an die noch heute bestehende Adresse des Klägers ver-sandt worden; ein Postrücklauf sei nicht zu verzeichnen gewesen. Der Kläger habe entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil den Zugang des Aufhebungsbescheides auch nicht bestritten, sondern im Erörterungstermin eingeräumt, er könne nicht ausschließen, dass er einen Aufhebungsbescheid bekommen habe. Ferner habe er auf seine private Überlastung damals hingewiesen. Aufgrund des erst im November 1996 gestellten KG-Antrages könne ein Anspruch auf KG gemäß § 9 Abs. 2 BKGG im hier streitigen Zeitraum nicht bejaht werden. Im Übrigen berufe sie sich für die Zeit von März bis Dezember 1991 auf Verjährung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Ein Aufhebungsbescheid sei ihm 1991 nicht zuge-gangen. Er habe zwar aufgrund der vorgetragenen Belastung die Geldeingänge auf seinem Konto nicht ausreichend überwacht. Die Überlastung habe sich aber nicht auf die Haushalts-führung und die Entgegennahme von Post ausgewirkt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungskaten der Beklag-ten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger auch für die Tochter E. KG bereits ab März 1991 zu zahlen. Ein solcher Anspruch steht dem Klä-ger nicht zu.
Die auf einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung beruhende Gewährung von KG für die Tochter E. ist durch einen von der Beklagten im Januar 1991 erlassenen Bescheid mit Wir-kung ab März 1991 wegen Vollendung des 16. Lebensjahres der Tochter E. wirksam aufge-hoben worden. Die in der Verwaltungsakte der Beklagten dokumentierte Mitteilung des Zent-ralamts der Beklagten, wonach im Januar 1991 ein Aufhebungsbescheid an den Berechtigten versandt worden ist, belegt, dass ein förmlicher Bescheid zur Post gegeben worden ist. Nach Ansicht des Senats wird durch den Vermerk "Aufhebungsbescheid wegen Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes E. vom ZA an Berechtigten versandt im Monat 01.91" nicht nur die Erstellung, sondern auch die Absendung eines Bescheides dokumentiert. Es sind keine An-haltspunkte dafür ersichtlich, dass die Mitteilung fehlerhaft oder gänzlich zu Unrecht erfolgt ist.
Mit der Aufgabe zur Post liegt allerdings noch keine für die Wirksamkeit des Aufhebungsbe-scheides erforderliche Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vor. Eine Bekanntgabe setzt vor-aus, dass der Verwaltungsakt dem Betroffenen auch tatsächlich zugegangen ist. Auch davon ist nach Auffassung des Senat hier auszugehen. Nach § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeit-punkt des Zugangs nachzuweisen. Ob der Zweifel am Zugang des Verwaltungsakts ein be-rechtigter sein muss, weil andernfalls die in § 37 Abs. 2 SGB X bestimmte widerlegbare Vermutung, die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruht, dass eine gewöhnliche Post-sendung den Empfänger innerhalb weniger Tage erreicht, sinnlos wäre und ob deshalb die Vermutung noch nicht dadurch widerlegt wird, dass der Empfänger nur vage, unsubstantiierte Angaben macht bzw. ohne weitere Angaben den Zugang bestreitet (so Urteil des Senat vom 27.02.2002 - Az.: L 1 KG 4161/00 -; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 27.03.2003 - Az. L 8 AL 279/02 - und LSG Neubrandenburg Urteil vom 14.07.1999 - L 2 AL 16/98 - beide Urteile veröffentlicht in Juris; von Wulffen/Engelmann, SGB X § 37 Rdnr. 13), kann hier offen bleiben. Damit ist ohnehin nicht gemeint, dass der Kläger die Behauptung, den Be-scheid nicht erhalten zu haben, näher begründen muss. Dies kann in der Tat nicht verlangt werden, weil er hierzu objektiv gar nicht in der Lage ist. Diese Ansicht beruht vielmehr auf der Überlegung, dass die Zugangsvermutung in § 37 Abs. 2 SGB X dem Anscheinsbeweis entspricht und deshalb besagt, dass es einen Erfahrungssatz gibt, wonach innerhalb von Deutschland ein ordnungsgemäß adressierter und frankierter Brief bei dem angegebenen Empfänger auch ankommt (vgl. Drescher, Beweisfragen bei der Behauptung des Nichtzu-gangs eines mittels einfachen Briefes übersandten Verwaltungsakts (§ 41 II VwVfG), NVwZ 1987, 771, 773). Der Adressat eines Verwaltungsakts müsste deshalb die ernsthafte Möglich-keit eines atypischen Geschehensablaufs dartun. Ein solcher atypischer Geschehensablauf könnte z.B. vorliegen, wenn bei dem Adressaten die Postbriefsendungen üblicherweise nicht in den Briefkasten eingeworfen, sondern an anderer Stelle abgelegt werden oder es aufgrund von Namensgleichheit bei Mitbewohnern im selben Haus zu Verwechslungen kommen kann (vgl. Drescher aaO S 774).
