L 6 U 1974/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2315/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1974/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 19/05 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gefahren, denen ein ins Ausland entsandter Arbeitnehmer gerade durch die besonderen Lebensbedingungen im Ausland ausgesetzt ist, begründen nicht generell einen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Insbesondere rechtfertigt die Annahme eines sachlichen Zusammenhangs nicht der Umstand, dass das Risiko einer HIV-Infektion bei sexuellen Kontakten mit Afrikanerinnen in Hochprävalenzgebieten um ein Vielfaches größer ist als bei entsprechenden Kontakten mit Partnerinnen in Deutschland.

Revision anhängig beim BSG unter AZ: B 2 U 19/05 R
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2000 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die bei dem Kläger aufgetretene HIV-Infektion als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der 1959 geborene Kläger war als Mitarbeiter der damaligen M.-B. AG vom 11.11.1991 bis 31.10.1996 im Rahmen eines Auslandseinsatzes als Werkstattleiter in Abuja/Nigeria beschäftigt. Dem lag der &8222;Auslandsvertrag&8220; vom 25.10.1991 mit einer Befristung bis 31.10.1993 zugrunde, der dreimal jeweils um 1 Jahr verlängert wurde.

Im Januar 1997 erstattete das Institut für Tropenmedizin der Universität T. bei der Beklagten Anzeige über das Vorliegen einer HIV-Infektion als BK in Folge der medizinischen Versorgung von Brandwunden und Verletzungen in einem HIV-1-Endemiegebiet.

Dr. B. vom Institut für Tropenmedizin übersandte der Beklagten den an den Werksärztlichen Dienst der M.-B. AG gerichteten Arztbrief vom 17.01.1997 über die ambulanten Untersuchungen vom 04.11., 06. und 30.12.1996. Darin finden sich die folgenden anamnestischen Angaben. Im April 1995 hatte der Kläger in Nigeria einen Motorradunfall mit Clavikula-Fraktur links und vierfacher Rippenfraktur. Bei der anschließenden stationären Behandlung wurde er nicht operiert und erhielt keine Transfusionen, jedoch Infusionen und wiederholt Injektionen zur Thromboseprophylaxe und Analgesie. Etwa einmal pro Monat leistete der Kläger Erste Hilfe bei blutenden Wunden von einheimischen Mitarbeitern. Bei einem Mitarbeiter wechselte er im Juni 1996 nach einer Brandverletzung alle 2 Tage einen Wundverband. Bei all diesen Tätigkeiten trug er keine Schutzhandschuhe. Etwa zehnmal in seiner 5-jährigen Tätigkeit in Nigeria hatte er geschützten Geschlechtsverkehr mit einer unbekannten Partnerin, zuletzt im August 1996. Eine Geschlechtskrankheit trat weder bei ihm noch bei seiner Ehefrau auf. Im Jahre 1995 wurde der Kläger von einem Affen, der als Haustier gehalten wurde, in die Hand gebissen. Im Juli 1996 hatte der Kläger 3 Tage anhaltendes Fieber bis 41° C ohne Plasmodiennachweis.

Nach Beiziehung weiterer Unterlagen, insbesondere von Laborbefunden sowie Untersuchungsberichten zur Frage der Tropentauglichkeit von Dr. M.-B./Dr. S. vom 10.02.1989 und 06.03.1990 und von Prof. Dr. K. vom 29.07.1994 holte die Beklagte von dem ärztlichen Leiter der Aids-Beratungsstelle in H., Dr. J., das aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers vom 15.04.1998 erstattete Gutachten vom 15.05.1998 ein. Er kam darin zu dem Ergebnis, der Kläger habe sich während seines beruflich bedingten Aufenthaltes in Nigeria eine HIV-1A-Infektion zugezogen, die er mit hoher Wahrscheinlichkeit nur dort habe erwerben können. Er sei am Tätigkeitsort sehr gefährdet gewesen, da Nigeria ein Hochprävalenzgebiet der HIV-Epidemie sei und ansteckungsgefährdende Situationen nachgewiesen worden seien. Das HIV-Ansteckungs-risiko für in Hochprävalenzgebieten Beschäftigte sei vielfach höher als das der Gesamtbevölkerung und deutlich höher als das des Gesundheitspersonals in Deutschland. Das Ansteckungsrisiko steige mit der Länge des Aufenthaltes und der Häufigkeit ansteckungsgefährdender Tätigkeiten/Situationen. Weiterhin gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eigenwirtschaftliche Belange die beruflich bedingte HIV-Gefährdung im konkreten Fall deutlich überwögen. Der Kausalzusammenhang mit der versicherten Tätigkeit sei mindestens hinreichend wahrscheinlich. Die MdE werde ab 16.01.1997 mit 40 v.H. eingeschätzt.

Staatliche Gewerbeärztin Dr. G. schlug in ihrer Stellungnahme vom 02.06.1998 vor, die HIV-Infektion als entschädigungspflichtige Berufskrankheit (MdE 40 v.H.) anzuerkennen.

Mit Bescheid vom 12.08.1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) und die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, der Beurteilung von Dr. J. habe sie sich nicht anschließen können. Allein die Tatsache, dass Nigeria zu den Hochprävalenzgebieten zähle und dass mit der Länge des Aufenthalts dort das Ansteckungsrisiko steige, spreche noch nicht dafür, dass sich der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit mit dem HIV-Virus infiziert habe. Das Ansteckungsrisiko steige nämlich auch bei rein privaten Tätigkeiten. Entgegen der Auffassung des Gutachters habe vor allem bei dem vom Kläger geschilderten Geschlechtsverkehr mit den ihm unbekannten Partnerinnen ebenso die Möglichkeit bestanden, sich zu infizieren. Es sprächen daher genauso viele Gründe für die HIV-Infektion bei der beruflichen Tätigkeit wie für eine Infektion bei einer privaten Tätigkeit.

Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31.03.1999). Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, das Risiko einer Infektion im Ausland müsse höher sein als in der Bundesrepublik Deutschland und ebenso hoch wie dasjenige des Pflegepersonals in deutschen Krankenhäusern. Bezogen auf die beruflichen Tätigkeiten des Klägers sei von einer solchen besonderen Infektionsgefahr nicht auszugehen. Die angegebene, ca. einmal monatlich geleistete Erste Hilfe bei Afrikanern mit Blutkontakt bzw. der im Juni 1996 erfolgte Verbandswechsel einer Brandwunde ohne Schutzhandschuhe mit Kontakt zu Blut- und Wundsekreten stellten keine dem Pflegepersonal in deutschen Krankenhäusern vergleichbar hohe Häufigkeit ansteckungsgefährdender beruflicher Tätigkeiten dar. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger selbst außerberufliche Risiken wie mehrfachen Geschlechtsverkehr mit einheimischen Partnerinnen angegeben habe. Auch wenn man davon ausgehe, dass es nicht zu sogenannten Kondomversagern gekommen sei, könne auch hier ein Risikokontakt (insbesondere durch die angegebenen Verletzungen an den Händen) nicht ausgeschlossen werden. Unabhängig davon sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Kläger bei dem Geschlechtsverkehr entsprechend geschützt habe, nicht dagegen bei der Ersten Hilfe bzw. beim Verbandswechsel durch das Tragen von Schutzhandschuhen.

Der Kläger erhob hiergegen am 29.04.1999 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Er trug vor, im November 1996 sei bei ihm eine aus medizinischer Sicht &8222;beginnende&8220; oder &8222;frische&8220; Infektion festgestellt worden. Die Auffassung der Beklagten, seine Ansteckungsgefahr durch die Tätigkeit im Rahmen der Ersten Hilfe und dem Verbinden einer Brandwunde über 2 Tage sei nicht mit dem beruflichen Risiko einer bundesdeutschen Krankenpflegekraft vergleichbar, sei nicht zutreffend. Dabei bleibe unberücksichtigt, dass die statistisch weniger häufig bestehenden Kontakte durch die statistisch wesentlich häufiger auftretende HIV-Infektion bei den Einwohnern von Nigeria ausgeglichen, wenn nicht sogar überholt werde.

Mit Urteil vom 12.12.2000 - der Beklagten zugestellt am 17.04.2001 - hob das SG die angefochtenen Bescheide auf, stellte die HIV-Infektion als Berufskrankheit nach der Nr. 3101 der BKVO fest und verurteilte die Beklagte, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren. Zur Begründung stützte sich das SG auf das Ergebnis des Gutachtens von Dr. J. Der Kläger habe in einem sog. Hochprävalenzgebiet der Aids-Epidemie medizinische Pflegetätigkeiten verrichtet. Hinreichend wahrscheinlich sei auch, dass dadurch die HIV-Infektion entstanden sei. Mögliche eigenwirtschaftliche Ansteckungswege seien nicht wahrscheinlich. Zwar habe der Kläger im Verwaltungsverfahren eingeräumt, dass er mit Partnerinnen in Nigeria geschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Beim geschützten Geschlechtsverkehr sei die HIV-Infektion zwar nicht 100%-ig auszuschließen, die Wahrscheinlichkeit hierfür sei jedoch sehr gering. Da der Kläger von Kondomversagen nicht berichtet habe, spreche auch nichts für diesen Ansteckungsweg. Dies werde auch dadurch unterstrichen, dass bei dem Kläger keinerlei Hinweise für Infektionen mit Geschlechtskrankheiten gefunden worden seien. Dies spreche für die Glaubwürdigkeit des Klägers.

