L 5 KA 3590/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 3538/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 3590/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 125/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Behandlungsstunden für die Entwöhnung von Rauchern können nicht auf den Fachkundenachweis angerechnet werden. Die Enwöhnungsbehandlung von Rauchern zählt nicht zur Verhaltenstherapie im Sinne der Psychotherapie-Richtlinien. Wer raucht leidet im Sinne dieser Richtlinien nicht unter einer " seelischen Erkrankung " und nimmt auch keine " Drogen".
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Mai 2002 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Zusammenhang mit der vom Kläger begehrten bedarfsunabhängigen Zulassung als Psycho-logischer Psychotherapeut steht die erforderliche Fachkunde im Streit.

Der 1953 geborene Kläger besitzt seit Januar 1990 die Erlaubnis zur berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde als Heilpraktiker auf dem Gebiet der Psychotherapie (Bl. 4 Verwaltungsakte - VerwA -). Am 21. Dezember 1998 beantragte er die bedarfsunabhängige Zulassung als Psycho-logischer Psychotherapeut. Er legte hierzu u. a. Nachweise über Behandlungsstunden vor, die er zwischen 1994 und 1997 erbracht hat. Er war u. a. auch in den Jahren 1987, 1988 an der Entwicklung, Anwendung und Evaluation ei-nes neuen kognitiv - verhaltenstherapeutischen Konzepts zur Rauchertherapie in Zusammenar-beit mit der AOK S. beteiligt. Ab Herbst 1989 war er weiterhin an der Installierung und Weiter-führung seines "Freiburger Raucher - Therapie - Projekts" in Zusammenarbeit mit der AOK S. tätig sowie an der Durchführung von Rauchertherapien (Teilnahmemöglichkeit unabhängig von der Kassenzugehörigkeit).

Der Kläger erhielt die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut am 28. Januar 1999.

Mit Beschluss vom 13. April 1999 (Bescheid 27. April 1999) lehnte der Zulassungsausschuss im Regierungsbezirk Freiburg den Antrag des Klägers auf bedarfsunabhängige Zulassung als Psy-chologischer Psychotherapeut ab. Er ging in seiner Entscheidung davon aus, dass eine schutz-würdige Vortätigkeit vorliege wie auch der Theorienachweis als erbracht angesehen werde. Die vom Kläger vorgelegten 60 dokumentierten und abgeschlossenen Behandlungsfälle, nur bezogen auf die Kleingruppenbehandlung bei der Diagnose " Nikotinabhängigkeit" könnten jedoch nicht als Durchführung von Verhaltenstherapie anerkannt werden.

Hiergegen erhob der Kläger fristgerecht Widerspruch mit der Begründung, der Zulassungsaus-schuss habe nach dem Wortlaut des Gesetzes nur zu klären, ob er die von der Approbationsbe-hörde anerkannte Qualifikation in einem Richtlinienverfahren erfüllt habe. Die von ihm entwi-ckelte und durchgeführte Raucherentwöhnungstherapie sei aber geradezu ein Musterbeispiel für Verhaltenstherapie, da alle für die Verhaltenstherapie relevanten Elemente zur Behandlung ein-gesetzt würden. Mit Beschluss vom 8. September 1999 (Bescheid vom 30. September 1999) hat der Berufungsausschuss den Widerspruch zurückgewiesen. Er vertrat hierbei die Auffassung, zum Nachweis der Fachkunde, bezogen auf die Verhaltenstherapie, könne der Kläger nur Tätig-keiten des Freiburger Raucherentwöhnungsprogramms sowie Tätigkeiten in Kleingruppen für Raucherentwöhnung nachweisen. Seine Auffassung, dass auch die Raucherentwöhnungstherapie zur Verhaltenstherapie gehöre, vertrete der Beklagte nicht. Die dokumentierten 60 Behandlungsfälle, bezogen auf die Kleingruppenbehandlung bei der Diagnose Nikotinabhän-gigkeit, reiche dafür nicht aus, das gesamte Spektrum der Verhaltenstherapie im Sinne der Psy-chotherapie-Richtlinien wie die "Analyse der ursächlichen und aufrechterhaltenden Bedingungen des Krankheitsgeschehens und des daraus entwickelten Störungsmodells und eine übergeordnete Behandlungsstrategie" nachweisen zu können. Im Übrigen könne der Kläger auch nicht doku-mentieren, wer die vorgelegten 60 abgeschlossenen Behandlungsfälle supervidiert habe. Nur durch die Erklärung eines qualifizierten Supervisors würde der Kläger den Fachkundenachweis dafür erbringen können, dass die aufgeführten Therapiekonzepte mit den Vorgaben der Psycho-therapie-Richtlinien (Verhaltenstherapie) in Übereinstimmung erbracht worden seien und ein anerkanntes Behandlungsinstrumentarium darstellen könnten.

