Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 RA 1944/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 RA 1602/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 247 Abs. 2aSGB VI findet keine Anwendung auf ihn Beitrittsgebiet von 1986 bis 1948 beschäftigte Lehrlinge.
2. Die Vermutung des § 286c Satz 1 SGB VI greift nicht, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung zwar nachgewiesen ist, ohne in Versicherungsunterlagen ordnungsgemäß bescheinigt zu sein
2. Die Vermutung des § 286c Satz 1 SGB VI greift nicht, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung zwar nachgewiesen ist, ohne in Versicherungsunterlagen ordnungsgemäß bescheinigt zu sein
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 als nachgewiesene und nicht lediglich glaubhaft gemachte Beitragszeit.
Der 1930 geborene Kläger lebte bis zu seiner Übersiedlung am 6. September 1956 in der ehemaligen DDR. In seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet vom 18. September 1956 erklärte er, den Beruf des Schriftsetzers erlernt zu haben und am 8. Mai 1945 als Lehrling beschäftigt gewesen zu sein. Weiter gab er eine Tätigkeit als Schriftsetzer vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 bei der Firma N. in C. an. In daraufhin ergangenen Beschluss des Aufnahmeausschusses vom 21. September 1956 wird der Kläger als Schriftsetzer und angelernter Schriftsetzer bezeichnet. Im Fragebogen zur Prüfung von Beitragszeiten bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung in der DDR vom 12. Dezember 1990 gab der Kläger an, vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 als Schriftsetzerlehrling beschäftigt gewesen zu sein. Ausweislich der Quittungskarte Nr. 1 zur Invalidenversicherung (ausgestellt von der Allgemeinen Ortskrankenkasse C. am 23. November 1945) ist für den darin als Schriftsetzerlehrling bezeichneten Kläger auf dem Einlagezettel Nr. 1 eine Beschäftigung gegen Entgelt mit Beitragsabführung vom 1. April bis 31. Dezember 1945 bei der Graphischen Kunstanstalt, C. (Arbeitsverdienst 208,85 Mark) bescheinigt. Weitere Eintragungen sind auf diesem Einlagezettel nicht vorgenommen worden. Die Karte wurde am 3. Januar 1973 von der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) aufgerechnet. Nach dem bestandskräftigen Bescheid der LVA vom 22. Januar 1975 wurde u.a. die Zeit vom 1. Juli 1945 bis 31. Dezember 1945 ungekürzt als Beitragszeit der Lehre nach § 17 des Fremdrentengesetzes (FRG) vorgemerkt und der Rentenversicherung der Arbeiter zugeordnet; als lediglich glaubhaft gemachte und auf fünf Sechstel zu kürzende Beitragszeit der Lehre mit gleicher Versicherungszweigzuordnung wurde die Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 vorgemerkt.
Ab 1. August 1991 bezog der Kläger eine nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) berechnete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1992, Neufeststellung mit Bescheiden vom 2. November 1992 und 5. März 1993); seit 1. November 1995 erhält er Regelaltersrente (Bescheid vom 13. Oktober 1995), die nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) berechnet ist. Die Zeit vom 1. Juli 1945 bis 30. Juni 1948 wurde in den Rentenbescheiden der Beklagten vom 25. Mai 1992, 2. November 1992, 5. März 1993 und 13. Oktober 1995 wie vorgemerkt als ungekürzte bzw. auf fünf Sechstel gekürzte Pflichtbeitragszeiten der Ausbildung angerechnet. Gegen den Rentenbescheid vom 5. März 1993 legte der Kläger am 13. April 1993 Widerspruch ein und wandte sich - unter anderem - dagegen, dass die Zeit der Ausbildung als Schriftsetzer von Juli 1945 bis Mai 1948 nur zu fünf Sechstel berücksichtigt worden sei. Nach Anfrage der Beklagten teilte die LVA mit Schreiben vom 13. Juli 1994 mit, die Beitragsakte des Klägers sei bereits ausgeschieden. Ob in der Beitragsakte der Original-Versicherungsausweis eingelegt gewesen oder ob dieser nach Bescheiderteilung an den Versicherten zurückgesandt worden sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die hiergegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (Az: S 7 An 248/95) nahm der Kläger am 25. September 1995 zurück.
Mit am 28. April 2000 eingegangenen Schreiben vom 20. April 2000 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Rente im Hinblick auf die angerechnete Zeit vom 1. Juli 1945 bis 3. Juni 1948. Er legte hierzu Kopien von drei ihn als Schriftsetzerlehrling ausweisenden Zeugnissen der städtischen Textil- und Gewerbeschule C., Abteilung für Gewerbe und Landwirtschaft, für das 2. Halbjahr 1946/1947 und das 1. Halbjahr 1947 sowie das 1. und das 2. Halbjahr 1947/1948 vor; im Zeugnis für das 1. und 2. Halbjahr 1947/48 hat als Lehrherr niemand unterschreiben. Mit Bescheid vom 29. Mai 2000 lehnte die Beklagte den Zugunstenantrag ab, da die Rente mit Bescheid vom 13. Oktober 1995 zutreffend festgestellt worden sei. Die Zeugnisse der Berufsschule seien nicht geeignet, eine ununterbrochene Beitragsabführung nachzuweisen. Es verbleibe somit bei dem bestandskräftigen Vormerkungsbescheid. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 14. Juni 2000. Zur Begründung gab er an, mit den vorgelegten Zeugnissen der Berufsschule sei der Beweis einer durchgehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung geführt. Als weiterer Beweis liege eine Kopie des Antrages auf Aufenthaltserlaubnis vor, wonach der Beruf Schriftsetzer durch Vorlage des Gehilfenbriefs nachgewiesen sei, und in dem der Sachbearbeiter seiner Berufsangabe "Schriftsetzer" die handschriftliche Ergänzung "ausgelernt" hinzugefügt habe Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte die Beklagte nochmals aus, dass keine Nachweise über die Beitragszahlung vorlägen.
Hiergegen hat der Kläger am 15. September 2000 Klage zum SG erhoben, mit der er zuletzt sinngemäß begehrt hat, die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Altersrente unter ungekürzter Anrechnung der Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 als Beitragszeit der Ausbildung zu gewähren. Er habe vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 eine Lehre als Schriftsetzer in der Graphischen Kunstanstalt in C. absolviert. In einer Quittungskarte sei für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1945 der im Rahmen der Berufsausbildung bezogene Arbeitsverdienst vom Ausbildungsbetrieb bestätigt. Für die Folgezeit werde der Arbeitsverdienst aus ihm unbekannten Gründen nicht mehr dokumentiert. Zeugnisse der Berufsschule des 2. Halbjahres 1946/47, des 1. Halbjahres 1947 und des 1. und 2. Halbjahres 1947/48 seien vorhanden. Der Gesellenbrief über die abgeschlossene Berufsausbildung sei verloren gegangen. Der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Notaufnahmeverfahren enthalte den Vermerk "Beruf nachgewiesen durch Gehilfenbrief". Mit Urteil vom 21. Juni 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die streitige Zeit sei weder die Entrichtung von Pflichtbeiträgen noch eine Beschäftigung als Lehrling oder sonst zu einer Berufsausbildung nachgewiesen. Auch § 247 Abs. 2a SGB VI sei nicht erfüllt.
