L 7 U 3176/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 5227/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 U 3176/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Am sog. Hamburger Konsens ist festzuhalten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung und Entschädigung eines Wirbelsäulenleidens als Berufskrankheit nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1935 geborene Kläger machte in der Zeit von August 1951 bis August 1955 eine Steinmetzlehre und war anschließend als Steinmetzgeselle beschäftigt. Nach dem Ablegen der Meisterprüfung war er von Mai 1959 bis Februar 1997 als selbstständiger Steinmetzmeister in E. tätig.

Im Oktober 1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen seines Wirbelsäulenleidens. In der förmlichen Unternehmeranzeige vom 23.11.1997 und in einem Fragebogen vom selben Datum machte der Kläger Angaben zu seinen Wirbelsäulenbelastungen bei der Herstellung von Grabmalen und von Kunststein sowie bei Steinmetzarbeiten am Bau. Ferner legte er den radiologischen Befundbericht von Dr. M. vom 08.08.1996 vor.

Die Beklagte zog von der AOK-Bezirksdirektion E. das Vorerkrankungsverzeichnis vom 17.12.1997 bei und holte von ihrem Technischen Aufsichtsdienst (TAD) die Stellungnahme vom 09.01.1998 ein. Darin führten die Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) H. sowie Dipl.-Ing. F. aufgrund einer persönlichen Erhebung bei dem Kläger vom 08.01.1998 aus, der Kläger habe durchschnittlich zu 21% einer Arbeitsschicht Lasten von mehr als 25 kg gehoben oder getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung mit einem Rumpfbeugewinkel von mehr als 90° gearbeitet. Tätigkeiten, bei denen schwere Lasten auf der Schulter von mindestens 50 kg mit gleichzeitigen nach vorn- und seitwärts erzwungener Kopfbeugehaltung fortgesetzt zu tragen seien, seien bei dem Kläger nicht aufgetreten. Die Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Städtischen Kliniken E. übersandte den Arztbrief vom 10.04.1997 über die am 12. und 21.02.1997 durchgeführte dorsale Stabilisierung L 4 / S 1 durch eine Spondylodese und die ventrale Fusion L 4/5 wegen degenerativer Instabilität mit Spondylolisthesis L 5 / S 1.

In seiner gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 18.03.1998 führte Dr. H. aus, eine BK nach der Nr. 2108 werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, da die haftungsbegründende Kausalität nicht habe wahrscheinlich gemacht werden können. In Übrigen zähle das bei dem Kläger vorliegende Krankheitsbild einer Spondylolisthesis nicht zu den bandscheibenbedingten Erkrankungen. Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Dr. P. übersandte den Krankheitsbericht vom 13.04.1998, dem mehrere Arztbriefe beigefügt waren. Gleichzeitig erstattete er die ärztliche Anzeige über eine BK wegen Spondylolisthesis L 4/5 mit Spondylolyse.

Mit Bescheid vom 12.05.1998 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei bei seiner beruflichen Tätigkeit keinen überdurchschnittlichen Wirbelsäulenbelastungen ausgesetzt gewesen. Insbesondere habe er wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten nicht zu mindestens 30% pro Arbeitsschicht durchgeführt.

Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, er habe langjährig schwer gearbeitet und die Belastungen auf dem Bau seien überdurchschnittlich gewesen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 09.10.1998).

Der Kläger erhob hiergegen am 16.10.1998 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) und trug vor, er sei abweichend vom üblichen Berufsbild des Steinmetzen, wie es in der von der Beklagten verwendeten Arbeitsplatz-Dokumentation dargestellt werde, überdurchschnittlichen Wirbelsäulenbelastungen ausgesetzt gewesen. Ferner seien bei ihm keine anderen, berufsfremden Ursachen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit an dem Eintritt seines Gesundheitsschadens mitbeteiligt gewesen. Er legte das Attest des Orthopäden Dr. B. vom 02.09.1998 vor (chronische Lumbosacralgie bei Zustand nach Spondylodese L 4 / S 1 infolge einer Spondylolisthese L 5 / S 1).

Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG von dem Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium PD Dr. B.-A. das arbeitsmedizinische Gutachten vom 14.02.2000 ein, in dem sich dieser auf die von ihm veranlasste fachorthopädische Zusatzuntersuchung durch Dr. S. und Dr. F. von der A.klinik W. vom 23.12.1999, das neurologische Zusatzgutachten von Dr. W. vom 25.01.2000 und auf die in seinem Auftrag von PD Dr. R. am 21.12.1999 durchgeführte Magnetresonanztomographie der LWS stützte. PD Dr. B.-A. vermisste eine Berechnung nach dem 1999 vorgestellten Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell (MDD) zur Abklärung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS sei bei dem Kläger gegeben in Form einer fortgeschrittenen Osteochondrose L 5 / S 1 mit erheblicher Höhenminderung, einer höchstgradigen Osteochondrose L 4 / L 5 mit massiver Höhenminderung sowie einer geringgradigen Osteochondrose L 3 / L 4 mit Höhenminderung. Im Bereich der Halswirbelsäule bestünden bandscheibenbedingte Erkrankungen in Form einer ausgeprägten Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose C 4 / C 5, C 5 / C 6 und C 6 / C 7. Die beim Kläger vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS könne jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auch auf die beruflichen Einwirkungen durch Heben oder Tragen schwerer Lasten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung während der Steinmetztätigkeit von August 1951 bis Februar 1997 zurückgeführt werden. Dagegen spreche, dass bei dem Kläger zwei präarthrotische Deformitäten im Bereich der LWS bestünden in Form einer Spondylolisthesis L 5 / S 1 um ca. 10 mm sowie einer linkskonvexen Torsionsskoliose der LWS mit Scheitelpunkt bei L 2. Sowohl die Spondylolisthesis als auch die Torsionsskoliose seien als anlagebedingte Veränderungen der Wirbelsäule aufzufassen. Nach der Studie von Krämer (1997) gingen beide Krankheitsbilder mit einem erhöhten Risiko in Bezug auf die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS einher. Außerdem spreche gegen eine BK 2108, dass bei dem Kläger ähnlich ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich der HWS in Form einer ausgeprägten Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose C 4 / C 5, C 5 / C 6 und C 6 / C 7 bestünden, obwohl er keiner beruflichen Einwirkung durch Tragen schwerer Lasten mit einem Gewicht von mindestens 50 kg im Sinne der BK Nr. 2109 ausgesetzt gewesen sei.