Der Beweis des Zugangs kann auf jeden Fall auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (BFH Urteil vom 12.03.2003 - Az.: X R 17/99 - veröffent-licht in Juris). Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ist der Senat da-von überzeugt, dass der Kläger Anfang 1991 tatsächlich einen Aufhebungsbescheid der Be-klagten erhalten hat. Denn die Beklagte hat nicht nur einen Aufhebungsbescheid versandt, sondern zugleich die Zahlung von KG für ein Kind des Klägers eingestellt. Wer diese Zah-lungseinstellung aufgrund privater Überlastung nicht bemerkt, der muss sich vorhalten lassen, dass ihm auch der Zugang eines Bescheides in dieser Zeit aus dem gleichen Grund entgangen sein kann. Hinzu kommt, dass der Kläger die Tatsache, dass er ab März 1991 für eines seiner drei Kinder kein KG mehr erhalten hat, erst fünfeinhalb Jahre später festgestellt hat. Bei die-sem Zeitraum wäre es für die Beklagte selbst dann schwierig, den Nachweis des Zugangs zu führen, wenn sie den Bescheid per Einschreiben (ohne Rückschein) zugestellt hätte, da die Post Auslieferungsnachweise üblicherweise nicht über einen so langen Zeitraum aufbewahrt. Angesichts des langen Zeitraums, der zwischen der (teilweisen) Zahlungseinstellung durch die Beklagte und der Feststellung dieses Umstands durch den Kläger vergangen ist (mehr als fünf Jahre) und im Hinblick darauf, dass auch nach einer teilweisen Zahlungseinstellung mit einer baldigen Reaktion des Betroffenen gerechnet werden kann, falls dieser damit nicht ein-verstanden ist, verstößt das Bestreiten des Zugangs nach § 37 Abs. 2 SGB X nach so langer Zeit auch gegen Treu und Glauben (Gedanke der Verwirkung). Dies gilt umso mehr, als dem Kläger - für die Beklagte erkennbar - bekannt war, dass er für den weiteren Bezug von KG eine Schulbescheinigung beibringen muss. Denn er hat eine solche Bescheinigung für seine Tochter T. im Juni 1993 vorgelegt, was dazu geführt hat, dass die Beklagte ohne zu zögern die Zahlung von KG für das Kind T. wieder aufgenommen hat.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass damit nicht die Glaubwürdigkeit des Klägers in Zweifel gezogen werden soll. Denn es wird nicht behauptet, dass der Kläger den Zugang des Aufhebungsbescheides wider besseren Wissens bestreitet. Ein Bescheid ist auch dann bekannt gegeben und damit wirksam, wenn er zwar in den Machtbereich des Emp-fängers gelangt ist, dieser sich aber an diesen Umstand nicht mehr erinnern kann. Für einen wirksamen Zugang genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
Für die Zahlung von KG für die Zeit ab März 1991 war daher ein neuer - schriftlicher - An-trag auf Kindergeld (vgl. § 17 Abs. 1 BKGG) erforderlich. Einen solchen Antrag hat der Klä-ger erst im November 1996 gestellt. Aufgrund dieses Antrages kommt die Zahlung von KG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr in Betracht. Nach § 9 Abs. 2 BKGG in der bis zum 31.12.1995 geltenden Fassung sowie nach § 66 Abs. 3 EStG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung konnte Kindergeld rückwirkend nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats gezahlt werden, in dem der Kindergeldantrag eingegangen ist. Die zeitliche Begrenzung der Gewährung von KG für die Vergangenheit gilt für alle Ansprüche auf KG, die bis Ende 1997 entstanden sind, also auch für den vom Kläger mit seiner Klage geltend gemachten Anspruch. Erst für die ab 1998 bestehenden KG-Ansprüche gilt nur noch die vierjährige Festsetzungsverjährung nach der Abgabenordnung. Nach § 52 Abs. 32b EStG in der bis 31.12.1998 geltenden Fassung ist § 66 Abs. 3 EStG letztmals für das Kalenderjahr 1997 anzuwenden.