Gegen dieses dem Bevollmächtigten des Klägers am 2. Juli 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich seine am 1. August 2001 schriftlich beim SG eingelegte Berufung. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2001 hat der Berichterstatter das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 6. Mai 2002 hat der Kläger das Verfahren wiederangerufen. Er ist bei seinem bisherigen Vortrag verblieben, dass für den streitigen Zeitraum 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 die Entrichtung von Pflichtbeiträgen nachgewiesen sei. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei nachgewiesen, dass er die Schriftsetzerlehre tatsächlich absolviert habe. Zwar sei der Gesellenbrief inzwischen verloren gegangen. Er habe jedoch davor bei verschiedenen Bewerbungen den Gesellenbrief vorgelegt.
Mit Rentenbescheid vom 29. April 2002 hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers ab 1. Januar 1998 wegen anderer Versicherungszeiten neu festgestellt. Darin ist erneut die Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 als glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeit der Berufsausbildung berücksichtigt und mit dem Mindestwert von 0,0750 Entgeltpunkte je Monat, gekürzt um ein Sechstel auf 0,0625 Entgeltpunkte angerechnet worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2000 zu verurteilen, ihm unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 13. Oktober 1995 und 29. April 2002 Regelaltersrente ab 1. November 1995 unter ungekürzter Anrechnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Der Berichterstatter hat E. Sch., R. H. und W. F. als Zeugen schriftlich befragt. Der Zeuge F. hat mit Schreiben vom 12. Oktober 2002 angegeben, er könne bestätigen, dass der Kläger die städtische Textil- und Gewerbeschule in C. besucht habe und als Schriftsetzerlehrling bei der Firma N. beschäftigt gewesen sei. Dazu, in welchem Zeitraum dies gewesen sei, könne er keine Angaben machen. Der Zeuge H. hat mit Schreiben vom 20. Oktober 2002 bekundet, dass er von 1943 bis 1946 als Schriftsetzerlehrling in der Graphischen Kunstanstalt gelernt habe und später dort als Geselle bis 1964 weiterbeschäftigt gewesen sei. Der Kläger sei damals sein Arbeitskollege gewesen. Die Berufsschule hätten sie nicht zusammen besucht. Er könne bestätigen, dass der Kläger vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 durchgehend als Schriftsetzerlehrling bei oben genannter Firma zur Berufsausbildung beschäftigt gewesen sei. Der Zeuge Sch. hat mit Schreiben vom 8. November 2002 angegeben, der Kläger sei ihm nicht bekannt.
Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 18. Februar 2003 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 4 RA 1944/00) und die Berufungsakten des Senats (L 13 RA 3186/01 und L 13 RA 1602/02) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht eingreifen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG SozR 3-1825 § 2 Nr. 2; BSGE 88, 75, 77) verfolgten Anspruch darauf, das die Beklagte unter teilweiser Rücknahme der für diese bindend gewordenen Bescheide vom 13. Oktober 1995 und 29. April 2002 verurteilt wird, ihm Regelaltersrente ab 1. November 1945 unter ungekürzter Anrechnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 zu gewähren.
Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der bestandskräftige Feststellungsbescheid der LVA Baden vom 22. Januar 1975 erledigt hat. Mit diesem Bescheid hat die LVA Baden in Anwendung von § 11 Abs. 2 der Versicherungsunterlagen -Verordnung (VuVo) vom 3. März 1960 (BGBl. I S. 137) Versicherungsunterlagen des Klägers für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anrechenbare Zeiten hergestellt, wozu die Entrichtung von Beiträgen an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in der damaligen DDR gehört hat (§§ 15, 17, Abs. 1 Buchst. a FRG). Mit dem Herstellungsbescheid stellt (vgl. zum folgenden BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/96 - m.w.N., soweit ersichtlich nicht veröffentlicht) der Rentenversicherungsträger gesetzliche Tatbestandsmerkmale einer künftigen Leistungsgewährung ausnahmsweise im voraus fest. Das Herstellungsverfahren dient der Rekonstruktion des Versicherungsverlaufs; es zielt auf Beweissicherung ab, d.h. auf die möglichst zeitnahe verbindliche Feststellung von Tatsachen, die nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Feststellung möglicherweise in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können. Der bindungsfähige Verfügungssatz eines solchen Bescheides betrifft die in ihm aufgeführten Versicherungszeiten, wobei sich die Bindung sowohl auf die anerkannten Versicherungszeiten als auch auf deren Wert bezieht. Mit der uneingeschränkten Übernahme der im Herstellungsbescheid als glaubhaft gemachte in der Rentenversicherung der Arbeiter zurückgelegte Beitragszeit der Lehre bei der Gewährung der Rente wegen der Erwerbsunfähigkeit sowie der Altersrente hat der Herstellungsbescheid seinen Zweck erreicht und sich auf andere Weise i. S. von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Gegenstand eines Zugunstenverfahrens ist dann nur noch der Rentenbescheid.
Voraussetzung für die begehrte Zugunstenentscheidung der Beklagten wäre, dass die Beklagte bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt hat und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X; zu den drei Prüfungsebenen dieser Bestimmung vgl. BSGE 88, 75, 78 ff.). Diese Voraussetzung ist indes nicht erfüllt, da die Rentenbescheide vom 13. Oktober 1995 und 29. April 2002 nicht rechtswidrig sind und die Ablehnung des Zugunstenantrags im Bescheid vom 29. Mai 2000 den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG verletzt.
Soweit der Kläger die teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom 13. Oktober 1995 und höhere Altersrente für die Zeit vom 1. November 1995 bis 31. Dezember 1995 begehrt, hat er schon deshalb keinen Anspruch auf eine solche Entscheidung, weil dem die Leistungsbegrenzung in § 44 Abs. 4 SGB X entgegensteht. Ausgehend vom Zugunstenantrag am 28. April 2000 liegt diese Zeitspanne außerhalb des Vier-Jahres-Zeitraumes, welcher auch durch mehrfache Wiederholung von Zugunstenanträgen nicht ausgedehnt werden kann (vgl. BSGE 72, 8, 11; 84, 281, 286). Soweit wegen § 44 Abs. 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beansprucht werden können, besteht auch kein rechtliches Interesse an der Rücknahme (vgl. BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Mai 1993 - 4 RA 37/92 - nicht veröffentlicht).
Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf höhere Regelaltersrente sind die Bestimmungen über Zusammensetzung und Berechnung der Renten nach §§ 63 ff. SGB VI. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen, wobei das entsprechende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in Entgeltpunkte umgerechnet wird (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Für Beitragszeiten werden Entgeltpunkte ermittelt, wobei lediglich glaubhaft gemachte Beitragszeiten niedriger, nämlich mit nur fünf Sechsteln des maßgebenden Wertes bewertet werden (vgl. § 256 b Abs. 1 Sätze 1 und 8 SGB VI), was auch auf Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung erstreckt wird (vgl. §§ 70 Abs. 3, 256 b Abs. 2 SGB VI in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung).