Hiergegen richtet sich die am 04.05.2001 zum Landessozialgericht (LSG) erhobene Berufung der Beklagten.

Sie trägt vor, bereits die haftungsbegründende Kausalität liege nicht vor, da der gelegentliche Personenkontakt bei Erste Hilfe-Leistungen auch in Hochprävalenzgebieten nicht vergleichbar sei mit dem Risiko der in Deutschland im Gesundheitswesen Tätigen, bei der Pflege und Behandlung - in der Regel über die volle Arbeitsschicht hinweg - mit dem Aidsvirus in Kontakt zu kommen. Auch die haftungsausfüllende Kausalität sei zu verneinen. Anders als von Dr. J. dargestellt sei es keineswegs so, dass bei geschütztem Geschlechtsverkehr ohne Kondomversagen überhaupt kein Infektionsrisiko bestehe. Das außerberufliche Infektionsrisiko sei als dem beruflichen zumindest gleichwertig einzuschätzen. Gehe man mit Dr. J. davon aus, dass die Infizierung des Klägers durch eine Schmierinfektion am wahrscheinlichsten sei, so habe ein Hautkontakt an den Fingern bei Erster Hilfe mit Blut gleichermaßen wie mit Vaginalsekret beim Sexualkontakt vorgelegen. Dass der Kläger während des wahrscheinlichen Infektionszeitraums - dem Jahr 1996 - keine sexuellen Kontakte zu unbekannten Partnerinnen mehr gehabt haben solle, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem SG behauptet habe, sei nicht glaubhaft, da er gegenüber den Ärzten des Tropeninstituts der Universität T. am 30.12.1996 erklärt habe, er habe in Nigeria letztmals im August 1996 mit einer unbekannten Partnerin Geschlechtsverkehr gehabt.

Der Senat hat von Dr. J. das nach Aktenlage erstattete ergänzende Gutachten vom 11.04.2002 eingeholt. Der Sachverständige führt darin aus, das HIV-Infektionsrisiko durch den kondomgeschützten Geschlechtsverkehr sei vernachlässigbar gering bzw. extrem unwahrscheinlich. Eine HIV-Infektion durch &8222;Schmierinfektion&8220; mit Vaginalsekret sei grundsätzlich ausgeschlossen. Das Affen-Immunschwäche-Virus werde nicht auf den Menschen übertragen. Der Biss des als Haustier gehaltenen Affen könne deshalb für die Frage des Ursachenzusammenhanges vernachlässigt werden. Im Rahmen der stationären Behandlung nach Motorradunfall mit Infusionen und Injektionen im März 1995 seien durchaus für HIV ansteckungsgefährdende Situationen möglich gewesen. Diese fielen in den theoretischen Infektionszeitraum. Den Akten seien keine sachdienlichen Informationen zu der Frage zu entnehmen, ob die unfallbringende Fahrt beruflich bedingt gewesen sei oder ob es sich um einen Freizeitunfall gehandelt habe. Auch unter der letztgenannten Voraussetzung wäre der Kläger jedoch einem Risiko ausgesetzt gewesen, das typisch nur für den Tätigkeitsort und ganz und gar nicht für das Heimatland Deutschland sei. In Deutschland sei es nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass während der ärztlichen Behandlung nach einem Motorradunfall eine HIV Übertragung vom Personal auf den Patienten erfolge. In einem Hochprävalenzgebiet wie Nigeria bestehe jedoch ein nosokomiales Übertragungsrisiko, das mehrfach höher sei als dasjenige in Deutschland. Es könne sich nur realisieren, wenn durch den betrieblich bedingten Aufenthalt am Tätigkeitsort eine notwendige Behandlung zwingend nur in Nigeria möglich sei. Daher sei unerheblich, dass die Behandlungsnotwendigkeit ursprünglich Folge einer Freizeitaktivität gewesen sei.

Die Beklagte hat hiergegen eingewandt, nach der ins Internet gestellten Publikation &8222;Sub-Saharan-Africa&8220; der Organisation UNAIDS sei die Prävalenz für HIV-Infizierte von 1,9 % im Jahr 1993 auf 5,8 % im Jahr 2001 angewachsen. Bei linearer Entwicklung komme man deshalb für das Jahr 1996 nur zu einer Prävalenz von ca. 3,8 %. Unter Zugrundelegung einer progressiven Entwicklung wäre dieser Wert für 1996 noch niedriger anzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12.12.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wendet sich gegen die Annahme, Nigeria gehöre nicht zu den Hochprävalenzgebieten für HIV. Die Angaben der WHO richteten sich nach den offiziellen, von der Regierung in Nigeria mitgeteilten Daten. In Nigeria seien Menschen, die mit HIV infiziert seien, von staatlicher Seite aus erheblich diskriminiert und benachteiligt. Aus diesem Grunde offenbarten zahlreiche Menschen ihre HIV-Infektion staatlichen Stellen nicht. In seinen Fall seinen sämtliche in Frage kommenden Infektionsmöglichkeiten als versichert anzusehen. Wer sich beruflich im Ausland aufhalte, könne auch seine private Lebensgestaltung nur in der Weise sicher vornehmen, wie sie unter den örtlichen Gegebenheiten sicher gestaltet werden könne. Seien die Gefahren im privaten Bereich im Ausland wesentlich unterschiedlich bzw. höher als die Gefahren im eigenen Land, so seien diese wegen der Unausweichlichkeit auch seines privaten Lebens im Ausland dann der beruflichen Tätigkeit zuzuordnen, wenn sich darin die im Ausland bestehende wesentlich höhere Gefahr verwirkliche.

Der Vorsitzende des Senats hat den Kläger am 25.10.2002 angehört. Dieser hat erklärt, bei der Motorradfahrt, die er Anfang April 1995 durchgeführt habe, habe es sich um eine Freizeitgestaltung gehandelt. Er sei im November 1991 zunächst allein nach Nigeria gereist. Im Januar 1992 seien seine Ehefrau und sein 1984 geborener Sohn nachgezogen. Dieser Sohn habe danach in Abuja eine deutsche Schule besucht. Am 14.01.1993 sei sein zweiter Sohne geboren worden. Seine Ehefrau sei im November 1992 nach Deutschland zurückgeflogen, weil die Fluggesellschaften schwangere Frauen nur bis zum 7. Monat beförderten. Er selbst sei der Ehefrau Anfang Januar 1993 nachgereist. Am 14.02.1993 sei er mit der Ehefrau und dem neugeborenen Kind wieder nach Afrika ausgereist. Seine Ehefrau sei bis Sommer 1994 bei ihm in Afrika geblieben und habe sich anschließend bis Ostern 1995 wieder in Deutschland aufgehalten. Zwischen Ostern 1995 und dem Sommer 1996 sei sie wieder bei ihm in Afrika gewesen. Nach der Geburt seines 2. Kindes 1993 habe er keine Kontakte mit afrikanischen Frauen mehr gehabt. Vorher habe er bei diesen Kontakten ausschließlich Kondome benutzt, die er aus Deutschland mitgebracht habe. Bei seinen afrikanischen Partnerinnen habe es sich um Bekanntschaften gehandelt, die er über die Arbeit oder über private Kontakte kennengelernt habe. Diese Kontakte habe er nur in der Zeit von November 1991 bis Januar 1992 sowie in der Zeit von April bis Juli 1991 unterhalten. Gegenüber den Ärzten des Tropeninstituts in T. habe er dieselben Angaben über seine Kontakte zu Afrikanerinnen gemacht. Es stimme nicht, dass er erklärt habe, er habe zuletzt im August 1996 geschützten Geschlechtsverkehr mit einer ihm unbekannten Partnerin gehabt.

Bei seiner Arbeit in der Werkstatt in Afrika habe er sich laufend kleine Verletzungen an den Händen zugezogen. Zum Teil habe es sich um Brandwunden gehandelt durch einen heißen Auspuff, zum Teil um Riss- oder Schneidewunden bei Arbeiten am Motor oder an Blechteilen. Obwohl er Werkstattleiter gewesen sei, habe er doch immer wieder selbst Hand anlegen und vor allem selbst demonstrieren müssen, wie bestimmte Arbeiten auszuführen waren.

Auf Anfrage haben die Verfasser des Arztbriefes des Instituts für Tropenmedizin vom 17.01.1997, Prof. Dr. K. und Dr. B., mit Schreiben vom 28.11.2002 mitgeteilt, ihr Erinnerungsvermögen reiche nicht aus, um heute noch die Angaben des Klägers zum zuletzt stattgefundenen Geschlechtsverkehr in Afrika wiederzugeben. Die Angaben seien sofort in den Computer eingegeben worden, so dass es auch keine handschriftlichen Notizen gebe.

Der Senat hat von dem Direktor des Friedrich Loeffler Instituts für medizinische Mikrobiologie G., Prof. Dr. G., das Gutachten vom 26.05.2003 eingeholt. Darin wird ausgeführt, aufgrund seines Gutachtens vom 08.05.1998 sei nachgewiesen, dass es sich bei dem Kläger um eine Infektion mit dem HIV-Subtyp 1A handle. Dieser Subtyp sei in Deutschland selten, mache in Nigeria aber etwa 60-65 % der vorhandenen HIV-Infektionen aus. Damit liege die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger die Infektion in Nigeria und nicht in Deutschland erworben habe, sehr hoch. Aufgrund des Befundes des Labors E. könne eine Frühinfektion mit HIV erstmals am 13.11.1996 mit Sicherheit angenommen werden. Am 30.12.1996 sei die Serokonversion, wie sich aus dem Bandenmuster im Immunoblot ergebe, abgeschlossen gewesen. Eine HIV-1 Seroconversion werde über ELISA und IMMUNOBLOT sichtbar normalerweise

a) 4-5 Wochen nach HIV-Erwerb mit einem Schwankungsbereich von b) b) 3-8 Wochen.