Überdies war die Beklagte nach der damals geltenden Rechtslage berechtigt, die Zahlung von unbefristet bewilligtem Kindergeld für E. mit Ablauf des Monats Februar 1991 einzustellen. Der Wegfall des bewilligten Kindergeldes ist unterschiedlich geregelt. Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 BKGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.01.1990 (BGBl. I Seite 149) be-stimmt als Grundsatz, dass ein einmal bewilligtes Kindergeld durch schriftlichen Bescheid zu entziehen ist. Hiervon macht § 25 Abs. 2 Nr. 2 BKGG eine Ausnahme. Danach kann von der Erteilung eines schriftlichen Bescheides abgesehen werden, wenn das Kind - wie im vorlie-genden Fall E. - das 16. Lebensjahr vollendet, ohne dass eine Anzeige nach § 17 Abs. 3 BKGG erstattet ist. Der Senat ist wie das SG davon überzeugt, dass der Kläger vor dem 11.11.1996 nicht angezeigt hatte, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung des KG für E. vorliegen. Eine Schulbescheinigung für E. ist weder im Dezember 1990 noch in den Jahren 1991 bis 1995 bei der Beklagten eingegangen. Die Regelungen in § 25 Abs. 2 BKGG will nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck dem Umstand Rechnung tragen, dass die Befris-tung des materiellen Anspruchs zur Erleichterung der Massenverwaltung eines Entziehungs-bescheides nicht bedarf (BSG-Urteil vom 07.09.1988 - Az.: 10 RKg 5/87 -). Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BSG nur, wenn für das Kind bereits über das 16. Lebensjahr hinaus Kindergeld bewilligt oder gezahlt worden ist. Dies war hier aber gerade nicht der Fall. Daher endete der Kindergeldanspruch mit Ablauf des Februars 1991, ohne dass ein Aufhe-bungsbescheid zu ergehen hatte.
Fraglich ist, ob die vom Kläger im November 1996 eingereichte Schulbescheinigung für E. auch bei einer Zahlungseinstellung ohne Bescheid - von der der Senat hier aber, wie darge-legt, nicht ausgeht - zu einer KG-Gewährung bereits ab März 1991 führen würde. Das SG weist zwar zu Recht darauf hin, dass durch Art 1 Nr. 5 des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.11.1978 (BGBl I Seite 1757) der Verweis auf § 9 Abs. 2 BKGG in § 17 Abs. 2 Satz 2 BKGG gestrichen wurde. Das BSG (aaO) hat jedoch zu § 17 BKGG idF des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.11.1978 entschieden, dass der Anzeige nach dieser Bestimmung ein ähnliche materiell-rechtliche Wirkung wie dem Kindergeldantrag zukommt und deshalb auf die Anzeige die Vorschriften über den KG-Antrag - dazu gehören auch § 9 Abs. 2 BKGG a.F. und § 66 Abs. 3 EStG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung - entsprechend anzuwenden sind. Kommt des-halb bei einem im November 1996 gestellten Antrag eine rückwirkende Kindergeldgewäh-rung für den hier streitigen Zeitraum nicht mehr in Betracht, gilt dies auch, wenn die Vorlage der Schulbescheinigung als Anzeige iSd § 17 BKGG a.F. als ausreichend für die Wiederbe-willigung von KG erachtet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Kindergeld (KG) für seine Tochter E. für die Zeit von März 1991 bis Dezember 1995.