Beitragszeiten sind nach § 55 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Satz 1, 257 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Diesen Beitragszeiten stehen Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach den vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind (§ 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Letztere Vorschrift regelt die Gleichstellung von Beitragszeiten im Beitrittsgebiet mit Beitragszeiten nach Bundesrecht. Als Beitragszeiten können dabei nach dem klaren Wortlaut nur Zeiten berücksichtigt werden, für die Beiträge nach dem Recht des Beitrittsgebiets tatsächlich bezahlt worden sind (vgl. Polster im Kasseler Kommentar, § 248 SGB VI Rdnr. 19; Urteil des Landessozialgerichts Sachsen vom 27. Januar 2000 - L 1 RA 37/98 - in ELSG RA/115).
Vorliegend ist eine Beitragszahlung für den Zeitraum 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 nicht nachgewiesen. Zum Nachweis einer Tatsache ist deren an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich (BSGE 49, 23, 27; 45, 285, 287 m.w.N.); eine Tatsache ist erwiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse überschauender Mensch noch zweifelt. Demgegenüber ist eine Tatsache als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), also die gute Möglichkeit besteht, dass sich die behauptete Tatsache so zugetragen hat (vgl. BSGE 83, 279, 284). Als Nachweis der Beitragszahlung im Beitrittsgebiet dienen insbesondere Versicherten- und Versicherungsausweise, Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung, Bescheinigungen der Versicherungsträger und Einzugsstellen, in denen die Zahlung der Beiträge vermerkt ist (vgl. Gürtner im Kasseler Kommentar, § 286b SGB VI Rndr. 3). Bescheinigungen, die nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ob und in welchem Umfang in den betreffenden Zeiten tatsächlich Beiträge gezahlt wurden, kommen grundsätzlich nur als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht (vgl. Gürtner aaO.). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass zum Nachweis von Beitragszeiten grundsätzlich nur diejenigen Beweismittel geeignet sind, mit deren Hilfe sich zweifelsfrei belegen lässt, ob und in welchem Umfange tatsächlich Beiträge gezahlt wurden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch § 286c Satz 1 SGB VI zu beachten. Nach dieser Vorschrift wird, wenn in den Versicherungsunterlagen des Beitrittsgebietes für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 Arbeitszeiten oder Zeiten der selbständigen Tätigkeit ordnungsgemäß bescheinigt sind, vermutet, dass während dieser Zeiten Versicherungspflicht bestanden hat und für das angegebene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen die Beiträge gezahlt worden sind. Die hiernach begründete Vermutung ist widerlegbar und setzt voraus, dass es sich um Zeiten im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 handelt, die als Arbeitszeiten oder Zeiten der selbständigen Tätigkeit in den dort ausgestellten Versicherungsunterlagen ordnungsgemäß bescheinigt sind, wobei, sofern für die Versicherungspflicht erheblich, grundsätzlich auch Angaben zum Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen enthalten sein müssen. Dann wird das Bestehen von Versicherungspflicht und die Zahlung von Beiträgen für das angegebene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vermutet.
Im vorliegenden Fall erachtet der Senat zwar als nachgewiesen, dass der Kläger auch in der Zeit vom 1. Januar 1946 bis 4. Juni 1948 als Schriftsetzerlehrling bei der Graphischen Kunstanstalt in C. beschäftigt war. Hierfür stützt der Senat sich auf den Vermerk des Sachbearbeiters im Antrag auf Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet im Notaufnahmeverfahren, der Kläger sei "ausgelernter" Schriftsetzer und er habe den Beruf durch den Gehilfenbrief nachgewiesen, auf die vorgelegten Zeugnisse der Städtischen Textil- und Gewerbeschule C. sowie auf die schriftliche Aussage des Zeugen H., wonach der Kläger im fraglichen Zeitraum als Lehrling bei der Graphischen Kunstanstalt in C. beschäftigt gewesen sei. Als Lehrling unterlag der Kläger im fraglichen Zeitraum der Versicherungspflicht. Ab 1. Januar 1946 waren - wegen des im Landkreis Zwickau gelegenen Beschäftigungsortes insoweit maßgebend - im Land Sachsen alle gegen Entgelt beschäftigten Personen sowie Lehrlinge versicherungspflichtig (vgl. Amtliche Nachrichten der LVA Sachsen 1946, Seite 34, abgedruckt in Weser, Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung in der DDR, Stand Juni 1979, S. 20). Auch in der Provinz Sachsen waren nach § 5 der Verordnung für die Sozialversicherung vom 31. Januar 1946 (Verordnungsblatt Provinz Sachsen 1946 Seite 34; Weser a.a.O. S. 24 und 25) versicherungspflichtig alle aufgrund eines Lehrverhältnisses Beschäftigten. In beiden Verwaltungseinheiten hing wie auch in allen weiteren Verwaltungseinheiten der früheren DDR die Versicherungspflicht von Lehrlingen nicht von einem Entgelt ab. Mit Einführung der "Verordnung über die Sozialpflichtversicherung" (VSV) vom 28. Januar 1947 (vgl. Weser a.a.O. S. 35 ff, 49 ff und 304 ff) wurde für die Zeit ab 1. Februar 1947 ein einheitliches System der sozialen Pflichtversicherung in der sowjetischen Besatzungszone eingerichtet. Nach § 3a VSV unterlagen der Sozialversicherungspflicht alle in unselbständiger Arbeit stehenden ständig Beschäftigten, sofern diese aufgrund eines Arbeitsvertrages gegen Entgelt oder auf Grund eines Lehrvertrages tätig sind (§ 5 Buchstabe a VSV; vgl. Weser, a.a.O. S. 303 ff). Dies bedeutet, dass Lehrlinge auch ohne Gewährung von Entgelt der Versicherungspflicht unterlagen, sofern, was hier jedenfalls im Sinne eines faktischen Ausbildungsverhältnisses zu bejahen ist, ein Lehrvertrag vorlag. Aus den in Kopie vorgelegten Urkunden bzw. den Zeugenaussagen ergibt sich jedoch nicht, ob und in welchem Umfang für den Kläger als Schriftsetzerlehrling Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden sind. Ein Nachweis über die Entrichtung von Pflichtbeiträgen folgt nicht aus der Quittungskarte Nr. 1 der Allgemeinen Ortskrankenkasse C., denn auf deren Einlagezettel Nr. 1 ist nur eine Beschäftigung mit einem Arbeitsverdienst des Klägers von 208,85 DM für den Zeitraum 1 April bis 31. Dezember 1945 vermerkt. Die streitgegenständlichen Zeiten sind nicht aufgeführt. Auch aus den weiteren Urkunden (Unterlagen über das Notaufnahmeverfahren 1956, Schulzeugnisse der städtischen Textil- und Gewerbeschule C.) folgt nicht, dass und in welcher Höhe Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Letztlich konnte auch der Zeuge H. in seiner schriftlichen Zeugenaussage nur bestätigen, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum als Lehrling beschäftigt war; er verfügte aber - was naheliegend ist - über kein Wissen darüber, ob hierfür Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Ein Nachweis ist damit nicht geführt. Da sich aus allen vorgelegten Bescheinigungen nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ob und in welchem Umfang tatsächlich Beiträge gezahlt wurden, hat die Beklagte zu Recht die streitgegenständlichen Beitragszeiten nicht als nachgewiesen, sondern entsprechend dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid und in Anwendung von § 286b Satz 1 SGB VI nur als glaubhaft gemacht berücksichtigt. Auch die Vermutung des § 286c SGB VI greift vorliegend nicht. Denn es fehlt an einer ordnungsgemäßen Bescheinigung der Arbeitszeit der Lehre in Versicherungsunterlagen. Der Kläger ist nicht im Besitz solcher Versicherungsunterlagen, wozu insbesondere der gegen Ende des Jahres 1946 im Land Sachsen ausgegebene Versichertenausweis (vgl. Weser a.a.O. S. 273) gehören würde. Damit kann ihm die Vermutung des § 286c SGB VI nicht zu Gute kommen, auch wenn eine mit Versicherungspflicht verbundene Beschäftigung anderweitig nachgewiesen ist. Denn die Rechtswohltat des § 286c SGB VI rechtfertigt sich daraus, dass derartigen Versicherungsunterlagen wie z.B. dem Versichertenausweis ein besonders hoher Beweiswert in Bezug auf darin zeitnah bescheinigte versicherungsrechtlich erhebliche Angaben zukommt, der die im übrigen widerlegbare Vermutung der Beitragszahlung rechtfertigt. Soweit andere Vorschriften wie z.B. §§ 199 Satz 1 und 286 Abs. 2 SGB VI im Bundesgebiet ebenfalls Vermutungen für die Zahlung von Beiträgen begründen, ist hierfür eine ordnungsgemäße Meldung der Beschäftigungszeit an den Rentenversicherungsträger (§ 199 Satz 1 SGB VI) oder eine rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarte mit ordnungsgemäßer Bescheinigung von Beschäftigungszeiten bzw. ordnungsgemäße Verwendung von Beitragsmarken (§ 286 Abs. 2 SGB VI) Voraussetzung, also ebenfalls zeitnah erstellte Meldungen und Urkunden mit hoher spezifisch rentenversicherungsrechtlicher Aussagekraft. Eine Regel des Inhalts, dass der Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch den Nachweis der Entrichtung von Beiträgen begründet, gibt es im übrigen nicht.