Der Kläger hat gegen den seinem Bevollmächtigten am 2. November 1999 zugestellten Be-schluss am 26. November 1999 vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Zur Be-gründung hat er wie bereits im Widerspruchsverfahren geltend gemacht, der Zulassungsaus-schuss habe lediglich noch zu prüfen, ob er die von der Approbationsbehörde anerkannte Quali-fikation in einem Richtlinienverfahren erfüllt habe. Die vom Kläger entwickelte Raucherent-wöhnungstherapie sei aber geradezu ein Paradigma der Verhaltenstherapie, da die in der Verhal-tenstherapie relevanten Elemente in der Verhaltenstherapie des Rauchens mustergültig eingesetzt würden. Die vom Zulassungsausschuss reklamierten Stichworte "Verhaltensanalyse", "Stö-rungsmodell" und "Behandlungsstrategie", die auch vom Beklagten aufgegriffen würden, wür-den Selbstverständliches benennen, was in der vom Kläger angewandten Verhaltenstherapie be-rücksichtigt würde. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang u. a. auch auf eine Bescheinigung von Prof. Dr. Z., Private T. Akademie für Verhaltenstherapie, vom 10. Mai 1999 verwiesen, die er im Widerspruchsverfahren vorgelegt habe. In dieser wird ausgeführt: "Ihre (gemeint: des Klägers) Arbeit im Freiburger Raucherentwöhnungsprojekt habe ich zu Beginn in den 80er Jahren begleitet und möchte festhalten, dass die Nikotinentwöh-nung, wenn sie wirksam sein will - und das ist ihre Arbeit - therapeutische Qualitäten aufweisen muss und damit als Verhaltenstherapie im Richtliniensinne gewertet werden sollte. Angesichts der unterschiedlichen möglichen aufrechterhaltenen Prinzipien enthält ein derartiges verhaltenstherapeutisches Konzept wesentlich die Elemente einer Verhal-tensanalyse, die Anwendung von Störungsmodellen und die indikative Auswahl von Be-handlungsstrategien."

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat nach wie vor die Auffassung vertreten, dass die vom Kläger dokumentierten Behandlungsfälle und Behandlungsstunden nicht einem vom Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V anerkann-ten Behandlungsverfahren für die Verhaltenstherapie zugeordnet werden könnten. Die vom Klä-ger durchgeführte Raucherentwöhnungstherapie sei keinem Richtlinienverfahren zuzuordnen, sondern stelle nur einen kleinen Aspekt der Verhaltenstherapie dar. Aufgrund dessen könne auch die Stellungnahme eines Ordinarius einer deutschen Universität (Prof. Z.) an dieser Rechtsauf-fassung nichts ändern.