Der am 1949 geborene Kläger ist Vater der Kinder E. (geb. 1975), T. (geb. 1977) und J. (geb. 1984). Bis Februar 1991 bezog er für alle drei Kinder antragsgemäß KG. Mit einem am 09.01.1991 eingegangenen Schreiben vom 03.01.1991 teilte der Kläger dem Arbeitsamt Mannheim (Kindergeldkasse) mit, dass sich seine Bankverbindung geändert hat. Die Beklagte veranlasste daraufhin mit Verfügung vom 11.01.1991 die Überweisung des KG auf das neue Konto des Klägers. Anfang 1991 machte das Zentralamt der Beklagten der Kindergeldkasse Mannheim in einer KG-Terminanzeige folgende Mitteilung: "Aufhebungsbescheid wegen Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes E. vom ZA an Berechtigten versandt im Monat 01.91". Gleichzeitig wurde die Zahlung des KG für E. mit Ablauf des Monats Februar 1991 eingestellt. Ab März 1991 erhielt der Kläger nur noch KG für T. und J ... Eine Reaktion des Klägers auf die ab März 1991 erfolgte verminderte KG-Zahlung erfolgte nicht.
Der Kläger wandte sich erst im Juni 1993 wieder an die Kindergeldkasse. Zu diesem Zeit-punkt hatte die Beklagte auch die KG-Gewährung für die Tochter T. wegen Vollendung des 16. Lebensjahres aufgehoben. Dem Aufhebungsbescheid war ein Formular (Schulbescheini-gung) beigefügt, das der Kläger am 25.06.1993 bei der Kindergeldkasse ausgefüllt wieder einreichte und in dem der weitere Schulbesuch der Tochter T. bestätigt wurde. Daraufhin nahm die Beklagte die Zahlung von KG an T. wieder auf. Am 20.04.1994 reichte der Kläger ferner eine "Erklärung zu den Einkünften eines über 16 Jahre alten Kindes" für seine Tochter Tina bei der Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 30.10.1996, bei der Beklagten eingegangen am 11.11.1996 monierte der Kläger, dass ihm ab März 1991 nur für zwei Kinder KG gezahlt worden sei. Er fügte seinem Schreiben Schul- und Studienbescheinigungen für E. und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 1993 bei. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19.11.1996 KG für E. erst ab Mai 1996 und führte aus, rückwirkend könne das KG gemäß § 66 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nur für sechs Monate vor dem Monat gezahlt werden, in dem der schriftliche Antrag eingegangen ist und der Antrag sei erst am 19.11.1996 eingegangen.
Hiergegen erhob der Kläger entsprechend der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung Einspruch und führte aus, analog der Handhabung bei T. sei der Beklagten auch für E. im Januar 1991 eine Schulbescheinigung überlassen worden. Durch Einspruchsentscheidung vom 09.06.1997 wies die Beklagte den Einspruch des Klägers ab.
