L 6 SB 3105/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 6302/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3105/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) bei der Klägerin.

Die 1945 geborene Klägerin beantragte am 30.01.2002 die Feststellung von Behinderungen und gab dabei an, unter einem Bandscheibenvorfall, einem Cervikalsyndrom, Doppelsehen, Herzproblemen und einem schweren Erschöpfungssyndrom zu leiden. Wegen des Bandscheibenvorfalls sei sie unfähig, länger zu stehen, das Doppelsehen bedinge Konzentrationsprobleme und Kopfschmerzen. Der Beklagte holte von dem Internisten Dr. T. den Befundbericht vom 07.02.2002 ein, dem zahlreiche weitere ärztliche Unterlagen, u. a. der Arztbrief von Dr. T. vom 06.06.2000, der Arztbrief des Internisten Dr. G. vom 16.10.2001 und der Arztbrief des Augenarztes Dr. W. vom 20.11.2001 beigefügt waren. Vom Letztgenannten holte der Beklagte noch den Befundbericht vom 01.03.2002, außerdem vom Orthopäden Dr. B. den Befundbericht vom 25.02.2002 ein. In Auswertung der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 25.03.2002 stellte der Beklagte daraufhin mit Bescheid vom 03.04.2002 den GdB seit 30.01.2002 mit 30 fest, wobei er "1. Schielen (Einzel-GdB 20) 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom (Einzel-GdB 20) 3. Allergie, chronische Nebenhöhlenentzündung (Einzel-GdB 10) 4. chronische Magenschleimhautentzündung, Refluxkrankheit der Speiseröhre (Einzel-GdB 10)" berücksichtigte. Auf den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, die in ihrem Antrag aufgeführten Behinderungen und Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden, holte der Beklagte von Dr. L. den Befundbericht vom 24.06.2002 ein. Nachdem in der vä Stellungnahme vom 13.08.2002 dargelegt worden war, zusätzlich könnten psychovegetative Störungen mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden, was jedoch zu keiner Erhöhung des Gesamt-GdB führe, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2002 den Widerspruch zurück.

Dagegen erhob die Klägerin am 23.12.2002 Klage vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG). Das SG holte zunächst von Dr. S. das internistische Gutachten vom 13.09.2003 mit dem orthopädischen Zusatzgutachten von Dr. N. vom 16.07.2003 und dem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten von Dr. S. vom 13.08.2003 ein. Dr. S. nannte auf seinem Fachgebiet eine Allergie mit chronischer Nebenhöhlenentzündung, die einen Einzel-GdB von 10 bedinge, ebenso wie eine chronische Magenschleimhautentzündung und Refluxkrankheit der Speiseröhre. Hinsichtlich der geklagten Herzbeschwerden habe auch die jetzt durchgeführte Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine körperliche Abnormität am Herz-Kreislauf-System erkennen lassen. Dr. N. beschrieb auf orthopädischem Fachgebiet leichte bis mäßige Aufbraucherscheinungen der Wirbelsäule mit (vor allem) Neuroforameneinengungen C 5/6 links, C 3/4 rechts und C 4/5 rechts der Halswirbelsäule (HWS) und Streckfehlhaltung der HWS und im Segment L 5/S1 Spondylarthrose mit knöcherner Einengung der Foramina intervertebralia beidseits und dorsaler Diskusprotrusion mit Einengung des Epiduralraums ohne aktuelle belangvolle Wurzelreizsymptomatik, ohne sensomotorisches Defizit und ohne klinisches Funktionsdefizit bei chronisch rezidivierender Cervico-Brachio-Cephalgie und Lumbo-Ischialgie. Daneben bestünden kernspintomographische Veränderungen des linken Kniegelenkes ohne Funktionseinschränkung. Für die Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule schätzte er den GdB auf 20. Dr. S. nannte als Diagnosen eine längerfristig zurückreichende, unter beruflicher Belastung derzeit akzentuierte depressiv getönte Überforderungssymptomatik sowie eine Dysthymie mit Hinweisen auf leichte histrionische Anteile und gelegentliche dissoziative Störungen. Es könne nicht mehr von einer nur unwesentlichen oder leichten Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen werden. Den GdB für die Störung auf psychischem Gebiet bewertete er mit 30. Dr. S. bewertete abschließend den Gesamt-GdB unter Berücksichtigung des bei der Klägerin vorliegenden Schielens bzw. Doppelsehens (Einzel-GdB 20) mit 40. Außerdem holte das SG sachverständige Zeugenauskünfte bei dem Zahnarzt Dr. B. (Auskunft vom 11.12.2003), von dem Internisten Dr. B. (Auskunft vom 09.02.2004), von dem Orthopäden Dr. M. (Auskunft vom 07.06.2004) und von dem Gynäkologen Dr. H. (Auskunft vom 10.11.2004) ein und bat Dr. S. um eine abschließende Stellungnahme. Dr. S. legte seine ergänzende Stellungnahme vom 23.02.2005 mit der Stellungnahme von Dr. N. vom 18.02.2005 vor. Dr. S. vertrat die Auffassung, aus den ergänzend eingeholten Arztauskünften ergebe sich keine andere Beurteilung, insbesondere sei der GdB auf internistischem Gebiet zutreffend bewertet. Dr. N. legte dar, dass auch unter Berücksichtigung des von Dr. M. beschriebenen Reizknies ein höherer Gesamt-GdB nicht in Betracht komme. Für das beschrieben Reizknie könne allerdings ein Einzel-GdB von 10 zugrunde gelegt werden.