Mit Urteil vom 29. Mai 2002 hat das SG der Klage statt gegeben, den Bescheid des Beklagten vom 30. September 1999 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Kläger als Psychologi-schen Psychotherapeuten in F. zuzulassen. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, unter Berücksichtigung der in den Psychotherapierichtlinien B I 1.2 und B II aufgestellten Grundsätze habe es keinen Zweifel daran, dass der Kläger bei den Patienten, bei denen er eine Raucherent-wöhnung durchgeführt habe, verhaltenstherapeutisch tätig gewesen sei. Denn Nikotinabhängig-keit bedeute nichts anderes als Drogenabhängigkeit, auch wenn die Verwendung dieser Droge in unserer Gesellschaft noch akzeptiert und vom Staat als Quelle für Steuereinnahmen begrüßt werde. Die Entwöhnung von Drogen sei aber, wie sich aus den Psychotherapierichtlinien ergebe, ein wesentlicher Anwendungsbereich für Verhaltenstherapie. Der Einwand des Beklagten, mit der Beschränkung auf Raucherentwöhnungsprogramme habe sich der Kläger so sehr speziali-siert, dass er das gesamte Spektrum der Anwendungsbereiche für Verhaltenstherapie nicht aus-geschöpft habe und deswegen auch nicht die erforderliche Fachkunde besitze, rechtfertige keine andere Beurteilung. Bei diesem Einwand werde übersehen, dass bei dem Patienten zwar das Raucherverhalten im Vordergrund stehe, im Hintergrund jedoch seelische Konflikte steckten, die zum Suchtverhalten geführt und einen Entzug aus eigener Kraft verhindert hätten. Da diese zugrunde liegenden seelischen Konflikte höchst unterschiedlich sein könnten, sei daher die vom Beklagten geforderte Vielfalt unterschiedlicher Konfliktsituationen durchaus gegeben. Wegen dieser individuellen seelischen Konflikte müsse daher auch im Rahmen der Gruppenarbeit auf jeden Teilnehmer gesondert eingegangen werden. Da auch im Übrigen alle Voraussetzungen erfüllt seien, sei der Klage stattzugeben und der Beklagte zur Zulassung des Klägers als Psycho-logischer Psychotherapeut zu verurteilen gewesen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 23. August 2002 mit Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 13. September 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, er sei nach wie vor der Auffassung, die vorgelegten Behandlungsnachweise für die durchgeführte Raucherentwöhnungs-therapie reichten nicht als Nachweis für die Durchführung von Verhaltenstherapie aus. Die vor-gelegten Behandlungsnachweise müssten in einem nach den Psychotherapierichtlinien anerkann-ten Behandlungsverfahren erbracht worden sein, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass es sich hier ausschließlich um Krankenbehandlung gehandelt habe, was auch das SG so sehe. In den Psychotherapierichtlinien sei der Krankheitsbegriff wie folgt definiert: "Seelische Krankheit wird als krankhafte Störung der Wahrnehmung, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Bezie-hungen und der Körperfunktionen verstanden." Dies bedeute, dass seelische Krankheit grundsätzlich von ihrer Symptomatik zu unterscheiden sei, also das Symptom nicht schon Krankheit sein könne. Entgegen der Annahme des SG hande-le es sich beim Rauchen nicht um eine krankhafte Störung, sondern um eine Angewohnheit, die zu Störungen von Körperfunktionen führen könne. Da allgemein ein Raucherentwöhnungspro-gramm eingesetzt werde, um krankhafte Körperfunktionen zu vermeiden, sei Raucherentwöh-nung keine Krankenbehandlung im Sinne der Psychotherapierichtlinien. Diese setze nämlich unter D - Anwendungsbereiche - 1.3.1 voraus, dass eine Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten nach vorausgegangener Entgiftungsbehandlung bestehe. Aus dieser Formulie-rung gehe nach Auffassung des Beklagten eindeutig hervor, dass damit nicht nur eine bestehende Nikotinabhängigkeit gemeint sein könne, sondern dass daneben eine krankhafte Störung von Körperfunktionen bestehen müsse. Erst dann werde der Krankheitsbegriff erfüllt. Somit stehe zur Überzeugung des Beklagten fest, dass eine bestehende Nikotinabhängigkeit den Begriff der see-lischen Krankheit nicht erfasse und auch nicht durch Verhaltenstherapie im Sinne der Richtlinien analysiert werden könne, weil keine Analyse der ursächlichen und aufrechterhaltenden Bedin-gungen des Krankheitsgeschehens dabei erfolge. Liege kein Anwendungsbereich für Verhaltenstherapie nach den Psychotherapierichtlinien vor, könne die vom Kläger auch mit verhaltenstherapeutischen Techniken durchgeführte Raucher-entwöhnung nicht als Krankenbehandlung im Sinne der Psychotherapierichtlinien anerkannt werden mit der Folge, dass die von ihm abgeschlossenen Behandlungsfälle nicht als Fachkunde-nachweis im Sinne des § 6 Abs. 5 der Psychotherapievereinbarung genügten.