Der Kläger legte das in seinem Auftrag erstattete privatärztliche Gutachten des Chirurgen Dr. A. vom 03.08.2000 und dessen Stellungnahme vom 12.08.2000 zum Gutachten von Dr. B.-A. vor. Dr. A. berichtete, die Oberärztin Dr. Z. von der Radiologischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses E. habe ihm im Rahmen eines telefonischen Konsiliargesprächs erklärt, bei dem Kläger habe keine Schadensanlage (Spondylolyse) vorgelegen. Das bei dem Kläger aufgetretene Wirbelgleiten sei deshalb ausschließlich auf die Bandscheibendegeneration zurückzuführen. Da die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen sowohl der BK Nr. 2108 als auch der BK Nr. 2109 gesichert seien, eine Schadensanlage fehle und die maximale Degeneration in den Hauptbelastungsetagen der HWS und LWS vorzufinden sei, seien die Voraussetzungen der BK Nr. 2108 erfüllt. Soweit PD Dr. B.-A. in seinem Gutachten davon ausgegangen sei, bei dem Kläger habe sowohl eine linkskonvexe Torsionsskoliose der LWS als auch eine Spondylolisthesis als anlagebedingte Veränderungen der Wirbelsäule vorgelegen, lasse dies nur drei Rückschlüsse zu. Entweder beschreibe er diesen Sachverhalt wider besseres Wissen, oder er kenne die wirbelsäulendegenerativ bedingten Voraussetzungen hinsichtlich der Bewertung auch im Sinne der konkurrierenden Kausalität nicht oder es liege ein Missverständnis oder eine Täuschung vor. Wenn die Torsionsskoliose anlagebedingt gewesen wäre, hätte der Kläger seinen Beruf nicht über Jahrzehnte ausführen können. Wahrscheinlicher sei, dass sich aus dem Degenerationsprozess der Wirbelsäule eine Fehlstatik ergeben habe.

In seiner Replik vom 30.11.2000 wies PD Dr. B.-A. die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Er legte dar, die Aussage von Dr. A., bei dem Kläger habe keine anlagebedingte Spondylolyse sondern eine degenerative Spondylolisthesis oder eine sog. Pseudo-Spondylolisthesis vorgelegen, stehe in einem gewissen Widerspruch zur Aktenlage. Zur abschließenden Klärung könnten sämtliche Unterlagen der Klinik für Unfallchirurgie E. beigezogen und Herrn PD Dr. R. zur Begutachtung zugeleitet werden. Auch der Auffassung von Dr. A., die Torsionsskoliose des Klägers habe sich im Rahmen eines Degenerationsprozesses der LWS entwickelt, könne er sich nicht anschließen. Wissenschaftliche Studien darüber, dass Beschäftigte, die einer beruflichen Einwirkung durch Heben oder Tragen schwerer Lasten oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgesetzt gewesen seien, ein erhöhtes Risiko in Bezug auf die Entwicklung einer Torsionsskoliose der LWS ausgesetzt seien, lägen nicht vor. Die Ausführungen von Dr. A. zur beruflichen HWS-Belastung des Klägers stünden im Widerspruch zu seiner (PD Dr. B.-A.) ausführlichen Arbeitsanamnese im Rahmen seines Gutachtens.

Der Kläger legte hierzu die Duplik von Dr. A. vom 25.04.2001 vor, in welcher er an seiner bisherigen Beurteilung festhielt.

Die Beklagte legte die Belastungsbeurteilung nach dem MDD vom 02.07.2001 vor, welche der TAB Dipl.-Ing. V. und der Technische Referent Dipl.-Ing. R. aufgrund einer erneuten Befragung des Klägers vom 28.06. und 02.07.2001 abgegeben hatten. Danach errechnet sich für die Zeit vom 02.08.1951 bis 31.12.1996 eine Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 44,23 x 106 Nh. Dieser Wert liege über dem Richtwert zur Mindestexposition von 25 x 106 Nh für Männer, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 erfüllt seien.

In ihrem Schriftsatz vom 13.08.2001 führte die Beklagte aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2109 seien auch dann nicht erfüllt, wenn man nicht in Abrede stelle, dass der Kläger von Zeit zu Zeit zumindest 50 kg schwere Lasten auf der Schulter getragen habe. Dies sei jedenfalls nicht in der bei Fleischträgern typischen Zwangshaltung erfolgt.

Der Kläger legte hierzu die weitere sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. A. vom 11.10.2001 vor, der ausführte, "bei vernünftiger lebensnaher Betrachtung" ergebe sich hinsichtlich des Haltungszustandes ein identisches Bild im Vergleich mit den von der Beklagten herangezogenen Fleischträgern.

Mit Urteil vom 28.06.2002 - dem Kläger zugestellt am 14.08.2002 - wies das SG die Klage ab. Zur Begründung stützte es sich hauptsächlich auf das Gutachten von PD Dr. B.-A.