Mit Urteil vom 27.06.2005 verurteilte das SG den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, bei der Klägerin einen GdB von 40 anzuerkennen. Es stützte sich dabei im Wesentlichen auf die gutachterlichen Äußerungen von Dr. S., Dr. N. und Dr. S ...

Dagegen hat die Klägerin am 27.07.2005 Berufung eingelegt. Das SG habe den Befundbericht von Dr. L. bei seiner Urteilsfindung weder erwähnt noch beachtet. Dr. L. habe die Auffassung vertreten, dass der GdB insgesamt deutlich über 50 anzusetzen sei. Auch die Ausführungen des SG hinsichtlich der Bewertung der auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen durch Dr. S. seien nicht nachvollziehbar. Dieser habe den Teil-GdB auf seinem Fachgebiet mit 30 in Ansatz gebracht. Soweit das SG davon ausgehe, es liege eine nicht unbeträchtliche Überlappung mit den Behinderungen auf fachinternistischem Gebiet vor, sei dies nicht nachvollziehbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.06.2005 und den Bescheid des Beklagten vom 03.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2002 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. A. das psychiatrische Gutachten vom 27.01.2006 eingeholt. Dr. A. hat bei der Klägerin ein chronifiziertes Residualsyndrom einer rezidivierenden depressiven Störung, eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit perfektionistischen, selbstunsicheren und emotional instabilen Anteilen sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert. Die Störung sei insgesamt den affektiven Psychosekrankheiten, schweren Persönlichkeitsstörungen und den Somatisierungsstörungen zuzurechnen. Für die affektive Störung werde ein GdB von 50 angenommen, für die Persönlichkeitsstörung, die insgesamt als äußerst schwer betrachtet werden müsse, sei ein GdB von 40 anzunehmen. Insgesamt sei der GdB auf psychiatrischem Gebiet mit 50 zu bewerten. Auch unter Berücksichtigung der sonstigen bei der Klägerin vorhandenen Störungen (Schielen - Einzel-GdB 20, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom - Einzel-GdB 20, chronische Nebenhöhlenentzündung sowie chronische Magenschleimhautentzündung/Refluxkrankheit der Speiseröhre - Einzel-GdB jeweils 10) betrage der Gesamt-GdB 50.

Der Beklagte hat hierzu die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 09.03.2006 vorgelegt. Dr. K. hat dargelegt, dass aufgrund des Gutachtens von Dr. A. nicht auf eine wesentlich andere Beeinträchtigung durch die psychische Situation der Klägerin geschlossen werden könne als im Gutachten von Dr. S. dargelegt worden sei. Angesichts des von der Klägerin geschilderten Tagesablaufs und der vielfältigen Aktivitäten in der Freizeit könne nicht von einer so wesentlichen Einschränkung der Lebensgestaltungsfähigkeit ausgegangen werden, dass sie die Ausschöpfung des Bewertungsrahmens von 30 bis 40 begründe. Bei der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung sei dem Gutachten eine daraus resultierende wesentliche Auswirkung auf den Alltag, die die Situation zusätzlich verschlimmere, nicht zu entnehmen. Es verbleibe somit bei dem GdB von 30 für die psychiatrische Erkrankung, wie sie Dr. S. angenommen habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des SG und des Senats sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass bei der Klägerin kein höherer Gesamt-GdB als 40 festgestellt werden kann.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des 9. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63, 68 des SGB IX vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag stellen die Behörden einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale aus.