Die Beigeladene Ziff. 1 wendet sich ebenfalls gegen das Urteil des SG und trägt ergänzend zum Vortrag des Beklagten vor, streitig sei hier die Frage, ob anhand der vom Kläger vorgelegten 60 dokumentierten und abgeschlossenen Behandlungsfälle, nur bezogen auf die Kleingruppenbe-handlung bei der Diagnose "Nikotinabhängigkeit" die Voraussetzungen für die Fachkunde "Ver-haltenstherapie" als gegeben angesehen werden könnten. Nach den Psychotherapierichtlinien sei festgelegt, dass Psychotherapie bei Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten nach vorausgegangener Entgiftungsbehandlung im Rahmen der medizinischen Rehabilitation ange-wendet werden könne, wenn psychodynamische Faktoren wesentlichen Anteil an einer seeli-schen Behinderung oder an deren Auswirkung hätten und mit ihrer Hilfe eine Eingliederung in Arbeit, Beruf und/oder Gesellschaft möglichst auf Dauer erreicht werden könnte. Aus dem Wort-laut dieser Formulierungen ergebe sich deutlich, dass die Psychotherapie-Richtlinien hier nicht an Nikotinabhängigkeit gedacht hätten, da diese in der Regel nicht solche gravierenden Auswir-kungen und Behinderungen zur Folge habe, dass hieraus eine Rehabilitationsnotwendigkeit re-sultieren würde. Hinzu komme noch, dass in diesem Anwendungsbereich die Abstinenz Voraus-setzung und nicht, wie bei den vom Kläger durchgeführten Therapien, Ziel der Behandlung sei.

Aber unabhängig davon komme hier auch noch hinzu, dass es keinesfalls ausreichend sein kön-ne, wenn der Kläger im Wesentlichen lediglich ein einziges Störungsbild (oder jedenfalls mit ausgeprägtem Schwerpunkt), nämlich die Nikotinabhängigkeit, behandelt habe. Anhand dieses Störungsbildes könne weder die Breite der verhaltenstherapeutischen Techniken nachgewiesen werden, noch die Fähigkeit, dass er die wesentlichsten verhaltenstherapeutischen Therapietech-niken, auch bei anderen Störungsbildern beherrsche. Hinzu komme noch, dass die vom Kläger durchgeführten "Therapien" schon von den Setting- und Rahmenbedingungen her kaum als solche bezeichnet werden könnten. Überschlägig ergebe sich, dass die durchgeführten Raucherentwöhnungsgruppen durchschnittlich max. ca. 8 Thera-piestunden umfasst haben könnten, was (auf den einzelnen Patienten umgerechnet) ein Stunden-kontingent von etwa 1 ½ Stunden ergebe. Eine Richtlinien - Psychotherapie hingegen dauere in der Regel zwischen 15 und 80 Therapiestunden, wobei bereits die probatorischen und anamnesti-schen Sitzungen, die zur Problemklärung und zur Therapievorbereitung dienten, 6 Therapiestun-den umfassten. Darüber hinaus fänden Richtlinien - Psychotherapien fast ausschließlich im Ein-zelsetting statt, oder es müsse, wenn eine Gruppentherapie durchgeführt werde, mindestens pa-rallel dazu auch eine entsprechend dimensionierte Einzelbehandlung stattfinden. Daneben bestünden auch noch Fragen, ob die 60 dokumentierten Fälle überhaupt ausreichend entsprechend den Anforderungen dokumentiert seien, ob aus den Unterlagen ersichtlich sei, wel-che Inhalte das vom Kläger angeführte Freiburger Raucherentwöhnungsprogramm gehabt habe und man davon ausgehen könne, dass diese Inhalte "Psychotherapie" im Sinne der Richtlinien seien. Eine weitere Frage sei auch, wer bisher diese dokumentierten Behandlungsfälle bestätigt habe, da die vorliegende Bescheinigung der AOK offensichtlich von der Verwaltung und nicht von einem fachkundigen Arzt ausgestellt worden sei. In diesem Zusammenhang müsste dann zunächst geklärt werden, ob es sich bei den 60 Behandlungsfällen jeweils um eine krankheits-wertige Störung im Sinne der Definition durch die Weltgesundheitsorganisation, internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10, und nicht z. B. lediglich um Rauchen als poten-tiell gesundheitsschädliche, ungünstige Gewohnheit, handele.

