Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 3949/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2531/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
abredewidrige Erhebung der Einrede der Verjährung: Nur Monatsfrist für Leistungsklage
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. April 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht im Berufungsverfahren nur noch Streit darüber, ob die Beklag-te einen dem Grund und der Höhe nach unstreitigen Erstattungsanspruch der Klägerin befriedi-gen muss oder ob sie diesem die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann.
Die am 1944 geborene bei der Beklagten krankenversicherte H. B. (H.B.) erlitt am 25. Mai 1992 Verletzungen, als sie mit einem Traktor aus der Garage ausfahren und das nicht ganz geöffnete Garagentor vom Traktor aus mit der Hand öffnen wollte. Sie zog sich dabei schwere Verletzun-gen am linken Unterarm zu, die mehrfache stationäre und wiederholte ambulante Behandlungen erforderlich machten. Dadurch entstanden der Klägerin als Unfallversicherungsträger (Berufsge-nossenschaft [BG]) in den Jahren 1992 und 1993 insgesamt DM 22.697,79 (EUR 11.605,20) an Be-handlungskosten, wobei die letzte Zahlung am 29. Juni 1993 für eine ambulante Krankenbehand-lung (Krankengymnastik) erfolgte. Die Klägerin anerkannte diesen Unfall zunächst als Arbeits-unfall, obwohl H.B. wechselnde Angaben zum Zweck der Traktorfahrt gemacht hatte, und be-willigte dieser u.a. mit Bescheid vom 03. Mai 1993 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) ab 07. Januar 1993. Mit Be-scheid vom 03. März 1994 entzog die Klägerin diese Rente mit Ablauf des Monats April 1994 wegen wesentlicher Besserung und lehnte die Gewährung einer Dauerrente ab. Dem dagegen eingelegten Widerspruch der H.B. half die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 1994 ab und zahlte weiterhin die Unfallrente.
1995 ermittelte die BG erneut wegen des Unfalls und nahm schließlich mit Bescheid vom 08. September 1997 den Bescheid vom 03. Mai 1993 mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zurück. Unter dem 12. September 1997 fragte die BG bei der Beklagten an, ob sie bis zur Rechtskraft der Rücknahmeentscheidung auf die Einrede der Verjährung verzichte und bot ihrerseits ebenfalls einen Verzicht auf die Ein-rede der Verjährung hinsichtlich der bei der Beklagten noch bestehenden Ansprüche an. Zwi-schenzeitlich lief das von H.B. angestrengte Widerspruchsverfahren weiter, das mit Wider-spruchsbescheid vom 25. November 1997 endete. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen (S 4 U 3365/97) endete mit einem am 29. Juni 1999 abgeschlos-senen Vergleich, mit dem sich H.B. zur teilweisen Rückzahlung der im September 1997 bereits eingestellten Rente verpflichtete. Nachdem eine telefonische Rückfrage bei der Beklagten erge-ben hatte, dass das erwähnte Schreiben der BG vom 12. September 1997 dort nicht eingegangen war, verzichtete die Beklagte erst mit Schreiben vom 12. Februar 1998 gegenüber der Klägerin auf die Einrede der Verjährung und diese mit Schreiben vom 23. Februar 1998 ihrerseits eben-falls hierauf. Nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens mit H.B. machte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juli 1999 ihren Erstattungsanspruch in Höhe von DM 22.697,79 geltend, wobei der letzte in der Summe enthaltene Teilbetrag eine Behandlung betrifft, die in der Zeit vom 12. Januar bis 02. Februar 1993 durchgeführt und am 29. Juni 1993 bezahlt worden ist. Erst nach mehreren schriftlich und telefonisch erfolgten Mahnungen erklärte die Beklagte mit am 20. Dezember 1999 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben vom 17. Dezember 1999, dass sie keine Kostenerstattung vornehmen könne, weil im Zeitpunkt ihres Verzichts auf die Einrede der Verjährung diese bereits eingetreten gewesen sei.