Die Zeit von 8 Wochen könne sich in Ausnahmefällen - bei einem HIV, welches sich langsam vermehre und bei einer reduzierten Antwort des Immunsystems - auf

c) 3 Monate verlängern.

Der aus den vorliegenden Daten zu entnehmende Infektionszeitpunkt des Klägers liege folglich im Falle a) um Anfang Oktober, im Falle b) um Mitte September und im Falle c) um Mitte August. Die induzierte Kreuzreaktion über die HIV-1 M: A Antikörper gegen das HIV-1 M: B Antigen führe auch zu einer verminderten Empfindlichkeit der Nachweisbarkeit der HIV-Antikörper bei den Banden im Immunoblot. Die Folge hiervon sei, dass das Zeitfenster der Erkennung der Serokonversion sehr wahrscheinlich verzögert sei und nicht die typischen 4-5 Wochen beinhalte, sondern ein längerer Zeitraum angenommen werden müsse. Wie lang dieser Zeitraum sei, könne nicht berechnet werden. Ein Zeitraum für die Serokonversion über die 3 Monate hinaus, das heißt Mitte August, sei sehr unwahrscheinlich. Eine Serokonversion Mitte November 1996 und ein möglicher Infektionszeitpunkt zwischen Mitte August und Mitte September 1996 bringe folgende Ausschlüsse für die Möglichkeit einer HIV-Übertragung mit sich: - durch den Affenbiss aus dem Jahre 1995 (von anderen Gründen abgesehen) - durch die klinische Behandlung nach Motorradunfall im April 1995, - durch die Versorgung der Brandwunden eines Mitarbeiters im Sommer 1996, es sei denn, diese hätten sich bis Mitte August hingezogen. Das nach den Angaben des Klägers im Juli 1996 für 3 Tage aufgetretene hohe Fieber komme als klinisches Zeichen einer neu erworbenen HIV-Infektion nur mit großer Einschränkung in Frage. Die Frage sei, wie sicher dieses Datum erinnerlich sei und ob dies nicht auch Ende August gewesen sein könnte.

Die HIV-Prävalenz in Nigeria sei viel höher als in Deutschland, so dass es völlig unerheblich sei, ob sie zwischen 5 % und 8 % liege, verglichen mit 0,1 % in Deutschland allgemein und 1 % in Großstädten. Typisch für Nigeria sei, dass jahrelang von der Regierung behauptet worden sei, das Land wäre HIV-frei. Typisch für in Afrika geborene und lebende Personen aus der gehobenen Schicht sei, dass sie ohne Wissen mit HIV infiziert seien und keine anderen sexuell übertragbaren Krankheiten (STD) hätten. Das Argument, dass keine weiteren serologischen Marker für eine STD wie Syphilis bei dem Kläger vorhanden seien, sei unter diesem Aspekt wertlos. Es zeige jedoch weiterhin, dass der Kläger zu seinem Sexualverhalten ehrliche Aussagen gemacht habe.

Bei richtigem Gebrauch eines Kondoms sei die Übertragung von HIV ausgeschlossen. Hierzu gehöre jedoch auch die Inspektion auf Risse oder Löcher, das richtige Überziehen, Bewegungen, die ein Abrutschen verhindern und das Beenden des Sexualaktes, bevor die Erschlaffung des Penis beginne. Angaben des Klägers hierzu fehlten. Die theoretisch diskutierte Möglichkeit der HIV Übertragung über Vaginalsekret auf offene Hautwunden der Händen sei nicht zu beurteilen, da aus den Akten nicht hervorgehe, ob eine Kontamination der Haut überhaupt stattgefunden habe und ob frische Wunden auf den Händen des Klägers zu dieser Zeit vorgelegen hätten. Das Risiko der HIV-Übertragung auf diesem Wege sei sicher wesentlich niedriger als das über einen Sexualverkehr. Für die Wertung der Frage einer HIV-Übertragung im August 1996 über den Sexualverkehr seien ebenso wie für die Möglichkeit außersexueller Risiken der Übertragung, z. B. über Hautwunden, detaillierte Informationen notwendig. Bei reiner Büroarbeit werde kein HIV übertragen und der Kläger werde im August 1996 Vorbereitungen getroffen haben, seine Position an eine andere Person zu übergeben. Ebenso sei von großem Interesse, was sich im September 1996 ereignet habe. Wie oben dargelegt, sei der Infektionszeitpunkt eher für Ende September bis Anfang Oktober 1996 anzusetzen als für August 1996. Solange diese Frage nicht beantwortet sei, stehe er mit der Wertung im Patt, d. h. die Übertragung über den Sexualverkehr sei nicht ausgeschlossen, ebenso wie auch die HIV-Übertragung durch Blutkontakt der Haut mit frischen Wunden mit der gleichen Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen sei, wenn das frische Blut, z. B. eines Mitarbeiters, nicht abgewaschen worden sei. Auf entsprechende Anfrage hat der Kläger im Einzelnen dargelegt, der richtige Gebrauch eines Kondoms sei ihm bekannt. Durch die Ein- und Ausreisestempel in seinem Reisepass seien folgende Termine dokumentiert:

- Ausreise mit Familie 26.05.1996 Kano - Einreise ohne Familie 23.06.1996 Kano - Endgültige Ausreise 03.09.1996

Vor der Übergabe der Werkstatt an seinen Nachfolger habe er nicht nur Bürotätigkeiten ausgeführt, da der Werkstattbetrieb ja weiterlaufen musste. Die Frage, ob er sich im Einzelnen daran erinnern kann, dass er im August 1996 in der Werkstatt Kontakte zu offenen Hautwunden und selbst Verletzungen an den Händen gehabt habe, hat der Kläger verneint. An direkte Einzelfälle könne er sich nicht erinnern.

Zum Gutachten Prof. Dr. G. hat der Kläger ausgeführt, dieser sei vom 13.11.1996 als dem erstmaligen Nachweis einer Serokonversion ausgegangen, Dr. J. dagegen vom 04.11.1996. Möglicherweise sei der Unterschied von 9 Tagen auf die Daten von Blutentnahme bzw. Befundausgang aus dem Labor durchzuführen. Die Serokonversionslatenz betrage bei Infektionen mit dem in Europa und Nordamerika vorherrschenden HIV-1 M: B bis zu zwölf Wochen (95 %) und könne in wenigen Einzelfällen (ca. 3 %) länger als 6 Monate betragen. Serokonversionen von 8-16 Wochen und mehr seien bei sog. LOW-DOSE-INFECTIONS mit HIV-1 M: B beobachtet worden, d. h. bei Infektionen durch Exposition mit geringen Mengen Blut zu Wunden und/oder Schleimhäuten. Auf seine Situation bezogen bedeute dies, dass der Infektionszeitpunkt mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit zwischen Mitte September und Anfang Oktober 1996 liege, ebenfalls mit 50%-iger Wahrscheinlichkeit vor Mitte September 1996. Im Unterschied zu Prof. Dr. G. halte er aus folgenden Gründen eine um ca. 4 Wochen verlängerte Serokonversion, d. h. einen auf Ende Juni/Anfang Juli 1996 erweiterten Infektionszeitraum ebenfalls für hinreichend wahrscheinlich: - es handle sich bei seiner HIV-Infektion um ein Virus vom Subtyp HIV-1 M: A, das nach Aussage von Prof. Dr. G. grundsätzlich eine gegenüber HIV-1 M: B verzögerte Serokonversion aufweise. - Bei seiner ersten Untersuchung am 15.04.1998 habe Prof. Dr. G. festgestellt, dass sich das HIV-1 M: A von der gutartigen, sich nur langsam vermehrenden NSI- zu der als aggressiver geltenden SI-Variante gewandelt habe. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sich das HIV-1 M: A in seinem Körper nach der Infektion nur sehr langsam vermehrt und die verzögerte Serumkonversion bedingt habe. - Ferner gebe es Hinweise, dass die Serokonversion bei gleichzeitig bestehenden Infektions- und/oder Tropenkrankheiten verzögert sein könne. Er habe im Juli 1996 für 3 Tage hohes Fieber gehabt.

