L 9 SF 863/05 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SF 2990/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 SF 863/05 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Streitigkeiten, in denen eine AOK die Festsstellung begehrt, dass der beklagte Arbeitgeber für die Arbeitnehmeranteile nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge - auch - deliktisch haftet.
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 50,- Euro und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten. Der Streitwert wird auf 225,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für die von der Klägerin am 24. 09.2004 zum Sozialgericht Konstanz erhobene Klage auf Feststellung einer Forderung gegen den Beklagten gemäß § 184 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO).

Die Klägerin meldete unter dem 15.07.2004 im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten beim Insolvenzverwalter als Insolvenzgläubigerin eine Insolvenzforderung in Höhe von 2.947,07 Euro, bestehend aus rückständigen Beiträgen zur Sozialversicherung, an. Diese untergliederte sie in strafbewehrte Beiträge zur Sozialversicherung gemäß § 174 Abs. 2 InsO - vorenthaltene und veruntreute Arbeitnehmer-Beitragsanteile aufgrund Verstoß gegen § 266 a StGB - in Höhe von 1.113,99 Euro und nicht strafbewehrte Beiträge in Höhe von 1.833,08 Euro. Bezüglich der unerlaubten Handlung verwies sie auf einen beigefügten Strafbefehl des Amtsgerichts Albstadt.

Das Insolvenzgericht - Amtsgericht Hechingen - stellte die Forderung am 24.08.2004 zur Insolvenztabelle fest. Ausweislich des Eintrags in der Insolvenztabelle nahm der Beklagte den am 24.08.2004 eingelegten Widerspruch hinsichtlich der Behauptung, die Forderung in Höhe von 1.113,99 Euro sei in einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung begründet, am 24.08.2004 wieder zurück.

Am 24.09.2004 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) mit dem Antrag, festzustellen, dass die Forderung der Klägerin gegenüber dem Beklagten in Höhe von 1.113,99 Euro aus unerlaubter Handlung begründet ist und der insoweit erfolgte Widerspruch des Beklagten unbegründet und aus der Insolvenztabelle zu beseitigen ist. Der Beklagte habe, indem er von April bis Juni 2002 keinerlei Sozialversicherungsbeiträge abgeführt habe, insbesondere keine Arbeitnehmeranteile, vorsätzlich unerlaubte Handlungen begangen.

Der Beklagte trat der Klage entgegen.

Nach Anhörung der Beteiligten durch Verfügung vom 22.11.2004 erklärte das SG durch Beschluss vom 26.01.2005 den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für nicht zulässig und verwies den Rechtstreit an das Amtsgericht Albstadt.

Gegen den am 31.01.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 11.02.2005 beim SG eingegangene Beschwerde der Klägerin, zu deren Begründung vorgetragen wird, der Gegenstand der bestrittenen Forderung sei eine Beitragsforderung, bei der nur zusätzlich die Feststellung begehrt werde, dass das Nichtabführen zugleich eine unerlaubte Handlung darstelle. Hierfür sei gemäß § 185 InsO die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Januar 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass für die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass es sich um eine unerlaubte Handlung handele und damit die Restschuldbefreiung für die Forderung genommen sei, das Zivilgericht zuständig sei.

Das SG hat dem Senat die Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Einer Abhilfeentscheidung des SG bedarf es im Rechtswegbeschwerdeverfahren nicht (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr. 24).

Die Beschwerde ist jedoch sachlich nicht begründet. Das SG hat den Rechtstreit zu Recht an das Amtsgericht Albstadt verwiesen.

Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben (§ 184 Satz 1 InsO). Gemäß § 185 InsO ist für den Fall, dass für die Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist, die Feststellung bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde vorzunehmen.

Nach der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichthöfe des Bundes, Beschluss vom 04.06.1974, BSGE 37, 292, der sich auch das Bundessozialgericht angeschlossen hat (BSG SozR 5910 § 13 Nr. 1 mwN), richtet sich der Rechtsweg nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist, wie sich das Rechtsverhältnis nach dem Vorbringen der Klägerin objektiv darstellt. Von wesentlicher Bedeutung ist auch, dass es für die Rechtsnatur der Forderung nicht auf die Person des Verpflichteten ankommt, vielmehr auf die Art der Forderung, und dass sich diese nicht ändert, wenn der Verpflichtete wechselt (BSG aaO, BGHZ 90, 187, 192).