Mit einem am 26.06.1997 beim Arbeitsamt Mannheim eingegangenen und von dort an das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) weitergeleiteten Schreiben hat der Kläger Klage er-hoben. Das FG hat mit Beschluss vom 23.08.2001 das Verfahren getrennt und das Verfahren wegen KG für den Zeitraum von März 1991 bis Dezember 1995 an das Sozialgericht Mann-heim (SG) verwiesen. Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe dem Arbeitsamt Mannheim im Dezember 1990 eine Schulbescheinigung für seine Tochter E. über-sandt. Ein besonderer Bescheid vom Januar 1991 sei ihm nicht zugegangen. In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 25.03.2002 hat der Kläger u.a. angegeben, er habe ge-wusst, dass ein weiterer Schulbesuch für Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nachzuweisen sei. Darauf sei er auch von der Schule, die seine Tochter damals besucht habe, hingewiesen worden. Er könne nicht ausschließen, dass er einen Aufhebungsbescheid be-kommen habe. Doch habe er alle Schreiben des Arbeitsamtes in einem Ordner abgeheftet; ein Aufhebungsbescheid sei nicht darunter. Er sei damals privat als Mitglied im Vorstand des Turnvereins sehr engagiert und auch sehr überlastet gewesen. Nur so könne er sich erklären, dass er übersehen habe, dass ihm für E. kein KG mehr gezahlt worden sei. Mit Schreiben vom 07.04.2002 hat er noch einmal betont, dass eine Schulbescheinigung für seine Tochter vorge-legt worden sei.
Mit Urteil vom 26.02.2002 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19.11.1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.06.1997 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger KG für E. für die Zeit ab 01.03.1991 zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. dargelegt, nach § 37 Abs. 2 SGB X gelte ein schriftlicher Bescheid , der durch die Post übermittelt werde, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel habe die Behörde den Zugang des Bescheides nachzuweisen. Bestreite der Adressat den Zugang, könne er in der Regel nicht substantiiert vortragen, warum ihn das Schriftstück nicht erreicht hat. In solchen Fällen genüge das bloße Bestreiten. Die Behörde müsse dann den Zugang nachweisen. Der Beklagten obliege der Nachweis, dass der Bescheid den Bereich ihres Zentralamts verlassen hat. Dieser Beweis könne nach den Regeln des Anscheinsbeweises nicht geführt werden, wenn die Absendung des Bescheides nicht in einem Absendevermerk festgehalten ist. Nach-dem hier kein Absendevermerk bzw. ein Vermerk über die Zuleitung des Bescheides an die Poststelle des Zentralamtes festgestellt werden könne, reiche die in den Akten enthaltene Do-kumentation über die Erstellung eines Bescheides (nicht dessen Absendung) nicht. Ein Auf-hebungsbescheid sei daher mangels Bekanntgabe nicht wirksam. Allerdings habe die Beklagte nach § 25 BKGG a.F. von der Erteilung eines Bescheides absehen dürfen, weil der Kläger vor dem 11.11.1996 nicht angezeigt hatte, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung des Ausbildungs-KG vorliegen. Diese Anzeige habe er aber am 11.11.1996 nachgeholt, sodass E. auch nach Februar 1991 weiter zu berücksichtigen sei. Die bis zum 17.12.1978 in § 17 Abs. 3 BKGG enthaltene Verweisung auf § 9 Abs. 2 BKGG a.F. sei weggefallen. Deshalb wirke die am 11.11.1996 erstattete Anzeige über die sechsmonatige Rückwirkungsfrist nach § 9 Abs. 2 BKGG a.F. hinaus mit der Folge, dass E. über Februar 1991 hinaus zu berücksichtigen sei. Die für die Beklagte bestimmte Ausfertigung des Urteils ist dieser gegen Empfangsbekenntnis am 31.07.2002 zugestellt worden.
Am Montag, den 02.09.2002 hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Aufhebungsbescheid für Evelyne im Januar 1991 sei wirksam ge-worden. Der Aufhebungsbescheid sei an die noch heute bestehende Adresse des Klägers ver-sandt worden; ein Postrücklauf sei nicht zu verzeichnen gewesen. Der Kläger habe entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil den Zugang des Aufhebungsbescheides auch nicht bestritten, sondern im Erörterungstermin eingeräumt, er könne nicht ausschließen, dass er einen Aufhebungsbescheid bekommen habe. Ferner habe er auf seine private Überlastung damals hingewiesen. Aufgrund des erst im November 1996 gestellten KG-Antrages könne ein Anspruch auf KG gemäß § 9 Abs. 2 BKGG im hier streitigen Zeitraum nicht bejaht werden. Im Übrigen berufe sie sich für die Zeit von März bis Dezember 1991 auf Verjährung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Juni 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Ein Aufhebungsbescheid sei ihm 1991 nicht zuge-gangen. Er habe zwar aufgrund der vorgetragenen Belastung die Geldeingänge auf seinem Konto nicht ausreichend überwacht. Die Überlastung habe sich aber nicht auf die Haushalts-führung und die Entgegennahme von Post ausgewirkt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungskaten der Beklag-ten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig und auch begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, dem Kläger auch für die Tochter E. KG bereits ab März 1991 zu zahlen. Ein solcher Anspruch steht dem Klä-ger nicht zu.
