L 9 SF 4107/05 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SF2476/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 SF 4107/05 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für ab dem 1.1.2005 anhängig gemachte Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe (hier: Grundsicherung) auch dann, wenn über Leistungszeiträume vor dem 1.1.2005 zu entscheiden ist.
Auf die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 31. August 2005 aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit der am 08.08.2005 zum Sozialgericht (SG) Ulm erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten und Beschwerdegegnerin vom 20.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2005, mit dem ihr Antrag auf Grundsicherungsleistungen vom 07.09.2004 abgelehnt worden war.

Das SG wies die Klägerin durch Schreiben vom 12.08.2005 darauf hin, dass - entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Widerspruchsbescheid - für Streitigkeiten nach dem Grundsicherungsgesetz der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Zu den Streitigkeiten, für die gemäß § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben sei, zähle die von der Klägerin erhobene Klage nicht. Es beabsichtige daher den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Sigmaringen (VG) zu verweisen.

Mit Beschluss vom 31.08.2005 erklärte das SG den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das VG.

Hiergegen legte die Klägerin am 05.09.2005 beim SG Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, sie wünsche eine Bearbeitung ihrer Klage durch das SG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des SG vom 31.08.2005 aufzuheben.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz -GVG- i.V.m. §§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthaft und zulässig. Sie ist auch sachlich begründet, denn das SG Ulm ist für die Entscheidung über die vorliegende Klage das sachlich und örtlich zuständige Gericht.

Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG in der Fassung des 7. SGG-Änderungsgesetzes vom 09.12.2004 (BGBl I S.3302) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit seit dem 01.01.2005 über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes. Damit ist die Zuständigkeit der Sozialgerichte gegeben für Rechtstreite, die ihre Grundlage im Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - haben. Seit dem 01.01.2005 sind die Regelungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, auf die die Klägerin ihren Anspruch stützt, als Viertes Kapitel in das SGB XII eingegliedert worden. Durch § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG ist somit seit dem 01.01.2005 die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit für alle Streitigkeiten um Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gegeben.

Dies gilt entgegen der Auffassung des SG auch, wenn über Leistungszeiträume vor dem 01.01.2005 zu entscheiden ist. Entscheidend ist nicht, ob vor dem 01.01.2005 die Grundsicherungsleistungen nicht im Bundessozialhilfegesetz, sondern in einem eigenen Gesetz geregelt waren. Entscheidend ist vielmehr, dass mangels einer ausdrücklichen Übergangsregelung im 7. SGG-Änderungsgesetz auch im Prozessrecht die Grundsätze des intertemporalen Rechts als ungeschriebenes, normergänzendes Recht anzuwenden sind, die besagen, dass für die Zulässigkeit von Klagen grundsätzlich das zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltende Recht maßgeblich ist (vgl. Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, in Sgb 1993, 593, 601; BVerfGE 87,48 ff. m.w.N). Dem stehen Vertrauensgesichtspunkte nicht entgegen, da es ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Rechtschutz gerade in bestimmter Weise offen steht, nicht gibt (Kopp, aaO, S. 601).

Im Zeitpunkt der Klageerhebung am 08.08.2005 galt aber der die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit begründende § 51 Abs. 1 Nr. 6a SGG.

Auf die Beschwerde der Klägerin war daher der Beschluss des Sozialgerichts Ulm aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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