Nach Kenntnisnahme von diesen Angaben und Darlegungen des Klägers hat Prof. Dr. G. am 21.12.2003 sein Gutachten ergänzt. Er hat ausgeführt, die Schätzung des Zeitpunkts der Infektion bleibe ungenau und werde &8222;mit + / - 9 Tagen nicht genauer&8220;. Das Fenster bleibe, wie es im Gutachten vom 26.05.2003 definiert worden sei. Zwar könne das HIV-1 M: A bei einigen Antikörpertests verzögert erkannt werden. Dies sei jedoch nicht grundsätzlich der Fall. Nur eine frühere Blutabnahme bei dem Kläger wäre als solche geeignet gewesen, das diagnostische Fenster einzugrenzen. Die evtl. vorliegende langsame Vermehrung des HIV-1 M: A als NSI Virus betreffe nicht ein Ausmaß der Verzögerung der Vermehrung, welches eine verspätete Serokonversion verursachen würde. Schließlich sei der Kläger in der fraglichen Infektionsphase im Spätsommer 1996 ohne Symptome gewesen, die eine chronische Infektion bei ihm nahe legen könnten. Für die Evidenz eines auf 4 Monate verlängerten Serokonversionszeitraums sehe er nach den vorliegenden virologischen und klinischen Daten keinen Hinweis. Der Verbandwechsel Ende Juni 1996 liegt wegen der verstrichenen Zeit nach seiner Kenntnis und Beurteilung soweit außerhalb einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der HIV-Übertragung, dass er verworfen werden sollte. Eine weitere Möglichkeit der Übertragung der HIV-Infektion bestehe in der Kontamination mit Blut einheimischer Mechaniker an scharfen Blechteilen, während der Kfz-Arbeiten in der Werkstatt. Diese Möglichkeit sei jedoch aufgrund der übertragbaren Blutmengen nicht sehr wahrscheinlich und die HIV-Übertragung hätte theoretisch auch schon früher als 1996 auftreten können. Im Gegensatz zum Kläger sei er der Meinung, dass die Wahrscheinlichkeit für den Erwerb der HIV 1 Infektion nicht 50 % vor August und nach August sei, sondern wie dargestellt mit Anfang September 1996 bei 95 % gelegen habe. Zusammenfassend sei die HIV-Übertragung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Ende August bzw. Anfang September erfolgt. Die Effizienz der HIV-Übertragung über einen Sexualverkehr sei höher anzusetzen als die über Kontamination von Hautwunden bei einem Verbandswechsel oder beim Kontaminieren mit Blut von scharfkantigen Blechteilen. Wenn beim Sexualverkehr ein regelrechter Kondomgebrauch stattfand, wögen sich die Wahrscheinlichkeiten der Übertragung über Sex und über Verletzungen an scharfkantigen Metallteilen - wenn diese vorgelegen hätten - auf und das Ereignis, das am nächsten am Ausreisetag aus Nigeria liege, sei die wahrscheinlichste Ursache für die Übertragung der HIV-Infektion.

Mit Schriftsatz vom 15.03.2004 hat der Kläger gerügt, das Gutachten Prof. Dr. G. vom Mai 2003 sowie die ergänzende Stellungnahme vom November 2003 enthielten gravierende fachliche Mängel. Er stelle nämlich allein auf die statistische Wahrscheinlichkeit des Infektionszeitpunkts ab. Nicht berücksichtigt werde die Möglichkeit, dass eine frühere weitere Testung hätte ergeben können, dass die Werte, wie sie Ende Dezember vorlagen, möglicherweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben könnten. Dass Prof. Dr. G. nicht ausschließlich fachlich vorgegangen sei, sondern &8220;Wertungen&8220; vorgenommen habe, die an keiner Stelle belegt seien, zeige seine Mutmaßung, er, der Kläger, habe vor seiner Ausreise wohl überwiegend nur noch Büroarbeiten zu leisten gehabt. Die Wissenschaft verlassend sei auch die vom Sachverständigen erwähnte theoretische Möglichkeit einer &8222;Doppelinfektion&8220; durch beruflichen und durch sexuellen Kontakt. Die Ausführungen zur Frage einer &8222;LOW-DOSE-INFECTION&8220; seien in Zweifel zu ziehen. Sein Körper habe spätestens am 30.12.1996 eine volle Immunreaktion ausgebildet, während das Virus selbst noch nicht messbar gewesen sei. Genau diese Konstellation begründe den sehr dringenden Verdacht einer LOW-DOSE-INFECTION. Soweit der Sachverständige die Gefahr durch sachgerechten geschützten Geschlechtsverkehr als gleichrangig mit der Gefahr durch beiderseitige Verletzungen betrachte, setze er sich damit sogar in Widerspruch zu seinen Aussagen im Gutachten vom Mai 2003. Dort habe er nämlich die Infektion bei sachgerechtem geschütztem Geschlechtsverkehr als ausgeschlossen bezeichnet.

Auf den Antrag des Klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat von Dr. J. das weitere Gutachten vom 05.05.2004 eingeholt. Darin wird ausgeführt, Schätzungen des Infektionszeitraums könnten nur sehr ungenau sein, weil die biologischen Verläufe der HIV-Infektion sehr uneinheitlich seien. Als methodische Zugänge stünden einerseits mathematische Modelle auf der Basis von laborexperimentell gewonnenen Daten (Virusvermehrung in Zellkulturen) und andererseits epidemiologische Einschätzungen und Wahrscheinlichkeitskalkulationen an Daten zur Verfügung, die aus größeren Kollektiven von Menschen mit HIV stammten. Die von Prof. Dr. G. durchgeführten Berechnungen beruhten auf Arbeiten von Ho mit Laborversuchen unter Verwendung des HIV-1 M: B. Es sei nicht bekannt, inwieweit diese Ergebnisse auf andere HIV-Subtypen wie das bei dem Kläger vorliegende HIV-1 M: A übertragbar seien und ob sie andere individuelle Besonderheiten abzubilden in der Lage seien. Beziehe man die epidemiologischen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) auf das dokumentierte Bezugsdatum 04.11.1996 für die frühe Serokonversion bzw. frische HIV-Infektion, so liege der statistisch wahrscheinliche Infektionszeitpunkt zwischen Anfang August 1996 (12 Wochen vor Serokonversion) und Anfang Oktober 1996 (4 Wochen vor Serokonversion). Tatsächlich müsse die Infektion jedoch vor dem 03.09.1996 erfolgt sein. Es sei sehr selten, aber für 3 % der Fälle aus großen Kollektiven dokumentiert, dass die Antikörperbildung 16 Wochen erfordere, in wenigen Einzelfällen bis zu 6 und 12 Monaten. Deshalb würden in der HIV-Beratung und bei klinischen Schätzungen eines individuellen Infektionszeitraumes häufig 16 Wochen zugrundegelegt. Die Schätzung eines auf 16 Wochen verlängerten Zeitfensters auf den Einzelfall erscheine hier deshalb gerechtfertigt, weil im Laufe des Verfahrens mehrere Hinweise auf eine verzögerte Serokonversion und einen Infektionszeitpunkt im Juli 1996 sich verdichtet hätten (Vorliegen eines vom HIV-1 M: B varianten Virus, nämlich HIV-1 A, das sich langsam vermehre und eine verlangsamte Antwort des Immunsystems hervorrufe; Verdacht auf akute HIV-Krankheit mit hohem Fieber im Juli 1996; Wahrscheinlichkeit einer Schmierinfektion durch Kontakt von Blut mit Hautwunden oder Schleimhautkontakt mit Scheidensekret und/oder Blut). Sowohl nach allgemeiner epidemiologischer Einschätzung des Sachverhalts als auch nach gewissenhafter Wertung individueller Indizien müsse zur Schätzung des Infektionszeitraumes vom zufälligen Datum der ersten dokumentierten, unvollständigen Serokonversion (04.11.1996) mindestens 12 Wochen, eher etwa 16 Wochen zurückgerechnet werden. Ein Infektionszeitpunkt Ende Juni/Anfang Juli 1996 und in der Folge davon eine akute HIV-Krankheit Ende Juli 1996 seien hinreichend wahrscheinlich. Damit müsse die Ansteckungsursache Verbandswechsel mit Kontakten zu Blut und Wundsekreten in die Bewertung mit eingehen. Nach den im Verfahren aufgeworfenen Zweifeln sei zwar ein einmaliger geschützter eindringender Vaginalverkehr evtl. mit Kondomversagen im August 1996 nicht sicher auszuschließen. Nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft sei aber die Übertragung von HIV durch geschützten eindringenden Geschlechtsverkehr nicht möglich. Schätzungen auf den Einzelfall von Infektionswahrscheinlichkeiten für Kondom- oder Anwendungsfehler bei geschütztem und für ungeschützten Geschlechtsverkehr seien extrem ungenau. Das mit diesem Vorbehalt geschätzte Übertragungsrisiko für geschützten Geschlechtsverkehr mit Kondomversagen liege für den &8222;Worst-Case&8220; (50 % von 0,06 %) - bei Vorliegen von Faktoren, die die Übertragung begünstigen - allenfalls so hoch wie das durchschnittliche Infektionsrisiko bei Schleimhaut-/Wundkontakt (0,03 %). Der Erwerb der HIV-Infektion durch Geschlechtsverkehr sei demnach sehr unwahrscheinlich.

Andererseits sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinen Angaben auch im Zeitraum vom 23.06.-03.09.1996 regelmäßig Haut- und Wundkontakte mit dem Blut einheimischer Mitarbeiter gehabt und im Juni 1996 alle 2 Tage ohne Schutzhandschuhe einen Wundverband bei der Brandverletzung eines Mitarbeiters gewechselt habe. Berücksichtige man, dass auch nach der Annahme von Prof. Dr. G. der Anteil der HIV-1 infizierten Mitarbeiter der Werkstatt in Abuja bei 10 % gelegen haben dürfte und übertrage man die &8222;Worst-Case&8220;-Schätzungen von Epidemiologen für den geschützten Geschlechtsverkehr mit Kondomversager auf Schleimhaut- oder Wundkontakt mit HIV-positivem Blut bei Vorliegen eines hohen Anteils der HIV-infizierten mit fortgeschrittener Immunschwäche, so würde sich das durchschnittliche Infektionsrisiko bei Schleimhautexposition oder bei Hautwunden auf ca. 0,06 % erhöhen. Das Risiko der HIV-Übertragung pro Einzelkontakt bei den vom Kläger genannten Risikosituationen in der Kfz-Werkstatt könnte ohne weiteres ähnlich hoch gewesen sein, wie dasjenige bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Ferner sei zu berücksichtigen, dass je nach der Häufigkeit der Blutkontakte, der Größe der Blutmenge und/oder der Infektiösität und je nach Länge der Expositionsdauer das Infektionsrisiko zunehme (kumulatives Risiko). Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Kläger während des wahrscheinlichen Infektionszeitraums zwischen Anfang August und dem 3. September 1996 mehrfach Risikokontakte gehabt habe, deren kumulatives Infektionsrisiko deutlich über dem durchschnittlichen Risiko von 0,03 % und über dem geschätzten Infektionsrisiko für Einzelexpositionen in der Werkstatt von bis zu 0,06 % gelegen habe.

Bisher sei als Zeitraum, während dessen die Verbandswechsel stattgefunden hätten, immer &8222;Ende Juni 1996&8220; genannt worden. Bei Durchsicht seiner handschriftlichen Aufzeichnungen von 1998 sei ihm jedoch aufgefallen, dass er sich &8222;7/96&8220; notiert habe. Es spreche deshalb einiges dafür, dass die Verbandswechsel erst oder noch Anfang Juli 1996 stattgefunden hätten. Zusammenfassend sei der Erwerb der HIV- Infektion durch geschützten Geschlechtsverkehr sehr unwahrscheinlich. Vielmehr sei wahrscheinlich, dass die HIV-Infektion durch beruflich bedingte Kontakte zu Blut und Wundsekreten im Juni/Juli 1996 erworben worden sei.

Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, der Risikoabwägung Dr. J. könne keinesfalls gefolgt werden, da dieser von einem im Alltag nicht wahrscheinlich häufigen Blut/Hautkontakt ausgehe und dieses unrealistisch hoch angenommene Risiko allein mit dem Risiko geschützten Geschlechtsverkehrs vergleiche. Wolle sich der Kläger die Infektion nun einmal durch Hautrisse an den Händen zugezogen haben, so müsse auch das Risiko der Übertragung durch Kontakte der Hände oder Finger mit Scheidenflüssigkeit etwa beim Anfassen des Kondoms und sonstigen Kontakten mit bewertet werden.

Der Senat hat zuletzt von Prof. Dr. G. die weitere gutachterliche Stellungnahme vom 29. August 2004 eingeholt. Er führt aus, seine Aussage sei nicht entkräftet, das Ereignis, welches am Nächsten zum Ausreisetag aus Nigeria (03.09.1996) liege, habe am wahrscheinlichsten zur HIV-Übertragung geführt. Auch die von Dr. J. favorisierten infektions-epidemiologischen Muster und Schlüsse fußten auf mathematischen Modellen. In diesem Bereich träfen sich beide Ansichtswege wieder. Da der HIV-Übertragungsweg des Klägers kein Normalfall sei, würden beide Möglichkeiten der Anschauung weiter bestehen bleiben. Stelle man bei der Rückrechnung des Infektionszeitraumes auf den 04.11.1996 ab, so ergebe sich folgende Tabelle:

Zeit bis zur Serokonversion: Zeitraum:

4-5 Wochen (normal) 23.-30. September 1996 3-8 Wochen (vorkommend) 14. Oktober - 9. September 1996 3 Monate (selten) 4. August 1996 (nach RKI ca. 95 %, nach G. ) 98 % aller Seroconversionen)

Eine unterschiedliche Dynamik der Antikörperbildung bei einzelnen HIV-Infizierten sei infektions-epidemiologisch belegt und sicherlich erneut für den Kläger zu diskutieren. Jedoch stünden in seinem Fall keine früheren Labordaten zur Verfügung. Die Grundlagen für die Berechnungen im Gutachten vom 21.12.2003 hätten sich mit dem Datum des 04.11.1996 nicht geändert.

Da der Zeitpunkt der HIV-Übertragung nicht genau eruierbar sei, müsse mit Wahrscheinlichkeiten gerechnet und die Plausibilität der erhaltenen Daten abgewogen werden. Dies tue auch Dr. J. von seinem Standpunkt aus. Eine Serokonversionszeit von 16 Wochen sei möglich und könne bei dem Kläger auch aufgetreten sein - beweisbar sei dieser Zeitraum allerdings nicht. Zu der angegebenen Wundversorgung im Juni 1996 bleibe eine Diskrepanz von 4 Wochen, da 16 Wochen mit Anfang August 1996 (richtig: 15.07.1996) erreicht wären. Schließlich läge der HIV-Infektionszeitpunkt bei 20 Wochen Seroconversionszeit Anfang Juli 1996 und damit noch weiter außerhalb der normalen Seroconversionszeit. Er wäre damit noch unwahrscheinlicher.

Für das vom Kläger für Juli 1996 angegebene 3-tägige Fieber kämen mehr als 100 Infektionserreger in Betracht, die Fieber verursachten könnten.

Dr. J. sei darin zuzustimmen, dass nach den vorhandenen virologischen Daten die Infektion mit HIV höchstwahrscheinlich über Haut oder Schleimhaut erfolgt sei. Für die genauere Klärung des Zeitpunkts der HIV-Übertragung führe die Charakterisierung des HIV jedoch nicht weiter, auch nicht, wenn eine LOW-DOSE-INFECTION diskutiert werde. Eine solche sei individuell und sicherlich auch für ein HIV-1 M: A möglich. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit sei jedoch nicht erkennbar.

Zu seiner höheren Einschätzung der höheren Effizienz der HIV Übertragung über Sexualverkehr komme er aus folgenden Gründen: das deponierte Volumen von Vaginalsekret auf der Haut des Penis sei bei mechanischer Hin- und Herbewegung größer als das Volumen, welches akzidentell auf eine Handschnittwunde beim Versorgen durch Verbandswechsel einer Brandwunde gebracht werde. Die HIV-Menge im Vaginalsekret könne bei asymptomatischen Frauen erheblich sein. Ihm sei zwar bekannt, dass eine einschlägige Analyse wiederum nur HIV-1 M: B betreffe, es gebe aber auch keinen Beweis, dass die Virusmenge bei Infektionen mit HIV-1 M: A anders sein sollte. Auch wenn die Übertragungseffizienz über Sexualverkehr Frau zu Mann ca. 4-fach so niedrig sei wie bei Nadelstichverletzungen, so handle es sich bei dem möglichen Übertragungsrisiko bzw. Ereignis im Juni/Juli 1996 um die Versorgung von Wunden auf potentielle offene Schnitte in der Haut und keine Nadelstichverletzung. Die Standardabweichung beider Infektionswege überlappe erheblich. Brandwunden würden mit Gaze versorgt, das durchsickernde Sekret, das durchaus HIV-haltig sein könne, trockne außen an und somit sei normalerweise keine Flüssigkeit und folglich keine Kontaminationsmöglichkeit mit HIV mehr vorhanden.

Wenn eine LOW-DOSE-INFECTION angenommen werde mit Infektionszeitpunkt Juni/Juli 1996 und Ende Juli 1996 - nach ca. 3-4 Wochen - ein akutes 3-tätiges Fieber vorliege und die Serokonversion gemessen über die Bildung der HIV-Antikörper Anfang November 1996 sichtbar sei, dann sei in der Interpretation eine erhebliche Diskrepanz vorhanden. Das Fieber während der akuten HIV-Krankheit entstehe nämlich durch die aufkommende Immunreaktion gegen HIV und seine Komponenten ca. 3-6 Wochen nach der Infektion. Ein 3-tätiges Fieber schon 3 Wochen nach dem HIV-Infektionszeitpunkt widerspreche einer LOW-DOSE-INFECTION.

Mit weiteren Tatsachen sei die Diskussion, ob die HIV-Infektion über Sexualverkehr oder über die Kontamination von Schnittwunden übertragen worden sei, nicht zu bereichern. Zahlreiche Fragen seien insoweit nicht zu beantworten. Ein kumulatives Infektionsrisiko für HIV gebe es nicht, bei Exposition führe eine ausreichende HIV-Dosis zur Infektion und damit sei das Ereignis abgeschlossen.

Im Hinblick auf die fehlenden Marker für STD (sexually transmitted disease) und ungeschützten Sexualverkehr sei bei HWG-Personen zu erwarten, dass neben der HIV-Infektion auch Antikörper gegen Syphilis oder andere STD vorhanden seien. Der Kläger sei sicherlich nicht unter die HWG-Personen einzuordnen. Wenn, wie von dem Kläger angegeben, seine Partnerinnen aus der upper society stammten, treffe diese Korrelation nicht zu. Bakterielle Infektionen würden bemerkt und normalerweise behandelt und durch die Behandlung die Bakterien eliminiert. Grundsätzlich seien die Aussagen des Klägers zu diesem Thema als glaubwürdig anzusehen. Die Frage an den Kläger sei jedoch weiterhin, was damals regelrecht gewesen sei und wie gut ein kleines Missgeschick erinnerlich sei. Selbst die von der Beklagten andiskutierte Übertragung von HIV über Kontamination von Schnittwunden mit Genitalsekret bleibe theoretisch möglich.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15.10.2004 auch gegen dieses Gutachten Einwände erhoben. Prof. Dr. G. habe sich aus rein virologischer Sicht geäußert und nicht erkannt, dass er dem Gericht und allen Verfahrensbeteiligten hätte sagen müssen, dass er mit seinen Methoden und den ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Frage nach der überwiegenden statistischen Wahrscheinlichkeit nicht beantworten könne. Besonders deutlich werde dies daran, dass Prof. Dr. G. den Begriff des kumulativen Risikos offenbar nur im virologischen Sinne kenne, nicht dagegen im Sinne der Epidemiologie. Der Kläger hat ferner das Schreiben Dr. J. vom 04.10.2004 vorgelegt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gem. § 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist auch begründet. Denn das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, beim Kläger eine BK nach der Nr. 3101 der BKV festzustellen und ihm Rente nach einer MdE um 40 v. H. zu gewähren.

Im vorliegenden Fall sind die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des 7. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) anzuwenden. Zwar gelten gem. § 212 SGB VII die Vorschriften des 1.-9. Kapitels für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingetreten sind. Gem. § 214 Abs. 3 SGB VII gelten jedoch die Vorschriften unter anderem über Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Hier war der behauptete Versicherungsfall zwar noch im Jahr 1996 eingetreten, die Beklagte konnte jedoch erst im Jahr 1997 über die Anerkennung einer Berufskrankheit und ggfs. die Gewährung einer Rente entscheiden. Anzuwenden ist ferner, die Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 (BKV), die aufgrund der Vorschriften des SGB VII erlassen worden ist, da der Bescheid vom 12.08.1998 nach Inkrafttreten der BKV am 01.12.1997 ergangen ist.

Gem. § 56 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Versicherungsfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel (20 vom Hundert [v.H.]) gemindert ist. Versicherungsfall ist gem. § 7 Abs. 1 SGB VII auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Bundesregierung ermächtigt, solche Krankheiten als Berufskrankheit zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Eine Leistungspflicht wegen einer Berufskrankheit besteht - von einer MdE um wenigstens 20 v.H. abgesehen - nur dann, wenn die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität) und durch die schädigenden Einwirkungen die Krankheit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkung und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 285, 286; 60, 58 mwN); eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. Mehrtens/Perlebach, BKV-Kommentar, E § 9 SGB VII, Anmerkung 26). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52, 53; 30,121, 123; 43, 110, 112).

Nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV ist eine Infektionskrankheit dann eine BK, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in de Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.

Die HIV(Human Immundeficiency Virus)-Infektion ist eine Infektionskrankheit. Nach der Rechtsprechung des BSG, das bei der Prüfung der BK der Nr. 3101 der Anlage zur BKV nicht ausdrücklich zwischen den Voraussetzungen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität trennt, ist die zumindest erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und einer Infektionskrankheit grundsätzlich gegeben, wenn nachgewiesen ist, dass der Versicherte bei seiner Berufstätigkeit - sei es durch einen Patienten, einen Mitarbeiter oder auf sonstige Weise - einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen ist (BSG Urteile vom 24.02.2004 - B 2 U 13/03 R; vom 18.11.1997 - 2 RU 15/97 mit weiteren Nachweisen). Gelinge dieser Nachweis, so könne in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass sich der Versicherte die bei ihm aufgetretene Infektionskrankheit durch seine besondere berufliche Exposition zugezogen habe. Dies kann jedoch nach Auffassung des Senats nur dann gelten, wenn keine Hinweise für außerberufliche Risiken vorliegen, die sich in der aufgetretenen Infektionskrankheit verwirklicht haben können. In diesem Fall ist vielmehr nach allgemeinen Regeln zu entscheiden, ob sich die aufgetretene Infektion mit Wahrscheinlichkeit auf die - im Sinne des Vollbeweises nachgewiesene - berufliche Exposition zurückführen lässt. Der Senat lässt dahingestellt, ob der Kläger durch seine in Nigeria verrichtete berufliche Tätigkeit im Sinne der Nr. 3101 der Anlage zur BKV in ähnlichem Maße der Gefahr einer HIV-Infektion besonders ausgesetzt war, wie Versicherte im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege in Deutschland, bei denen diese Voraussetzung zu bejahen ist.

Der Anspruch des Klägers scheitert nämlich jedenfalls an der fehlenden haftungsausfüllenden Kausalität. Es lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass der Kläger seine HIV-Infektion durch eine in Nigeria verrichtete berufliche Tätigkeit erworben hat. Zumindest ebenso gut möglich ist nämlich, dass seine Infektion auf den Geschlechtsverkehr mit einer afrikanischen Partnerin zurückzuführen ist. Entgegen der vom Kläger und von Dr. J. vertretenen Ansicht wäre eine auf diesem Wege erworbene Infektion nicht beruflich bedingt. Die Auffassung des Klägers, seien die Gefahren im privaten Bereich im Ausland wesentlich höher als die Gefahren im eigenen Land, so seien diese wegen der Unausweichlichkeit auch des privaten Lebens im Ausland dann der beruflichen Tätigkeit zuzuordnen, wenn sich darin die im Ausland bestehende wesentlich höhere Gefahr verwirkliche, widerspricht elementaren Grundprinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung. Dazu gehört nämlich der Grundsatz, dass nur solche Tätigkeiten versichert sein können, die mit dem den Versicherungsschutz begründenden gesetzlichen Tatbestand in einem sog. inneren Zusammenhang stehen. Dieser ist wie der ursächliche Zusammenhang unter dem Aspekt des versicherten Risikos zu beurteilen. Nur diejenigen Tätigkeiten rechtfertigen Versicherungsschutz, die eng mit dem Versicherungsrisiko zusammenhängen, die nach den zu berücksichtigenden sozialen Anschauungen und Gepflogenheiten dem Versicherten abverlangt oder zugestanden werden müssen, damit er seinen Aufgaben sachgerecht nachkommen kann. Entscheidend ist in erster Linie, ob eine Handlung nach ihrem Zweck dem betroffenen Unternehmen dienen soll (KassKomm-Ricke, Randziff. 10 zu § 8 SGB VII). Ein Geschlechtsverkehr kann daher allenfalls im hier nicht gegebenen Fall gewerblicher Prostitution (vgl. Art. 1 § 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20.12.2001 - BGBl I S. 3983) in einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen. Er ist typischerweise &8222;höchstpersönlich&8220;. Zu Unrecht beruft sich Dr. J. für seine Rechtsauffassung auf das Urteil des LSG Niedersachsen vom 21.06.1995 - L 3 U 301/94 (HVBG-Info 33/1995). Darin wurde einem Entwicklungshelfer Entschädigung nach § 10 des Entwicklungshelfergesetzes (EhG) wegen einer auf sexuellem Wege übertragenen Infektion mit HIV und Hepatitis B zugesprochen. Diese Bestimmung setzt jedoch voraus, dass eine auf besondere, dem Entwicklungsland eigentümliche Verhältnisse zurückzuführende gesundheitliche Schädigung nicht auf einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit beruht. Zutreffend hat das LSG Niedersachsen ausgeführt, es bedürfe keiner besonderen Begründung, dass das Sexualleben eines Entwicklungshelfers dem außerhalb des Entwicklungsdienstes liegenden privaten Bereich zuzuordnen sei. Zur positiven Bejahung eines Anspruchs nach § 10 EhG kam es nur ausgehend von der zutreffenden Voraussetzung, dass der dortige Kläger bei seinen sexuellen Aktivitäten nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Soweit sich Dr. J. auf die - veraltete, in der Neuauflage zum SGB VII nicht mehr enthaltene - Kommentierung von Lauterbach zur Gesetzlichen Unfallversicherung unter Geltung der RVO berufen hat, ist ihm zuzugeben, dass die Ausführungen in der Anmerkung 37 a zu § 548 RVO (57. Lieferung September 1992) Formulierungen enthalten, die seine Rechtsauffassung zu stützen scheinen, insbesondere wenn dort ausgeführt wird, es müsse in jedem Fall geprüft werden, ob der Versicherte der Unfallgefahr, der er erlegen sei, auch ausgesetzt gewesen wäre, wenn er nicht aus betrieblichen Gründen sich im Ausland hätte aufhalten müssen. Gefahren, die gerade durch den Aufenthalt im Ausland begründet seien, begründeten auch Unfallversicherungsschutz. Dies kann jedoch nur für solche landestypischen Risiken gelten, denen sich der Versicherte während seines Auslandsaufenthalts nicht entziehen konnte, wie z. B. Verletzungen durch politische Unruhen, Rassenkrawalle, Erd- oder Seebeben.

Während seiner sexuellen Kontakte mit afrikanischen Partnerinnen war der Kläger deshalb nicht unfallversichert, ebenso wenig beim Biss durch einen Affen, der als Haustier gehalten wurde und bei der Behandlung von Verletzungen, die er sich im Frühjahr 1995 bei einer privaten Motorradfahrt zugezogen hatte. Der hinsichtlich der Motorradfahrt abweichenden rechtlichen Beurteilung Dr. J. kann wiederum nicht gefolgt werden.

Als einzige betriebliche Tätigkeiten, bei denen der Kläger unter Versicherungsschutz stand, kommen deshalb die Erste-Hilfe-Leistungen bei afrikanischen Mitarbeitern und die vorgenommenen Verbandswechsel bei Brandwunden in Betracht. Hierbei folgt jedoch eine gravierende zeitliche Einschränkung aus den bei der HIV-Infektion zu beachtenden Gesetzmäßigkeiten der Serokonversion, das heißt der Bildung von Antikörpern nach Eindringen der HIV-Erreger in den Körper. Wie Prof. Dr. G. im Gutachten vom 26.05.2003 schlüssig dargelegt hat, wird eine HIV-1 Serokonversion über die Testverfahren ELISA und Immunoblot sichtbar normalerweise 4-5 Wochen nach dem HIV-Erwerb mit einem Schwankungsbereich von 3-8 Wochen. Dies bedeutet, dass sich bei dem Großteil aller Infektionen die Bildung von Antikörpern nach mindestens 3 und höchstens 8 Wochen nachweisen lässt. Die Zeit von 8 Wochen kann sich in Ausnahmefällen, wie z. B. einem HIV, das sich langsam vermehrt und bei einer reduzierten Antwort des Immunsystems, auf 3 Monate verlängern. Hiermit stimmt auch Dr. J. im Wesentlichen überein, der im Gutachten vom 05.05.2004 aus einer Publikation des Robert-Koch-Instituts zitiert hat, dass schon 4 Wochen nach einer HIV-Infektion in ca. 60-65% der Fälle der Nachweis von Antikörpern möglich ist, nach 6 Wochen in 80 %, nach 8 Wochen in etwa 90 % und nach 12 Wochen in etwa 95 % der Fälle. Dass eine Infektion erst später als 12 Wochen nach dem möglichen Infektionsereignis nachweisbar wird, ist &8222;extrem selten&8220;. Diese Erkenntnisse wurden aus unterschiedlichen Studien und Untersuchungen mit sehr großen Kollektiven vor allem aus Nordamerika und Europa gewonnen, die sich ganz überwiegend auf den Subtyp HIV-1 M: B beziehen. Für andere, also auch den beim Kläger vorhandenen Subtyp HIV-1 M: A gibt es zwar kaum entsprechende Daten. Andererseits ist nicht nachgewiesen, dass die Seronkonversionsentwicklung hier grundsätzlich abweichend verliefe. Zwar hat Prof. Dr. G. eingeräumt, dass das Antigen HIV-1 M: A bei einigen Antikörpertests verzögert erkannt wird. Dies ist jedoch nicht grundsätzlich der Fall. Der vom Labor E. verwendete Abbott-Test hatte eine Extinktion von 0,8 und nicht wie erwartet von ) 2,0. Da jedoch der Grenzwert des Abbott-Testes bei etwa 0,15 liegt und der gemessen Wert von 0,8 folglich das ca. 5-fache ausmacht, konnte die angehende Antikörperproduktion mit ausreichender Sicherheit erkannt werden. Auch Dr. J. geht im Übrigen von den auf Studien mit dem Subtyp HIV-1 M: B gewonnenen Erkenntnissen aus. Er unterscheidet sich von Prof. Dr. G. nur insofern, als letzterer nach 3 Monaten von einer Konversionsrate von ) 98 % ausgeht, wohingegen Dr. J. im Anschluss an das RKI einen Wert von &8222;etwa 95 %&8220; ansetzt.

Bei der Berechnung des Serokonversionszeitraums sind sowohl Dr. J. als auch Prof. Dr. G. von den Befunden ausgegangen, die im Labor von Prof. Dr. E. in S. erhoben worden sind. Da die früheste verwendete Blutprobe vom 04.11.1996 datiert, ist bei der Bestimmung des Serokonversionszeitraumes von diesem Datum an zurückzurechnen. Dies hat auch Prof. Dr. G. konkludent eingeräumt, indem er in seinem Gutachten vom 21.12.2003 von diesem Zeitpunkt und nicht mehr vom 13.11.1996 als dem Zeitpunkt des Materialeingangs des Blutes beim Labor Prof. Dr. E. ausgegangen ist. Beim Abschätzen des möglichen Infektionszeitpunktes ist deshalb von dem folgenden zeitlichen Rahmen auszugehen.

Zeit bis zur Serokonversion Zeitraum 4-5 Wochen (normal) 7. Oktober bis 30. September 1996 3-8 Wochen 14. Oktober bis 9. September 1996 12 Wochen 12. August 1996 3 Monate 4. August 1996 16 Wochen 15. Juli 1996 20 Wochen 17. Juni 1996

Da der Kläger am 03.09.1996 endgültig aus Nigeria ausgereist ist und bei ihm eine HIV-1 M: A Infektion vorliegt, sind bei ihm höchstwahrscheinlich alle Zeitpunkte nach dem 03.09.1996 für die HIV-Übertragung ausgeschlossen. Da auch am 04.11.1996 erst eine unvollständige Serokonversion und somit noch eine Frühinfektion vorlag, liegt der mögliche Infektionszeitpunkt hier weder im Normalbereich von 4-5 Wochen noch in dem Schwankungsbereich von 3-8 Wochen, der nur bis zum 9. September 1996 reicht. Nur bei Unterstellung eines Ausnahmefalles, in dem sich das HIV langsam vermehrt und bei einer reduzierten Antwort des Immunsystems kommt man zu einem Rückrechnungszeitraum bis 12.08.1996 (12 Wochen) bzw. 04.08.1996 (3 Monate). In Anbetracht der geschilderten statistischen Gesetzmäßigkeiten wird ein Infektionszeitpunkt jedoch immer unwahrscheinlicher, je früher er vor der Ausreise am 03.09.1996 liegt. Selbst wenn man entsprechend der Beurteilung von Dr. J. den Serokonversionszeitraum im vorliegenden Fall auf 16 Wochen erweitert, kommt man nur bis zum 15. Juli 1996. Auch unter dieser Voraussetzung kommen die vom Kläger für den Juni 1996 angegebenen Verbandwechsel als Infektionsursache nicht mehr in Frage. Zwar hat Dr. J. in seinem Gutachten vom 05.05.2004 ausgeführt, bei Durchsicht seiner handschriftlichen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1998 sei ihm aufgefallen, dass er sich damals regelmäßige Verbandswechsel bei Verbrennung 7/96 notiert habe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger ausweislich des Arztbriefs des Tropeninstituts T. vom 17.01.1997 dort am 30.12.1996 angegeben hat, die Verbandswechsel hätten im Juni 1996 stattgefunden. Andererseits steht aufgrund des Passstempels des Klägers fest, dass dieser erst am 23.06.1996 aus einem Heimaturlaub nochmals nach Nigeria zurückgekehrt ist. Auch wenn er die Verbandswechsel Anfang Juli 1996 fortgesetzt haben sollte, hätte diese Tätigkeit immer noch nicht in dem am 15. Juli 1996 beginnenden 16 Wochenzeitraum gelegen. Die Beurteilung Dr. J. im Gutachten vom 05.05.2004 erscheint aus diesem Grunde unschlüssig. Dort hat Dr. J. auf S. 8 ausgeführt, sowohl aus allgemeiner epidemiologischer Einschätzung des Sachverhalts als auch nach gewissenhafter Wertung individueller Indizien müsse zur Schätzung des Infektionszeitraumes vom zufälligen Datum der ersten dokumentierten unvollständigen Serokonversion (04.11.1996) mindestens 12 Wochen, eher etwa 16 Wochen zurückgerechnet werden. Ein Infektionszeitpunkt Ende Juni/Anfang Juli 1996 sei hinreichend wahrscheinlich.

Als berufliche Ursache der HIV-Infektion des Klägers kommt deshalb nur eine Erste-Hilfe-Leistung in Betracht, die nach Auffassung von Prof. Dr. G., der nicht über den 3 Monatszeitraum hinausgehen will, im Zeitraum vom 4. August bis 3. September 1996 erfolgt sein müsste, unter Zugrundelegung des von Dr. J. favorisierten 16 Wochen-Zeitraums in der Zeit vom 15. Juli bis 3. September 1996. Auch auf gezielte Rückfrage seines Prozessbevollmächtigen war der Kläger jedoch nicht in der Lage, bestimmte Vorkommnisse oder Zeitpunkte von Erste-Hilfe-Leistungen zu benennen. Man kann deshalb nur von der allgemeinen anamnestischen Angabe des Klägers vom 30.12.1996 ausgehen, er habe ca. einmal pro Monat Erste Hilfe bei blutenden Wunden von einheimischen Mitarbeitern geleistet. Stellt man auf den 3-Monatszeitraum ab, so hat der Kläger in dem nach Sachlage in Frage kommenden Infektionszeitraum wahrscheinlich gerade einmal Erste Hilfe unter den geschilderten Bedingungen geleistet. Erstreckt man den Rückrechnungszeitraum bis zum 15.07.1996, so mögen es zwei Erste-Hilfe-Leistungen gewesen sein. Unzulässig wäre jedenfalls die Annahme, der Kläger habe vor seiner endgültigen Ausreise aus Nigeria gehäuft Erste Hilfe geleistet. Vor diesem Hintergrund erscheint die zwischen dem Kläger und Dr. J. einerseits sowie Prof. Dr. G. andererseits geführte Diskussion um die Bedeutung des kumulativen Risikos als eher akademisch. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Kläger kurz vor seiner endgültigen Ausreise aus Nigeria noch bei einer Erste-Hilfe-Leistung infiziert hat, wird relativiert durch die Möglichkeit, dass die HIV-Ansteckung auf den Geschlechtsverkehr mit einer afrikanischen Partnerin zurückzuführen ist. Aufgrund der Angaben, die der Kläger gegenüber den Ärzten des Tropeninstituts T. am 30.12.1996 gemacht hat, ist der Senat davon überzeugt, dass im August 1996 letztmals ein sexueller Kontakt mit einer Afrikanerin stattgefunden hat. Zwar hat der Kläger bei seiner Anhörung am 25.10.2002 gegenüber dem Vorsitzenden des Senats erklärt, er habe nach der Geburt seines zweiten Kindes 1993 keine Kontakte mit afrikanischen Frauen mehr gehabt. Diese Angabe hält der Senat aber nicht für glaubhaft, obwohl er den Kläger grundsätzlich für glaubwürdig hält.