Mit seiner am 23.08.2002 beim erkennenden Gericht eingegangenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er hat angeregt, zur Klärung der Frage, ob die Spondylolisthesis auf eine anlagebedingte Spondylolyse zurückzuführen sei oder auf eine Degeneration im Segment L 4 / L 5, sämtliche Unterlagen der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie E. beizuziehen und danach eine gutachterliche Stellungnahme einzuholen. Bei der bei ihm festgestellten Torsionsskoliose handle es sich nicht um eine anlagebedingte Fehlstellung der Wirbelsäule. Vielmehr habe sich die Torsionsskoliose im Rahmen des Degenerationsprozesses der LWS entwickelt. Weiter sei auch die nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung der unteren HWS durch die berufliche Belastung, nämlich durch Tragen schwerer Lasten auf den Schultern, entstanden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.06.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 12.05.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit festzustellen und ihm deshalb eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer MdE um mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat von dem Radiologen PD Dr. R. die gutachterliche Stellungnahme vom 24.02.2003 eingeholt. Dieser kommt darin zum Ergebnis, bei dem Kläger liege eine anlagebedingte bilaterale, asymmetrisch ausgeprägte Spondylolyse der Interartikularportion des Wirbelbogens L 5 vor. Dies habe zur Ausbildung einer Spondylolisthese L 5 / S 1 von ca. 10 mm geführt. Weiter liege eine anlagebedingte dysplastische Ausformung des rechten Zwischenwirbelgelenkes L 5 / S 1 vor. Hieraus resultiere eine segmentale rechtskonvexe Rotationsskoliose im Segment L 5 / S 1, die durch eine linkskonvexe Skoliose der mittleren und oberen LWS mit Scheitelpunkt bei L 2 kompensiert werde.

Der Kläger hat hierzu die weitere Stellungnahme von Dr. A. vom 07.07.2003 vorgelegt. Dieser räumt ein, jetzt sei "die Annahme zu vertreten", dass der Kläger beiderseits im L 5 Areal einen unvollständigen Bogenschluss habe. Hinzuweisen sei jedoch darauf, dass das Wirbelgleiten nach dem 20. Lebensjahr insbesondere bei anlagebedingtem fehlendem Bogenschluss, praktisch zum Stillstand komme. Da außerdem das klinische Bild eines fehlenden Bogenschlusses nahezu "in aller Regel" gar nicht in Erscheinung trete, andrerseits aber degenerative Veränderungen der Bandscheibe das Wirbelgleiten beförderten, müsse eine differenzierte Entscheidung getroffen werden. Der Kläger habe den nach dem MDD maßgeblichen Belastungsgrenzwert nahezu um die Hälfte überschritten. Dies besagte inhaltlich, dass die Belastungsintensität im Rahmen der beruflichen Tätigkeit der wesentlichen Teilursächlichkeit des Schadensbildes zuzuordnen sei. Hätte das berufliche Belastungsprofil nicht die vom TAD ermittelte Intensität erreicht, so wäre aus der Schadensanlage nicht ein in Erscheinung tretendes klinisches Bild geworden. Der Grad der Belastungsintensität mache deutlich, dass die berufliche Belastung nicht nur eine konkurrierende, sondern sogar eine überholende Kausalität darstelle und das Schadensbild im Hinblick auf die BK 2108 mehr als teilursächlich begründe.

Der Senat hat daraufhin von PD Dr. B.-A. noch von Amts wegen das nach Lage der Akten erstattete arbeitsmedizinische Gutachten vom 15.12.2003 eingeholt. Darin hat sich der Sachverständige zunächst mit der Bedeutung der beim Kläger vorliegenden körpereigenen Schadensanlagen einerseits und der beruflichen Belastungen andererseits für die Entstehung der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS auseinandergesetzt. Er hat ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine Spondylolyse des Wirbelbogens L 5 beidseits mit Spondylolisthesis L 5 / S 1 um 10 mm entsprechend Stadium 1 nach Meyerding. Nach den bisherigen Erkenntnissen erhöhe eine vorbestehende Spondylolyse ohne Spondylolisthesis das Risiko für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung nicht. Dagegen lägen noch keine "wissenschaftlich belastbaren Daten" über ein erhöhtes Risiko von Patienten mit Spondylolisthesis in Bezug auf die Entwicklung eines Bandscheibenvorfalls der LWS vor. Im Rahmen der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingerichteten Konsensus-Arbeitsgruppe zur Begutachtung der BK 2108 befasse sich eine Unterarbeitsgruppe mit der Bedeutung von außerberuflich bedingten prädiskotischen Deformitäten. In einem noch nicht veröffentlichten Manuskript sei diese Arbeitsgruppe, welcher er selbst angehöre, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anerkennung einer BK 2108 bei Vorliegen einer Spondylolisthesis im Stadium 2 nach Meyerding nicht in Frage komme, weil nach der Studie von Saraste et al. von 1984 bei 80 % der Patienten in diesem Stadium eine fortgeschrittene Osteochondrose mit Bandscheibenverschmälerung im Segment unterhalb des Wirbelgleitens nachweisbar sei. Dagegen sei das Risiko für den Patienten mit einer Spondylolisthesis im Stadium 1 nach Meyerding im Vergleich zu Kontrollprobanden für die Entwicklung einer fortgeschrittenen Osteochondrose mit Bandscheibenverschmälerung lediglich um den Faktor 1,7 erhöht. Bei der langjährigen und starken beruflichen Einwirkung mit einer kumulativen Gesamtdosis nach dem MDD von 44 x 106 Nh liege das Risiko für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS beim Kläger nach der Studie von Seidler (2001) etwa um den Faktor 9,8 signifikant über dem von unbelasteten Kontrollprobanden. Aufgrund der Arbeitsergebnisse der oben beschriebenen Konsensus-Arbeitsgruppe komme er jetzt in Gegensatz zu seinem ersten Gutachten aus dem Jahre 2000 zu dem Ergebnis, dass der außerberuflich bedingten prädiskotischen Deformität in Form einer Spondylolisthesis L 5 / S 1 im Stadium 1 bei Spondylolyse L 5 beidseits nicht der Stellenwert einer medizinisch allein wesentlichen Ursache für die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS zukomme. Vielmehr besitze die berufliche Einwirkung den Stellenwert einer medizinisch wesentlichen Teilursache.

