L 11 KR 63/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3808/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 63/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 13 Abs. 2 MuSchG, wonach privat Versicherte ein Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 €/Tag erhalten, ist verfassungsgemäß.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Mutterschaftsgeldes.

Die 1970 geborene Klägerin, von Beruf Steuerberaterin, wechselte zum 01.01.2003 von einer gesetzlichen Krankenkasse zu einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, nachdem ihr Gehalt die für die Krankenversicherung maßgebende Versicherungspflichtgrenze überschritten hatte. Nach der Geburt ihres Kindes am 18.05.2004 gewährte ihr die Beklagte auf ihren Antrag vom 08.04.2004 mit Bescheid vom 07.07.2004 Mutterschaftsgeld in Höhe von 210,00 Euro für die Dauer der Schutzfristen vom 15.04.2004 bis 22.07.2004 nach § 13 Abs. 2 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG).

Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihr stehe Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 Euro pro Tag zu. Dies sei der Betrag, den jede gesetzliche krankenversicherte Mutter erhalte. Seit dem 01.01.2004 werde der Betrag für die gesetzlich Krankenversicherten nicht mehr von der Krankenkasse finanziert, sondern nur noch verwaltet bzw. ausgezahlt. Das Mutterschaftsgeld werde von der Allgemeinheit, also von den Steuern finanziert. Damit bestehe kein Rechtfertigungsgrund, Arbeitnehmerinnen, die privat krankenversichert seien, schlechter zu stellen. Beachtet werden müsse auch, dass die privat krankenversicherten Arbeitnehmerinnen in aller Regel vorher gesetzlich krankenversichert gewesen seien, so dass das Bestehen der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls kein sachlicher Grund für die extreme Ungleichbehandlung sei. Die Tatsache, dass das allgemeine Mutterschaftsgeld auf das Erziehungsgeld angerechnet werde, sei irrelevant. Die Einkunftsgrenzen hierfür seien soweit herabgesetzt worden, dass Arbeitnehmer, die sich privat krankenversichern dürften, sowieso kein Erziehungsgeld mehr erhalten würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 13 Abs. 2 MuSchG sei der Anspruch auf Mutterschaftsgeld für Frauen, die - wie die Klägerin - nicht selbst Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse seien, auf 210,00 Euro begrenzt. Diese Begrenzung verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Über ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren hinaus wies sie darauf hin, dass in dem Moment, in dem Frauen, die als Arbeitnehmerinnen privat krankenversichert seien, bei Mutterschaftsgeld finanziell schlechter gestellt würden als andere Arbeitnehmerinnen, es sich insgesamt um die Diskriminierung des weiblichen Geschlechts handele. Die derzeitige Regelung zum Mutterschaftsgeld "bestrafe" die gute Ausbildung von Frauen. Eine Kürzung des Mutterschaftsgeldes mit der Begründung, diese Frauen verfügten aufgrund ihres höheren Einkommens sowieso über genügend Mittel würde ebenfalls zu kurz greifen, denn in der Regel hätten diese Frauen erst viel später angefangen Geld zu verdienen und vorher viel Geld für ihre Ausbildung ausgegeben. Die derzeitige Regelung berücksichtige auch nicht die Dauer des Bezugs des höheren Gehaltes, das die private Versicherung ermöglicht habe. Daneben diene das Mutterschaftsgeld nicht dem Zweck, die unterschiedlichen Gehaltsniveaus der Mütter untereinander auszugleichen. Vor diesem Hintergrund sei § 13 MuSchG verfassungswidrig und verstoße auch gegen geltendes EU-Recht.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Klägerin habe als Privatkrankenversicherte gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 MuSchG Anspruch auf Mutterschaftsgeld nur in Höhe von 210,00 Euro. Die Begrenzung auf höchstens 210,00 Euro sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung verstoße nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Dass für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse eine entsprechende Begrenzung nicht vorgesehen sei, sei sachlich gerechtfertigt. Der rechtfertigende Grund sei in der Mitgliedschaft einer gesetzlichen Krankenversicherung zu sehen. Gesetzlich krankenversicherte Mütter hätten das Mutterschaftsgeld durch ihre Beiträge mitfinanziert. Zwar leiste der Bund zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen einen Zuschuss an die Krankenkassen. Dies führe jedoch nicht dazu, das Mutterschaftsgeld für gesetzlich krankenversicherte Mütter als staatliche Leistung einzustufen. Frauen seien auch nicht insgesamt durch § 13 Abs. 2 MuSchG benachteiligt. Eine Benachteiligung gegenüber Männern scheide schon deshalb aus, weil Männer kein Mutterschaftsgeld erhalten würden.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.01.2005 Berufung eingelegt. Sie hat darauf hingewiesen, dass sie erst seit dem 17.05.2002 als Steuerberaterin arbeite. Zwischen dem 01.10.1996 und 31.12.2002 habe sie Beträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erbracht. Sie hätte ihr Mutterschaftsgeld bereits finanziert. Im Übrigen bewirke die Finanzierung des Mutterschaftsgeldes durch das allgemeine Steueraufkommen, dass nicht nur die Teilnehmer der Solidargemeinschaft diese Kosten finanziert hätten, sondern das gesamte Volk. Die Tatsache dass die Mitfinanzierung pragmatisch über eine Pauschale und nicht einzelfallbezogen sei, ändere nichts an der tatsächlich stattfindenden gemischten Finanzierung. Wenn sie gesetzlich versichert geblieben wäre, würde dies zu einer weiteren Diskriminierung führen. Aufgrund des höheren Beitrags in der gesetzlichen Krankenversicherung könnten Frauen in diesem Fall weniger Vermögen ansparen als männliche Kollegen bei gleichem Einkommen, da diese sich ohne Nachteile zu erleiden privat versichern könnten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 2004 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. August 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 Euro täglich für die Zeit vom 15. April bis 22. Juli 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG, da das von der Klägerin begehrte weitere Mutterschaftsgeld sich auf 1077 EUR (99 Tage à 13 EUR = 1287 EUR abzüglich 210 EUR = 1077 EUR) und damit auf über 500 EUR beläuft.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Mutterschaftsgeld.