Eine Berücksichtigung der streitgegenständlichen Beitragszeiten als nachgewiesen könnte der Kläger nach alledem nur noch über eine fiktive Beitragszeit nach § 247 Abs. 2a SGB VI erreichen. Danach sind Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung auch Zeiten, in denen in der Zeit vom 1. Juli 1945 bis 30. Juni 1965 Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeiten jedoch nicht erfolgte. Nach ihrem Sinn und Zweck ist diese Vorschrift jedoch nicht auf im Beitrittsgebiet im fraglichen Zeitraum zurückgelegte Zeiten der Versicherungspflicht als Lehrling anzuwenden. Hierauf weist schon die Entstehungsgeschichte der Norm hin. Der Absatz 2a (vgl. zum Folgenden BSG SozR 3-2600 § 247 Nr. 1) wurde durch Artikel 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 (Bundesgesetzblatt I S. 1038) mit Rückwirkung zum 1. Januar 1992 (vgl. Art. 18 Abs. 4 Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz - RüErgG-) in den § 247 SGB VI eingefügt. Im Gesetzgebungsverfahren war die Norm auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Bundestags-Drucksache 12/5017 S. 10 Nr. 6a) in den Fraktionsentwurf des RüErgG (Bundestags-Drucksache 12/410) aufgenommen und unverändert in den Gesetzesbeschluss übernommen worden. Zur Begründung für die Einfügung war vom Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung ausgeführt worden (vgl. Bundestags-Drucksache 12/5017 S. 47 ff. Nr. 6a): Grundsätzlich bestand seit Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 und im Übrigen seit der Rentenreform 1957 für Personen, die als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren, Versicherungspflicht. Bis zum Inkrafttreten des ersten Rentenversicherungsänderungsgesetzes am 1. Juli 1965 sind dennoch nicht für alle in Berufsausbildung befindlichen Personen die erforderlichen Pflichtbeiträge durch die zuständigen Sozialversicherungsträger eingezogen worden. Erst durch die Rechtsprechung wurde klargestellt, dass z.B. Versicherungspflicht auch für Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten eines Erziehungsheims, für Behinderte, soweit sie eine Lehrzeit zurückgelegt haben, und für sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Vor- und Nachpraktikanten bestand und dass Beiträge einzuziehen waren. Die dadurch in der Versicherungsbiographie entstandenen Lücken, die bis zum Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 durch die Träger der Rentenversicherung entweder überhaupt nicht als rentenrechtliche Zeit berücksichtigt werden konnten oder nur im Wege der ergänzenden Rechtsauslegung als beitragsfreie Zeiten anerkannt worden sind, sollen durch fiktive Beitragszeiten geschlossen werden.
Aus dieser Begründung wird deutlich, dass die Vorschrift zur Verbesserung der vom Gesetzgeber als unbefriedigend empfundenen versicherungsrechtlichen Situation bestimmter Gruppen damals zu ihrer Berufsausbildung beschäftigter Personen erlassen worden ist, die zwar nach den seinerzeit geltenden Vorschriften versicherungspflichtig waren, für die jedoch gerade auch wegen uneinheitlicher Rechtsanwendung durch die Rentenversicherungsträger und Klärung der Versicherungspflicht im Zuge gerichtlicher Entscheidungen keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezogen worden sind. Die für die in § 247 Abs. 2a SGB VI genannte Personengruppe eben dargestellte Situation uneinheitlicher Rechtsanwendung und ungeklärter Versicherungspflicht bestand aber lediglich im alten Bundesgebiet; eine vergleichbare Situation bestand im Beitrittsgebiet nicht. Dort waren Lehrlinge ab 1. Januar 1946 stets und ungeachtet von Entgeltzahlung versicherungspflichtig (vgl. Weser a.a.O., S. 7 ff. zur Provinz Mark Brandenburg, S. 15 für das Land Mecklenburg, S. 20 für das Land Sachsen, S. 24 für die Provinz Sachsen und S. 28 ff. für das Land Thüringen). Eine einheitliche Regelung der Versicherungspflicht von Lehrlingen für das gesamte Beitrittsgebiet erfolgte ab 1. Februar 1947 durch die VSV (vgl. oben). Auch aus einem Vergleich der §§ 256 und 256a SGB VI wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, dass § 247 Abs. 2a SGB VI auf die dort genannte Personengruppe im Beitrittsgebiet anwendbar ist. Mit § 256 Abs. 1 SGB VI hat er eine Bewertungsvorschrift für Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in der Zeit vom 1. Juni 1945 bis 30. Juni 1965 (§ 247 Abs. 2a) geschaffen. Eine entsprechende Regelung dieser Pflichtbeitragszeiten gemäß § 247 Abs. 2a SGB VI fehlt jedoch in § 256a SGB VI, der die Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet regelt. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass § 247 Abs. 2a SGB VI auch auf entsprechende Zeiten im Beitrittsgebiet anwendbar ist, hätte es nahe gelegen, eine § 256 Abs. 1 SGB VI entsprechende Bewertungsvorschrift auch in § 256a SGB VI aufzunehmen. Davon hat der Gesetzgeber jedoch Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache insbesondere wegen der Auslegung von § 247 Abs. 2a SGB VI grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 als nachgewiesene und nicht lediglich glaubhaft gemachte Beitragszeit.