Die auf einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung beruhende Gewährung von KG für die Tochter E. ist durch einen von der Beklagten im Januar 1991 erlassenen Bescheid mit Wir-kung ab März 1991 wegen Vollendung des 16. Lebensjahres der Tochter E. wirksam aufge-hoben worden. Die in der Verwaltungsakte der Beklagten dokumentierte Mitteilung des Zent-ralamts der Beklagten, wonach im Januar 1991 ein Aufhebungsbescheid an den Berechtigten versandt worden ist, belegt, dass ein förmlicher Bescheid zur Post gegeben worden ist. Nach Ansicht des Senats wird durch den Vermerk "Aufhebungsbescheid wegen Vollendung des 16. Lebensjahres des Kindes E. vom ZA an Berechtigten versandt im Monat 01.91" nicht nur die Erstellung, sondern auch die Absendung eines Bescheides dokumentiert. Es sind keine An-haltspunkte dafür ersichtlich, dass die Mitteilung fehlerhaft oder gänzlich zu Unrecht erfolgt ist.
Mit der Aufgabe zur Post liegt allerdings noch keine für die Wirksamkeit des Aufhebungsbe-scheides erforderliche Bekanntgabe des Verwaltungsaktes vor. Eine Bekanntgabe setzt vor-aus, dass der Verwaltungsakt dem Betroffenen auch tatsächlich zugegangen ist. Auch davon ist nach Auffassung des Senat hier auszugehen. Nach § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeit-punkt des Zugangs nachzuweisen. Ob der Zweifel am Zugang des Verwaltungsakts ein be-rechtigter sein muss, weil andernfalls die in § 37 Abs. 2 SGB X bestimmte widerlegbare Vermutung, die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruht, dass eine gewöhnliche Post-sendung den Empfänger innerhalb weniger Tage erreicht, sinnlos wäre und ob deshalb die Vermutung noch nicht dadurch widerlegt wird, dass der Empfänger nur vage, unsubstantiierte Angaben macht bzw. ohne weitere Angaben den Zugang bestreitet (so Urteil des Senat vom 27.02.2002 - Az.: L 1 KG 4161/00 -; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 27.03.2003 - Az. L 8 AL 279/02 - und LSG Neubrandenburg Urteil vom 14.07.1999 - L 2 AL 16/98 - beide Urteile veröffentlicht in Juris; von Wulffen/Engelmann, SGB X § 37 Rdnr. 13), kann hier offen bleiben. Damit ist ohnehin nicht gemeint, dass der Kläger die Behauptung, den Be-scheid nicht erhalten zu haben, näher begründen muss. Dies kann in der Tat nicht verlangt werden, weil er hierzu objektiv gar nicht in der Lage ist. Diese Ansicht beruht vielmehr auf der Überlegung, dass die Zugangsvermutung in § 37 Abs. 2 SGB X dem Anscheinsbeweis entspricht und deshalb besagt, dass es einen Erfahrungssatz gibt, wonach innerhalb von Deutschland ein ordnungsgemäß adressierter und frankierter Brief bei dem angegebenen Empfänger auch ankommt (vgl. Drescher, Beweisfragen bei der Behauptung des Nichtzu-gangs eines mittels einfachen Briefes übersandten Verwaltungsakts (§ 41 II VwVfG), NVwZ 1987, 771, 773). Der Adressat eines Verwaltungsakts müsste deshalb die ernsthafte Möglich-keit eines atypischen Geschehensablaufs dartun. Ein solcher atypischer Geschehensablauf könnte z.B. vorliegen, wenn bei dem Adressaten die Postbriefsendungen üblicherweise nicht in den Briefkasten eingeworfen, sondern an anderer Stelle abgelegt werden oder es aufgrund von Namensgleichheit bei Mitbewohnern im selben Haus zu Verwechslungen kommen kann (vgl. Drescher aaO S 774).
