L 7 SO 3804/05 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 3267/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3804/05 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einstweilige Anordnung; Grundsicherung; fortwirkende Notlage; Folgenabwägung.
Zur Frage des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei einer Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach § 44 Abs. 1 SGB XII "bis auf weiteres".
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. August 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten auch des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Fortzahlung der Grundsicherung bei dauerhafter Erwerbsminderung und der Hilfe zur Pflege.

Die am 1967 geborene Ast. ist ab dem 6. Brustwirbelkörper gelähmt (Parese der Beine und Funktionsstörungen im Darm- und Blasenbereich); vor einem Mitte Mai 1996 erlittenen Verkehrsunfall war sie zuletzt als freie Handelsvertreterin tätig. Die Ast. ist seit Februar 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 100 (Nachteilsausgleiche "B" und "G") anerkannt; nach einem von der privaten Pflegeversicherung in Auftrag gegebenen Verschlimmerungsgutachten besteht seit Juli 2003 Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II. Nach Zuzug aus dem Landkreis R. bezog die Ast. von der Antragsgegnerin (Ag.) ab Juli 2003 Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (vgl. zuletzt Bescheid vom 21. Januar 2004) sowie außerdem Hilfe zur Pflege (Pflegegeld und Sachleistungen für Pflegeperson) nach dem Bundessozialhilfegesetz - BSHG - (vgl. Bescheid vom 1. Oktober 2003).

Durch Bescheid vom 31. Januar 2005 bewilligte die Ag. ab 1. Januar 2005 "bis auf weiteres" nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Leistungen zur Grundsicherung bei Erwerbsminderung in Höhe von 1.172,19 EUR sowie Leistungen der Hilfe zur Pflege (Pflegegeld) in Höhe von 137,00 EUR. Wegen der Erhöhung der Beiträge zur privaten Krankenversicherung ab Januar 2005 gewährte die Ag. sodann mit Bescheid vom 10. März 2005 rückwirkend ab 1. Januar 2005 - ebenfalls "bis auf weiteres" - Leistungen zur Grundsicherung in Höhe von 1.178,34, ein Pflegegeld von 137,00 EUR und außerdem Sachleistungen für eine private Pflegeperson, befristete diese Leistungen jedoch zunächst bis 31. Mai 2005, weil noch zu klären sei, ob die Ast. mit ihrer Pflegeperson Y. G. (Y.G.) in einer Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft lebe. Die Befristung der Zahlungen hob die Antragsgegnerin freilich im Schreiben vom 22. März 2005 "vorläufig" wieder auf, behielt sich allerdings eine neuerliche Prüfung für den Fall künftiger Anhaltspunkte für eine derartige Gemeinschaft vor. Anfang Mai 2005 erhielt die Ag. über die Kfz-Zulassungsdatei die Auskunft, dass die Ast. seit 5. Juli 2004 Halterin eines Leichtkraftrades der Marke Yamaha (Erstzulassung April 2002, amtliches Kennzeichen ) sowie seit 18. Oktober 2004 Halterin eines Kraftrades der Marke Harley-Davidson (Erstzulassung August 2003, amtliches Kennzeichen ) sei. Durch Bescheid vom 2. Juni 2005 teilte die Ag. der Ast. mit, dass die bisher gewährten Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zur Pflege ab dem 1. Juni 2005 "eingestellt" würden; zur Begründung wurde ausgeführt, nach den vorliegenden Unterlagen verfüge die Ast. über Vermögen in Form von zwei Motorrädern, wobei davon auszugehen sei, dass mit diesen Fahrzeugen die Vermögensfreigrenze überschritten werde. Mit ihrem Widerspruch verwies die Ast. auf die aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs gemäß "§ 80 der Verwaltungsgerichtsordnung" und machte wiederholend geltend, dass die Krafträder nicht in ihrem, sondern im Eigentum von Y.G. - Yamaha - bzw. ihrer Schwester D. R, (D.R.) - Harley-Davidson - stünden und auf sie nur aus "formalen Gründen" angemeldet worden seien, wobei die Yamaha im Übrigen zwischenzeitlich am 23. Mai 2005 auf Y.G. zugelassen worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2005 wies die Ag. den Widerspruch zurück; bei der Sozialhilfe handele es sich nicht um eine "rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter"; vielmehr bringe der Sozialhilfeträger mit einem "Einstellungsbescheid" zum Ausdruck, dass er die Weiterbewilligung ablehne, weshalb der Hilfesuchende für seine Hilfebedürftigkeit auch die materielle Beweislast trage. Gegen den Bescheid vom 2. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2005 hat die Ast. am 20. Juli 2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben (S 7 SO 3003/05); hierüber ist noch nicht entschieden.

