L 11 KR 3659/03 W-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 1612/03 W-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3659/03 W-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Gegenstandswert beim Streit über die Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses bestimmt sich nicht nach den ggfalls zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträgen, sondern ist grundsätzlich auf den sog. Auffangstreitwert von 4000 € festzusetzen. Der sich auf Grund der im Streit stehenden Dauer des Bestehens einer Versicherungspflicht ergebende wirtschaftliche Aspekt rechtfertigt ggfalls eine Erhöhung des Gegenstandswerts im Rahmen der Schätzung.
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 5. August 2003 abgeändert.Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Ulm (S 10 KR 1853/02) wird auf 8.000,-EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes. Im Ausgangsverfahren war zwischen den Beteiligten die Feststellung eines sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1) zwischen dem 01.07.1994 und 30.09.1999 streitig. Nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens beantragte die Klägerin die Kostenfestset-zung. Das Sozialgericht Ulm (SG) teilte den Beteiligten mit, dass es beabsichtige, den Ge-genstandswert auf 4.000,- EUR festzusetzen. Die Klägerin trug dagegen vor, nach ihrer Auffas-sung sei als Gegenstandswert der Gesamtsozialversicherungsbeitrag, welcher von ihr für den Fall der Festsetzung der Arbeitnehmereigenschaft des Beigeladenen zu 1) zu entrichten gewe-sen wäre, festzusetzen. Mit einer Festsetzung des Gegenstandswerts auf 4.000,- EUR sei mit Sicherheit das wirtschaftliche Interesse beider Parteien am Ausgang des Klageverfahrens nicht zutreffend bemessen. Mit Beschluss vom 05.08.2003, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 15.08.2003, setzte das SG den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 4.000,- EUR fest. In den Gründen führte es aus, entscheidend für die Festsetzung des Gegenstandswertes auf den sog. Auffangstreitwert mit 4.000,- EUR sei, dass im Klageverfahren allein die Statusfest-stellung des Beigeladenen zu 1) streitgegenständlich gewesen sei. Die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid einzig ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1) ab Beginn seiner Beschäftigung festgestellt. Sie habe nicht über eine etwaige Versiche-rungspflicht des Beigeladenen zu 1) zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversiche-rung entschieden. Einem Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a ff. Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) folge auch nicht zwingend eine Entscheidung über die Versicherungspflicht des potentiellen Arbeitnehmers. Selbst wenn die Beklagte nachfolgend über die Versiche-rungspflicht des Beigeladenen zu 1) habe entscheiden wollen und mit weiteren Verwaltungs-akten die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge vom Arbeitgeber gefordert hätte, würde die Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Folgen keine genügenden Anhaltspunkte für eine angemessene Schätzung des Gegenstandswertes bieten. Die Versicherungspflicht des Beige-ladenen zu 1) in den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung hänge nämlich nicht al-lein von der Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ab. Beispielsweise könnte aufgrund des Überschreitens der Jahresarbeitentgeltgrenze keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung bestehen. Die Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung bestimme sich jeweils nach besonderen Vorschriften. Insofern stehe auf-grund der isolierten Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses gerade nicht fest, ob überhaupt Sozialversicherungspflicht in den einzelnen Zweigen eingetreten sei; kei-nesfalls könne aber die Höhe der Beiträge abgeschätzt werden. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin (Bf.) am 22.08.2003 Beschwerde eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, eine Festsetzung des Gegenstandswerts auf 4.000,- EUR komme nur dann in Betracht, wenn genügend tatsächliche Anhaltspunkte für eine andere Schätzung feh-len würden. Hier lägen jedoch tatsächliche Anhaltspunkte für eine andere Schätzung vor. Es wäre unschwer möglich, die Beschwerdegegnerin (Bg.) zur Höhe der von ihr für den Fall der Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft nachzuentrichtenden Gesamtsozialversicherungs-beitrags zu befragen und sie aufzufordern, eine entsprechende Berechnung vorzulegen. Auf jeden Fall sei der Gegenstandswert nicht zwangsläufig auf 4.000,- EUR festzusetzen. § 8 Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) führe ausdrücklich aus, dass der Gegens-tandswert nach Lage des Falles durchaus auch höher eingeschätzt werden könne. Im Rahmen dieser Einschätzungsmöglichkeit sei die Bedeutung der hier zu klärenden Frage für sämtliche Beteiligten zu berücksichtigen. Diese sei mit Sicherheit bei einem Gegenstandswert von 4.000,- EUR nicht zutreffend wiedergegeben. Plagemann/Klatt würden im Münchener Anwalts-handbuch Sozialrecht, 1. Aufl. 2003 zu § 43 RdZiff. 81 den Streitwert eines Feststellungsbe-scheids gemäß § 7a SGB IV mit dem geschätzten 3 ½-fachen Jahresbetrag gemäß § 9 Zi-vilprozeßordnung (ZPO) einstufen. Zumindest dieser sei auch dem hier gegenständlichen Streitwert zugrunde zu legen. Die Bg. ist dem entgegengetreten. Das SG hat die Beschwerde unter Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet, soweit der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätig-keit in den zugrunde liegenden Verfahren auf Feststellung eines sozialversicherungspflichti-gen Beschäftigungsverhältnisses des Beigegeladenen zu 1) lediglich auf 4.000,-EUR festgesetzt wurde. Der Gegenstandswert ist auf 8.000,-EUR festzusetzen. Die Festsetzung des Gegens-tandswerts entsprechend von der Antragsstellerin gegebenenfalls zu entrichtenden Gesamtso-zialversicherungsbeiträgen hat das SG jedoch zu Recht abgelehnt.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Gegenstandswertes in der hier an-zuwendenden bis 01.01.2002 gültig gewesenen Fassung sind in dem angefochtenen Beschluss zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Er-gänzend ist lediglich anzuführen, dass für den Fall, dass der Sach- und Streitstand keine ge-nügenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Schätzung bietet, gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz BRAGO der Gegenstandswert auf 4.000,- EUR, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,- EUR anzunehmen ist.

