L 4 KR 4692/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1889/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4692/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik -MRP-) kann grundsätzlich nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden. Übergroße Brüste (Makromastie) für sich allein stellen keine Krankheit dar.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik - MRP) hat.

Die am 1958 geborene Klägerin, die Mutter zweier Kinder ist, ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie hat den Beruf der Schneiderin erlernt und arbeitet jetzt in einer Textilfab-rik in der Abteilung Retouren. Bei ihr besteht eine Makromastie (beiderseits übergroße Brüste) und eine Mastoptose (Hängekomponente). Dabei beträgt das Brustgewicht je Brust mehr als 1000 g (Schreiben des Dr. F., Oberarzt an der Frauenklinik des Universitätsklinikums T., vom 02. Februar 2000) bzw. rechts 1580 g sowie links 1510 g (Arztbrief des Dr. S., Chefarzt der Frauenklinik des Kreiskrankenhauses F., vom 04. April 2002) bzw. rechts 1890 g und links 1952 g (Gutachten des Sachverständigen Dr. W., Facharzt für Orthopädie, vom 23. August 2002). Ferner besteht nach dem genannten Gutachten vom 23. August 2002 ein mäßiges Über-gewicht (75 kg bei einer Körpergröße von 170 cm) sowie ein muskuläres Wirbelsäulensyndrom ohne Nachweis einer Nervenwurzelreizung bei röntgenologisch unauffälliger Darstellung der Wirbelsäule und unauffälligem funktionellem Befund. Am 29. November 1999 ging bei der Beklagten ein Attest der Fachärztin für Chirurgie, Plasti-sche Chirurgie, Dr. B. vom 22. Januar 1999 ein; darin führt die Ärztin aus, bei der Klägerin liege eine massive Mammahypertrophie beidseits vor mit deutlicher Ptose der Brust beidseits; die Klägerin leide unter starken Halswirbelsäulen- und Brustwirbelsäulenbeschwerden sowie unter eingezogenen BH-Trägern beiderseits; sie habe darüber hinaus große Probleme bei der Kleider-wahl. Eine MRP sei aus medizinischer Sicht zur Vermeidung von Spätschäden beidseits indi-ziert. Die Klägerin trage zur Zeit BHs der Größe 80 H. Der von der Beklagten eingeschaltete Dr. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) hielt u.a. die Beiziehung eines aktuellen orthopädischen sowie gynäkologischen Befundes für erforderlich. Dazu erhob die Beklagte das Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. D. vom 01. Februar 2000; darin wird aus-geführt, die Klägerin befinde sich seit September 1997 in dortiger orthopädischer Behandlung, zuletzt am 03. Januar 2000 wegen einer Lumboischialgie sowie ständiger Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und der Brustwirbelsäule (BWS). Er bat, die MRP zu genehmigen. Ferner erhob die Beklagte die Auskunft des Dr. F. vom 02. Februar 2000 mit dessen weiterem Arztbrief vom selben Tag. Auch dieser Arzt empfahl von medizinischer Seite her die Durchfüh-rung der MRP; er verwies auf eine deutliche Einschnürung im Bereich des Schultergürtels und ein angedeutetes intertriginöses Exanthem im Bereich der Umschlagsfalte. Danach erstattete Dr. L. vom MDK aufgrund einer ambulanten Untersuchung am 23. Februar 2000 ein Gutachten. Dieser Arzt wies darauf hin, dass die Klägerin wegen der Makromastie beidseits einen Konfekti-ons-BH Größe 85 H mit verbreiterter Auflage trage. Er stellte mäßig ausgeprägte Schnürfurchen fest. Er wies darauf hin, dass es keine einzige wissenschaftliche Studie gebe, die in der Lage sei, einen Zusammenhang zwischen Makromastie und Nacken- bzw. Schulterbeschwerden zu bele-gen; dies gelte selbst für Brustlasten von über 1200 g je Seite. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 27. März und 03. Mai 2000 die Übernahme von Kosten für eine MRP ab. Da-gegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, sie könne nicht akzeptie-ren, wenn angenommen werde, dass sie ihr Krankheitsbild durch Tragen eines stützenden BHs verändern könne; diese Annahme sei bei einem Reduktionsgewicht von mindestens 2 kg nicht haltbar; sie habe sich stets um stützende BHs bemüht; die Grenzen der Möglichkeit einer genü-genden Abstützung seien längst überschritten. Es gehe nicht an, dass sich der MDK auf Abhand-lungen zu dem Thema der Brustverkleinerung aus den Jahren 1980 und 1991 stütze. Der Wider-spruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Wider-spruchsausschusses vom 21. Juni 2000).