Am 8. August 2005 hat die Ast., die sich ab Juni 2005 mit den Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Rückstand befand, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie hat erneut vorgebracht, dass die beiden Motorräder nicht in ihrem Eigentum gestanden hätten und zudem D.R. die Harley-Davidson zwischenzeitlich am 25. Juli 2005 zu 3.000,00 EUR verkauft habe. Mit Beschluss vom 15. August 2005 hat das SG die Ast. im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, "der Ast. Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 1.178,34 EUR sowie Pflegegeld in Höhe von 137,- EUR monatlich ab dem 01.08.2005 zu gewähren und die Leistungen der Hilfe zur Pflege für täglich 5 Stunden bei je 8,- EUR/Stunde sowie den rückständigen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 768,01 EUR zu übernehmen, jeweils unter dem Vorbehalt der Rückforderung sowie zeitlich begrenzt bis zur rechtskräftigen Erledigung der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 30.11.2005", und den Antrag im Übrigen abgelehnt. In Umsetzung des vorgenannten Beschlusses hat die Ag. den Bescheid vom 16. August 2005 erlassen.

Gegen den Beschluss vom 15. August 2005 richtet sich die am 9. September 2005 beim SG eingelegte Beschwerde der Ag., der das SG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung hat die Ag. unter näherer Darlegung im Einzelnen vorgebracht, es bestünden nach wie vor Zweifel an der Hilfebedürftigkeit der Ast. So dürfte es sich bei dem am 25. Juli 2005 abgeschlossenen Vertrag um einen "fingierten Kaufvertrag" handeln; des Weiteren sei von einer "eheähnlichen" Gemeinschaft zwischen der Ast. und Y.G. auszugehen, wobei auf Letztere nunmehr auch ein PKW der Marke Nissan mit dem amtlichen Kennzeichen zugelassen worden sei, obwohl diese die entsprechende Fahrerlaubnis - ebenso wie für das Motorrad - nicht habe. Die Ast. ist der Beschwerde entgegengetreten; sie hat eine am 21. September 2005 unterzeichnete Versicherung an Eides statt vorgelegt.

II.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Ag., der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (vgl. hierzu § 86a Abs. 2 SGG), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Hier vertritt die Ag. selbst die Auffassung, dass mit dem Bescheid vom 2. Juni 2005 über die Ablehnung der Weiterbewilligung der Leistungen befunden und nicht eine kassatorische Entscheidung (vgl. hierzu §§ 45 und 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X)) getroffen worden sei, sodass - wie das SG im Ergebnis zutreffend erkannt hat - mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG eine Anordnung nach Satz 1 Nr. 2 a.a.O. nicht erfolgen konnte. Hinsichtlich des Rechtsschutzantrages anzuwenden war daher § 86b Abs. 2 SGG.

Dahinstehen kann, ob es vorliegend - wofür manches spricht - um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht (Sicherungsanordnung (§ 86 Abs. 2 Satz 1 SGG)), oder aber - so das SG - nur die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes (Regelungsanordnung (Abs. 2 Satz 2 a.a.O.) in Betracht kommt (vgl. dazu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnrn. 25 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 8 ff.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt in beiden Alternativen grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123 Rdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Dabei sind die diesbezüglichen Anforderungen jedoch umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnrn. 12, 95, 99 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., Rdnrn. 15 f., 24 ff.). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast. vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, a.a.O.; NVwZ 2005, a.a.O.). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B -, 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - und 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - (alle m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung); Puttler in Sodan/Ziekow, a.a.O. Rdnr. 79; Funke-Kaiser in Bader u.a., a.a.O. Rdnr. 62).

Im vorliegenden Verfahren ist nur über die Beschwerde der Ag. zu entscheiden, nachdem die Ast. den Beschluss des SG vom 15. August 2005 hingenommen hat. Dieser Beschluss ist im Umfang seiner Anfechtung im Ergebnis indes nicht zu beanstanden, wobei freilich klarzustellen ist, dass sich der vom SG im Anordnungsausspruch ausgeworfene Betrag der Beitragsrückstände von 768,01 EUR (Juni 2005 380,31 EUR, Juli 2005 386,20 EUR zuzüglich Mahnkosten (1,50 EUR) ausweislich des Mahn- und Kündigungsschreibens der Allianz vom 26. Juli 2005 nur auf die private Krankenversicherung, nicht jedoch auf die Pflegeversicherung bezogen hat. Der Senat stimmt dem SG jedoch darin zu, dass diese hier noch umstrittenen Beitragsrückstände von der Ast., obgleich das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an sich nicht dazu dient, einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juni 2005 - L 7 SO 2060/05 ER-B u.a. - (m.w.N. aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung)), ebenso wie die Leistungen der Grundsicherung und der Hilfe zur Pflege (jene ab 1. August 2005) von der Ag. vorläufig zu übernehmen sind, weil dies beim gegenwärtigen Sach- und Erkenntnisstand - trotz der Vorfinanzierung der Beitragsrückstände durch die Ast. oder ihre Schwester - zur Beseitigung einer bis in die Gegenwart fortwirkenden Notlage notwendig erscheint (vgl. hierzu auch Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. Januar 1993 - 5 M 112/92 - (JURIS); OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2003 - 4 B 39/03 - FEVS 55, 262 ff.). Die von der Ag. angeführte Vorschrift des § 264 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist jedenfalls nur auf Bezieher von Leistungen nach dem Dritten und Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII - also grundsätzlich nur auf solche, die die Leistungen tatsächlich erhalten - und im Übrigen von vornherein nicht bei der im Vierten Kapitel des SGB XII geregelten Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung anwendbar (vgl. Birk/Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 48 Rdnrn. 8).

Der Senat folgt dem SG auch insoweit, als vorliegend - gerade auch mit Blick auf das bei den in Rede stehenden Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums von Verfassungs wegen zu beachtende Gebot der Menschenwürde und das Sozialstaatsgebot (Art. 20 Abs. 1 GG) - eine hier zugunsten der Ast. auszufallende Folgenabwägung vorzunehmen ist, weil eine abschließende Sachaufklärung im hiesigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schon in Ansehung der geltend gemachten Notlage nicht tunlich ist und dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss (vgl. auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. August 2005 - L 13 AS 3390/05 ER-B -). Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Frage der Hilfebedürftigkeit der Ast. bei gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht von vornherein bejaht oder verneint werden kann, wobei diese zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen einerseits im Schreiben vom 5. September 2005 auf eine bereits vollstreckungsrechtlich abgegebene eidesstattliche Versicherung hingewiesen sowie im Beschwerdeverfahren eine Versicherung an Eides statt vom 21. September 2005 vorgelegt hat, andererseits jedoch bereits früher schriftliche Erklärungen der Y.G. vom 23. Mai sowie 11. und 21. Juli 2005 und der D.R. vom 11. und 22. Juli 2005 zu den Akten gelangt sind, die allerdings zumindest zum Teil unklar oder sogar widersprüchlich sind (vgl. nur das Schreiben der Y.G. vom 23. Mai 2005 und ihre eidesstattliche Versicherung vom 11. Juli 2005). Freilich ist der Ag., soweit sie auf eine "eheähnliche Gemeinschaft" der Ast. mit Y.G. und insoweit wohl auf die Bestimmungen der §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 20 und 43 Abs. 1 SGB XII abheben möchte, entgegenzuhalten, dass unter den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft nur eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu subsumieren ist (vgl. BVerfGE 87, 234, 264), während gleichgeschlechtliche Partnerschaften von den vorstehenden Bestimmungen des SGB XII lediglich im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (vgl. Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266)) erfasst werden und ansonsten nur über § 36 SGB XII im Rahmen der etwaigen Bedarfsdeckung durch eine Haushaltsgemeinschaft Bedeutung erlangen können (vgl. aber für Pflegebedürftige § 36 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XII). Nicht genügend beachtet worden sein dürfte darüber hinaus, dass für die Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII bezüglich des Einkommens- und Vermögenseinsatzes neben der Bedürftigkeitsgrenze auch der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit maßgeblich ist (vgl. § 19 Abs. 4 SGB XII).

Muss hier schon die Folgenabwägung im Hinblick auf die, wie das SG zu Recht angeführt hat, bislang nicht ausreichend durch - im Rahmen der Amtsermittlung nach § 20 SGB X auch von der Behörde zu ermittelnde - Tatsachen abgesicherten Vermutungen der Ag. bei den vorliegend umstrittenen Leistungen den Ausschlag zugunsten der Ast. geben, so hat dies erst Recht mit Blick darauf zu gelten, dass Bedenken hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Vorgehensweise der Ag. bestehen. Diese hat die bis dahin gewährten Leistungen mit dem - durch den Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2005 bestätigten - Bescheid vom 2. Juni 2005 ab 1. Juni 2005 "eingestellt", wobei sie selbst der Auffassung ist, dass sie durch ihre Entscheidung nicht in die Bestandskraft (§ 77 SGG) eines bewilligenden Verwaltungsaktes eingegriffen, sondern die Weiterbewilligung "abgelehnt" hat. Entgegen der Auffassung der Ag. spricht jedoch vieles dafür, dass es sich bei den Bescheiden vom 31. Januar und 10. März 2005 um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) BSGE 78, 109, 111 = SozR 1300 § 48 Nr. 19; BSGE 88, 172, 174 =SozR 3-4300 § 119 Nr. 3) gehandelt hat. Eine derartige Auslegung eines einem Bescheid beigegebenen Regelungsinhalts hat indessen zur Folge, dass der Leistungsbezug rechtmäßig ist, solange der Bewilligungsbescheid Bestand hat (vgl. BSGE 47, 241, 246 = SozR 4100 § 134 Nr. 11; BSGE 61, 286, 287 = SozR a.a.O. Nr. 31), also weder nach § 45 SGB X zurückgenommen noch nach § 48 SGB X aufgehoben ist; demgegenüber beseitigt eine bloße Zahlungseinstellung den zuerkannten Zahlungsanspruch nicht (vgl. BSG, Urteile vom 23. März 1994 - 5 RJ 68/93 - und vom 18. September 1996 - 5/4 RA 27/94 - (beide JURIS); BSGE 80, 186, 196 f. = SozR 3-7140 § 1 Nr. 1; Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 SGB X § 10).