Diese Vorschriften sind weitgehend inhaltsgleich mit den bis zum 30.06.2001 geltenden Vorschriften der §§ 3 und 4 SchwbG, weshalb die bisherigen Grundsätze zur GdB-Bewertung weiter angewandt werden können. Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (vgl. BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4; SozR 3 - 3870 § 4 SchwbG Nr. 19 und Urteil vom 07.11.2001 aaO). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Auch sind sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3 - 3870 aaO; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R).

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den Grundsätzen zu verfahren, wie sie in den AP (Abschnitt 19) ihren Niederschlag gefunden haben. Danach sind bei der Festsetzung des Gesamt-GdB die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung, auch wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB verursacht. Dann ist im Hinblick auf weitere Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung insgesamt größer wird und deshalb dem höchsten Einzel-GdB ein Behinderungsgrad von 10 oder 20 oder mehr hinzuzufügen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Mathematische Methoden, insbesondere eine Addition der einzelnen GdB-Werte, sind hierbei ausgeschlossen (BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4).

Bei der Klägerin liegen, wie sich aus den im Verwaltungs- und SG-Verfahren eingeholten Befundberichten, Arztauskünften und Gutachten ergibt, Funktionsbeeinträchtigungen auf augenärztlichem, orthopädischem, internistischem und psychiatrischem Fachgebiet vor.

Soweit der Beklagte für das Schielen einen Einzel-GdB von 20 zugrunde gelegt hat, sieht der Senat keinen Anlass, hiervon abzuweichen, zumal nach dem Befundbericht von Dr. W. vom 01.03.2002 die Sehschärfe der Klägerin auf beiden Augen 1,0 beträgt und damit nicht beeinträchtigt ist und es sich lediglich um zeitweise dekompensierendes Höhen- und Auswärtsschielen handelt. Darüber hinaus sehen die AP (Abschnitt 26.4, Seite 53) einen Einzel-GdB von 30 nur vor, wenn wegen der Doppelbilder ein Auge vom Sehen ausgeschlossen werden muss. Eine solche Situation liegt bei der Klägerin offensichtlich nicht vor, sodass der vom Beklagten zugrunde gelegte Einzel-GdB von 20 insoweit nicht zu beanstanden ist. Soweit Dr. L. diese Bewertung für unzureichend gehalten hat, kann der Senat dies nicht nachvollziehen.

Für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule hat der Beklagte einen Einzel-GdB von 20 zugrunde gelegt. Diese Bewertung hat Dr. N. in seinem orthopädischen Zusatzgutachten bestätigt. Angesichts der von ihm mitgeteilten Befunde im Bereich der Wirbelsäule (u. a. Fingerspitzen-Fußboden-Abstand 10 cm, Zeichen nach Schober für die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule (LWS) 10/14, was einer geringen Bewegungseinschränkung entspricht, Zeichen nach Ott für die Beweglichkeit der Brustwirbelsäule 30/31,5, was einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung entspricht, sowie freie Beweglichkeit der HWS) kommt auch nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die AP (Abschnitt 26.18, Seite 116) ein höherer Einzel-GdB als 20 nicht in Betracht, da ein Einzel-GdB von 30 erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bzw. bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten angenommen werden kann.

Sowohl die oberen als auch die unteren Extremitäten waren bei der Untersuchung durch Dr. N. frei beweglich. Insbesondere im Bereich der Kniegelenke konnte er keinen wesentlichen krankhaften Befund feststellen, weshalb er hierfür keinen Einzel-GdB angesetzt hat. Auch wenn Dr. M. in seiner für das SG erteilten Auskunft ein bei der Klägerin vorliegendes rezidivierendes Reizknie beschrieben hat, kommt nach Auffassung des Senats, da keine Bewegungseinschränkungen vorliegen, ein höherer Einzel-GdB als 10 hierfür nicht in Betracht, wie Dr. N. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.02.2005 für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt hat.