Der Beweis des Zugangs kann auf jeden Fall auf Indizien gestützt und im Wege der freien Beweiswürdigung geführt werden (BFH Urteil vom 12.03.2003 - Az.: X R 17/99 - veröffent-licht in Juris). Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles ist der Senat da-von überzeugt, dass der Kläger Anfang 1991 tatsächlich einen Aufhebungsbescheid der Be-klagten erhalten hat. Denn die Beklagte hat nicht nur einen Aufhebungsbescheid versandt, sondern zugleich die Zahlung von KG für ein Kind des Klägers eingestellt. Wer diese Zah-lungseinstellung aufgrund privater Überlastung nicht bemerkt, der muss sich vorhalten lassen, dass ihm auch der Zugang eines Bescheides in dieser Zeit aus dem gleichen Grund entgangen sein kann. Hinzu kommt, dass der Kläger die Tatsache, dass er ab März 1991 für eines seiner drei Kinder kein KG mehr erhalten hat, erst fünfeinhalb Jahre später festgestellt hat. Bei die-sem Zeitraum wäre es für die Beklagte selbst dann schwierig, den Nachweis des Zugangs zu führen, wenn sie den Bescheid per Einschreiben (ohne Rückschein) zugestellt hätte, da die Post Auslieferungsnachweise üblicherweise nicht über einen so langen Zeitraum aufbewahrt. Angesichts des langen Zeitraums, der zwischen der (teilweisen) Zahlungseinstellung durch die Beklagte und der Feststellung dieses Umstands durch den Kläger vergangen ist (mehr als fünf Jahre) und im Hinblick darauf, dass auch nach einer teilweisen Zahlungseinstellung mit einer baldigen Reaktion des Betroffenen gerechnet werden kann, falls dieser damit nicht ein-verstanden ist, verstößt das Bestreiten des Zugangs nach § 37 Abs. 2 SGB X nach so langer Zeit auch gegen Treu und Glauben (Gedanke der Verwirkung). Dies gilt umso mehr, als dem Kläger - für die Beklagte erkennbar - bekannt war, dass er für den weiteren Bezug von KG eine Schulbescheinigung beibringen muss. Denn er hat eine solche Bescheinigung für seine Tochter T. im Juni 1993 vorgelegt, was dazu geführt hat, dass die Beklagte ohne zu zögern die Zahlung von KG für das Kind T. wieder aufgenommen hat.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass damit nicht die Glaubwürdigkeit des Klägers in Zweifel gezogen werden soll. Denn es wird nicht behauptet, dass der Kläger den Zugang des Aufhebungsbescheides wider besseren Wissens bestreitet. Ein Bescheid ist auch dann bekannt gegeben und damit wirksam, wenn er zwar in den Machtbereich des Emp-fängers gelangt ist, dieser sich aber an diesen Umstand nicht mehr erinnern kann. Für einen wirksamen Zugang genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme.
Für die Zahlung von KG für die Zeit ab März 1991 war daher ein neuer - schriftlicher - An-trag auf Kindergeld (vgl. § 17 Abs. 1 BKGG) erforderlich. Einen solchen Antrag hat der Klä-ger erst im November 1996 gestellt. Aufgrund dieses Antrages kommt die Zahlung von KG für den hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr in Betracht. Nach § 9 Abs. 2 BKGG in der bis zum 31.12.1995 geltenden Fassung sowie nach § 66 Abs. 3 EStG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung konnte Kindergeld rückwirkend nur für die letzten 6 Monate vor Beginn des Monats gezahlt werden, in dem der Kindergeldantrag eingegangen ist. Die zeitliche Begrenzung der Gewährung von KG für die Vergangenheit gilt für alle Ansprüche auf KG, die bis Ende 1997 entstanden sind, also auch für den vom Kläger mit seiner Klage geltend gemachten Anspruch. Erst für die ab 1998 bestehenden KG-Ansprüche gilt nur noch die vierjährige Festsetzungsverjährung nach der Abgabenordnung. Nach § 52 Abs. 32b EStG in der bis 31.12.1998 geltenden Fassung ist § 66 Abs. 3 EStG letztmals für das Kalenderjahr 1997 anzuwenden.