Zwar stellte die Sozialhilfe nach der Rechtsprechung des BVerwG zum BSHG - und zwar sowohl die Hilfe zum Lebensunterhalt als etwa auch die Hilfe zur Pflege in Form des Pflegegeldes - wegen ihres Gegenwartscharakters keine rentengleiche Dauerleistung dar (vgl. BVerwGE 25, 307, 309; BVerwG Buchholz 436.0 § 69 BSHG Nr. 3). Es kann indes dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung unter der Geltung des SGB XII weiterhin uneingeschränkt zu folgen wäre, zumal etwa die Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in der Regel für zwölf Monate zu bewilligen ist, sodass ein derartiger Bewilligungsbescheid in jedem Fall als Dauerverwaltungsakt zu qualifizieren ist (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII § 44 Rdnr. 1; Rothkegel/Grieger in Rothkegel, Sozialhilferecht, IV 6 Rdnr. 47), ferner nach Bescheiderlass eintretende Änderungen nach § 48 Abs. 1 SGB X - modifiziert durch § 44 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB X - zu behandeln sind (vgl. Brühl/Schoch in LPK-SGB XII, a.a.O., § 44 Rdnrn. 7 f.). Freilich waren bereits nach der Rechtsprechung des BVerwG verstärkte Tendenzen zur Öffnung des Sozialhilferechts auch für das Institut des Dauerverwaltungsaktes zu erkennen, so wenn die Auslegung ergab, dass der Sozialhilfeträger den Hilfefall nicht nur für den nächstliegenden Zahlungszeitraum, sondern für einen längeren Zeitraum geregelt hatte (vgl. BVerwG Buchholz 436.51 § 6 JWG Nr. 15; BVerwGE 99, 149 ff.); in diesen Fällen waren beispielsweise Änderungen der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse nach § 48 SGB X zu beurteilen (Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 16). Einen solchen Dauercharakter dürften auch die oben genannten Bescheide der Ag. jedenfalls hinsichtlich der Leistungen der Grundsicherung und des Pflegegeldes gehabt haben, denn in beiden Bescheiden ist die Bewilligung "bis auf weiteres" erfolgt, was nach dem Empfängerhorizont der Leistungsberechtigten objektiv auf eine Hilfegewährung für einen unbestimmten Zeitraum nach Bescheiderlass in die Zukunft, nicht nur für den nächstliegenden Zeitraum hindeuten könnte (vgl. auch Hamburgisches OVG, Beschluss vom 5. Dezember 1996 - Bs IV 322/96 - FEVS 47, 538 ff; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2000 - 22 A 285/98 - DVBl. 2001 (insoweit nachgehend bestätigt in BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2001 - 5 C 27/00 - BVerwGE 115, 331 ff.); Rothkegel/Grieger, a.a.O., Rdnr. 52); ergänzend wird in diesem Zusammenhang nochmals auf die Bestimmung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verwiesen. Eine kassatorische Entscheidung im Sinne der §§ 45, 48 SGB X dürfte hier mit dem Bescheid vom 2. Juni 2005 indessen gerade nicht getroffen worden sein. Darauf hinzuweisen ist ferner, dass die objektive Beweislast für die anfängliche Fehlerhaftigkeit der Bewilligung oder die wesentliche Änderung der Verhältnisse zuungunsten der von der früheren Bewilligung Begünstigten die Behörde trägt (vgl. BSGE 7, 292, 299; 37, 114, 137; BSG SozR 4100 § 132 Nr. 1).

Nach allem sind Anordnungsgrund und -anspruch als Voraussetzung für das vorliegende Rechtsschutzbegehren hinreichend glaubhaft gemacht. Mit Blick auf den von der Ast. hingenommenen Beschluss vom 15. August 2005 des SG ist die dort ausgesprochene Verpflichtung der Ag. allerdings begrenzt bis 30. November 2005.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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