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Mutterschaftsgeld gemäß § 13 MuSchG für Frauen, die nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind, sind im Gerichtsbescheid des SG zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.

In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten hat die Klägerin wie vom SG im Gerichtsbescheid ausführlich und zutreffend begründet, keinen Anspruch auf Gewährung von höherem Mutterschaftsgeld. Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des SG auch hinsichtlich der Ausführungen zu der von der Klägerin geltend gemachten Verfassungswidrigkeit in vollem Umfang an und sieht deswegen von einer weiteren Darstellung seiner Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG-).

Ergänzend wird lediglich noch darauf hingewiesen, dass der Senat Zweifel daran hat, ob es sich beim Mutterschaftsgeld um eine versicherungsfremde Leistung handelt. Was unter einer versicherungsfremden Leistung, für die der Bund gemäß § 221 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ab dem Jahr 2004 zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen Leistungen erbringt, zu verstehen ist, sagt weder § 221 Abs. 1 noch Abs. 2 SGB V und ist auch in der Begründung des Entwurfes zu § 221 nicht erläutert (BT-Drucksache 15/1525 S. 138/139 zu Nr. 141 - § 221). Krauskopf, auf den das SG insoweit Bezug nimmt, spricht sich auch nicht eindeutig dafür aus, das Mutterschaftsgeld zu den versicherungsfremden Leistungen zu rechnen (Krauskopf, Kommentar zur sozialen Krankenversicherung, § 221 SGB V Rdnr. 4). Er stellt nur die Überlegung an, die Aufgabe der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend zu definieren, dass sie dazu dienen solle, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern und zieht hieraus den Schluss, dass danach vor allem Leistungen bei Mutterschaft etc. als versicherungsfremd zu bezeichnen "wären". Letztendlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Auch wenn es eine versicherungsfremde Leistung wäre und der Zuschuss des Bundes auch diese Leistung umfassen würde, würde es sich nicht um eine staatliche Leistung handeln. Wie unter der Geltung des § 200 d Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) würde sich in diesem Fall der Bund am Mutterschaftsgeld für die gesetzlich Krankenversicherten beteiligen. Trotz dieser Finanzierung bleibt es aber eine Sozialleistung im Sinne von §§ 11, 21 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Die Leistung hat sozialversicherungsrechtlichen Charakter (vgl. Buchner/Becker Kommentar zum Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz 7. Auflage 2003 § 13 MuSchG Randziffer. 18).