Der 1930 geborene Kläger lebte bis zu seiner Übersiedlung am 6. September 1956 in der ehemaligen DDR. In seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet vom 18. September 1956 erklärte er, den Beruf des Schriftsetzers erlernt zu haben und am 8. Mai 1945 als Lehrling beschäftigt gewesen zu sein. Weiter gab er eine Tätigkeit als Schriftsetzer vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 bei der Firma N. in C. an. In daraufhin ergangenen Beschluss des Aufnahmeausschusses vom 21. September 1956 wird der Kläger als Schriftsetzer und angelernter Schriftsetzer bezeichnet. Im Fragebogen zur Prüfung von Beitragszeiten bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung in der DDR vom 12. Dezember 1990 gab der Kläger an, vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 als Schriftsetzerlehrling beschäftigt gewesen zu sein. Ausweislich der Quittungskarte Nr. 1 zur Invalidenversicherung (ausgestellt von der Allgemeinen Ortskrankenkasse C. am 23. November 1945) ist für den darin als Schriftsetzerlehrling bezeichneten Kläger auf dem Einlagezettel Nr. 1 eine Beschäftigung gegen Entgelt mit Beitragsabführung vom 1. April bis 31. Dezember 1945 bei der Graphischen Kunstanstalt, C. (Arbeitsverdienst 208,85 Mark) bescheinigt. Weitere Eintragungen sind auf diesem Einlagezettel nicht vorgenommen worden. Die Karte wurde am 3. Januar 1973 von der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) aufgerechnet. Nach dem bestandskräftigen Bescheid der LVA vom 22. Januar 1975 wurde u.a. die Zeit vom 1. Juli 1945 bis 31. Dezember 1945 ungekürzt als Beitragszeit der Lehre nach § 17 des Fremdrentengesetzes (FRG) vorgemerkt und der Rentenversicherung der Arbeiter zugeordnet; als lediglich glaubhaft gemachte und auf fünf Sechstel zu kürzende Beitragszeit der Lehre mit gleicher Versicherungszweigzuordnung wurde die Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 vorgemerkt.
Ab 1. August 1991 bezog der Kläger eine nach den Vorschriften des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) berechnete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1992, Neufeststellung mit Bescheiden vom 2. November 1992 und 5. März 1993); seit 1. November 1995 erhält er Regelaltersrente (Bescheid vom 13. Oktober 1995), die nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) berechnet ist. Die Zeit vom 1. Juli 1945 bis 30. Juni 1948 wurde in den Rentenbescheiden der Beklagten vom 25. Mai 1992, 2. November 1992, 5. März 1993 und 13. Oktober 1995 wie vorgemerkt als ungekürzte bzw. auf fünf Sechstel gekürzte Pflichtbeitragszeiten der Ausbildung angerechnet. Gegen den Rentenbescheid vom 5. März 1993 legte der Kläger am 13. April 1993 Widerspruch ein und wandte sich - unter anderem - dagegen, dass die Zeit der Ausbildung als Schriftsetzer von Juli 1945 bis Mai 1948 nur zu fünf Sechstel berücksichtigt worden sei. Nach Anfrage der Beklagten teilte die LVA mit Schreiben vom 13. Juli 1994 mit, die Beitragsakte des Klägers sei bereits ausgeschieden. Ob in der Beitragsakte der Original-Versicherungsausweis eingelegt gewesen oder ob dieser nach Bescheiderteilung an den Versicherten zurückgesandt worden sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die hiergegen beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage (Az: S 7 An 248/95) nahm der Kläger am 25. September 1995 zurück.
Mit am 28. April 2000 eingegangenen Schreiben vom 20. April 2000 beantragte der Kläger die Überprüfung seiner Rente im Hinblick auf die angerechnete Zeit vom 1. Juli 1945 bis 3. Juni 1948. Er legte hierzu Kopien von drei ihn als Schriftsetzerlehrling ausweisenden Zeugnissen der städtischen Textil- und Gewerbeschule C., Abteilung für Gewerbe und Landwirtschaft, für das 2. Halbjahr 1946/1947 und das 1. Halbjahr 1947 sowie das 1. und das 2. Halbjahr 1947/1948 vor; im Zeugnis für das 1. und 2. Halbjahr 1947/48 hat als Lehrherr niemand unterschreiben. Mit Bescheid vom 29. Mai 2000 lehnte die Beklagte den Zugunstenantrag ab, da die Rente mit Bescheid vom 13. Oktober 1995 zutreffend festgestellt worden sei. Die Zeugnisse der Berufsschule seien nicht geeignet, eine ununterbrochene Beitragsabführung nachzuweisen. Es verbleibe somit bei dem bestandskräftigen Vormerkungsbescheid. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 14. Juni 2000. Zur Begründung gab er an, mit den vorgelegten Zeugnissen der Berufsschule sei der Beweis einer durchgehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung geführt. Als weiterer Beweis liege eine Kopie des Antrages auf Aufenthaltserlaubnis vor, wonach der Beruf Schriftsetzer durch Vorlage des Gehilfenbriefs nachgewiesen sei, und in dem der Sachbearbeiter seiner Berufsangabe "Schriftsetzer" die handschriftliche Ergänzung "ausgelernt" hinzugefügt habe Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte die Beklagte nochmals aus, dass keine Nachweise über die Beitragszahlung vorlägen.
Hiergegen hat der Kläger am 15. September 2000 Klage zum SG erhoben, mit der er zuletzt sinngemäß begehrt hat, die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Altersrente unter ungekürzter Anrechnung der Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 als Beitragszeit der Ausbildung zu gewähren. Er habe vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 eine Lehre als Schriftsetzer in der Graphischen Kunstanstalt in C. absolviert. In einer Quittungskarte sei für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1945 der im Rahmen der Berufsausbildung bezogene Arbeitsverdienst vom Ausbildungsbetrieb bestätigt. Für die Folgezeit werde der Arbeitsverdienst aus ihm unbekannten Gründen nicht mehr dokumentiert. Zeugnisse der Berufsschule des 2. Halbjahres 1946/47, des 1. Halbjahres 1947 und des 1. und 2. Halbjahres 1947/48 seien vorhanden. Der Gesellenbrief über die abgeschlossene Berufsausbildung sei verloren gegangen. Der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Notaufnahmeverfahren enthalte den Vermerk "Beruf nachgewiesen durch Gehilfenbrief". Mit Urteil vom 21. Juni 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die streitige Zeit sei weder die Entrichtung von Pflichtbeiträgen noch eine Beschäftigung als Lehrling oder sonst zu einer Berufsausbildung nachgewiesen. Auch § 247 Abs. 2a SGB VI sei nicht erfüllt.
Gegen dieses dem Bevollmächtigten des Klägers am 2. Juli 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil richtet sich seine am 1. August 2001 schriftlich beim SG eingelegte Berufung. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2001 hat der Berichterstatter das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 6. Mai 2002 hat der Kläger das Verfahren wiederangerufen. Er ist bei seinem bisherigen Vortrag verblieben, dass für den streitigen Zeitraum 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 die Entrichtung von Pflichtbeiträgen nachgewiesen sei. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei nachgewiesen, dass er die Schriftsetzerlehre tatsächlich absolviert habe. Zwar sei der Gesellenbrief inzwischen verloren gegangen. Er habe jedoch davor bei verschiedenen Bewerbungen den Gesellenbrief vorgelegt.