Auch der beim Kläger vorliegenden segmentalen rechtskonvexen Skoliose von ca. 10° nach Cobb im Segment L 5 / S 1 mit kompensatorischer linkskonvexer Skoliosehaltung der oberen LWS komme nicht die Bedeutung einer allein wesentlichen Ursache der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zu. Die oben beschriebene Unterarbeitsgruppe "Konkurrierende Faktoren" der Konsensus-Arbeitsgruppe sei zu dem Ergebnis gelangt, dass lediglich der fortgeschrittenen Skoliose mit einem Winkelgrad nach Cobb von mehr als 30° ein Stellenwert als außerberuflich bedingte prädiskotische Deformität für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS zukomme, nicht dagegen einer leicht- oder mittelgradigen Skoliose. Da beim Kläger lediglich eine leichtgradige lumbale Skoliose mit einem Winkelgrad von 10° vorliege, sei diese nicht als wesentliche außerberuflich bedingte konkurrierende Ursache anzusehen.

Schließlich könne gegen die Anerkennung einer BK 2108 auch nicht eingewandt werden, dass bei dem Kläger ebenfalls degenerative Veränderungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule vorlägen. Neuere Forschungsergebnisse wie die Studie von Seidler et al. von 2001 ließen an der wissenschaftlichen Stichhaltigkeit dieses Negativkriteriums bei der Begutachtung der BK 2108 zweifeln. Die genannte Studie zeige nämlich, dass Beschäftigte mit einer hohen beruflichen Einwirkung durch Heben oder Tragen schwerer Lasten auch ein hohes Risiko in Bezug auf die Entwicklung einer bandscheibenbedingten LWS-Erkrankung bei gleichzeitiger bandscheibenbedingter HWS-Erkrankung aufwiesen.

Aus biomechanischer Sicht sei die Hypothese plausibel, dass es beim Heben schwerer Lasten mit den Armen vor oder neben dem Körper zu einer erhöhten Druckbelastung der HWS-Bandscheibe komme. Da die Arme nicht an der LWS, sondern am Schultergürtel ansetzten, komme es bei jedem Hebe- und Tragevorgang mit den Armen vor oder neben dem Körper auch zu einer erhöhten Druckbelastung der HWS-Bandscheiben durch Zug über bestimmte Muskelgruppen an den Dorn- und Querfortsätzen der Hals- und oberen Brustwirbelsäule nach unten. Zwar sei die bisherige Erkenntnislage noch davon entfernt, einen BK-Zusammenhang im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS durch Heben und Tragen schwerer Lasten anzunehmen. Andererseits seien die bisherigen Studien doch so aussagefähig, dass er bei Beschäftigten (mit Verdacht auf BK 2108, bei denen ebenfalls eine bandscheibenbedingte HWS-Erkrankung bestehe und die keiner Einwirkung durch Tragen schwerer Lasten auf der Schulter im Sinne der BK 2109 ausgesetzt gewesen seien), die HWS-Erkrankung nicht mehr im Sinne eines Ausschlusskriteriums in Bezug auf die Anerkennung einer BK 2108 für akzeptabel halte.

Nach den Gesetzen der Logik sei ferner nicht zwingend, dass die Annahme einer anlagebedingten HWS-Erkrankung die Anerkennung einer beruflich bedingten LWS-Erkrankung ausschließe.

Insgesamt hätten die für die Anerkennung einer BK 2108 sprechenden Gründe ein deutlich stärkeres Gewicht als die dagegen sprechenden Gründe. Die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Februar 1997 sei zur Verhütung einer weiteren Verschlimmerung der bandscheibenbedingten Wirbelsäulenerkrankung erforderlich gewesen. Die MdE zum Zeitpunkt der Begutachtung am 21.12.1999 schätze er auf 30 v. H.