Insgesamt mag das System der Lastenverteilung zwar nicht zufriedenstellend sein (vgl. Buchner/Becker, a.a.O. § 13 MuSchG Randziffer 22), die gesetzliche Regelung ist jedoch nicht verfassungswidrig. Dies hat das BSG bereits wiederholt entschieden (vgl. Urteil vom 24.11.1983 - 3 RK 41/82 -, Urteil vom 10.03.1987 - 3 RK 3/86 - und Urteil vom 12.03.1985 - 3 RK 55/84 -). Das Bundesverfassungsgericht hat die gegen das Urteil des BSG vom 24.11.1983 eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 16.11.1984 - 1 BvR 142/84 -). Durch die geänderte Formulierung des § 13 Abs. 2 MuSchG insbesondere aufgrund der Einführung des Euro ändert sich hieran nichts. Auch die geänderte Finanzierung führt nicht zur Verfassungswidrigkeit. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin in früheren Jahren Leistungen zur gesetzlichen Krankenversicherung erbracht hat. Insoweit hat das Gesetz in nicht zu beanstandender Weise auf die Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenversicherung bei Beginn der Schutzfrist abgestellt. Dies stellt einen sachlichen Grund für die Unterscheidung dar. Dem Gesetzgeber steht eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Innerhalb dieser Grenzen ist er frei, die Merkmale zu wählen, an denen er Gleichheit und Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert (BSG, Urteil vom 24.11.1983 - 3 RK 41/82-). Die Regelungsabsicht, nur die zu Beginn der Schutzfrist gesetzlich krankenversicherten Frauen gemäß § 13 Abs. 1 MuSchG wirtschaftlich abzusichern, ist sachgerecht ausgewählt. Eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Ungleichbehandlung kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber nicht darauf abgestellt hat, wie lange vorher in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt wurde und welche Dauer die private Krankenversicherung hatte. Darüber hinaus liegt auch kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 4 GG vor. Die genannte Norm enthält den bindenden Auftrag an den Gesetzgeber, jeder Mutter Schutz und Fürsorge der Gemeinschaft angedeihen zu lassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gesetzgeber gehalten wäre, jede mit der Mutterschaft zusammenhängende Belastung auszugleichen (vgl. BVerfGE 60, 68, 74 m. w. N.). Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit kann der Gesetzgeber bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz verwirklichen will. Die Regelung für die gesetzlich und privat krankenversicherten Frauen ist im Rahmen der Gestaltungsfreiheit gerechtfertigt. Verfassungsrechtliche Bedenken greifen auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Benachteiligung besser qualifizierter Frauen mit Männern, die die gleiche Ausbildung haben, durch. Männer und Frauen werden insoweit gleich behandelt. Sie haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht ihre Versicherung zu wählen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen erhalten sie jeweils dieselben Leistungen. Bezogen auf das Mutterschaftsgeld erhält diese Leistung nur die Frau, da sie diejenige ist, die das Kind bekommt und deshalb besonderen Schutz genießt. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen europarechtliche Normen sind nicht ersichtlich.

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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