Deswegen erhob die Klägerin am 24. Juli 2000 Klage beim Sozialgericht (SG) Reutlingen. Sie trug vor, zu Unrecht gehe die Beklagte davon aus, bei ihr handle es sich lediglich um eine kos-metische Korrektur der stark vergrößerten Brust. Aus den Äußerungen der Dr. B. sowie des Dr. F. ergebe sich eindeutig, dass eine wesentliche Besserung der bei ihr bestehenden orthopädi-schen Beschwerden nur durch die insoweit medizinisch indizierte BRP gegeben sei. Weitere orthopädische Maßnahmen würden keinen Erfolg bringen. Auch gegenüber der sie behandelnden Frauenärztin Dr. Sch. habe sie seit ungefähr zwei Jahren über Schmerzen im Brustbereich ge-klagt. Auch diese Ärztin befürworte in dem vorgelegten Attest vom 13. September 2000 im Hin-blick auf die aufgetretenen Beschwerden eine Brustverkleinerung. Seit November 1999 habe sie aufgrund ärztlicher Empfehlung ihr Gewicht um über 10 kg reduzieren können; dadurch habe sich jedoch keinerlei Rückgang des Volumens oder des Gewichts der deutlich vergrößerten Brust ergeben. Das von der Beklagten erhobene Gutachten des MDK befasse sich nicht in dem gebote-nen Umfang mit ihrer tatsächlichen Situation. Die zitierten Fundstellen aus den Jahren 1980 und 1991 würden keineswegs den aktuellen Stand des medizinischen Wissens wiedergeben. Offenbar gebe es keine neueren Forschungsergebnisse, die die Ansicht der Beklagten bekräftigen könne. Darin werde auch nicht berücksichtigt, dass Dr. F. ein notwendiges Reduktionsgewicht je Brust-seite von ungefähr 1000 bis 1200 g angegeben habe. Unzutreffend sei auch der Hinweis, dass sie einen Konfektions-BH ohne stützendes Rückenteil trage. Normale, handelsübliche BHs könne sie mit ihren großen Brüsten schon lange nicht mehr tragen. Sie verwende besonders konstruier-te, gerade auf die besondere Größe und das hohe Gewicht hin optimierte orthopädische Brust-BHs. Deren Träger seien etwas nach außen versetzt und lägen daher bei ihr nahezu ungepolstert auf den Schulterknochen auf. Sie habe auch von einer neuen Richtlinie der Allgemeinen Orts-krankenkassen erfahren, wonach Kosten für vergleichbare Operationen bei Brüsten ab ca. 700 g übernommen würden. Es müsse ein Sachverständigengutachten erhoben werden. Die Klägerin benannte auch die sie behandelnden Ärzte und legte das Attest der Dr. Sch. vom 13. September 2000 vor. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Der MDK habe festgestellt, dass der von der Klägerin gewählte BH nicht geeignet gewesen sie. Der MDK kom-me ferner zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang von Rückenbeschwerden und Makromastie wissenschaftlich nicht hergestellt werden könne. Andernfalls müsste dies orthopädischerseits geklärt werden. Dann würde sich jedoch die Frage ergeben, inwieweit bei der Klägerin die übli-chen Therapiemethoden, wie beispielsweise Krankengymnastik, ausgeschöpft seien. Das SG erhob eine schriftliche Auskunft als sachverständige Zeugin bei Dr. Sch. vom 21. Dezember 2000 sowie bei Dr. B. vom 06. April 2001. Auf diese Auskünfte wird Bezug ge-nommen. Nach entsprechendem Hinweis auf § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wies das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Oktober 2001 ab; auf die Gründe des den Bevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 30. Oktober 2001 zugestellten Gerichtsbescheids wird Bezug genommen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29. November 2001 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie macht geltend, irrtümlich gehe das SG davon aus, dass keiner der beteiligten Mediziner eine medizinische Indikation für die von ihr erstrebte MRP für gegeben ansehe. Das SG habe die Äußerungen des Dr. F. und der Dr. Sch. nicht berücksich-tigt. Dr. B. habe sie nur einmal behandelt. Daraus, dass diese Ärztin keinerlei Behandlungsme-thoden wegen der Rückenbeschwerden angegeben habe, könne nicht gefolgert werden, dass sie die Brustverkleinerung lediglich aus kosmetischen Gründen begehre. Es ergebe sich nämlich aus der vorgelegten Bescheinigung der Sport- und Tauchschule M. vom 21. Februar 2002, dass sie seit dem 22. Januar 1998 regelmäßig dort am Unterricht der Rückenschule teilnehme. Der Kurs finde dort regelmäßig einmal in der Woche statt. Ferner sei sie in der Zeit von September 1997 bis Anfang 2000 orthopädisch durch den Orthopäden Dr. D. behandelt worden. Aus dessen vor-gelegtem Attest vom 01. Februar 2000 ergebe sich, dass bei ihr eine Thorakolumbalskoliose mit ständig wiederkehrenden Dorsalgien und Lumboischialgien bestanden habe. Dieser Arzt führe die zahlreichen Blockierungen im Bereich der BWS sowie die ständigen Schmerzen zwischen den Schulterblättern auf die stark vergrößerten Brüste zurück. Auch dieser Arzt habe ihr die MRP deswegen empfohlen. Jetzt sei sie bei dem Orthopäden Dr. K. in Behandlung, der sie am 14. Januar 2002 zuletzt untersucht habe; nach dem vorgelegten Arztbrief des Dr. K. vom 15. Januar 2002 bestehe bei ihr ein chronisches BWS- und LWS-Syndrom. Dieser Arzt beschei-nige, dass sie seit neun Monaten regelmäßig an einem Rückengymnastik-Kurs teilnehme. Er habe ihr ein Rezept über Krankengymnastik und Fangopackungen zur Detonisierung der ver-spannten Muskulatur und als Anleitung zu Eigenübungen verschrieben. Dessen Beurteilung der Kausalität könne aber schon deswegen nicht gefolgt werden, weil er selbst seine ausreichende Erfahrung dabei verneint habe. Zuletzt sei sie am 31. März 2002 in der Frauenklinik des Kreis-krankenhauses F. untersucht worden. Nach dem vorgelegten Arztbrief des Chefarztes dieser Frauenklinik Dr. S. vom 04. April 2002 sei das Gewicht je Brust mit ungefähr 1600 g festgestellt worden. Auch dieser Arzt habe ihr nach einer eingehenden Untersuchung empfohlen, die Brüste verkleinern zu lassen; dies sei medizinisch dringend erforderlich; jener Arzt gehe davon aus, dass je Brustgewebe zwischen 800 und 1000 g entfernt werden müsse. Dieser Arzt habe auch am 21. März 2002 die vorgelegten beiden Polaroid-Bilder gefertigt. Auch das vom Berichterstatter des Senats erhobene orthopädische Gutachten des Dr. W. vom 23. August 2002 stütze ihren Standpunkt. Dieser Sachverständige lasse keinen Zweifel daran, dass durch eine Verkleinerung der Brüste die Gesundheitsstörungen und subjektiven Beschwerden gelindert werden könnten; danach erscheine die Makromastie und Mastoptose mehr als Teilursache der bei ihr bestehenden Rückenbeschwerden; eine weitere physikalische Therapie erscheine dem Sachverständigen aus-drücklich als nicht geboten. Der Sachverständige trete auch den Ausführungen des MDK entge-gen, nach denen eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung abgelehnt worden sei, da es bislang keine einzige wissenschaftliche Studie im Sinne der Evidence based Medicine (EBM) gebe. Denn der Arzt weise darauf hin, dass die Medizin zwar ein naturwissenschaftliches Fachgebiet sei; jedoch ließen sich Messmethoden und Versuchsanordnungen nicht wie in der Chemie, Physik oder in der Biochemie