Zwar haben Prof. Dr. K. und Dr. B. auf die Rückfrage des Senats im Schreiben vom 28.11.2002 angegeben, es sei möglich, dass die Jahreszahl 1996 kurz vor Jahreswechsel fehlerhaft in den Computer eingegeben worden sei, was bei Korrektur vor Versand des Arztbriefes nicht aufgefallen wäre. Dazu ist festzustellen, dass die Möglichkeit eines Irrtums natürlich bei jeder Jahreszahl besteht. Der Senat vermag nicht zu erkennen, weshalb für diese theoretische Möglichkeit der Umstand sprechen soll, dass die Jahreszahl kurz vor dem Jahreswechsel 1996/1997 eingegeben worden ist. Dies würde allenfalls dann einleuchten, wenn die Eingabe in den PC erst nach dem Jahreswechsel mit &8222;1997&8220; erfolgt wäre. Naheliegender erscheint die Möglichkeit, dass die Ärzte gezielt nach dem letzten sexuellen Verkehr in Afrika gefragt haben, weil in Anbetracht der zum 04.11.1996 erstmals nachgewiesenen Serokonversion auf jeden Fall nur Ereignisse des Jahres 1996 ernsthaft für die Erklärung der HIV-Infektion in Betracht kamen. Dagegen spricht im Übrigen auch nicht, dass der Kläger, wie er für den Senat glaubhaft vorgetragen hat, während der Zeiten, in denen seine Ehefrau sich bei ihm in Afrika aufgehalten habe, keinen außerehelichen Geschlechtsverkehr gehabt habe. Denn die Familie war ausweislich des vorgelegten Ausreisestempels bereits am 26.05.1996 endgültig nach Deutschland ausgereist.

Nach der Überzeugung des Senats war das Risiko, sich bei dem letzten Geschlechtsverkehr im August 1996 zu infizieren, nicht geringer als bei der im maßgeblichen Zeitraum wie dargelegt höchstens zweimal geleisteten Ersten Hilfe bei Verletzungen einheimischer Mitarbeiter. Der Umstand, dass sich der Kläger zwar im Einzelnen an das Verbinden der Brandwunde im Juni 1996 erinnert, nicht jedoch an konkrete Verletzungen von Mitarbeitern, bei denen er Erste Hilfe geleistet hat, deutet darauf hin, dass etwaige Vorfälle nicht allzu gravierend gewesen sind und deshalb keinen bleibenden Eindruck bei dem Kläger hinterlassen haben. Entsprechend gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass es hierbei zu erheblichen Blutantragungen gekommen ist. Andererseits besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Schutz des Kondoms, den dieses bei regelrechter Beschaffenheit und sachgemäßem Gebrauch gegen eine Ansteckung bietet, wegen seiner Beschaffenheit oder eines Anwendungsfehlers im August 1996 stark eingeschränkt war. Der Senat hält den Kläger zwar wie oben dargelegt - auch aufgrund des Eindrucks, den er auf den Vorsitzenden bei der Anhörung vom 25.10.2002 gemacht hat - grundsätzlich für glaubwürdig. Er geht deshalb davon aus, dass der Kläger bei seiner Angabe, er habe in Afrika bei seinen sexuellen Kontakten mit Afrikanerinnen stets ein Kondom benutzt und Versager seien nicht vorgekommen, subjektiv die Wahrheit gesagt hat. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Kläger nicht erkannt hat, dass ihm ein Anwendungsfehler unterlaufen ist, indem er z. B. einen Riss im Kondom übersehen oder den Verkehr nach dem Samenerguss nicht rechtzeitig abgebrochen hat. Zu Recht verweist Prof. Dr. G. - unter Vorlage neuerer Literatur, u. a. aus Singapur - auf die nur eingeschränkte Sicherheit des Kondomgebrauchs.

Gegen eine HIV-Infektion durch Geschlechtsverkehr spricht ferner nicht, dass bei dem Kläger bei den Laboruntersuchungen keine Marker für sexuell übertragbare Krankheiten wie z. B. Syphilis gefunden worden sind. Der Kläger ist mit Sicherheit nicht unter die Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern einzuordnen. Was die afrikanischen Partnerinnen des Klägers angeht, so hat Prof. Dr. G. im Gutachten vom 26.05.2003 und nochmals im Gutachten vom 29.08.2004 zur Überzeugung des Senats dargelegt, typisch für in Afrika geborene und lebende Personen jedenfalls aus der gehobenen Schicht sei es, dass sie ohne Wissen HIV-infiziert sind, jedoch keine anderen sexuell übertragbaren Krankheiten haben. Bakterielle Infektionen werden nämlich bemerkt und normalerweise auch behandelt, wodurch die Bakterien eliminiert werden. Zwar hat der Kläger entgegen den Ausführungen von Prof. Dr. G. vom 29.08.2004 nicht erklärt, seine afrikanischen Partnerinnen hätten aus der &8222;Upper Society&8220; gestammt. Berücksichtigt man, dass der Kläger diese Partnerinnen nach seinen Angaben vom 25.10.2002 über seine Arbeit oder über private Kontakte kennengelernt hat, spricht jedoch viel dafür, dass diese nicht zu den Ärmsten der Armen zählten, die sich im Fall einer bakteriellen Infektion keine ärztliche Behandlung leisten konnten. Das Fehlen von Markern für sexuell übertragbare Krankheiten stellt deshalb im Falle des Klägers kein Argument für die Auffassung dar, der Kläger könne sich seine HIV-Infektion nicht auf sexuellem Wege zugezogen haben.

Aufgrund der überzeugenden Beurteilung von Prof. Dr. G. hält der Senat das mit dem Geschlechtsverkehr verbundene Risiko einer HIV-Ansteckung für jedenfalls nicht geringer als dasjenige, das mit einer wahrscheinlich noch vor der Ausreise am 03.09.1996 erfolgten Erste-Hilfe-Leistung verbunden war. Hierzu hat Prof. Dr. G. zutreffend dargelegt, dass das deponierte Volumen von Vaginalsekret auf der Haut des Penis bei mechanischer Hin- und Herbewegung größer ist, als das Blutvolumen, das bei der Versorgung der Wunde eines Mitarbeiters oder auch beim Verbandwechsel auf eine Handschnittwunde des Klägers gelangt sein könnte.

Wie Prof. Dr. G. im Einzelnen dargelegt hat, ist die Argumentation von Dr. J., es spreche viel für den Ablauf einer bei dem Kläger verzögerten Serokonversion bei LOW-DOSE-INFECTION, nicht vereinbar mit seiner Hypothese, das vom Kläger für Juli 1996 angegebene 3-tägige Fieber sei als akute HIV-Krankheit durch die aufkommende Immunreaktion gegen HIV und seine Komponenten zu verstehen. Hätte eine LOW-DOSE-INFECTION vorgelegen, so hätte es nicht 3 Wochen später schon zu einem HIV-induzierten Fieber kommen können.

Auch die grundsätzlichen methodischen Einwendungen Dr. J. sind nicht geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit oder gar grundsätzlichen Verwertbarkeit der Gutachten von Prof. Dr. G. zu rechtfertigen. Dieser hat bei seiner Beurteilung keineswegs nur Erkenntnisse berücksichtigt, die sich laborexperimentell gewinnen lassen und dem Gebiet der Virologie zuzurechnen sind. Vielmehr hat er durchaus auch die individuellen Besonderheiten des Sachverhalts sorgfältig berücksichtigt und angemessen gegeneinander abgewogen. Wie oben dargelegt, nützt es dem Kläger auch nicht, wenn bei ihm entsprechend dem Vorschlag Dr. J. nicht nur ein Infektionszeitraum von 12 Wochen bzw. 3 Monaten, sondern von 16 Wochen zugrundegelegt wird, weil auch dann nicht nachzuweisen ist, dass die beruflichen Risiken einer HIV-Übertragung größer gewesen wären als die Risiken durch die sexuellen Kontakte des Klägers. Das vom Kläger für Juli 1996 angegebene Fieber ist so unspezifisch, dass es auch unabhängig von der HIV-Problematik durch eine Infektion mit einer Vielzahl von Krankheitserregern erklärt werden kann.

Auch im Übrigen hält der Senat die Argumentation von Dr. J. nicht für überzeugend. Um einen Versicherungsschutz zu bejahen, hat dieser zunächst fast ausschließlich juristische Argumente bemüht, die freilich einer Überprüfung nicht standgehalten haben. Soweit er sich auf Ergebnisse der Epidemiologie berufen hat, lief seine Argumentation häufig auf die schematische Übernahme nicht ausnahmslos geltender Erfahrungssätze ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls hinaus. Vor allem aber konnte er nicht hinreichend begründen, warum bei dem Kläger auch abweichend von den Grundsätzen des Robert-Koch-Instituts, auf die er sich selbst berufen hatte, ein Serokonversionszeitraum von 16 oder gar 20 Wochen zugrunde gelegt werden soll.

Da nach alledem nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass die HIV-Infektion des Klägers auf beruflich bedingte Ansteckungsrisiken zurückzuführen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat der Senat die Revision zugelassen. Der Frage, unter welchen Voraussetzungen Gefahren, die gerade durch den beruflich bedingten Aufenthalt im Ausland begründet sind, Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung begründen, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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