Mit Rentenbescheid vom 29. April 2002 hat die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers ab 1. Januar 1998 wegen anderer Versicherungszeiten neu festgestellt. Darin ist erneut die Zeit vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 als glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeit der Berufsausbildung berücksichtigt und mit dem Mindestwert von 0,0750 Entgeltpunkte je Monat, gekürzt um ein Sechstel auf 0,0625 Entgeltpunkte angerechnet worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. Juni 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2000 zu verurteilen, ihm unter teilweiser Rücknahme der Bescheide vom 13. Oktober 1995 und 29. April 2002 Regelaltersrente ab 1. November 1995 unter ungekürzter Anrechnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Der Berichterstatter hat E. Sch., R. H. und W. F. als Zeugen schriftlich befragt. Der Zeuge F. hat mit Schreiben vom 12. Oktober 2002 angegeben, er könne bestätigen, dass der Kläger die städtische Textil- und Gewerbeschule in C. besucht habe und als Schriftsetzerlehrling bei der Firma N. beschäftigt gewesen sei. Dazu, in welchem Zeitraum dies gewesen sei, könne er keine Angaben machen. Der Zeuge H. hat mit Schreiben vom 20. Oktober 2002 bekundet, dass er von 1943 bis 1946 als Schriftsetzerlehrling in der Graphischen Kunstanstalt gelernt habe und später dort als Geselle bis 1964 weiterbeschäftigt gewesen sei. Der Kläger sei damals sein Arbeitskollege gewesen. Die Berufsschule hätten sie nicht zusammen besucht. Er könne bestätigen, dass der Kläger vom 3. April 1945 bis 4. Juni 1948 durchgehend als Schriftsetzerlehrling bei oben genannter Firma zur Berufsausbildung beschäftigt gewesen sei. Der Zeuge Sch. hat mit Schreiben vom 8. November 2002 angegeben, der Kläger sei ihm nicht bekannt.
Die Beteiligten haben sich im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 18. Februar 2003 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 4 RA 1944/00) und die Berufungsakten des Senats (L 13 RA 3186/01 und L 13 RA 1602/02) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht eingreifen.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl. BSG SozR 3-1825 § 2 Nr. 2; BSGE 88, 75, 77) verfolgten Anspruch darauf, das die Beklagte unter teilweiser Rücknahme der für diese bindend gewordenen Bescheide vom 13. Oktober 1995 und 29. April 2002 verurteilt wird, ihm Regelaltersrente ab 1. November 1945 unter ungekürzter Anrechnung der Beitragszeiten vom 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 zu gewähren.
Dabei geht der Senat davon aus, dass sich der bestandskräftige Feststellungsbescheid der LVA Baden vom 22. Januar 1975 erledigt hat. Mit diesem Bescheid hat die LVA Baden in Anwendung von § 11 Abs. 2 der Versicherungsunterlagen -Verordnung (VuVo) vom 3. März 1960 (BGBl. I S. 137) Versicherungsunterlagen des Klägers für nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anrechenbare Zeiten hergestellt, wozu die Entrichtung von Beiträgen an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung in der damaligen DDR gehört hat (§§ 15, 17, Abs. 1 Buchst. a FRG). Mit dem Herstellungsbescheid stellt (vgl. zum folgenden BSG, Urteil vom 16. Dezember 1997 - 4 RA 56/96 - m.w.N., soweit ersichtlich nicht veröffentlicht) der Rentenversicherungsträger gesetzliche Tatbestandsmerkmale einer künftigen Leistungsgewährung ausnahmsweise im voraus fest. Das Herstellungsverfahren dient der Rekonstruktion des Versicherungsverlaufs; es zielt auf Beweissicherung ab, d.h. auf die möglichst zeitnahe verbindliche Feststellung von Tatsachen, die nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Feststellung möglicherweise in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können. Der bindungsfähige Verfügungssatz eines solchen Bescheides betrifft die in ihm aufgeführten Versicherungszeiten, wobei sich die Bindung sowohl auf die anerkannten Versicherungszeiten als auch auf deren Wert bezieht. Mit der uneingeschränkten Übernahme der im Herstellungsbescheid als glaubhaft gemachte in der Rentenversicherung der Arbeiter zurückgelegte Beitragszeit der Lehre bei der Gewährung der Rente wegen der Erwerbsunfähigkeit sowie der Altersrente hat der Herstellungsbescheid seinen Zweck erreicht und sich auf andere Weise i. S. von § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Gegenstand eines Zugunstenverfahrens ist dann nur noch der Rentenbescheid.
Voraussetzung für die begehrte Zugunstenentscheidung der Beklagten wäre, dass die Beklagte bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt hat und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X; zu den drei Prüfungsebenen dieser Bestimmung vgl. BSGE 88, 75, 78 ff.). Diese Voraussetzung ist indes nicht erfüllt, da die Rentenbescheide vom 13. Oktober 1995 und 29. April 2002 nicht rechtswidrig sind und die Ablehnung des Zugunstenantrags im Bescheid vom 29. Mai 2000 den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG verletzt.
Soweit der Kläger die teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom 13. Oktober 1995 und höhere Altersrente für die Zeit vom 1. November 1995 bis 31. Dezember 1995 begehrt, hat er schon deshalb keinen Anspruch auf eine solche Entscheidung, weil dem die Leistungsbegrenzung in § 44 Abs. 4 SGB X entgegensteht. Ausgehend vom Zugunstenantrag am 28. April 2000 liegt diese Zeitspanne außerhalb des Vier-Jahres-Zeitraumes, welcher auch durch mehrfache Wiederholung von Zugunstenanträgen nicht ausgedehnt werden kann (vgl. BSGE 72, 8, 11; 84, 281, 286). Soweit wegen § 44 Abs. 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beansprucht werden können, besteht auch kein rechtliches Interesse an der Rücknahme (vgl. BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 1; BSG, Urteil vom 25. Mai 1993 - 4 RA 37/92 - nicht veröffentlicht).
Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf höhere Regelaltersrente sind die Bestimmungen über Zusammensetzung und Berechnung der Renten nach §§ 63 ff. SGB VI. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen, wobei das entsprechende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen in Entgeltpunkte umgerechnet wird (§ 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Für Beitragszeiten werden Entgeltpunkte ermittelt, wobei lediglich glaubhaft gemachte Beitragszeiten niedriger, nämlich mit nur fünf Sechsteln des maßgebenden Wertes bewertet werden (vgl. § 256 b Abs. 1 Sätze 1 und 8 SGB VI), was auch auf Pflichtbeitragszeiten für eine Berufsausbildung erstreckt wird (vgl. §§ 70 Abs. 3, 256 b Abs. 2 SGB VI in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung).
Beitragszeiten sind nach § 55 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§§ 55 Satz 1, 257 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Diesen Beitragszeiten stehen Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach den vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind (§ 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Letztere Vorschrift regelt die Gleichstellung von Beitragszeiten im Beitrittsgebiet mit Beitragszeiten nach Bundesrecht. Als Beitragszeiten können dabei nach dem klaren Wortlaut nur Zeiten berücksichtigt werden, für die Beiträge nach dem Recht des Beitrittsgebiets tatsächlich bezahlt worden sind (vgl. Polster im Kasseler Kommentar, § 248 SGB VI Rdnr. 19; Urteil des Landessozialgerichts Sachsen vom 27. Januar 2000 - L 1 RA 37/98 - in ELSG RA/115).
Vorliegend ist eine Beitragszahlung für den Zeitraum 1. Januar 1946 bis 30. Juni 1948 nicht nachgewiesen. Zum Nachweis einer Tatsache ist deren an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich (BSGE 49, 23, 27; 45, 285, 287 m.w.N.); eine Tatsache ist erwiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse überschauender Mensch noch zweifelt. Demgegenüber ist eine Tatsache als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), also die gute Möglichkeit besteht, dass sich die behauptete Tatsache so zugetragen hat (vgl. BSGE 83, 279, 284). Als Nachweis der Beitragszahlung im Beitrittsgebiet dienen insbesondere Versicherten- und Versicherungsausweise, Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung, Bescheinigungen der Versicherungsträger und Einzugsstellen, in denen die Zahlung der Beiträge vermerkt ist (vgl. Gürtner im Kasseler Kommentar, § 286b SGB VI Rndr. 3). Bescheinigungen, die nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ob und in welchem Umfang in den betreffenden Zeiten tatsächlich Beiträge gezahlt wurden, kommen grundsätzlich nur als Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht (vgl. Gürtner aaO.). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass zum Nachweis von Beitragszeiten grundsätzlich nur diejenigen Beweismittel geeignet sind, mit deren Hilfe sich zweifelsfrei belegen lässt, ob und in welchem Umfange tatsächlich Beiträge gezahlt wurden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch § 286c Satz 1 SGB VI zu beachten. Nach dieser Vorschrift wird, wenn in den Versicherungsunterlagen des Beitrittsgebietes für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 Arbeitszeiten oder Zeiten der selbständigen Tätigkeit ordnungsgemäß bescheinigt sind, vermutet, dass während dieser Zeiten Versicherungspflicht bestanden hat und für das angegebene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen die Beiträge gezahlt worden sind. Die hiernach begründete Vermutung ist widerlegbar und setzt voraus, dass es sich um Zeiten im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 handelt, die als Arbeitszeiten oder Zeiten der selbständigen Tätigkeit in den dort ausgestellten Versicherungsunterlagen ordnungsgemäß bescheinigt sind, wobei, sofern für die Versicherungspflicht erheblich, grundsätzlich auch Angaben zum Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen enthalten sein müssen. Dann wird das Bestehen von Versicherungspflicht und die Zahlung von Beiträgen für das angegebene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen vermutet.
Im vorliegenden Fall erachtet der Senat zwar als nachgewiesen, dass der Kläger auch in der Zeit vom 1. Januar 1946 bis 4. Juni 1948 als Schriftsetzerlehrling bei der Graphischen Kunstanstalt in C. beschäftigt war. Hierfür stützt der Senat sich auf den Vermerk des Sachbearbeiters im Antrag auf Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet im Notaufnahmeverfahren, der Kläger sei "ausgelernter" Schriftsetzer und er habe den Beruf durch den Gehilfenbrief nachgewiesen, auf die vorgelegten Zeugnisse der Städtischen Textil- und Gewerbeschule C. sowie auf die schriftliche Aussage des Zeugen H., wonach der Kläger im fraglichen Zeitraum als Lehrling bei der Graphischen Kunstanstalt in C. beschäftigt gewesen sei. Als Lehrling unterlag der Kläger im fraglichen Zeitraum der Versicherungspflicht. Ab 1. Januar 1946 waren - wegen des im Landkreis Zwickau gelegenen Beschäftigungsortes insoweit maßgebend - im Land Sachsen alle gegen Entgelt beschäftigten Personen sowie Lehrlinge versicherungspflichtig (vgl. Amtliche Nachrichten der LVA Sachsen 1946, Seite 34, abgedruckt in Weser, Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung in der DDR, Stand Juni 1979, S. 20). Auch in der Provinz Sachsen waren nach § 5 der Verordnung für die Sozialversicherung vom 31. Januar 1946 (Verordnungsblatt Provinz Sachsen 1946 Seite 34; Weser a.a.O. S. 24 und 25) versicherungspflichtig alle aufgrund eines Lehrverhältnisses Beschäftigten. In beiden Verwaltungseinheiten hing wie auch in allen weiteren Verwaltungseinheiten der früheren DDR die Versicherungspflicht von Lehrlingen nicht von einem Entgelt ab. Mit Einführung der "Verordnung über die Sozialpflichtversicherung" (VSV) vom 28. Januar 1947 (vgl. Weser a.a.O. S. 35 ff, 49 ff und 304 ff) wurde für die Zeit ab 1. Februar 1947 ein einheitliches System der sozialen Pflichtversicherung in der sowjetischen Besatzungszone eingerichtet. Nach § 3a VSV unterlagen der Sozialversicherungspflicht alle in unselbständiger Arbeit stehenden ständig Beschäftigten, sofern diese aufgrund eines Arbeitsvertrages gegen Entgelt oder auf Grund eines Lehrvertrages tätig sind (§ 5 Buchstabe a VSV; vgl. Weser, a.a.O. S. 303 ff). Dies bedeutet, dass Lehrlinge auch ohne Gewährung von Entgelt der Versicherungspflicht unterlagen, sofern, was hier jedenfalls im Sinne eines faktischen Ausbildungsverhältnisses zu bejahen ist, ein Lehrvertrag vorlag. Aus den in Kopie vorgelegten Urkunden bzw. den Zeugenaussagen ergibt sich jedoch nicht, ob und in welchem Umfang für den Kläger als Schriftsetzerlehrling Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt worden sind. Ein Nachweis über die Entrichtung von Pflichtbeiträgen folgt nicht aus der Quittungskarte Nr. 1 der Allgemeinen Ortskrankenkasse C., denn auf deren Einlagezettel Nr. 1 ist nur eine Beschäftigung mit einem Arbeitsverdienst des Klägers von 208,85 DM für den Zeitraum 1 April bis 31. Dezember 1945 vermerkt. Die streitgegenständlichen Zeiten sind nicht aufgeführt. Auch aus den weiteren Urkunden (Unterlagen über das Notaufnahmeverfahren 1956, Schulzeugnisse der städtischen Textil- und Gewerbeschule C.) folgt nicht, dass und in welcher Höhe Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Letztlich konnte auch der Zeuge H. in seiner schriftlichen Zeugenaussage nur bestätigen, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum als Lehrling beschäftigt war; er verfügte aber - was naheliegend ist - über kein Wissen darüber, ob hierfür Pflichtbeiträge entrichtet wurden. Ein Nachweis ist damit nicht geführt. Da sich aus allen vorgelegten Bescheinigungen nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ob und in welchem Umfang tatsächlich Beiträge gezahlt wurden, hat die Beklagte zu Recht die streitgegenständlichen Beitragszeiten nicht als nachgewiesen, sondern entsprechend dem bestandskräftigen Feststellungsbescheid und in Anwendung von § 286b Satz 1 SGB VI nur als glaubhaft gemacht berücksichtigt. Auch die Vermutung des § 286c SGB VI greift vorliegend nicht. Denn es fehlt an einer ordnungsgemäßen Bescheinigung der Arbeitszeit der Lehre in Versicherungsunterlagen. Der Kläger ist nicht im Besitz solcher Versicherungsunterlagen, wozu insbesondere der gegen Ende des Jahres 1946 im Land Sachsen ausgegebene Versichertenausweis (vgl. Weser a.a.O. S. 273) gehören würde. Damit kann ihm die Vermutung des § 286c SGB VI nicht zu Gute kommen, auch wenn eine mit Versicherungspflicht verbundene Beschäftigung anderweitig nachgewiesen ist. Denn die Rechtswohltat des § 286c SGB VI rechtfertigt sich daraus, dass derartigen Versicherungsunterlagen wie z.B. dem Versichertenausweis ein besonders hoher Beweiswert in Bezug auf darin zeitnah bescheinigte versicherungsrechtlich erhebliche Angaben zukommt, der die im übrigen widerlegbare Vermutung der Beitragszahlung rechtfertigt. Soweit andere Vorschriften wie z.B. §§ 199 Satz 1 und 286 Abs. 2 SGB VI im Bundesgebiet ebenfalls Vermutungen für die Zahlung von Beiträgen begründen, ist hierfür eine ordnungsgemäße Meldung der Beschäftigungszeit an den Rentenversicherungsträger (§ 199 Satz 1 SGB VI) oder eine rechtzeitig umgetauschte Versicherungskarte mit ordnungsgemäßer Bescheinigung von Beschäftigungszeiten bzw. ordnungsgemäße Verwendung von Beitragsmarken (§ 286 Abs. 2 SGB VI) Voraussetzung, also ebenfalls zeitnah erstellte Meldungen und Urkunden mit hoher spezifisch rentenversicherungsrechtlicher Aussagekraft. Eine Regel des Inhalts, dass der Nachweis eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch den Nachweis der Entrichtung von Beiträgen begründet, gibt es im übrigen nicht.