Auf internistischem Fachgebiet hat der Beklagte für die chronische Magenschleimhautentzündung und Refluxkrankheit der Speiseröhre einen Einzel-GdB von 10 zugrunde gelegt, ebenso für die Allergie und die chronische Nebenhöhlenentzündung. Diese Bewertung durch den Beklagten hat Dr. S. in seinem Gutachten ausdrücklich bestätigt. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, hiervon abzuweichen, zumal die Lungenfunktionsprüfung lediglich eine leichte, noch nicht wesentlich leistungsmindernde Obstruktion ergeben hat und im Belastungs-EKG lediglich ein nicht optimal eingestellter Bluthochdruck, jedoch ansonsten unauffällige Befunde festgestellt worden sind. Hinsichtlich der kardialen Situation hat Dr. S. darauf hingewiesen, dass er - wie auch schon zuvor die die Klägerin behandelnden Ärzte - keine körperliche Abnormität am Herz-Kreislauf-System erkennen könne. Diese Einschätzung wird durch die Auskunft von Dr. B. bestätigt, der bei der von ihm durchgeführten Untersuchung bis auf einen erhöhten Blutdruck (RR 170/100) keinen pathologischen Befund feststellen konnte. Auch nach seiner Einschätzung liegt von seiten der kardialen Situation - unter Zugrundelegung der AP - kein Grund vor, einen relevanten GdB anzunehmen. Soweit Dr. L. in seinem Befundbericht von einem hyperkinetischen Herzsyndrom ausgegangen ist und dargelegt hat, dass die Auswirkungen dieses kardiovaskulären Syndroms vom Beklagten - und anderen die Klägerin behandelnden Ärzten - falsch eingeschätzt worden seien, überzeugt dies den Senat deshalb nicht.

Auf psychischem Gebiet geht der Senat in Übereinstimmung mit dem SG, dem Sachverständigen Dr. S. und der vä Stellungnahme von Dr. K. davon aus, dass insoweit ein Einzel-GdB von 30 anzunehmen ist. Der Senat lässt es insoweit dahingestellt, ob die von Dr. S. vorgenommene Bezeichnung der Diagnose (depressiv getönte Überforderungssymptomatik, Dysthymie mit Hinweisen auf leichte histrionische Anteile und gelegentliche dissoziative Störungen) oder eher die von Dr. A. vorgenommene Diagnose-Bezeichnung (chronifiziertes Residualsyndrom einer rezidivierenden depressiven Störung, gemischte Persönlichkeitsstörung, Somatisierungsstörung) zutreffend ist. Dr. S. hat für den Senat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin eine über eine leichte Beeinträchtigung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hinausgehende Beeinträchtigung vorliegt und deshalb den Einzel-GdB mit 30 bewertet. Es handelt sich damit um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne der AP, Abschnitt 26.3, Seite 48, die Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen erfasst. Soweit Dr. A. aufgrund des Residualsyndroms einer rezidivierenden depressiven Symptomatik, die er den affektiven Psychosekrankheiten zuordnet, von einer schweren Beeinträchtigung der alltäglichen Bewältigungsfähigkeit und der sozialen Anpassungsfähigkeit ausgeht, kann der Senat dies nicht nachvollziehen. Bei der Beschreibung ihres Tagesablaufes hat die Klägerin zwar angegeben, dass sie durch ihre Unterrichtstätigkeit stark belastet sei und nachmittags nach Rückkehr aus der Schule zunächst 90 Minuten schlafen müsse. Danach arbeite sie an Korrekturen oder bereite den Unterricht für den nächsten Tag vor. Drei Mal in der Woche mache sie Bewegungskunst zum Ausgleich, das Abendessen gehe schnell nebenbei, dann lese sie, spiele Klavier oder besuche Vorträge. Häufig gehe sie wegen Erschöpfungserleben früh ins Bett. Dass die Klägerin Mühe hat, sich insbesondere abends bei Vorträgen zu konzentrieren, ist für den Senat durchaus nachvollziehbar, dürfte jedoch für einen Großteil der Bevölkerung gelten und deshalb keine besondere pathologische Bedeutung haben. Wesentliche Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen hat auch Dr. A. bei der Klägerin nicht festgestellt. Der Senat folgt deshalb der Bewertung durch Dr. S. und Dr. K ...

Angesichts der bei der Klägerin vorliegenden Funktionsstörungen auf verschiedenen Fachgebieten und der damit verbundenen Einzel-GdB-Werte kommt nach Auffassung des Senats ein höherer Gesamt-GdB als 40, wie ihn das SG angenommen hat, nicht in Betracht. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich nicht durch das Schielen als solches, sondern durch die dadurch ausgelösten Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen und nachfolgende Erschöpfung beeinträchtigt fühlt. Insoweit besteht eine wesentliche Überlappung mit den Auswirkungen der Störungen auf psychiatrischem Fachgebiet, sodass das SG zu Recht davon ausgegangen ist, dass unter Berücksichtigung der Einzel-GdB-Werte von 20 für das Schielen und die Wirbelsäule sowie des Einzel-GdB-Wertes von 30 für die psychiatrische Störung ein Gesamt-GdB von 40 anzunehmen ist, wobei - wie oben dargelegt - die übrigen Funktionsstörungen, die lediglich einen Einzel-GdB von 10 bedingen, sich nicht erhöhend auswirken.

Die Berufung der Klägerin konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved