L 11 RJ 4993/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 2770/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 RJ 4993/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der Tätigkeit des Registrators ist generell kein so hoher Anteil an Bildschirmarbeit vorhanden bzw. sind keine so umfangreichen Anforderungen an Computerkenntnisse zu stellen, dass dies einem Facharbeiter nicht in der Regel innerhalb von drei Monaten vermittelt werden könnte (so auch LSG B.-W. U. v. 19.05.2004 - L 3 RJ 39999/03 -; a.A. LSG B.-W. U. v. 04.07.2002 - L 12 RJ 2916/01 -).
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. November 2003 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob der Kläger berufsunfähig ist und ihm deswegen für den Zeitraum vom 1. März 2000 bis 12. Dezember 2000 vorstationäres Übergangsgeld und ab 11. Januar 2001 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren ist.

Der 1950 geborene Kläger ist gelernter Maler und war bis April 1999 als solcher auch versicherungspflichtig beschäftigt. Am 1. Mai 1999 wurde er betriebsbedingt arbeitslos.

Auf seinen Antrag vom 18. Juni 1999 bewilligte ihm die Beklagte nach Durchführung einer arbeitsamtsärztlichen Begutachtung mit Bescheid vom 22. November 1999 berufliche Leistungen zur Rehabilitation, die der Kläger jedoch nicht in Anspruch nahm.

Am 1. Februar 2000 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine Wirbelsäulenbeschwerden die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine orthopädische Begutachtung des Klägers nach ambulanter Untersuchung. Der Chirurg Dr. R. beschrieb wiederkehrende Lumbo-Ischialgien bei leichtgradigen Aufbraucherscheinungen der LWS, Nacken-Schulter-Armbeschwerden bei leichtgradigen Aufbraucherscheinungen der HWS sowie wiederkehrende Hüft- und Kniebeschwerden bei beginnenden Aufbraucherscheinungen, jeweils ohne Reizzeichen und ohne Funktionseinschränkungen. Als Nebendiagnosen wurden eine Meralgia paraesthetica, eine Fußverbildung beidseits mit wiederkehrenden statischen Beschwerden, Restbeschwerden nach Varizen-OP rechts, etwa eine Woche vor Begutachtungstermin, sowie eine wiederkehrende Trigeminus-Neuralgie festgestellt. Für die gewisse Diskrepanz zwischen den Klagen und dem örtlichen Untersuchungsbefund des Klägers sei möglicherweise eine psychische Überlagerung des Beschwerdebildes oder ein Rentenbegehren verantwortlich. Die Belastbarkeit sei jedoch insgesamt gesehen noch nicht wesentlich eingeschränkt. Der Kläger könne seiner Auffassung nach daher leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne häufiges Heben und Tragen von schweren Lasten vollschichtig ausüben, auch die Tätigkeit als Maler und Lackierer.

Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2000 den Rentenantrag ab.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er könne aufgrund seiner degenerativen Erkrankung des Bewegungsapparates seinen Beruf als Maler/Lackierer nicht mehr ausüben. Insbesondere stünde die Leistungseinschränkung des Vermeidens von Überkopfarbeit sowie dem gehäuften Klettern und Steigen auf Leitern und Gerüsten einer solchen Tätigkeit entgegen. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers nach ambulanter Untersuchung. Die Nervenärztin Dr. S., der dem Kläger erklärte, er beschäftige sich u.a. mit dem PC seiner Tochter, beschrieb eine subdepressive Persönlichkeit bei psychosomatischer Beschwerdeüberlagerung, Wirbelsäulen- und gelenksbezogenen Beschwerden bei auswärts festgestellten degenerativen Veränderungen, auch Bandscheiben-protrusionen L5/S1, derzeit ohne Hinweis für belangvolle Wurzelreizsymptomatik, sowie Gesichtsschmerzen links, die derzeit nicht im Vordergrund stünden. Allein aus nervenärztlicher Sicht seien dem Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten zuzumuten, so auch Arbeiten im erlernten Beruf. Allerdings sei die Erwerbsfähigkeit gefährdet, so dass eine stationäre Heilbehandlung mit orthopädischen und psychosomatischen Behandlungsmaßnahmen sinnvoll erscheine. Daraufhin führte der Kläger vom 13. Dezember 2000 bis 10. Januar 2001 eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Schlossklinik B. B. durch. Ausweislich des Entlassungsberichts wurde der Kläger als sofort arbeitsfähig mit den Diagnosen einer Schmerzverarbeitungsstörung sowie degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit mäßiggradiger Funktionseinschränkung entlassen. Der Kläger sei noch in der Lage, sowohl seine Tätigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Maler und Lackierer, als auch sonstige leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2001 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück, der Kläger könne noch seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Maler und andere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ganztätig verrichten, dies gelte jedoch nur für Arbeiten ohne ständige Zwangshaltungen.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht S. (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er genieße einen qualifizierten Berufsschutz, so dass eine zumutbare Verweisungstätigkeit für ihn nicht ersichtlich sei.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hörte das Gericht die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen an und veranlasste eine orthopädische sowie neurologisch-psychiatrische Begutachtung.

Die Schmerztherapeutin Dr. S., die den Kläger vom 19. April 2001 bis 16. August 2001 behandelt hatte, erachtete eine psychosomatische Gesundheitsstörung als im Vordergrund stehend und schloss sich hinsichtlich der Beurteilung des Leistungsvermögens den gutachtlichen Stellungnahmen der Beklagten an. Die Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie Dr. R. war hingegen der Auffassung, dass aufgrund der Chronifizierung des Schmerzsyndroms ein Leistungsvermögen nur im Umfang von unter 4 Stunden für leichte körperliche Arbeiten gegeben sei. Der Allgemeinmediziner Dr. P. hielt den Kläger hingegen für vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne ständige Zwangshaltungen, welches auch für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit gelte. Allerdings müssten die schwere Depression sowie das Schmerzverarbeitungssyndrom intensiver behandelt werden. Der Chirurg und Phlebologie Dr. S. erachtete den Kläger aus chirurgischer Sicht für vollschichtig leistungsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, wobei ein möglicher Wechsel zwischen den verschiedenen Arbeitshaltungen wünschenswert wäre. Der Neurologe und Psychiater Dr. W. führte aus, dass in den Vordergrund der gesundheitlichen Probleme des Klägers eine depressive Symptomatik mit sozialem Rückzug, Antriebsstörung und Schmerzfehlverarbeitung gerückt sei, die zwar derzeit medikamentös behandelt werde, aber in Form einer verminderten Belastbarkeit sich bei einer beruflichen Tätigkeit nachteilig auswirken würde, so dass der Kläger seiner Auffassung nach nur noch unterhalbschichtig leistungsfähig sei. Der Kardiologe H. gab an, dass aus kardialer Sicht keinerlei Einschränkungen bezüglich der Belastbarkeit des Klägers bestünden. Der Orthopäde Dr. A. schloss sich ebenfalls der Leistungsbeurteilung der Beklagten an. Die Psychotherapeutin Dr. med Dipl.-Psych. R.-K., die den Kläger vom 28. Juli 2000 bis 17. September 2001 psychologisch fundiert psychotherapiert hatte, beschrieb eine mittelgradige depressive Störung mit somatischem Syndrom, weswegen sie sich der Beurteilung des Leistungsvermögens der Beklagten nicht anschließen könne. Ihrer Auffassung nach sei die Schmerzstörung therapeutisch nicht zu beeinflussen, so dass der Kläger nur noch leichte bis höchstens mittelschwere Tätigkeiten mit einer täglichen Arbeitszeit von drei bis vier Stunden durchführen könne.

Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. S. kam in seinem orthopädischen Gutachten zu dem Ergebnis, der Kläger könne zwar noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung von gleichförmiger Zwangshaltung in wechselnder Körperhaltung sowie Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten bis 10 bis 15 Kilogramm und Steigen auf Leitern und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten verrichten, nicht jedoch derzeit seinen erlernten Beruf, da die dynamische und statische Belastbarkeit der Wirbelsäule leicht reduziert sei. Wenn der Kläger allerdings eine medizinische Kräftigungstherapie der Rückenmuskulatur durchführe, so könne er auch wieder als Maler/Lackierer arbeiten. Dem wurden die Diagnosen: 1. Beginnende Spondylose und Spondylarthorse der Halswirbelsäule, ohne neurologische Ausfallsymptomatik; 2. Leichte Spondylose und Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule, ohne neurologische Ausfallsymptomatik; 3. Minimale beginnende Coxarthorse beidseits; 4. Minimale beginnende mediale Gonarthrose beidseits sowie 5. Meralgia paraesthetica rechts zugrunde gelegt. Der Psychiater und Neurologe Dr. F. war ebenfalls der Auffassung, dass der Kläger nicht mehr als Maler oder Lackierer arbeiten könne, wohl aber noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig, da er nicht depressiv, sondern zum ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitstyp gehöre. Es bestünden weder intellektuelle, noch kongnitive bzw. mnestische Defizite. Bei dem Kläger liege ein atypischer Gesichtsschmerz, ein mit diesem verbundener Spannungskopfschmerz, ein zervikozephales Syndrom und eine Meralgia paraesthetica vor. Unter psychiatrischen Gesichtspunkten bestünde des weiteren eine hypochondrische Störung bei ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung.

Hierauf benannte ihm die Beklagte den Verweisungsberuf eines Registrators bzw. Mitarbeiter in einer Poststelle unter Vorlage einer Tätigkeitsbeschreibung.

Auf Antrag des Klägers veranlasste das Gericht eine weitere psychiatrische Begutachtung des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Psychiaterin Dr. S. war der Auffassung, dass der Kläger nach den Befunden auf psychiatrischem Gebiet auch nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes von wirtschaftlichem Wert regelmäßig auszuüben, da er an einer chronifizierten schweren depressiven Störung, anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und selbstwertlabilen Anteilen, einem Kombinationskopfschmerz (Spannung- und Migränekopfschmerz), atypischen Gesichtschmerz und Meralgia paraesthetica leide.

Mit Urteil vom 12. November 2003, an die Beklagte zugestellt am 18. November 2003, verurteilte das SG die Beklagte zur Gewährung von vorstationärem Übergangsgeld und einer Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer und wies im übrigen die Klage mit der Begründung ab, nach den Gutachten der Beklagten von Dr. R. und Dr. S. wie auch den sachverständigen Zeugenaussagen und den gerichtlicherseits beauftragten Gutachter Prof. Dr. Dr. S. und Dr. F. könne der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Dem Gutachten von Dr. S. konnte hingegen nicht gefolgt werden, denn sie habe keine nachvollziehbare Begründung für die von ihr abgegebene Leistungseinschätzung abgegeben. Der Kläger könne danach seinen Beruf als Maler und Lackierer unstreitig nicht mehr ausüben, welches auch Dr. J. vom ärztlichen Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme bestätigt habe. Er könne auch nicht zumutbar auf den Beruf eines Registrators im öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe BAT VIII verwiesen werden. Dies komme nur dann in Betracht, wenn der Versicherte über Vorkenntnisse verfüge, die bei einer Tätigkeit als Registrator verwendet werden könnten. Nach Aktenlage sei weder ersichtlich noch entsprechendes von der Beklagten vorgetragen worden, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Maler und Lackierer Kenntnisse oder Fähigkeiten erlangt habe, die er bei einer Einarbeitung in das Berufsfeld des Registrators verwenden können. Die das berufliche Leistungsvermögen einschränkenden Erkrankungen hätten bereits bei Rentenantragstellung vorgelegen, so dass sich unter Zugrundelegung des Rentenantragsdatum als Rentenbeginn der 1. März 2000 ergebe. Für die Zeit bis zum Beginn des Heilverfahrens in der Schlossklinik B. B. sei anstelle der Rente vorstationäres Übergangsgeld zu zahlen.

Mit ihrer dagegen am 9. Dezember 2003 eingelegten Berufung machte die Beklagte geltend, für eine Tätigkeit als Registrator seien Vorkenntnisse weitgehend ohne Bedeutung. Es handle sich vielmehr um einfache Anlerntätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich sei und die Einarbeitungszeit betrage deswegen üblicherweise nicht länger als 3 Monate. Auch bei der Beklagten seien zahlreiche Registratoren beschäftigt, die zuvor nicht im Bürobereich tätig gewesen wären. Diese würden nach BAT VIII und höher bezahlt, ohne dass sie eine Einarbeitungszeit von 3 Monaten im Regelfall benötigten. In diesem Zusammenhang müsse auch berücksichtigt werden, dass Facharbeiter auf angelernte Tätigkeiten sowohl des oberen als auch des unteren Bereichs verwiesen werden könnten, da es grundsätzlich ausreiche, wenn es sich um eine ungelernte Tätigkeit handle, die aufgrund ihrer Wertigkeit für den Betrieb in einem einschlägigen Tarifvertrag Anlerntätigkeiten gleichgestellt worden wäre. Der Kläger könne des weiteren auch auf eine Tätigkeit eines Mitarbeiters in einer Poststelle verwiesen werden. Die Beklagte hat hierzu weitere berufskundliche Auskünfte vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts S. vom 12. November 2003 insoweit abzuändern, als es die Beklagte verpflichte, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März 2000 bis 12. Dezember 2000 vorstationäres Übergangsgeld und ab 11. Januar 2001 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer zu gewähren und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise wie aus Anlage 1 zum Protokoll vom 25.01.2005.

Er erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und ist der Auffassung, dass der Beruf eines Registrators in Zeiten der Digitalisierung zunehmend weniger nachgefragt werde, zudem gründliche und umfangreiche Fachkenntnisse des Registraturwesens und eingehende Kenntnisse des verwalteten Schriftguts erfordere. Üblicherweise werde deswegen eine abgeschlossene Ausbildung zum/zur Verwaltungsfachangestellten vorausgesetzt. Dies gelte umso mehr, als seine Umstellungsfähigkeit aus psychiatrischer Sicht eingeschränkt sei, denn sie sei mit kognitiven Störungen wie der der Merkfähigkeit, der Konzentration, der Reaktion und des Gedächtnisses verbunden.

Er hat zwei Atteste von Dr. B. und Dr. W. vorgelegt, wonach die depressive Symptomatik zugenommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagte ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist rechtswidrig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. vorstationäres Übergangsgeld.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung sind im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Nach den Übergangsvorschriften des § 300 b Abs. 1 SGB VI ist § 43 Abs. 2 SGB VI für einen am 31. September 2000 bestehenden Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit weiterhin maßgebend. Ein danach entstehender Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit richtet sich nach § 240 SGB VI, dessen Definition der Berufsunfähigkeit im Vergleich zu der bis zum 31.12.2000 geltenden Definition nur geringfügig verändert ist, so dass auch insoweit die bisherige Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) herangezogen werden kann. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Zwar hat er - wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt - die allgemeine Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt. Er ist jedoch schon nicht berufsunfähig.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts der "bisherige" Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107, 169). Der bisherige Beruf und seine besonderen Anforderungen im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, also sein qualitativer Wert, ist von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten, auf die der Versicherte unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann. Hierzu hat die Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, verschiedene Gruppen gebildet, die durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert sind (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 138. 140). Grundsätzlich darf der Versicherte auf Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe verwiesen werden (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50). Denn das Gesetz sieht den Versicherten nicht schon dann als berufsunfähig an, wenn er den bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, sondern verlangt, ausgehend von diesem Beruf, einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf zu nehmen (BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 49).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der bisherige Beruf des Klägers als Maler und Lackierer ein anerkannter Ausbildungsberuf und somit der eines Facharbeiters. Der Kläger kann weiterhin diesen Beruf unstreitig nicht mehr ausüben. Denn dieser verlangt eine normale Körperkraft, körperliche Gewandtheit mit belastbarer Wirbelsäule und funktionstüchtigen Gliedmaßen. Die beginnende Spondylose und Spondylarthrose der Hals- und Lendenwirbelsäule schränkt aber die dynamische und statische Belastbarkeit der Wirbelsäule ein, so dass der Kläger diese Tätigkeit nicht ausüben kann. Der Senat schließt sich insoweit ebenfalls den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen gerichtlichen Gutachten von Prof. Dr. Dr. S. und Dr. F. an.

Ein Facharbeiter kann nun nur auf solche Tätigkeiten verwiesen werden, die eine betriebliche Anlernzeit von wenigstens drei Monaten erfordern oder sich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten nach der tariflichen Eingruppierung durch den Arbeitgeber bzw. der tarifvertraglichen Eingruppierung oder aufgrund besonderer qualitativer Merkmale hervorheben und deshalb einer Anlernzeit gleichstehen, von ihm jedoch innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erworben werden können (ständige Rechtsprechung vgl. u. a. BSGE 44, 288, 290 f.). Für die Ermittlung der Wertigkeit der von der Beklagten ins Auge gefassten Verweisungstätigkeiten des Registrators bzw. des Arbeiters in einer Posteingangs- und Ausgangsstelle einer Behörde oder eines großen Unternehmens haben nach der Rechtsprechung des BSG tarifliche Regelungen unter zwei Gesichtspunkten Bedeutung: zum einen wird eine tarifliche Eingruppierung des Versicherten in eine Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages durch den Arbeitgeber als Hinweis dafür gewertet, dass die vom Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der die Arbeit bezahlt wird (BSG SozR 3- 2200 § 1246 Nr. 14). Zum anderen geht die Rechtssprechung des BSG davon aus, dass die abstrakte - tarifvertragliche Einstufung einer bestimmten Tätigkeit in das Lohngruppengefüge eines nach Qualitätsmerkmalen geordneten Tarifvertrages in der Regel auch den qualitativen Rang dieser Tätigkeit widerspiegelt (BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 54 m. w. N.). Die genannten Tätigkeiten werden im öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT und im privaten Versicherungsgewerbe nach Gehaltsgruppe II des Manteltarifvertrages für die private Versicherungswirtschaft entlohnt. Es handelt sich damit nach dem Tarifvertrag jeweils um Tätigkeiten für angelernte und damit für Facharbeiter grundsätzlich zumutbare Verweisungstätigkeiten (Urteil des BSG vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 -).

Nach der vorgelegten Auskunft des Landesarbeitsamtes B.-W. vom 16. August 2000 handelt es sich bei der Tätigkeit eines Registrators um eine im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübte Beschäftigung, die überwiegend leichter Natur ist, wobei sich das Heben und Tragen von Lasten (Aktenvorgänge, Poststücke) auf bis zu 10 Kilogramm beschränkt und insbesondere an die geistigen Anforderungen keine über das normal übliche Maß hinausgehenden Ansprüche gestellt werden. Von daher eignet sich die Arbeit für das vom Kläger beschriebene Anforderungsprofil, wie dies insbesondere der sachverständige Gutachter Dr. F. nachvollziehbar dargelegt hat. Aus psychiatrischer Sicht kann er nämlich noch unter "stressfreien" Bedingungen leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten, die nicht eine besondere geistige Beanspruchung oder Übernahme derartiger Verantwortung voraussetzen. Insbesondere hat Dr. F. auch nachvollziehbar begründet, warum er sich der Vorbeurteilung der behandelnden Psychiaterin und Psychotherapeutin Dr. R.-K. nicht anschließen könne, dass der Kläger als "mittelgradig Depressiver" auch leichte Bürotätigkeiten nicht verrichten könne, weil man ihn damit intellektuell überfordere. Denn er beschreibt den Kläger abweichend hiervon und mit nachvollziehbaren Untersuchungsergebnissen wie auch der ausführlichen Anamnese belegt als bewusstseinsklar und in allen Dimensionen, nämlich zeitlich, örtlich, zur eigenen Person sowie situativ, voll orientiert, aber nicht depressiv, sondern nur als ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitstypus, was sich auch in seinem durchaus noch stattfindenden Freizeitverhalten zeigt (regelmäßige Teilnahme am Straßenverkehr, Kochen für mehrere Leute, gemeinsame Fernsehabende und längere Spaziergänge mit der Ehefrau etc.). Schließlich kann auch der Senat der abweichenden Beurteilung von Dr. S. nicht folgen, da diese entgegengesetzt zu der noch zeitnahen Beurteilung von Dr. F. wie auch den Angaben des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. W. steht, die beide keine schwerwiegende depressive Symptomatik feststellen konnten. Insbesondere fehlt auch eine zur Nachvollziehbarkeit ihrer Aussagen erforderliche Tagesstrukturanamnese sowie objektivierende Leistungstests, die über die angenommene depressive Leistungsminderung etwas aussagen können (z. B. Konzentration), wie der Beratungsarzt der Beklagten zu Recht moniert hat. Nachdem der Beurteilung von Dr. S. somit insgesamt nicht gefolgt werden kann, können deren Ergebnisse ebenso wenig eine fehlende Umstellungsfähigkeit des Klägers begründen. Da somit Anhaltspunkte für eine depressive Symptomatik fehlen, was schon der dem Gutachter geschilderte Tagesablauf belegt, bestand auch nach Vorlage der Atteste im Berufungsverfahren kein Anlass zu weiteren Sachverhaltsermittlungen, da sich eine depressive Symptomatik, die nicht vorliegt, demzufolge auch nicht verschlechtern kann.