Der Beklagte und die Beigeladene Ziff. 1, 6 und 7 beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Mai 2002 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, so habe u. a. die Weltge-sundheitsorganisation das Rauchen gemäß ICD-10 (F 17.2) als Sucht eingestuft. Insgesamt kön-ne heute kein vernünftiger Zweifel mehr daran bestehen, dass die Nikotin- / Tabakabhängigkeit eindeutig eine seelische Krankheit darstelle. Der Beklagte weise zu Recht darauf hin, dass seeli-sche Krankheit als krankhafte Störung der Wahrnehmung, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Beziehungen und der Körperfunktionen verstanden werde. Bei einer definierten Sucht, besonders bei einer körperlichen und seelischen Substanzabhängigkeit, wie dies bei der Nikotin- / Tabak-abhängigkeit der Fall sei, sei die Wahrnehmung und die Erlebnisverarbeitung zu Beginn der Sucht und erst recht, wenn sie installiert sei, eben suchtspezifisch gelagert, dies bedeute in dem Sinne "krank", als andere "gesündere" Personen sich auf dieses Glatteis trotz aller Lebensärger-nisse genau nicht begeben bzw. noch die Notbremse ziehen könnten, wenn sie merkten, dass sie sich auf diesem Glatteis befänden. Dass es sich beim Rauchen um "bloße Angewohnheit" hande-le, die zur Zerstörung von Körperfunktionen führen könne, sei schlicht falsch. Rauchen sei Sub-stanzabhängigkeit und zwar körperlich und psychisch. Wie in der Wissenschaft dargelegt wor-den sei, komme es zu neuronalen und zu endokrinen Veränderungen, kurz zu sog. neuroendokri-nen strukturellen Veränderungen, was wissenschaftlich völlig unstreitig sei.

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz Bezug ge-nommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschluss-grund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Denn streitig ist nicht eine Geld- oder Sachleistung bzw. ein darauf gerichteter Verwaltungsakt.

II.

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid des Beklagten vom 30. September 1999. Über den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 27. April 1999 ist hingegen nicht zu befin-den. Denn der Bescheid des Berufungsausschusses tritt grundsätzlich als Regelung der Zulas-sungssache an die Stelle des vorangegangenen Bescheides des Zulassungsausschusses und bildet den alleinigen Gegenstand der weiteren Beurteilung der Zulassungssache (BSG SozR 3 - 2500 § 96 Nr. 1).

III.

Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Zutreffend hat der Berufungsausschuss die vom Kläger begehrte Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut zur vertragspsychotherapeuti-schen Versorgung abgelehnt.

Nach § 95 Abs. 10 Satz 1 SGB V in der Fassung des Art. 2 Nr. 11c des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (PsychThG) vom 16. Juni 1998 (BGBl. I, S. 1311 ff.; mit Wirkung vom 1. Januar 1999) werden Psychotherapeu-ten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, wenn sie (Nr. 1) bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 des PsychThG und des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr. 3 SGB V erfüllt und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt ha-ben, (Nr. 2) bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorlegen und (Nr. 3) in der Zeit vom 25. Juli 1994 bis zum 24. Juni 1997 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung teilgenommen haben.

Von diesen Voraussetzungen hat der Kläger die der rechtzeitigen Antragstellung (Nr. 2) und die der schutzwürdigen Vortätigkeit (Nr. 3) erfüllt. Streitig ist allein, ob die Voraussetzungen der Nr. 1 vorliegen.

Gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 PsychThG erhalten Personen mit einer bestandenen Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie an einer Universität oder einer gleichstehenden Hochschule bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 auf Antrag eine Approbation zur Ausübung des Berufs des Psychologischen Psychotherapeuten nach § 1 Abs. 1 Satz 1, wenn sie zwischen dem 1. Januar 1989 und dem 31. Dezember 1998 mit einer Gesamtdauer von mindes-tens sieben Jahren an der Versorgung von Versicherten einer Krankenkasse mitgewirkt haben oder ihre Leistungen während dieser Zeit von einem Unternehmen der privaten Krankenversi-cherung vergütet oder von der Beihilfe als beihilfefähig anerkannt worden sind. Voraussetzung für die Erteilung der Approbation nach Satz 1 ist gem. § 12 Abs. 3 Satz 2 ferner, dass die An-tragsteller 1. während des Zeitraums nach Satz 1 mindestens 4.000 Stunden psychotherapeutischerBerufstätigkeit oder 60 dokumentierte und abgeschlossene Behandlungsfälle sowie2. mindestens 140 Stunden theoretischer Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten Verfahren nachweisen. Diese Voraussetzungen hat die zuständige Approbationsbehörde, das Regierungspräsidium Stuttgart, als erfüllt angesehen und dem Kläger die Approbation als psychologischer Psychothe-rapeut mit Urkunde vom 28. Januar 1999 erteilt. Die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung setzt darüber hinausgehend vor-aus, dass der Psychotherapeut in der Lage ist, die Versicherten in einem in der GKV anerkannten Behandlungsverfahren zu behandeln (s Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit zum PsychThG, BT-Drucks 13/9212, S 41, zu Nr 11, zu § 95c SGB V). Die Fachkundeprüfung dient damit dem Zweck, anhand der im Approbationsverfahren nachgewiese-nen Befähigung zu klären, ob Behandlungsverfahren erlernt oder in der Vergangenheit prakti-ziert worden sind, die zu den Leistungen der GKV gehören. Psychotherapeuten, die ihre Ausbil-dung in anderen Behandlungsverfahren absolviert oder diese in der Vergangenheit ausschließlich angewandt haben, dürfen zwar außerhalb der GKV Psychotherapie anbieten und durchführen, sollen aber nicht in das Arztregister eingetragen und nicht zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen werden können (BSG Urteil vom 6. November 2002 - B 6 KA 37/01-). Dieser Zielrichtung des § 95c Satz 2 SGB V entspricht unter kompetenzrechtlichen Gesichts-punkten die Beschränkung der Prüfungsbefugnis der KÄV darauf, ob der Bewerber die Qualifi-kation, die die Approbationsbehörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, in einem Behand-lungsverfahren erworben hat, das in den Richtlinien des Bundesausschusses anerkannt ist bzw war (so BSG aaO wie auch Spellbrink, NZS 1999, 1, 6). Ist dies nicht möglich, weil zB - im Ex-tremfall - keine aussagefähigen Bescheinigungen oder Dokumentationen vorliegen, darf die Fachkunde nicht bescheinigt werden. Nichts anderes gilt aber nach Auffassung des Senats für die hier streitige Sache betreffend die Zulassung des Klägers durch den in diesem Fall gem. § 95 Abs. 10 Satz 2 SGB V zuständigen beklagten Berufungsausschuss. Denn in diesem Fall sind die inhaltlichen Anforderungen an den Fachkundenachweis eigenständig durch den Zulassungsausschuss (bzw. hier des Berufungsaus-schusses) zu prüfen (siehe Hess im Kasseler Kommentar § 95 SGB V Rdnr. 108). Bei dem in § 95c Satz 2 Nr 3 SGB V angesprochenen Personenkreis der nach § 12 PsychThG approbierten Psychotherapeuten, zu denen der Kläger unstreitig zählt, kommt es somit darauf an, welche Verfahren in den Psychotherapie-Richtlinien des Bundesausschusses in der Fassung des Beschlusses vom 17. Dezember 1996 (BAnz Nr 49 vom 12. März 1997, S 2946) als von der Leistungspflicht der GKV umfasst anerkannt waren (Kasseler Komm Hess, § 95 SGB V, RdNr 108). Es ist infolgedessen hier zu prüfen, ob zumindest die 4000 Stunden psychotherapeutischer Berufstätigkeit bzw. die 60 dokumentierten Behandlungsfälle iS des § 12 Abs 3 Satz 2 Nr 1 PsychThG und die mindestens 140 Stunden theoretischer Ausbildung iS der Nr 2 aaO Behand-lungen in einem Richtlinienverfahren zum Gegenstand hatten. Dies war nicht der Fall. Die Be-klagte hat zu Recht insoweit die Auffassung vertreten, die vom Kläger vorgelegten und doku-mentierten Behandlungsfälle seien nicht entsprechend den Vorschriften der Psychotherapie-Richtlinien über Verhaltenstherapie durchgeführt worden.

Bei der Frage, welche Behandlungsmethoden und -indikationen zur Verhaltenstherapie zu rech-nen sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, wie in der psychologischen Wis-senschaft Verhaltenstherapie definiert wird, welche Kriterien dabei einzuhalten sind und wann Verhaltenstherapie nach der Meinung dieser Wissenschaftler zur Anwendung kommen soll. Der Senat braucht daher auch nicht auf die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers und des Bei-geladenen Nr. 1 näher einzugehen. Maßgebend ist allein, bei welchen Störungen Verhaltensthe-rapie nach den Psychotherapie - Richtlinien indiziert ist. Die vom Kläger durchgeführte Entwöh-nungsbehandlung von Rauchern stellt keine nach den Psychotherapie - Richtlinien anerkannte Behandlungsindikation dar. Die von ihm durchgeführten Stunden können daher auch nicht als Behandlungsstunden in einem Richtlinienverfahren anerkannt werden.

Der Kläger hat mit den von ihm vorgelegten 60 dokumentierten Fällen betreffend Raucherent-wöhnungstherapien die Fachkunde nicht nachgewiesen. Zutreffend haben sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene Ziff. 1 darauf hingewiesen, dass zum einen nach dem Abschnitt A Ziff. 1 der Psychotherapie-Richtlinien in der maßgeblichen (aber bezüglich der hier streitigen Passa-gen mit der Fassung vom 11. Dezember 1998 insoweit wortgleichen) Fassung vom 17. Dezem-ber 1996 grundsätzlich damit nur die Behandlung einer "seelischen Krankheit" erfasst ist. Seeli-sche Krankheit wird nach den Psychotherapie-Richtlinien als krankhafte Störung der Wahrneh-mung, der Erlebnisverarbeitung, der sozialen Beziehungen und der Körperfunktionen verstan-den. Damit ist auch schon aus Sicht des Senates zweifelhaft, ob überhaupt eine seelische Krank-heit in den vom Kläger vorgelegten dokumentierten Fällen vorliegt. Denn mit dem Beklagten ist auch nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass es sich beim Rauchen (als solches) nicht um eine krankhafte Störung handelt, sondern um eine bestimmte Verhaltensweise, die zu Störungen von Körperfunktionen führen kann.

Des weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nach Abschnitt D Ziff. 1.3.1 der Psychotherapie-Richtlinien -Anwendungsbereiche- zwar auch im Rahmen der medizinischen Rehabilitation Psy-chotherapie angewendet werden kann, wenn psychodynamische Faktoren wesentlich Anteil an einer seelischen Behinderung oder an deren Auswirkung haben und mit ihrer Hilfe eine Einglie-derung in Arbeit, Beruf und/oder Gesellschaft möglichst auf Dauer erreicht werden kann. Indika-tionen hierfür können nur sein: Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten nach vorangegangener Entgiftungsbehandlung. Schon nach dem Wortlaut ist jedoch eine Nikotinab-hängigkeit hier nicht genannt. Hinzu kommt, dass bei Auslegung dieser Begriffsfolge davon aus-zugehen ist, dass mit Drogen nur "illegale" Drogen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BTMG) gemeint sein können. Denn wenn anderenfalls damit auch die "legale Droge" Nikotin gemeint gewesen sein sollte, hätte es auch nicht der ausdrücklichen Benennung der weiteren "legalen Droge" Alkohol bedurft, denn dann wäre auch diese von dem Sammelbegriff "Drogen" mitumfasst gewesen. Vor diesem Hintergrund gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass eine Raucherentwöhnungstherapie - unabhängig von der weiteren Frage, ob in den vom Kläger vorgelegten Fällen überhaupt zuvor eine Entgiftung stattgefunden hat, wobei vom Kläger in die-sem Sinne auch nichts vorgetragen worden ist- jedenfalls nicht unter die Psychotherapie-Richtlinien fällt und damit der Kläger mit den hier vorgelegten Fällen auch nicht die Fachkunde dahingehend hat erbringen können, in einem entsprechenden Richtlinienverfahren tätig gewesen zu sein. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang bemerkt, dass auch Prof. Z., Private T. A-kademie für Verhaltenstherapie, in der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung vom 10. Mai 1999 lediglich davon spricht, dass die Nikotinentwöhnung, wenn sie wirksam sein wolle, thera-peutische Qualitäten ausweisen müsse und damit als Verhaltenstherapie im Richtliniensinne ge-wertet werden sollte. Selbst Prof. Z. geht aber lediglich davon aus, dass eine Raucherentwöh-nungstherapie eigentlich darunter fallen sollte, es also aus seiner Sicht vielleicht wünschenswert wäre, aber er bestätigt keineswegs, dass die Raucherentwöhnung ausdrücklich entgegen dem eindeutigen Wortlaut unter die Psychotherapie-Richtlinien fällt.

Aus diesen Gründen ist der Berufung des Berufungsausschusses stattzugeben, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen des § 160 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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