Mit der am 10. Juli 2000 beim SG Stuttgart erhobenen Klage verlangte die Klägerin die Erstat-tung der ihr 1992/1993 entstandenen Kosten von der Beklagten und machte geltend, vor rechts-kräftiger Entscheidung des mit H.B. geführten Rechtsstreits sei der ursprüngliche rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt vom 03. Mai 1993 rechtswirksam geblieben. Dass sich aus ihrer Akte zeitnahe Hinweis darauf ergäben, dass es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe, könne hieran nichts ändern. Dieser Verwaltungsakt sei im Übrigen aus Gründen aufgehoben worden, die 1992 noch nicht bekannt gewesen seien. Die Verjährungs-frist könne jedenfalls nicht zu laufen beginnen, so lange der begünstigende Verwaltungsakt ge-genüber H.B. noch rechtsbeständig sei. Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Klägerin habe sich nicht mit dem erforderlichen Nachdruck um Aufklärung des Sachverhalts bemüht. Hierzu habe sie aber allen Anlass gehabt, zumal sich schon von Anfang an Zweifel daran ergeben hätten, ob es sich bei dem Ereignis vom 25. Mai 1992 tatsächlich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Nach § 225 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der seinerzeit gültig gewesenen Fassung (a.F.) sei ein Verzicht auf die Verjährungseinrede gar nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei die Forderung bereits verjährt gewesen, als die Klägerin eine Verzichtserklärung verlangt habe. Spätestens ab 29. Juni 1992 habe die Klägerin in Kenntnis ihrer Nichtschuld geleistet und könne schon deswe-gen keine Erstattung mehr verlangen. Nach Klärung weiterer jetzt nicht mehr streitiger Einzelheiten verurteilte das SG mit Urteil vom 27. April 2001 die Beklagte, der Klägerin DM 22.697,79 zu erstatten. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, die Klägerin habe als unzuständig gewesener Leistungsträger gemäß § 105 SGB X geleistet, die Ausschlussfrist des § 111 SGB X sei gewahrt und die Beklagte habe rechtswirksam auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Dass zu diesem Zeitpunkt die Verjäh-rung bereits eingetreten gewesen sei, ändere hieran nach der Rechtsprechung des Bundessozial-gerichts (BSG) nichts. Ähnlich habe auch der Bundesgerichtshof (BGH) solche Sachverhalte beurteilt. Angesichts mehrerer Umstände sei festzustellen, dass die Klägerin bei Abgabe ihrer Verzichtserklärung gewusst haben müsse, dass die Forderung möglicherweise verjährt sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin seinerzeit in Kenntnis ihrer Nicht-schuld geleistet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das den Be-vollmächtigten der Klägerin am 23. Mai 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil verwiesen.
Die am 18. Juni 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung begrün-det die Beklagte damit, der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch sei am 29. Juni 1996 verjährt, also bereits verjährt gewesen, als sie, die Klägerin, den Verzicht auf die Einrede erklärt habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Juni 1986 (2 RU 57/85), auf das vom SG abgehoben worden sei, halte zwar einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung auch dann für zulässig und wirksam, wenn – wie hier – der Schuldner davon Kennt-nis gehabt oder wenigstens damit habe rechnen müssen, dass die Verjährung bereits eingetreten sei. Dem könne aber nicht gefolgt werden, weil es einen abweisend reagierenden Schuldner einer verjährten Forderung besser stelle als einen, der zunächst den Einredeverzicht erkläre. Weiterhin sei anerkannt, dass während laufender Verjährungsfrist nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden könne, sondern gegebenenfalls rechtzeitig Klage erhoben werden müsse. Zu-dem sei von Anfang an das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sehr zweifelhaft gewesen. Da sie be-reits zwei Tage nach der telefonischen Anfrage der Klägerin, ob ein Verzicht auf die Einrede erklärt werde, geantwortet habe, sei ihr eine eingehende rechtliche Prüfung gar nicht möglich gewesen. Die schriftliche Anfrage, ob auf die Einrede verzichtet werde, habe sie nicht erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. April 2001 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für zutreffend. Es könne nicht die Rede davon sein, dass bei Anwendung der vom SG herangezogenen Rechtsprechung des BSG eine Rechtsunsicherheit eintrete. Die Beklagte habe unter keinem Zeitdruck gestanden, als sie den Einredeverzicht erklärt habe, so dass sie wohl eingehend ihre Entscheidung überlegt habe. Sie sei keineswegs untätig gewesen, sondern habe wegen des komplizierten Sachverhalts ihren Erstattungsanspruch nicht früher geltend machen können.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten vorgelegten Verwal-tungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Betei-ligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hätte der Klage im Ergebnis nicht stattgeben dürfen, sondern sie abweisen müssen.