definieren. Viele bewährte Heilungsmethoden in der Me-dizin entbehrten einer EBM-Validierung. Schließlich weise der Sachverständige auch noch auf die in der Schweiz und von der dortigen Rechtsprechung gehandhabte Lösung hin, nach der bei einer Massenreduktion von gegen 500 g oder mehr eine Leistungspflicht der gesetzlichen Kran-kenversicherung bejaht werde. Am 02. Juli 2002 sei sie auch noch von Prof. Dr. G., Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Städtischen Krankenhauses Fr., untersucht worden. Nach dem vorgelegten Arztbrief vom 04. Juli 2002 habe dieser Arzt bei ihr sogar eine Gigantomastie beidseits festgestellt und die Resektionsmenge auf 1000 g pro Seite geschätzt. Auch dieser Arzt betone eindeutig eine orthopädische Indikation zur Durchführung der MRP und weise darauf hin, dass ein Zusammenhang zwischen dem großen Brustgewicht und den Wirbel-säulenbeschwerden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben sei. Prof. Dr. G. führe auch eine Liste einschlägiger Literatur auf, in der der Zusammenhang zwischen Wirbelsäu-lenbeschwerden und übergroßem Brustgewicht bejaht werde. Die Klägerin hat die erwähnten Bescheinigungen sowie Arztbriefe vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Oktober 2001 aufzu-heben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 27. März und 03. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2000 zu verurteilen, bei ihr die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Auch auf das Sachverständigengutachten des Dr. W. könne sich die Klägerin nicht stützen, da dieser Arzt eine medizinische Notwendigkeit für die MRP nicht bestätigen könne. Zwar gehe er davon aus, dass durch die Brustreduktion eine Beschwerdelinderung eintreten könne. Ob die Rückenschmerzen aber von der Übergröße der Brüste verursacht würden, lasse sich danach nicht mit der hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Wissenschaftliche Studien, die einen Zu-sammenhang zwischen übergroßen Brüsten und daraus resultierenden Rückenschmerzen nach-weisen könnten, gebe es danach nicht. Dazu müsse nicht nur weiterhin das von ihr eingeholte Gutachten des MDK berücksichtigt werden, sondern auch die Auskunft des Dr. K. vom 08. Februar 2002.

Der Berichterstatter des Senats erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen von Dr. F. vom 19. Dezember 2001, von Dr. K., Facharzt für Orthopädie, vom 08. Februar 2002 und von dem Arzt für Allgemeinmedizin O. vom 25. Februar 2002. Ferner erhob der Berichterstatter das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W., das dieser nach einer am 05. Juli 2002 durchgeführten Untersuchung der Klägerin am 23. August 2002 erstattet hat. Auf die Auskünfte und das Gutachten wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündli-che Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Akten beider Rechtszüge Bezug ge-nommen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Betei-ligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist auch statthaft. Die für die streitige Operation anfallenden Kosten übersteigen den als Beschwerdewert maßge-benden Betrag von 500,- EUR. Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Der von der Klä-gerin angefochtene Gerichtsbescheid ist zu Recht ergangen. Die Bescheide der Beklagten vom 27. März und 03. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2000 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine MRP im Sinne einer Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V).

Nach der genannten Bestimmung haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen umfasst die Krankenbehandlung dann eine notwendige ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar. Die Verbesserung des Aussehens kann auch kein Behandlungsziel sein. Als Krankheit gilt ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen. Die Krankenbehandlung durch ärztliche Behandlung muss an der Krankheit unmittelbar ansetzen. Liegt eine Krankheit vor, wird Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsfähigkeit verlangt, die anhand der o.g. Be-handlungsziele zu beurteilen ist. Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn die Behandlungsziele ohne die beabsichtigte ärztliche Behandlung wahrscheinlich nicht und auch nicht mit Aussicht auf Erfolg zu erreichen sind. Die Verschlimmerungsgefahr darf keine bloß entfernte Möglichkeit sein. Die Prüfung der Wahrscheinlichkeit ist als Prognose unter Berücksichtigung aller Umstän-de vorzunehmen. Dies verlangt auch einen wissenschaftlich begründeten Nachweis der Wirk-samkeit der begehrten Behandlung hinsichtlich des Behandlungsziels. Der Senat vermag die bei der Klägerin vorliegende Makromastie, unabhängig davon, ob das Brustgewicht rechts 1580 g oder 1890 g sowie links 1510 g oder 1952 g beträgt, also auch unab-hängig von dem möglichen Reduktionsgewicht, das Dr. F. pro Seite mit mehr als 1000 g ange-nommen hat, nicht als Krankheit anzusehen. Damit ist es auch unerheblich, dass Prof. Dr. G. von einer Gigantomastie spricht. Ein Normgewicht der Brust lässt sich nicht bestimmen. Insoweit hat auch der Sachverständige Dr. W. überzeugend dargelegt, dass es ein Normgewicht für die Brust nicht gebe; es bestehe ein großer Schwankungsbereich, wobei eine genetische Determination für Brustgröße und Brustgewicht allgemein anerkannt sei und kein direkter Bezug zur Körperlänge und zum Körpergewicht bestehe. Dies wird auch durch die Auskunft des Dr. F. vom 19. Dezember 2001 bestätigt. Insbesondere verbietet es sich daher, von einer Krankheit bei-spielsweise dann zu sprechen, wenn pro Seite der Brust eine Gewichtsreduktion von gegen 500 g oder mehr vorgenommen werden kann, wie es in der von Dr. W. herangezogenen Rechtspre-chung Schweizer Gerichte entnommen werden könnte. Eine Krankheit liegt auch nicht wegen der gleichzeitig bestehenden Mastoptose vor. Zwar hat die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. W. am 05. Juli 2002 angegeben, am Übergang von der Brust zur vorderen Thoraxwand bzw. zum oberen Bauch komme es häufig in der warmen Jahreszeit zu intertriginösen Hautekzemen mit Juckreiz und oberflächlicher Entzündung. Die Klägerin hat aber nicht geltend gemacht, dass deswegen hautärztliche Behandlung erforderlich war oder ist. Im Übrigen fand Dr. W. insoweit bei seiner Untersuchung keine auffälligen Phänomene an der Haut. Als Krankheit besteht bei der Klägerin zwar das von dem Sachverständigen Dr. W. festgestellte muskuläre Wirbelsäulensyn-drom. Dabei hat der Arzt jedoch bei röntgenologisch unauffälliger Darstellung der Wirbelsäule und unauffälligem funktionellem Befund keinen Nachweis einer Nervenwurzelreizung gefunden. Insoweit fanden bei der Klägerin orthopädische Behandlungen in der Vergangenheit bei Dr. D. in der Zeit von September 1997 bis 03. Januar 2000 statt, ferner am 22. November 1999 auch bei Dr. B. sowie dann am 14. Januar 2002 bei Dr. K., der der Klägerin offensichtlich erstmals Kran-kengymnastik und Fangopackungen verordnet hat. Ferner geht der Senat davon aus, dass die Klägerin regelmäßig an einer Rückenschulung der Sport- und Tauchschule M. teilnimmt. Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass angesichts dieser orthopädischen Beschwer-den die von der Klägerin erstrebte MRP notwendig ist. Die MRP erscheint nicht notwendig, um das muskuläre Wirbelsäulensyndrom zu heilen bzw. eine Verschlimmerung dabei zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dazu ist die MRP nicht mit Wahrscheinlichkeit geeig-net. Der Senat entnimmt dem Gutachten des Sachverständigen Dr. W., dass nicht mit Wahr-scheinlichkeit bejaht werden kann, dass die bei der Klägerin bestehenden orthopädischen Be-schwerden durch das Brustgewicht verursacht sind. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass muskuläre Beschwerden im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule außerordent-lich häufig seien und in der täglichen Behandlungspraxis quantitativ überwiegen würden. Rü-ckenschmerzen seien polyfaktoriell verursacht, wobei Körpergewicht, berufliche Exposition, Freizeitverhalten, Sitzmöbel und Betten als mögliche Ursachen angenommen werden könnten; Rückenschmerzen könnten auch als Ausdruck einer psychosomatischen Störung auftreten oder im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung, insbesondere im Bereich des Nackens und der Schultern, wie bei beruflicher oder anderer Überforderung durch Zeitdruck und Stress. Daher hat der Sachverständige auch hervorgehoben, was hier entscheidend ist, dass es bislang keine einzi-ge wissenschaftliche Studie im Sinne der EBM gebe, die einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und des Auftretens von Wirbelsäulenbeschwerden belege. Damit bestätigt der Sachverständige auch überzeugend die Einschätzung des Dr. L. vom MDK im Gutachten vom 23. Februar 2000, dass es keine einzige wissenschaftliche Studie gebe, die in der Lage sei, einen Zusammenhang zwischen Makromastie und Nacken- bzw. Schulterbeschwerden zu belegen. Solche wissenschaftliche Studien auf orthopädischem Gebiet, die einen derartigen wahrscheinli-chen Kausalzusammenhang ergeben haben, vermag der Senat auch nicht den von Prof. Dr. G. im Arztbrief vom 04. Juli 2002 angeführten Literaturangaben zu entnehmen. Weiter ist zu berück-sichtigen, dass auch der Facharzt für Orthopädie Dr. K. in der Auskunft vom 08. Februar 2002 bei der Klägerin einen Ursachenzusammenhang zwischen den von ihm erhobenen Verspannun-gen der Wirbelsäulenmuskulatur sowie der Druckschmerzhaftigkeit des Schulterblatthebermus-kels beidseits und der Mammahyperplasie verneint hat. Für die medizinische Notwendigkeit der MRP genügt es nicht, wenn der Sachverständige Dr. W. trotz einer Verneinung der den Kausal-zusammenhang bejahenden wissenschaftlichen Studien die Ansicht vertritt, dass durch eine Ver-kleinerung der Brüste die Gesundheitsstörungen und subjektiven Beschwerden der Klägerin ge-lindert werden könnten. Danach erscheint das Heilen oder Lindern der orthopädischen Be-schwerden mittels MRP allenfalls als eine hier nicht ausreichende entfernte Möglichkeit, zumal der Sachverständige gleichzeitig unter Berücksichtigung der polyfaktoriellen Verursachung von Rückenbeschwerden bei Versagen einer MRP nicht von einer Verschlimmerung der Wirbelsäu-lenbeschwerden ausgeht. Da die Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsfähigkeit der ortho-pädischen Beschwerden hier allein das orthopädische Fachgebiet betrifft, vermag sich der Senat den frauenärztlichen Beurteilungen des Dr. F., der Dr. Sch., des Dr. S. sowie des Prof. Dr. G., soweit diese eine orthopädische Indikation zur Durchführung der MRP bejahen, nicht anzu-schließen. Insoweit war es auch nicht geboten, ein Sachverständigengutachten eines Frauenarztes einzuholen. Die Notwendigkeit einer MRP vermag der Senat auch nicht daraus herzuleiten, dass bei der Klägerin bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. W. durch die Träger der Büstenhalter verursachte Schnürfurchen der Haut mäßiger Ausprägung an den Schultereckgelen-ken bestanden. Dieser Befund alleine rechtfertigt nicht die Verpflichtung der Beklagten, die Kos-ten für die streitige Operation zu übernehmen, unabhängig davon, dass der Senat aufgrund des Gutachtens des Dr. W. und auch des Arztbriefes des Prof. Dr. G. vom 04. Juli 2002 davon aus-geht, dass die Klägerin keinen normalen Konfektions-BH trägt, sondern einen solchen mit sehr breit gewählten BH-Trägern und zusätzlichen Polstern auf der Schulterhöhe. Soweit der Sachverständige Dr. W. eine in der Schweiz gehandhabte Praxis, bei einer Massenre-duktion von gegen 500 g oder mehr eine Leistungspflicht der dortigen Krankenkassen zu beja-hen, auch als denkbaren Lösungsansatz im Rahmen der Leistungspflicht nach § 27 SGB V an-sieht, vermag der Senat die Rechtsprechung der Schweizer Gerichte nicht auf das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenkassen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu übertragen.

Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved