L 7 SO 970/05 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SO 247/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 970/05 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anordnungsgrund in Angelegenheiten des SGB II und XII.
Die Beschwerden der Antragsteller Ziff. 1 bis 5 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 28. Februar 2005 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden, denen das Sozialgericht Ulm (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulässig; sie sind jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kann dahinstehen, ob hier - jedenfalls mit Blick auf den die Antragsteller Ziff. 1, 2, 4 und 5 betreffenden, bislang nach Aktenlage nicht aufgehobenen Bescheid vom 14. Dezember 2004 (Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 1. Januar bis 31. Juli 2005 in Höhe von monatlich Euro 74,70) - die Bestimmung des § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG (Sicherungsanordnung) heranzuziehen ist, die die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands bezweckt, oder ob insgesamt nur eine - auf die Begründung oder Erweiterung einer Rechtsposition des Antragstellers gerichtete - Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht kommt (vgl. dazu Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 13. Auflage, § 123 Rdnrn. 7 ff.). Es kann im hier zu entscheidenden Fall offen bleiben, ob im Verfahren betreffend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II oder dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ein grundsätzliches Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache besteht, was die Bewilligung von Leistungen verbietet, denn auch in einem solchen Fall kann ihr ausnahmsweise vorgegriffen werden, wenn anders effektiver Rechtsschutz nicht zu erreichen ist und ein Zuwarten in der Hauptsache unzumutbar wäre (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 63, 110, 111; 64, 318, 322; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Breithaupt 1989, 614, 616; Meyer-Ladewig, 7. Auflage, § 86b Rdnr. 31; Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnrn. 13 ff.; zu den Zweifeln an der Existenz eines generellen Verbots - gerade in Angelegenheiten der Sozialhilfe - vgl. Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 2. Auflage, § 123 Rdnr. 58). Erforderlich ist jedenfalls die Dringlichkeit der erstrebten vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund), wobei Letzteres regelmäßig zu verneinen ist, soweit Ansprüche in der Vergangenheit verlangt werden. Des Weiteren setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung grundsätzlich voraus, dass bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Anordnungsanspruch; vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 14; Schoch in Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 123 Rdnr. 66); insoweit ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerwGE 63, 110, 112; BVerwG Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

Vorliegend fehlt es bei der gebotenen summarischen Prüfung bereits am Anordnungsgrund; deshalb bedarf es keiner eingehenden Erörterungen zum Anordnungsanspruch; insoweit ist freilich darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner (vgl. Schriftsatz vom 10. Februar 2005) im Rahmen des § 21 Abs. 1a des Bundessozialhilfegesetzes bezüglich der Brennstoffbeihilfe für die Heizperiode 2004/2005, ferner hinsichtlich der Müllgebühren 2004 und der Kosten für Wasser und Abwasser bis Dezember 2004 jedenfalls anteilige (darlehensweise) Zahlungen angekündigt oder bereits geleistet sowie sich außerdem bereit erklärt hat, die für 2004 rückständigen sowie die laufenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von Januar bis Dezember 2005 (ohne Anerkennung einer Rechtspflicht) zu übernehmen. All das stellen die Antragsteller in ihrer Beschwerdeschrift vom 3. März 2005 auch nicht in Abrede. Sie haben sich im Übrigen seit der Beschwerdeeinlegung trotz wiederholter gerichtlicher Aufforderung zur Sache nicht mehr geäußert, sodass anzunehmen ist, dass sie einstweiligen Rechtsschutz nur noch in Bezug auf die in der Beschwerdeschrift ausdrücklich angeführten Punkte begehren. Soweit sie dort allerdings behaupten, seit 1. Februar 2005 kein "Arbeitslosengeld 2" mehr zu erhalten, trifft dies für den Antragsteller Ziff. 3 nicht zu, welcher auf der Grundlage des Bescheides vom 14. Dezember 2004 weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II) in Höhe von monatlich Euro 282,00 bezieht. Ob dieser Betrag in allen Einzelheiten zutreffend ist, kann nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz sein, sondern wäre abschließend in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Dasselbe gilt hinsichtlich der Einstellung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bezüglich der Antragsteller Ziff. 1, 2, 4 und 5 ab 1. Februar 2005 (Bescheid vom 17. Januar 2005); diesbezüglich wird der Antragsgegner nach Aktenlage (vgl. Schreiben vom 4. März 2005) erneut entscheiden und - in Abhängigkeit von der Bewilligung des Kinderzuschlages (§ 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG)) - ggf. rückwirkend ab 1. Februar 2005 wieder Leistungen nach dem SGB II gewähren. Der geltend gemachte Kinderzuschlag ist im Übrigen bei der Agentur für Arbeit XXXX - Familienkasse zu beantragen und dort mit Rechtsbehelfen weiterzuverfolgen (vgl. § 13 Abs. 1 i.V.m. § 9 BKGG), wobei nach Aktenlage nicht erkennbar ist, ob dies seitens der Antragsteller zwischenzeitlich geschehen ist; eine Zuständigkeit des Antragsgegners ist diesbezüglich nicht gegeben. Darüber hinaus besteht bezüglich des reklamierten Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz, welches offenbar am 8. Februar 2005 bei der Wohngeldstelle des Antragsgegners beantragt wurde, eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit von vornherein nicht (vgl. § 51 SGG in der Fassung des 7. SGG-Änderungsgesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3302)).

Ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben. Nach den eigenen Angaben der Antragsteller stehen der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller Ziff. 1, 2, 4 und 5 einschließlich des volljährigen, im gemeinsamen Haushalt lebenden Antragstellers Ziff. 3 monatlich insgesamt Euro 1.637,00 (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers Ziff. 1 Euro 893,00, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes des Antragstellers Ziff. 3 Euro 282,00, Kindergeld Euro 462,00) zur Verfügung. Hinzu kommen nach Aktenlage monatliche Unterhaltszahlungen des Vaters der Antragsteller Ziff. 3 und 4 in Höhe von Euro 300,00. Ob der Antragsteller Ziff. 1 darüber hinaus noch Einkünfte aus einer Geflügelzucht hat, kann hier offen bleiben. Denn schon in Ansehung der vorgenannten Beträge fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für eine existenzgefährdende Notlage der Antragsteller; eine solche ist nicht genügend glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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