Zunächst verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die zutreffend die Rechtslage wiedergeben. Dabei ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall § 113 Abs. 1 SGB X in der vor dem 01. Januar 2001 gültig gewesenen Fassung (a.F.) anzuwenden ist, wonach Erstat-tungs- und Rückerstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährten, in dem sie entstanden waren. Das bedeutet, dass alle 1992 entstandenen Erstattungsansprüche mit Ablauf des Jahrs 1996 und alle 1993 entstandenen mit Ablauf des Jahres 1997 verjährt wa-ren. Diese Fassung des Gesetzes wurde durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S.1983) mit Wirkung vom 01. Januar 2001 an erheblich verändert.
Das SG hat allerdings die ständige Rechtsprechung des BGH unberücksichtigt gelassen, derzu-folge der Gläubiger einer verjährten Forderung bei Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Schuldner trotz vorangegangenen Verzichts hierauf innerhalb kurzer Frist den Klageweg beschreiten muss. Diese Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH (vgl. NJW 1998, 902 ff.) besagt, dass ein Schuldner (hier die Beklagte) bei vorangegangener Vereinbarung eines Ver-zichts auf die Einrede der Verjährung mit einer gleichwohl erfolgenden Berufung auf dem Ein-tritt der Verjährung gegen die auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsätze von Treu und Glauben verstößt, und zwar auch dann, wenn der Verzicht auf die Einrede bereits vor Eintritt der Verjährung vereinbart worden ist, was gegen § 225 BGB a.F. verstoßen hat und deswegen unwirksam war. Dieser Vorwurf trifft den Schuldner erst recht, der sich - wie die Beklagte hier - nicht an eine rechtswirksam getroffene Vereinbarung halten will. Der Einwand der Arglist hat Auswirkungen aber nur, solange der Schuldner beim Gläubiger, hier der Klägerin, den Eindruck erweckt oder aufrechterhält, dessen Ansprüche zu befriedigen oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen zu wollen, und solange der Schuldner den Gläubiger dadurch von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abhält. Das Vertrauen des Gläubigers darauf, dass sein An-spruch nicht an der Verjährung scheitern wird, ist jedoch nur solange gerechtfertigt, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände andauern. Fallen sie fort, erklärt insbesondere der Schuldner (treuwidrig), sich nicht mehr an den Verzicht halten zu wol-len, so muss der Gläubiger binnen einer angemessenen und ihrerseits nach Treu und Glauben zu bemessenden kurzen Überlegungsfrist seinen Anspruch gerichtlich geltend machen. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie hier - die Vereinbarung über den Einredeverzicht wirksam getroffen war oder nicht. Diese Klagefrist ist von ihrem Zweck her kurz zu bemessen; eine großzügige Ausdehnung würde der bereits eingetretenen Verjährung zuwider laufen. Aus diesem Grund ist in der Rechtsprechung, je nach den Umständen des Falles, wiederholt vom BGH eine Frist von drei Monaten oder auch schon von sechs Wochen für zu lang erklärt und für die Mehrzahl der durchschnittlichen Fälle eine Frist von einem Monat für ausreichend gehalten worden. Geht man hiervon aus – und es sind keine Gründe ersichtlich, dies nicht zu tun, zumal es sich bei den hier in Rede stehenden Rechtsinstituten um solche des Zivilrechts handelt, die auch im öf-fentlichen Recht zu beachten sind -, so ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits Ende Dezember 1999 