Überdies war die Beklagte nach der damals geltenden Rechtslage berechtigt, die Zahlung von unbefristet bewilligtem Kindergeld für E. mit Ablauf des Monats Februar 1991 einzustellen. Der Wegfall des bewilligten Kindergeldes ist unterschiedlich geregelt. Die Vorschrift des § 25 Abs. 1 BKGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.01.1990 (BGBl. I Seite 149) be-stimmt als Grundsatz, dass ein einmal bewilligtes Kindergeld durch schriftlichen Bescheid zu entziehen ist. Hiervon macht § 25 Abs. 2 Nr. 2 BKGG eine Ausnahme. Danach kann von der Erteilung eines schriftlichen Bescheides abgesehen werden, wenn das Kind - wie im vorlie-genden Fall E. - das 16. Lebensjahr vollendet, ohne dass eine Anzeige nach § 17 Abs. 3 BKGG erstattet ist. Der Senat ist wie das SG davon überzeugt, dass der Kläger vor dem 11.11.1996 nicht angezeigt hatte, dass die Voraussetzungen für die Weitergewährung des KG für E. vorliegen. Eine Schulbescheinigung für E. ist weder im Dezember 1990 noch in den Jahren 1991 bis 1995 bei der Beklagten eingegangen. Die Regelungen in § 25 Abs. 2 BKGG will nach ihrem Wortlaut, Sinn und Zweck dem Umstand Rechnung tragen, dass die Befris-tung des materiellen Anspruchs zur Erleichterung der Massenverwaltung eines Entziehungs-bescheides nicht bedarf (BSG-Urteil vom 07.09.1988 - Az.: 10 RKg 5/87 -). Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des BSG nur, wenn für das Kind bereits über das 16. Lebensjahr hinaus Kindergeld bewilligt oder gezahlt worden ist. Dies war hier aber gerade nicht der Fall. Daher endete der Kindergeldanspruch mit Ablauf des Februars 1991, ohne dass ein Aufhe-bungsbescheid zu ergehen hatte.
Fraglich ist, ob die vom Kläger im November 1996 eingereichte Schulbescheinigung für E. auch bei einer Zahlungseinstellung ohne Bescheid - von der der Senat hier aber, wie darge-legt, nicht ausgeht - zu einer KG-Gewährung bereits ab März 1991 führen würde. Das SG weist zwar zu Recht darauf hin, dass durch Art 1 Nr. 5 des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.11.1978 (BGBl I Seite 1757) der Verweis auf § 9 Abs. 2 BKGG in § 17 Abs. 2 Satz 2 BKGG gestrichen wurde. Das BSG (aaO) hat jedoch zu § 17 BKGG idF des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 14.11.1978 entschieden, dass der Anzeige nach dieser Bestimmung ein ähnliche materiell-rechtliche Wirkung wie dem Kindergeldantrag zukommt und deshalb auf die Anzeige die Vorschriften über den KG-Antrag - dazu gehören auch § 9 Abs. 2 BKGG a.F. und § 66 Abs. 3 EStG in der ab 01.01.1996 geltenden Fassung - entsprechend anzuwenden sind. Kommt des-halb bei einem im November 1996 gestellten Antrag eine rückwirkende Kindergeldgewäh-rung für den hier streitigen Zeitraum nicht mehr in Betracht, gilt dies auch, wenn die Vorlage der Schulbescheinigung als Anzeige iSd § 17 BKGG a.F. als ausreichend für die Wiederbe-willigung von KG erachtet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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