Nach der Auskunft des Landesarbeitsamtes B.-W. vom 16.08.2000 umfasst die Tätigkeit einer Registraturkraft in einer Verwaltung oder in der kaufmännischen Abteilung das Sortieren der von den zuständigen Bürofachkräften zu bearbeitenden Schriftstücke nach den Vorgaben von Aktenplänen oder anderen Organisationsmerkmalen, das Erledigen von anfallenden Schreibarbeiten, die Führung von Statistiken, Terminüberwachungslisten und Karteien, das Ziehen und Abstellen von Ordnern/Akten, das Weiterleiten der zu bearbeitenden Vorgänge zu den sachbearbeitenden Stellen innerhalb des Betriebes bzw. der Behörde - auch selbst - mit Registraturwagen und das Abhängen von Akten oder das Abstellen von Ordnern nach der jeweiligen Bearbeitung. Berufliche Vorkenntnisse sind dabei ausdrücklich ohne Bedeutung, so dass sich eine Anlernung auch im Falle des Klägers in der Regel innerhalb von drei Monaten realisieren lassen wird. Somit handelt es sich nicht um eine Tätigkeit mit einem hohen Anteil an Bildschirmarbeit bzw. mit umfangreichen Anforderungen an Computerkenntnisse, die nicht innerhalb der Anlern- bzw. Einarbeitungszeit vermittelt werden können. Unabhängig davon hat der Kläger noch gegenüber der Gutachterin Dr. S. eingeräumt, sich in seiner Freizeit mit dem PC seiner Tochter zu beschäftigen, so dass auch die entsprechenden Vorkenntnisse vorhanden sind, die eine entsprechende Einarbeitung erwarten lassen. Der Senat hat sich deswegen nicht der abweichenden Auffassung des 12. Senats des LSG, Urteil vom 04.07.2002, L 12 RJ 2916/01 anschließen können, dass Grundkenntnisse der EDV erforderlich seien und der Verweisungsberuf daher für einen Lackierer nicht zumutbar sei, und ist mit dem 3. Senat des LSG der Meinung, dass gestützt durch die berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamts B.-W. bei der Tätigkeit eines Registrators generell kein hoher Anteil von Bildschirmarbeit bzw. umfangreiche Anforderungen an Computerkenntnisse, die nicht innerhalb von 3 Monaten vermittelt werden könnten, besteht (Urteil vom 19.05.2004 - L 3 RJ 3999/03).

Der Kläger kann weiterhin zumutbar auf die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung - allgemeine Verwaltung - verwiesen werden. Diese Tätigkeit umfasst das Öffnen der eingegangenen Post und Anbringung des Eingangsstempels, das Verteilen der Post auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt, das Richten von abgehenden Sammelsendungen, das Kuvertieren der abgehenden Briefpost und das Verpacken der Paketsendungen, das Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter sowie das Erfassen der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter und Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Arbeiters, von und zum Postamt mit einem staatseigenem Fahrzeug. Auch hierbei handelt es sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die in wechselnder Körperhaltung ausgeübt werden kann. Zwar müssen auch in der Poststelle der Verwaltungsabteilung Pakete oder Körbe mit Postsendungen gehoben oder getragen werden, die fünf Kilogramm oder mehr wiegen. Solche Transporttätigkeiten sind jedoch nicht typisch für die Tätigkeit in der Poststelle, weil der Transportdienst von und zum Postamt sowie innerhalb der Poststelle nur von wenigen, und zwar speziell hierfür bestimmten Mitarbeitern wahrgenommen wird.

Selbst wenn der Kläger bei beiden Verweisungstätigkeiten gelegentlich auf Leitern steigen oder kurzfristig eine Überkopfarbeit ausüben muss, so steht dies ebenfalls nicht der Ausübung dieser Berufe entgegen, denn der Gutachter Prof. Dr. Dr. S. beschreibt eine nur leicht reduzierte Belastbarkeit der Wirbelsäule, die wohl einer ständigen derartigen Belastung, wie sie typischerweise mit der Tätigkeit eines Malers verbunden ist, entgegensteht, nicht aber einer ganz kurzfristigen.

Nachdem beide Tätigkeiten dem Kläger somit sozial, wie auch gesundheitlich mit seinem Restleistungsvermögen zumutbar sind, war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben, da keine abweichende Entscheidung von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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