nach mehrmonatigem Verzögern erklärt hat, sie erhebe trotz des vereinbarten Verzichts die Einrede der Verjährung, weil der Verzicht erst nach Eintritt der Verjährung verein-bart worden sei. Dieses Verhalten ist zwar mit der Zivilrechtsprechung als arglistig zu qualifizie-ren, ganz abgesehen davon, dass die Begründung mit dem jedenfalls seinerzeit gültig gewesenen Recht nicht in Einklang gestanden hat. Gleichwohl hätte die Klägerin dann aber spätestens in den ersten Monaten des Jahres 2000 Leistungsklage erheben müssen. Dies hat sie aber erst im Juli 2000 und damit lange Zeit nach Ablauf der allenfalls in Betracht zu ziehenden kurzen Überle-gungsfrist getan, wobei dahingestellt bleiben kann, welche Frist bei einem Streit zwischen Sozi-alversicherungsträgern als angemessen anzusehen ist. Jedenfalls wäre selbst eine Frist von drei Monaten, die zweifelsfrei als zu lange anzusehen ist, hier bei weitem überschritten. Allein schon aus diesen Gründen musste die Berufung der Beklagten Erfolg haben. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die von ihr im Berufungsverfahren geltend gemachten Gründe durchgreifend gewesen wären.
Zwar spricht die Neufassung der Verjährungsvorschrift dafür, dass der Gesetzgeber diesen Rechtszustand als unbefriedigend empfunden und deswegen den Eintritt der Verjährung grund-legend geändert hat. Seit 01. Januar 2002 beginnt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der Fas-sung des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2167) die vierjährige Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese geänderte Fassung ist hier jedoch auf einen abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Sach-verhalt nicht anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der vor dem 02. Januar 2002 gültig gewesenen Fassung. Insoweit war auch die ohnehin fehlerhafte Entscheidung des SG auf-zuheben.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten besteht im Berufungsverfahren nur noch Streit darüber, ob die Beklag-te einen dem Grund und der Höhe nach unstreitigen Erstattungsanspruch der Klägerin befriedi-gen muss oder ob sie diesem die Einrede der Verjährung entgegenhalten kann.
Die am 1944 geborene bei der Beklagten krankenversicherte H. B. (H.B.) erlitt am 25. Mai 1992 Verletzungen, als sie mit einem Traktor aus der Garage ausfahren und das nicht ganz geöffnete Garagentor vom Traktor aus mit der Hand öffnen wollte. Sie zog sich dabei schwere Verletzun-gen am linken Unterarm zu, die mehrfache stationäre und wiederholte ambulante Behandlungen erforderlich machten. Dadurch entstanden der Klägerin als Unfallversicherungsträger (Berufsge-nossenschaft [BG]) in den Jahren 1992 und 1993 insgesamt DM 22.697,79 (EUR 11.605,20) an Be-handlungskosten, wobei die letzte Zahlung am 29. Juni 1993 für eine ambulante Krankenbehand-lung (Krankengymnastik) erfolgte. Die Klägerin anerkannte diesen Unfall zunächst als Arbeits-unfall, obwohl H.B. wechselnde Angaben zum Zweck der Traktorfahrt gemacht hatte, und be-willigte dieser u.a. mit Bescheid vom 03. Mai 1993 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) ab 07. Januar 1993. Mit Be-scheid vom 03. März 1994 entzog die Klägerin diese Rente mit Ablauf des Monats April 1994 wegen wesentlicher Besserung und lehnte die Gewährung einer Dauerrente ab. Dem dagegen eingelegten Widerspruch der H.B. half die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 1994 ab und zahlte weiterhin die Unfallrente.
1995 ermittelte die BG erneut wegen des Unfalls und nahm schließlich mit Bescheid vom 08. September 1997 den Bescheid vom 03. Mai 1993 mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zurück. Unter dem 12. September 1997 fragte die BG bei der Beklagten an, ob sie bis zur Rechtskraft der Rücknahmeentscheidung auf die Einrede der Verjährung verzichte und bot ihrerseits ebenfalls einen Verzicht auf die Ein-rede der Verjährung hinsichtlich der bei der Beklagten noch bestehenden Ansprüche an. Zwi-schenzeitlich lief das von H.B. angestrengte Widerspruchsverfahren weiter, das mit Wider-spruchsbescheid vom 25. November 1997 endete. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Reutlingen (S 4 U 3365/97) endete mit einem am 29. Juni 1999 abgeschlos-senen Vergleich, mit dem sich H.B. zur teilweisen Rückzahlung der im September 1997 bereits eingestellten Rente verpflichtete. Nachdem eine telefonische Rückfrage bei der Beklagten erge-ben hatte, dass das erwähnte Schreiben der BG vom 12. September 1997 dort nicht eingegangen war, verzichtete die Beklagte erst mit Schreiben vom 12. Februar 1998 gegenüber der Klägerin auf die Einrede der Verjährung und diese mit Schreiben vom 23. Februar 1998 ihrerseits eben-falls hierauf. Nach Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens mit H.B. machte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juli 1999 ihren Erstattungsanspruch in Höhe von DM 22.697,79 geltend, wobei der letzte in der Summe enthaltene Teilbetrag eine Behandlung betrifft, die in der Zeit vom 12. Januar bis 02. Februar 1993 durchgeführt und am 29. Juni 1993 bezahlt worden ist. Erst nach mehreren schriftlich und telefonisch erfolgten Mahnungen erklärte die Beklagte mit am 20. Dezember 1999 bei der Klägerin eingegangenem Schreiben vom 17. Dezember 1999, dass sie keine Kostenerstattung vornehmen könne, weil im Zeitpunkt ihres Verzichts auf die Einrede der Verjährung diese bereits eingetreten gewesen sei.
Mit der am 10. Juli 2000 beim SG Stuttgart erhobenen Klage verlangte die Klägerin die Erstat-tung der ihr 1992/1993 entstandenen Kosten von der Beklagten und machte geltend, vor rechts-kräftiger Entscheidung des mit H.B. geführten Rechtsstreits sei der ursprüngliche rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt vom 03. Mai 1993 rechtswirksam geblieben. Dass sich aus ihrer Akte zeitnahe Hinweis darauf ergäben, dass es sich nicht um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt habe, könne hieran nichts ändern. Dieser Verwaltungsakt sei im Übrigen aus Gründen aufgehoben worden, die 1992 noch nicht bekannt gewesen seien. Die Verjährungs-frist könne jedenfalls nicht zu laufen beginnen, so lange der begünstigende Verwaltungsakt ge-genüber H.B. noch rechtsbeständig sei. Die Beklagte trat der Klage entgegen und machte geltend, die Klägerin habe sich nicht mit dem erforderlichen Nachdruck um Aufklärung des Sachverhalts bemüht. Hierzu habe sie aber allen Anlass gehabt, zumal sich schon von Anfang an Zweifel daran ergeben hätten, ob es sich bei dem Ereignis vom 25. Mai 1992 tatsächlich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Nach § 225 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der seinerzeit gültig gewesenen Fassung (a.F.) sei ein Verzicht auf die Verjährungseinrede gar nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei die Forderung bereits verjährt gewesen, als die Klägerin eine Verzichtserklärung verlangt habe. Spätestens ab 29. Juni 1992 habe die Klägerin in Kenntnis ihrer Nichtschuld geleistet und könne schon deswe-gen keine Erstattung mehr verlangen. Nach Klärung weiterer jetzt nicht mehr streitiger Einzelheiten verurteilte das SG mit Urteil vom 27. April 2001 die Beklagte, der Klägerin DM 22.697,79 zu erstatten. Zur Begründung führte das SG im Wesentlichen aus, die Klägerin habe als unzuständig gewesener Leistungsträger gemäß § 105 SGB X geleistet, die Ausschlussfrist des § 111 SGB X sei gewahrt und die Beklagte habe rechtswirksam auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Dass zu diesem Zeitpunkt die Verjäh-rung bereits eingetreten gewesen sei, ändere hieran nach der Rechtsprechung des Bundessozial-gerichts (BSG) nichts. Ähnlich habe auch der Bundesgerichtshof (BGH) solche Sachverhalte beurteilt. Angesichts mehrerer Umstände sei festzustellen, dass die Klägerin bei Abgabe ihrer Verzichtserklärung gewusst haben müsse, dass die Forderung möglicherweise verjährt sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin seinerzeit in Kenntnis ihrer Nicht-schuld geleistet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das den Be-vollmächtigten der Klägerin am 23. Mai 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil verwiesen.
Die am 18. Juni 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung begrün-det die Beklagte damit, der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch sei am 29. Juni 1996 verjährt, also bereits verjährt gewesen, als sie, die Klägerin, den Verzicht auf die Einrede erklärt habe. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Juni 1986 (2 RU 57/85), auf das vom SG abgehoben worden sei, halte zwar einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung auch dann für zulässig und wirksam, wenn – wie hier – der Schuldner davon Kennt-nis gehabt oder wenigstens damit habe rechnen müssen, dass die Verjährung bereits eingetreten sei. Dem könne aber nicht gefolgt werden, weil es einen abweisend reagierenden Schuldner einer verjährten Forderung besser stelle als einen, der zunächst den Einredeverzicht erkläre. Weiterhin sei anerkannt, dass während laufender Verjährungsfrist nicht auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden könne, sondern gegebenenfalls rechtzeitig Klage erhoben werden müsse. Zu-dem sei von Anfang an das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sehr zweifelhaft gewesen. Da sie be-reits zwei Tage nach der telefonischen Anfrage der Klägerin, ob ein Verzicht auf die Einrede erklärt werde, geantwortet habe, sei ihr eine eingehende rechtliche Prüfung gar nicht möglich gewesen. Die schriftliche Anfrage, ob auf die Einrede verzichtet werde, habe sie nicht erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. April 2001 aufzuheben und die Klage ab-zuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für zutreffend. Es könne nicht die Rede davon sein, dass bei Anwendung der vom SG herangezogenen Rechtsprechung des BSG eine Rechtsunsicherheit eintrete. Die Beklagte habe unter keinem Zeitdruck gestanden, als sie den Einredeverzicht erklärt habe, so dass sie wohl eingehend ihre Entscheidung überlegt habe. Sie sei keineswegs untätig gewesen, sondern habe wegen des komplizierten Sachverhalts ihren Erstattungsanspruch nicht früher geltend machen können.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten vorgelegten Verwal-tungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Betei-ligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet. Das SG hätte der Klage im Ergebnis nicht stattgeben dürfen, sondern sie abweisen müssen.
Zunächst verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die zutreffend die Rechtslage wiedergeben. Dabei ist zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall § 113 Abs. 1 SGB X in der vor dem 01. Januar 2001 gültig gewesenen Fassung (a.F.) anzuwenden ist, wonach Erstat-tungs- und Rückerstattungsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährten, in dem sie entstanden waren. Das bedeutet, dass alle 1992 entstandenen Erstattungsansprüche mit Ablauf des Jahrs 1996 und alle 1993 entstandenen mit Ablauf des Jahres 1997 verjährt wa-ren. Diese Fassung des Gesetzes wurde durch das Vierte Euro-Einführungsgesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S.1983) mit Wirkung vom 01. Januar 2001 an erheblich verändert.
Das SG hat allerdings die ständige Rechtsprechung des BGH unberücksichtigt gelassen, derzu-folge der Gläubiger einer verjährten Forderung bei Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Schuldner trotz vorangegangenen Verzichts hierauf innerhalb kurzer Frist den Klageweg beschreiten muss. Diese Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des BGH (vgl. NJW 1998, 902 ff.) besagt, dass ein Schuldner (hier die Beklagte) bei vorangegangener Vereinbarung eines Ver-zichts auf die Einrede der Verjährung mit einer gleichwohl erfolgenden Berufung auf dem Ein-tritt der Verjährung gegen die auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsätze von Treu und Glauben verstößt, und zwar auch dann, wenn der Verzicht auf die Einrede bereits vor Eintritt der Verjährung vereinbart worden ist, was gegen § 225 BGB a.F. verstoßen hat und deswegen unwirksam war. Dieser Vorwurf trifft den Schuldner erst recht, der sich - wie die Beklagte hier - nicht an eine rechtswirksam getroffene Vereinbarung halten will. Der Einwand der Arglist hat Auswirkungen aber nur, solange der Schuldner beim Gläubiger, hier der Klägerin, den Eindruck erweckt oder aufrechterhält, dessen Ansprüche zu befriedigen oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpfen zu wollen, und solange der Schuldner den Gläubiger dadurch von der rechtzeitigen Erhebung der Klage abhält. Das Vertrauen des Gläubigers darauf, dass sein An-spruch nicht an der Verjährung scheitern wird, ist jedoch nur solange gerechtfertigt, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden Umstände andauern. Fallen sie fort, erklärt insbesondere der Schuldner (treuwidrig), sich nicht mehr an den Verzicht halten zu wol-len, so muss der Gläubiger binnen einer angemessenen und ihrerseits nach Treu und Glauben zu bemessenden kurzen Überlegungsfrist seinen Anspruch gerichtlich geltend machen. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie hier - die Vereinbarung über den Einredeverzicht wirksam getroffen war oder nicht. Diese Klagefrist ist von ihrem Zweck her kurz zu bemessen; eine großzügige Ausdehnung würde der bereits eingetretenen Verjährung zuwider laufen. Aus diesem Grund ist in der Rechtsprechung, je nach den Umständen des Falles, wiederholt vom BGH eine Frist von drei Monaten oder auch schon von sechs Wochen für zu lang erklärt und für die Mehrzahl der durchschnittlichen Fälle eine Frist von einem Monat für ausreichend gehalten worden. Geht man hiervon aus – und es sind keine Gründe ersichtlich, dies nicht zu tun, zumal es sich bei den hier in Rede stehenden Rechtsinstituten um solche des Zivilrechts handelt, die auch im öf-fentlichen Recht zu beachten sind -, so ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte bereits Ende Dezember 1999 nach mehrmonatigem Verzögern erklärt hat, sie erhebe trotz des vereinbarten Verzichts die Einrede der Verjährung, weil der Verzicht erst nach Eintritt der Verjährung verein-bart worden sei. Dieses Verhalten ist zwar mit der Zivilrechtsprechung als arglistig zu qualifizie-ren, ganz abgesehen davon, dass die Begründung mit dem jedenfalls seinerzeit gültig gewesenen Recht nicht in Einklang gestanden hat. Gleichwohl hätte die Klägerin dann aber spätestens in den ersten Monaten des Jahres 2000 Leistungsklage erheben müssen. Dies hat sie aber erst im Juli 2000 und damit lange Zeit nach Ablauf der allenfalls in Betracht zu ziehenden kurzen Überle-gungsfrist getan, wobei dahingestellt bleiben kann, welche Frist bei einem Streit zwischen Sozi-alversicherungsträgern als angemessen anzusehen ist. Jedenfalls wäre selbst eine Frist von drei Monaten, die zweifelsfrei als zu lange anzusehen ist, hier bei weitem überschritten. Allein schon aus diesen Gründen musste die Berufung der Beklagten Erfolg haben. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die von ihr im Berufungsverfahren geltend gemachten Gründe durchgreifend gewesen wären.
Zwar spricht die Neufassung der Verjährungsvorschrift dafür, dass der Gesetzgeber diesen Rechtszustand als unbefriedigend empfunden und deswegen den Eintritt der Verjährung grund-legend geändert hat. Seit 01. Januar 2002 beginnt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der Fas-sung des Gesetzes vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2167) die vierjährige Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese geänderte Fassung ist hier jedoch auf einen abgeschlossen in der Vergangenheit liegenden Sach-verhalt nicht anwendbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG in der vor dem 02. Januar 2002 gültig gewesenen Fassung. Insoweit war auch die ohnehin fehlerhafte Entscheidung des SG auf-zuheben.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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