Entsprechend den Aufführungen des Bundessozialgerichts (BSG) in seinen Urteilen vom 22.03.2001 -B 11 AL 91/00 R- und vom 04.09.2001 -B 7 AL 6/01 R-, denen sich der Senat anschließt, fehlt es auch bei dem Feststellungsbescheid im vorliegenden Fall an hinreichenden Anhaltspunkten für eine Schätzung nach der sich für die Antragstellerin ergebenden Bedeu-tung der Sache. Worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat, sind im vorliegenden Fall noch nicht die Sozialversicherungsbeiträge, sondern die im Vorfeld befindliche Frage, ob ü-berhaupt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und die Versicherungspflicht anzunehmen ist, im Streit. Die "Bedeutung der Sache" im Sinne des hier heranzuziehenden § 13 Abs. 1 GKG ist für die Antragsstellerin geringer als bei einem Bescheid, der eine konkrete Zah-lungspflicht regeln würde. Die Regelung des Feststellungsbescheides erschöpft sich im We-sentlichen darin, das Bestehen der Versicherungspflicht festzustellen. Deshalb können die erst noch durch einen weiteren Verwaltungsakt festzusetzenden Sozialversicherungsbeiträge kei-nen Anhaltspunkt für die Schätzung des Gegenstandswertes des Feststellungsbescheids abge-ben. Anhaltspunkte für eine Schätzung vermögen auch Plagemann/Klatt im Münchener Anwalts-handbuch Sozialrecht, 1. Auflage 2003 zu § 43 Rdziff. 81 mit ihrem Vorschlag als Gegens-tandswert bei einem Feststellungsbescheid gemäß § 7a SGB IV den geschätzten 3 ½ -fachen Jahresbetrag gemäß § 9 ZPO festzusetzen, nicht zu liefern. Weshalb hier bei einem Feststel-lungsbescheid auf § 9 ZPO abgestellt werden soll, wird nicht begründet. Der ohne jegliche Erläuterung vorgeschlagene 3 ½ fache Wert erscheint willkürlich. Genauso hätte auch eine andere Zahl genannt werden können. Die Autoren sprechen insoweit und hinsichtlich der wei-teren von ihnen genannten Werte auch nur davon, dass es sich zum Teil um Diskussionsvor-schläge, die einer Weiterentwicklung bedürfen würden, handele.

Grundsätzlich ist der Gegenstandswert bei dem hier zugrundeliegenden Feststellungsbescheid deshalb auf den sog. Auffangstreitwert von 4.000,-EUR festzusetzen. Zu berücksichtigen ist im konkreten Fall jedoch, dass es sich um das Bestehen der Versicherungspflicht eines Handels-vertreters über einen Zeitraum von 5 Jahren und 3 Monaten handelte. Der sich daraus erge-bende wirtschaftliche Aspekt für die Antragsstellerin veranlasst den Senat, den Gegenstands-wert nicht nur auf den Auffangstreitwert von 4.000,-EUR, sondern im Rahmen der Schätzung auf 8.000,-EUR festzusetzen.

Die weitergehende Beschwerde im Hinblick auf einen noch höheren Gegenstandswert war zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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