Die Beklagte hat hierzu die in ihrem Auftrag erstattete orthopädische Stellungnahme von Prof. Dr. W., F., vom 26.02.2004 mit der Ergänzung vom 21.06.2004 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, ausgehend von den Angaben des Klägers, er leide seit 1975 unter LWS-Beschwerden, sei er damals 40 Jahre alt gewesen. Dieser Umstand spreche gegen das Vorliegen der BK Nr. 2108, da im 4. Dezennium in allen Bevölkerungsgruppen bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS häufig würden. Lägen gleiche Veränderungen an HWS und LWS vor, so sei hieraus nach dem sog. Hamburger Konsens zu folgern, dass endogene Faktoren die wesentliche Rolle spielten. Dies liege daran, dass das Heben und Tragen schwerer Lasten zu einer besonderen Belastung der LWS, nicht jedoch der HWS führe. Dagegen könne nicht die Studie von Seidler et al. von 2001 ins Feld geführt werden, weil sie "vom Design her" nicht repräsentativ sei. Dasselbe gelte für die Studie von Seidler et al. von 2002, weil darin die Frage nach den Ursachen der Veränderungen an HWS und BWS nicht beantwortet werde. Soweit PD Dr. B.-A. ausgeführt habe, aus biomechanischer Sicht erscheine die Hypothese plausibel, dass das Heben und Tragen schwerer Lasten auch zu einer erhöhten Druckbelastung der HWS führe, sei dem prinzipiell beizupflichten. Allerdings sei nicht vorstellbar, dass die genannten Tätigkeiten selbst zu einer Drucksteigerung in den Bandscheiben der HWS führten. Gehe man von der Hypothese aus, dass Muskelkräfte und eine exogene axiale Belastung der Wirbelsäule für die Entstehung von Bandscheibenschäden gleichermaßen relevant seien, und berücksichtige man, dass bei einer BK eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Exposition und Erkrankungshäufigkeit bestehen müsse, so müssten die Veränderungen an der LWS diejenigen an der HWS in quantitativer Hinsicht übertreffen. Deshalb sei ein Vergleich der Hals- und Lendenwirbelsäulenbefunde statthaft und für die Beantwortung der Frage, ob Bandscheibenschäden durch mechanische Einwirkungen bedingt seien, relevant. Richtig sei ebenfalls, dass nach jahrzehntelanger körperlicher Schwerarbeit nicht nur an der LWS, sondern auch an der HWS eine Linksverschiebung der Prävalenzkurve festzustellen sei. Deren Ursache sei nach wie vor nicht definitiv geklärt. Insbesondere sei auch durch die Studie von Kelsey et al. von 1984, auf die PD Dr. B.-A. Bezug genommen habe, nicht nachgewiesen worden, dass langjährige körperliche Schwerarbeit zu Bandscheibenschäden an der HWS führe. Der Verordnungsgeber sei im Übrigen von der Konzeption ausgegangen, dass - abgesehen von den beruflichen Belastungen im Sinne der BK 2109 - schweres Heben und Tragen nur Schäden an der LWS hervorrufen könne. Dem von PD Dr. B.-A. gebrauchten Argument, es sei nach den Gesetzen der Logik nicht zwingend, dass die Annahme einer anlagebedingten HWS-Erkrankung die Anerkennung einer beruflich bedingten LWS-Erkrankung ausschließe, sei entgegenzuhalten, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass ein und dieselbe bandscheibenbedingte Erkrankung von verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten aus unterschiedlichen Gründen entstehe. In seinem 2. Gutachten habe PD Dr. B.-A. das im ersten Gutachten noch gebrauchte wichtige Argument des Vorhandenseins einer prädiskotischen Deformität, das gegen das Vorliegen einer BK spreche, unberücksichtigt gelassen. Selbst wenn man das "Negativkriterium gleichartiger Befall an der HWS" außer Betracht lasse, scheide eine BK 2108 allein aufgrund der prädiskotischen Deformität aus.

Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 SGG hat der Senat zuletzt von Dr. A. die nach Aktenlage abgegebene weitere sozialmedizinische Stellungnahme vom 22.09.2004 eingeholt. Dieser führt aus, im Ergebnis stimme er der Beurteilung von PD Dr. B.-A. in seinem zweiten Gutachten zu. Ebenso wie Prof. Dr. W. argumentiere dieser jedoch mit Studien, die im konkreten Fall hinsichtlich einer klaren Beurteilung in der Individualanalyse nicht weiterführten. Laut Verordnungsgeber und nach medizinisch-juristischem Konsens seien die Einwirkungen unter Berücksichtigung physikalischer Gesetzmäßigkeiten zu untersuchen. Auf diesem Standard seien dann die Grundlagen der allgemeinen Pathologie (Krankheitslehre) anzuwenden. Diese reichten in den wesentlichen Inhalten aus, um die Vorgaben des Verordnungsgebers zu klären.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gem. § 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 1/5 (20 vom Hundert [v.H.]) gemindert ist. Als Arbeitsunfall gilt gem. § 9 Abs. 1 SGB VII auch eine Berufskrankheit. Dies sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als Berufskrankheit zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt grundsätzlich voraus, dass beim Versicherten zum einen die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, das heißt, dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt war, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein dieser Berufskrankheit entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Auch wenn ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine Berufskrankheit hervorzurufen, führt dies nicht automatisch zur Anerkennung und - gegebenenfalls - Entschädigung. Vielmehr ist, wenn die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen und die Krankheit gehören, müssen erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 19, 52; 42, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlicher Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, E § 9/Anm. 26). Sind für eine Gesundheitsschädigung auch andere Ursachen (Teilursachen) wesentlich, die im Rahmen einer Berufskrankheit nicht zu berücksichtigen sind, ist die beruflich bedingte schädigende Einwirkung (Teilursache) wesentlich im Rechtssinne, wenn sie gegenüber den sonstigen Ursachen wenigstens annähernd gleichwertig ist.

Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (vgl. BSG 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheit anzuerkennen. Mit der hiermit festgelegten beruflichen Belastung wird verbindlich umschrieben, welche beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS zu verursachen bzw. zu verschlimmern. Die Entscheidung des Verordnungsgebers ist nicht rechtswidrig. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt die Formulierung der Nr. 2108 der BKVO die übliche differenzierende Umschreibung der bisher vorliegenden spezifischen Erkenntnisse dar (BSGE 84,30).

Angesichts der vom TAD der Beklagten nach dem MDD errechneten Gesamtdosis von 44,23 x 106 Nh, die über die geforderte Mindestdosis für Männer von 25 x 106 Nh weit hinausgeht, geht auch der Senat in Übereinstimmung mit beiden Beteiligten davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen und damit die haftungsbegründende Kausalität für die Feststellung einer BK der Nr. 2108 erfüllt sind. Er folgt dabei der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 13/02 R), wonach das MDD zumindest derzeit ein geeignetes Modell ist, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen.

Bei dem Kläger liegt auch die in der Definition der BK 2108 geforderte bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor in Form einer fortgeschrittenen Osteochondrose L 5 / S 1 mit erheblicher Höhenminderung, einer höchstgradigen Osteochondrose L 4 / L 5 mit massiver Höhenminderung sowie einer geringgradigen Osteochondrose L 3 / L 4 mit Höhenminderung. Jedoch fehlt es an der haftungsausfüllenden Kausalität. Es kann nicht wahrscheinlich gemacht werden, dass die beschriebenen degenerativen Veränderungen an der LWS des Klägers wesentlich durch seine berufliche Belastung verursacht worden sind.

Ein solcher Zusammenhang ist nicht bereits nach der Vorschrift des § 9 Abs. 3 SGB VII zu vermuten. Danach wird, wenn Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der BKV genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit erkranken und Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, vermutet, dass diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Es wird also im Sinne eines Anscheinsbeweises eine widerlegbare Vermutung aufgestellt (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Rdnr. 12.1 zu § 9). Ein Anscheinsbeweis liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn die Tatbestandsmerkmale der jeweiligen Berufskrankheit vorliegen, sondern es muss entsprechend gesicherte Erfahrungsgrundsätze geben, die es rechtfertigen, bei einem typischen Geschehensablauf die Grundsätze über den Anscheinsbeweis anzuwenden. Derartige gesicherte medizinische Erfahrungssätze gibt es aber im Bereich der BK Nr. 2108 nicht, weil bandscheibenbedingte Erkrankungen auf einem multifaktoriellen Geschehen beruhen, wobei der natürliche Alterungs- und Degenerationsprozess ganz wesentlich ist. Ein Anscheinsbeweis ist hier deshalb nicht zulässig (vgl. BSG-Urteil vom 18.11.1997 - SGb 1999, 39 bis 41; LSG Niedersachsen Breith. 2000, 1031). Auf Grund der deshalb anzustellenden Prüfung nach den allgemeinen Beweisregeln ist das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht wahrscheinlich.

Der Senat lässt offen, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den - außerordentlich starken - beruflichen Belastungen des Klägers durch schweres Heben und Tragen und seiner bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS schon wegen des Vorliegens spezieller anlagebedingter prädisponierender Faktoren zu verneinen ist, wovon PD Dr. B.-A. in seinem ersten Gutachten vom 14.02.2000 ausgegangen ist. Aufgrund des von PD Dr. R. eingeholten radiologischen Gutachtens vom 24.02.2003 steht inzwischen fest, dass das Wirbelgleiten (Spondylolisthesis) des Klägers im Segment L 5/S 1 um ca. 10 mm nicht auf eine Bandscheibendegeneration zurückgeführt werden kann, sondern ausschließlich auf eine angeborene Spondylolyse (Wirbelbogendefekt). Das betroffene Segment ist bei Versicherten mit einer Spondylolisthesis, anatomisch bedingt, besonders anfällig für mechanische Belastungen und damit für das Entstehen von bandscheibenbedingten Erkrankungen (vgl. Mehrtens/Perlebach, Kommentar zur BKV, Anmerkung 4.1 bei M 2108). Dies bedeutet aber nicht, dass berufliche Einflüsse in ihrer Bedeutung für eine bandscheibenbedingte Erkrankung stets völlig zurücktreten und deshalb keine annähernd wesentliche Bedeutung für die Ausprägung des Krankheitsbildes haben könnten. Vielmehr ist in solchen Fällen entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Kausallehre von der wesentlichen Bedingung die Bedeutung der Schadensanlage gegen die Bedeutung der beruflichen Einflüsse abzuwägen. Dies verkennt Prof. Dr. W., der in seiner Stellungnahme vom 26.02.2004 den Standpunkt eingenommen hat, schon allein aufgrund der beim Kläger vorliegenden prädiskotischen Deformität scheide das Vorliegen einer BK der Nr. 2108 aus. PD Dr. B.-A. differenziert in seinem zweiten Gutachten danach, ob bei dem Versicherten eine Spondylolisthesis nach dem Studium 1 oder 2 der Einteilung von Meyerding vorliege. Aus der Studie von Saraste et al. von 1984 folge nämlich, dass bei 80 % der Patienten mit einer Spondylolisthesis im Stadium 2 nach Meyerding eine fortgeschrittene Osteochondrose mit Bandscheibenverschmälerung im Segment unterhalb des Wirbelgleitens nachweisbar sei. Dagegen sei das Risiko für die Patienten mit einer Spondylolisthesis im Stadium 1 im Vergleich zu Kontrollprobanden für die Entwicklung einer fortgeschrittenen Osteochondrose mit Bandscheibenverschmälerung lediglich um den Faktor 1,7 erhöht. Der Unterschied zwischen den Patienten im Stadium 1 und 2 besteht somit lediglich darin, dass Erstere nur zu 70 %, Letztere dagegen zu 80 % auch eine fortgeschrittene Osteochondrose mit Bandscheibenverschmälerung entwickeln. Der Senat vermag nicht einzusehen, weshalb dieser geringe Unterschied bei der hier vorzunehmenden Kausalitätsbeurteilung eine wesentliche Rolle spielen soll. Immerhin entwickelt auch weit mehr als die Hälfte der Patienten im Stadium 1 die in Frage stehende Folgekrankheit.

Nach Auffassung des Senats ist ferner kritisch zu fragen, ob PD Dr. B.-A. bei seiner Abwägung mit beruflichen Einflüssen nicht sämtliche anlagebedingte Störungen in ihrer Gesamtheit hätte betrachten müssen, anstatt sie einzeln gegen berufliche Einflüsse abzuwägen. Andererseits misst der Senat seinem Argument, bei einer kumulativen Gesamtdosis nach dem MDD-Verfahren von mehr als 44 x 106 Nh sei das Risiko für die Entwicklung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS gegenüber unbelasteten Kontrollprobanden besonders stark erhöht, durchaus Bedeutung zu. Ob seiner Abwägung der prädiskotischen Anlage mit den beruflichen Einwirkungen im Ergebnis zu folgen wäre, kann aber letztlich deshalb offen bleiben, weil das bei dem Kläger vorhandene Schadensbild mit seinen bildtechnisch nachweisbaren Veränderungen nicht mit der beruflichen Exposition korreliert und deshalb nicht schadenskonform ist.

Gegen einen Zusammenhang der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS mit der beruflichen Belastung spricht hier, dass bei dem Kläger ähnlich ausgeprägte degenerative Veränderungen im Bereich der HWS in Form einer ausgeprägten Osteochondrose, Spondylose und Spondylarthrose in den Segmenten C 4 / C 5, C 5 / C 6 und C 6 / C 7 bestehen, ohne dass der Kläger einer den Anforderungen der BK Nr. 2109 entsprechenden Belastung der HWS ausgesetzt gewesen wäre. Letzteres haben sowohl der TAD in seiner Stellungnahme vom 09. 01. 1998 als auch PD Dr. B.-A. zutreffend ausgeschlossen. Der abweichenden Beurteilung von Dr. A. war nicht zu folgen, weil das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter ungleich seltener als bei Fleischträgern und nicht in der für diese typischen Zwangshaltung erfolgte.

Dass PD Dr. B.-A. in seinem ersten Gutachten vom 14.02.2000 (auch) im Hinblick auf die genannten gleichzeitig vorliegenden Veränderungen der HWS den haftungsausfüllenden Kausalzusammenhang verneint hat, hält der Senat für richtig. Bei dieser Konstellation liegt kein belastungskonformes Schadensbild vor, da die LWS, die an sich aufgrund der beruflichen Belastung besonders betroffen sein müsste, sich in ihrem Degenerationszustand nicht vom Zustand belastungsferner Abschnitte wie der HWS deutlich abhebt (vgl. hierzu Mehrtens/Perlebach, aaO, Anmerkung 5.3 bei M 2108). Da der intradiskale Druck bei schwerem Heben und Tragen in den unteren Abschnitten der Wirbelsäule größer ist als in den oberen, ist in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund erforderlich, was angesichts der ausgeprägten degenerativen Veränderungen der HWS hier nicht der Fall ist. Mit seiner geänderten Beurteilung im zweiten Gutachten vom 15.12.2003 hat sich PD Dr. B.-A. mithin in eine Gegenposition zum sog. Hamburger Konsens begeben, wonach die Anerkennung der BK 2108 voraussetzt, dass, wenn nicht ausschließlich, so doch in besonderem Maße an der LWS degenerative Bandscheibenschäden vorliegen.

Für dieses Abweichen vom Hamburger Konsens hat PD Dr. B.-A. keine den Senat überzeugende Begründung gegeben. Die Studien von Seidler et al. von 2001 und 2002, an denen PD Dr. B.-A. selbst mitgearbeitet hat, sind in der Fachwelt stark umstritten. Im Hinblick auf die von Prof. Dr. W. vorgebrachten Einwände vermag sich der Senat der Auffassung von PD Dr. B.-A. nicht anzuschließen, nachgewiesene degenerative HWS-Veränderungen seien im Sinne eines Ausschlusses der Anerkennung einer BK 2108 nicht mehr akzeptabel. PD Dr. B.-A. räumt im Übrigen selbst ein, dass "die bisherige Erkenntnislage noch davon entfernt sei, einen Berufskrankheitenzusammenhang im Sinne einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule durch Heben schwerer Lasten anzunehmen".

Soweit PD DR. B.-A. argumentiert hat, aus biomechanischer Sicht erscheine die Hypothese plausibel, dass das Heben und Tragen schwerer Lasten auch zu einer erhöhten Druckbelastung der HWS führe, da die Arm- und Schultergürtelmuskulatur zumindest teilweise an der HWS ansetze und die Beanspruchung dieser Muskulatur zu einer Drucksteigerung an der HWS führen müsse, hat dem Prof. Dr. W. prinzipiell beigepflichtet. Er weist andererseits darauf hin, dass es nicht vorstellbar sei, dass Tätigkeiten mit schwerem Heben oder Tragen als solche zu einer Drucksteigerung in den Bandscheiben der HWS führen. Denkbar ist allenfalls, dass infolge von Schwerarbeit an sich und der dabei aktivierten Muskelkräfte sowie der mit Schwerarbeit einhergehenden besonderen Lebensumstände Bandscheibenschäden an der gesamten Wirbelsäule entstehen. Als erwiesen gilt nämlich, dass Muskelkräfte Einfluss auf den intradiskalen Druck haben. Geht man jedoch von der Hypothese aus, dass Muskelkräfte und eine exogene axiale Belastung der Wirbelsäule für die Entstehung von Bandscheibenschäden gleichermaßen relevant sind, und berücksichtigt man, dass bei einer BK eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Exposition und Erkrankungshäufigkeit bestehen muß, so müssen die Veränderungen an der LWS diejenigen an der HWS in quantitativer Hinsicht übertreffen. Diese Darlegungen Prof. Dr. W. überzeugen den Senat. Nach wie vor ist deshalb ein Vergleich der Befunde an der HWS und an der LWS statthaft und geboten, da er für die Beantwortung der Frage, ob Bandscheibenschäden der LWS durch mechanische Einwirkungen bedingt sind, erheblich ist.

Soweit PD Dr. B.-A. seine Abwendung vom Hamburger Konsens damit begründet hat, aus der Studie von Hult von 1954 ergebe sich, dass Schwerarbeiter nicht nur im Bereich der LWS, sondern auch im Bereich der HWS eine erhöhte Prävalenz degenerativer Veränderungen hätten, wird dieser Umstand auch von Prof. Dr. W. nicht in Zweifel gezogen. Gerade er hat seit langer Zeit darauf hingewiesen, dass nach jahrzehntelanger körperlicher Schwerarbeit nicht nur an der LWS, sondern auch an der HWS eine Linksverschiebung der Prävalenzkurve festzustellen ist. Die Behauptung von PD Dr. B.-A. in seinem ersten Gutachten vom 24.02.2000, es gebe keine epidemiologischen Studien, die ein signifikant erhöhtes Risiko entsprechend belasteter Beschäftigter in Bezug auf die Entwicklung bandscheibenbedingter HWS- und BWS-Erkrankungen nachwiesen, war deshalb nicht richtig. Nach wie vor unklar ist jedoch, warum Schwerarbeiter gegenüber unbelasteten Kontrollprobanden etwa 10 Jahre früher nicht nur Schäden an der LWS, sondern auch an der HWS aufweisen.

Soweit PD Dr. B.-A. ausgeführt hat, er halte es nicht für logisch, dass eine anlagebedingte (degenerative) HWS-Erkrankung eine Erkrankung der LWS infolge beruflicher Einwirkungen ausschließen solle, ist dem mit Prof. Dr. W. entgegenzuhalten, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein und dieselbe bandscheibenbedingte Erkrankung von verschiedenen Wirbelsäulenabschnitten aus unterschiedlichen Gründen entsteht. Erhellend hat Prof. Dr. W. das Beispiel eines Patienten mit einer Polyarthrose der Fingergelenke beider Hände, der mit der Arbeitshand körperliche Schwerarbeit geleistet hat, herangezogen. In diesem Fall wäre es offensichtlich nicht plausibel, die Verschleißerscheinungen an der Arbeitshand als arbeitsbedingt zu beurteilen, die an der Hilfshand dagegen nicht. Nach alledem ist am sog. Hamburger Konsens jedenfalls nach dem gegenwärtigen Stand der sozialmedizinischen Forschung festzuhalten.

Ob Prof. Dr. W. auch darin gefolgt werden kann, gegen das Vorliegen einer BK Nr. 2108 spreche hier auch der Umstand, dass der Kläger nach seinen Angaben seit 1975 unter Rückenbeschwerden leide und damit zum Zeitpunkt des Erkrankungsbeginns schon 40 Jahre alt gewesen sei, kann nach Sachlage dahingestellt bleiben. Obwohl Prof. Dr. W. darauf hinweist, die sog. Linksverschiebung der Prävalenzkurve als Maß der Akzeleration der an der Wirbelsäule ohnehin ablaufenden degenerativen Prozesse werde durchschnittlich mit 10 Jahren angegeben, weshalb es nach bestimmten mechanischen Einwirkungen auf die Wirbelsäule im Vergleich zu Kontrollkollektiven ungewöhnlich früh zu bandscheibenbedingten Erkrankungen komme, widerspricht diese Auffassung doch der auch vom Verordnungsgeber vorausgesetzten und in der Sozialmedizin soweit ersichtlich noch herrschenden Meinung, dass es für eine wesentliche Teilursache der beruflichen Belastungen spricht, wenn die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS erst nach langjährigen intensiven beruflichen Belastungen aufgetreten ist und dass umgekehrt eine frühzeitige Erstmanifestation der bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS gegen einen Ursachenzusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach aaO, Anmerkung 45 bei M 2108).

Die aktenkundigen gutachtlichen Stellungnahmen von Dr. A. führen zu keiner für den Kläger günstigeren Beurteilung. Seine ursprüngliche Ansicht, die Spondylolisthesis des Klägers sei nicht auf eine anlagebedingte Spondylolyse, sondern auf eine Bandscheibendegeneration zurückzuführen, ist durch das röntgenologische Gutachten von PD Dr. R. vom 24.02.2003 widerlegt worden. In seiner Stellungnahme vom 07.07.2003 hat Dr. A. zwar zutreffend auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Bedeutung der angeborenen Schadensanlage gegen die außerordentlich große berufliche Belastung durch schweres Heben und Tragen abzuwägen. Im Hinblick auf das fehlende belastungskonforme Schadensbild kam es jedoch letztlich hierauf nicht mehr an. Soweit er in seiner letzten Stellungnahme vom 22.09.2004 seine grundsätzliche Skepsis gegenüber epidemiologischen Studien zum Ausdruck gebracht hat, hat der Senat hierfür in Anbetracht der nach wie vor existierenden fundamentalen Divergenzen bei der Beurteilung der Berufskrankheiten der Wirbelsäule durchaus Verständnis. Andererseits leuchtet dem Senat nicht ein, dass die allgemeine Pathologie hier unstrittige Bewertungsgrundlagen geben soll, gegen die keine vernünftigen Einwendungen möglich sein sollen. Wäre es so einfach, so wären die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um die Berufskrankheiten der Nrn. 2108 - 2010 der Anlage zur BKV nicht zu erklären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere kommt dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil lediglich über Tatfragen zu entscheiden war.
Rechtskraft
Aus
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