Eine Berücksichtigung der streitgegenständlichen Beitragszeiten als nachgewiesen könnte der Kläger nach alledem nur noch über eine fiktive Beitragszeit nach § 247 Abs. 2a SGB VI erreichen. Danach sind Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung auch Zeiten, in denen in der Zeit vom 1. Juli 1945 bis 30. Juni 1965 Personen als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren und grundsätzlich Versicherungspflicht bestand, eine Zahlung von Pflichtbeiträgen für diese Zeiten jedoch nicht erfolgte. Nach ihrem Sinn und Zweck ist diese Vorschrift jedoch nicht auf im Beitrittsgebiet im fraglichen Zeitraum zurückgelegte Zeiten der Versicherungspflicht als Lehrling anzuwenden. Hierauf weist schon die Entstehungsgeschichte der Norm hin. Der Absatz 2a (vgl. zum Folgenden BSG SozR 3-2600 § 247 Nr. 1) wurde durch Artikel 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 (Bundesgesetzblatt I S. 1038) mit Rückwirkung zum 1. Januar 1992 (vgl. Art. 18 Abs. 4 Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz - RüErgG-) in den § 247 SGB VI eingefügt. Im Gesetzgebungsverfahren war die Norm auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (Bundestags-Drucksache 12/5017 S. 10 Nr. 6a) in den Fraktionsentwurf des RüErgG (Bundestags-Drucksache 12/410) aufgenommen und unverändert in den Gesetzesbeschluss übernommen worden. Zur Begründung für die Einfügung war vom Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung ausgeführt worden (vgl. Bundestags-Drucksache 12/5017 S. 47 ff. Nr. 6a): Grundsätzlich bestand seit Inkrafttreten der Vereinfachungsverordnung vom 17. März 1945 und im Übrigen seit der Rentenreform 1957 für Personen, die als Lehrling oder sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt waren, Versicherungspflicht. Bis zum Inkrafttreten des ersten Rentenversicherungsänderungsgesetzes am 1. Juli 1965 sind dennoch nicht für alle in Berufsausbildung befindlichen Personen die erforderlichen Pflichtbeiträge durch die zuständigen Sozialversicherungsträger eingezogen worden. Erst durch die Rechtsprechung wurde klargestellt, dass z.B. Versicherungspflicht auch für Lehrlinge in staatlich anerkannten Lehrwerkstätten eines Erziehungsheims, für Behinderte, soweit sie eine Lehrzeit zurückgelegt haben, und für sonst zu ihrer Berufsausbildung beschäftigte Vor- und Nachpraktikanten bestand und dass Beiträge einzuziehen waren. Die dadurch in der Versicherungsbiographie entstandenen Lücken, die bis zum Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 durch die Träger der Rentenversicherung entweder überhaupt nicht als rentenrechtliche Zeit berücksichtigt werden konnten oder nur im Wege der ergänzenden Rechtsauslegung als beitragsfreie Zeiten anerkannt worden sind, sollen durch fiktive Beitragszeiten geschlossen werden.
Aus dieser Begründung wird deutlich, dass die Vorschrift zur Verbesserung der vom Gesetzgeber als unbefriedigend empfundenen versicherungsrechtlichen Situation bestimmter Gruppen damals zu ihrer Berufsausbildung beschäftigter Personen erlassen worden ist, die zwar nach den seinerzeit geltenden Vorschriften versicherungspflichtig waren, für die jedoch gerade auch wegen uneinheitlicher Rechtsanwendung durch die Rentenversicherungsträger und Klärung der Versicherungspflicht im Zuge gerichtlicher Entscheidungen keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung eingezogen worden sind. Die für die in § 247 Abs. 2a SGB VI genannte Personengruppe eben dargestellte Situation uneinheitlicher Rechtsanwendung und ungeklärter Versicherungspflicht bestand aber lediglich im alten Bundesgebiet; eine vergleichbare Situation bestand im Beitrittsgebiet nicht. Dort waren Lehrlinge ab 1. Januar 1946 stets und ungeachtet von Entgeltzahlung versicherungspflichtig (vgl. Weser a.a.O., S. 7 ff. zur Provinz Mark Brandenburg, S. 15 für das Land Mecklenburg, S. 20 für das Land Sachsen, S. 24 für die Provinz Sachsen und S. 28 ff. für das Land Thüringen). Eine einheitliche Regelung der Versicherungspflicht von Lehrlingen für das gesamte Beitrittsgebiet erfolgte ab 1. Februar 1947 durch die VSV (vgl. oben). Auch aus einem Vergleich der §§ 256 und 256a SGB VI wird deutlich, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, dass § 247 Abs. 2a SGB VI auf die dort genannte Personengruppe im Beitrittsgebiet anwendbar ist. Mit § 256 Abs. 1 SGB VI hat er eine Bewertungsvorschrift für Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in der Zeit vom 1. Juni 1945 bis 30. Juni 1965 (§ 247 Abs. 2a) geschaffen. Eine entsprechende Regelung dieser Pflichtbeitragszeiten gemäß § 247 Abs. 2a SGB VI fehlt jedoch in § 256a SGB VI, der die Ermittlung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet regelt. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass § 247 Abs. 2a SGB VI auch auf entsprechende Zeiten im Beitrittsgebiet anwendbar ist, hätte es nahe gelegen, eine § 256 Abs. 1 SGB VI entsprechende Bewertungsvorschrift auch in § 256a SGB VI aufzunehmen. Davon hat der Gesetzgeber jedoch Abstand genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da er der Rechtssache insbesondere wegen der Auslegung von § 247 Abs. 2a SGB VI grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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