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte für die Arbeitnehmeranteile der nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge - auch - deliktisch gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V. mit § 266a Abs. 1 Strafgesetzbuch StGB haftet. Denn nur Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, wenn der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hat (§ 302 Nr 1 InsO). Dass der Beklagte als Arbeitgeber für die noch ausstehenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge gemäß § 28e Abs. 1 Satz SGB IV zahlungspflichtig war, ist im vorliegenden Verfahren unstreitig.

Mithin liegt der Schwerpunkt des Rechtsstreits nicht bei der Anwendung von Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, vielmehr leitet sich der Anspruch vorrangig aus Vorschriften des bürgerlichen Rechts ab. Die deliktische Haftung des Arbeitgebers bei Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung iS von § 266a StGB hat ihren Rechtsgrund im bürgerlichen Recht. Bei § 266a Abs. 1 StGB handelt es sich um eine Strafvorschrift, die als Schutzgesetz der bürgerlich-rechtlichen Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB von haftungsrechtlicher Bedeutung ist. Sie erweitert - worauf die Klägerin zutreffend hinweist- , sofern es sich bei der Beitragsschuldnerin um eine Juristische Person handelt, den Kreis der straf- und haftungsrechtlich verantwortlichen Personen, die in Bezug auf die "primäre" Pflicht zur Beitragsentrichtung nicht persönlich angesprochen sind, beschränkt sie jedoch zugleich auf die Arbeitnehmeranteile (vgl. BGH Versäumnisurteil vom 20.03.2004 III ZR 305/01, VersR 2004, 887-889). Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die deliktische Haftung des Arbeitgebers, der - wie im vorliegenden Fall - eine natürliche Person ist und somit auch "primär" zur Beitragsabführung verpflichtet war, aus diesem Grund ihren Rechtsgrund im Sozialversicherungsrecht hat. Dies wäre nur der Fall, wenn die Beitragsforderung als solche gegen ihn streitig wäre.

Die von der Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung angeführte Kommentierung von Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7. Auflage, § 51 Rn. 39 wird in der 8. Auflage dieses Werks (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer) nicht mehr aufrecht erhalten. Vielmehr ist gemäß Rn 39 Kasuistik, Stichwort Unerlaubte Handlung, für den deliktischen Schadensersatzanspruch eines Sozialversicherungsträgers gegen den Arbeitgeber oder gegen den Geschäftsführer einer GmbH wegen einbehaltener, nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Auch Uhlenbruck (InsO, Kommentar, 12. Auflage) verweist in der Kommentierung zu § 185 (Rn 6) auf die Rechtsprechung des BGH, wonach für die - deliktische - Inanspruchnahme eines Geschäftsführers einer GmbH wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Seine abweichende Kommentierung unter § 175 Rn. 14 überzeugt nicht, da das vorsätzliche Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB kein Tatbestand ist, der in die Zuständigkeit der Sozialgerichte fällt.

Mithin ist das Amtsgericht Albstadt sachlich und örtlich für die Entscheidung über die erhobene Feststellungsklage zuständig. Dass die Klage wegen der Rücknahme des Widerspruchs durch den Beklagten erfolglos sein dürfte, war im Rechtswegbeschwerdeverfahren unbeachtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197a SGG. In Verfahren über die Rechtswegbeschwerde hat grundsätzlich eine Kostenentscheidung zu ergehen (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr. 27 m.w.N.)

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens betragen nach Nr. 7504 des für die Verfahren vor der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Teils 7 Hauptabschnitt 5 der Anlage 1 zum GKG 50,- Euro.

Der Streitwert wird in Anlehnung an den Beschluss des BGH vom 19.12.1996 (NJW 1998, 909-910) auf ca. ein Fünftel der Hauptforderung, mithin auf 225,- Euro festgesetzt

Ein Grund, die weitere Beschwerde zum Bundessozialgericht zuzulassen, liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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