L 4 R 23/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 5532/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 23/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. November 2001 bis 31. Oktober 2006 zusteht.

Die am 1953 in Kroatien geborene, verheiratete Klägerin hat ihren Angaben zufolge in ihrer Heimat von 1969 bis 1972 eine Ausbildung als Verkäuferin absolviert. 1973 kam sie in die Bundesrepublik Deutschland und arbeitete hier zunächst als Maschinenarbeiterin bei den N.-Werken und zuletzt seit 1990 als Reinigungskraft. Seit 27. Oktober 1998 war sie arbeitsunfähig (au) krank und bezog seit 08. Dezember 1998 Krankengeld (Krg). Vom 05. Januar bis 02. Februar 1999 nahm sie stationäre medizinische Leistungen zur Rehabilitation in den Fachkliniken H. in Anspruch (Entlassungsbericht des Chefarztes Prof. Dr. H. vom 12. März 1999). Seit 01. April 2000 ist bei ihr nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.

Am 17. März 2000 beantragte sie wegen "Bandscheibenvorfall" seit 27. Oktober 1998 bei der früheren Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz (jetzt Deutsche Rentenversicherung Niederbayern-Oberpfalz [DRVNO], im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) erstmals Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Beklagte veranlasste das am 31. Mai 2000 erstattete Sozialmedizinische Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. R. von der Ärztlichen Untersuchungsstelle der früheren LVA Württemberg, der zu dem Ergebnis gelangte, bei Lumbo-Ischialgien infolge Bandscheibenvorfalls L4/5 und leichten degenerativen Veränderungen sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht wesentlich eingeschränkt. Sie könne leichte bis mittelschwere Arbeiten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel noch vollschichtig verrichten; auch die Tätigkeit als Putzfrau sei insoweit noch vollschichtig möglich. Daraufhin lehnte die Beklagte die Rentengewährung mit Bescheid vom 13. Juli 2000 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsstelle vom 16. Oktober 2000). Am 11. April 2001 beantragte sie erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Als Begründung verwies sie wieder auf einen Bandscheibenvorfall. Die Beklagte veranlasste das am 18. Mai 2001 erstattete Sozialmedizinische Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sc. vom LVA-Zentrum - Sozialmedizin Stuttgart der früheren LVA Württemberg. Dem Gutachter lagen Arztbriefe, u.a. des Neurochirurgen und Anästhesisten/Spezielle Schmerztherapie Dr. K. vom 31. März 1999 und 01. März 2001 vor. Dr. Sc. stellte folgende Diagnosen: Neurotische Entwicklung mit phobischen und depressiven Komponenten, organisch getönte Affektlabilität bei unzweckmäßigem Analgetikakonsum und Somatisierungsstörung mit Projektion vorwiegend auf den Wirbelsäulenbereich. Er gelangte zu dem Ergebnis, aufgrund der aktuellen Befunde sei die Klägerin zu leichten Tätigkeiten ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck sowie ohne überdurchschnittliche Anforderungen an das Konzentrations- und Merkvermögen vollschichtig in der Lage. Mit Bescheid vom 20. Juni 2001 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, bei ihr bestünden dauernde Schmerzen in den linken Lendenwirbeln über die Leiste hinaus bis zur Fußzehe. Aufgrund der sehr starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sei sie nicht mehr in der Lage, eine Beschäftigung auszuüben. Bei der bisherigen medizinischen Beurteilung seien die Befunde des sie behandelnden Schmerztherapeuten Dr. K. nicht berücksichtigt worden. Die Schmerzen seien nicht neurotisch bedingt, vielmehr handle es sich um chronische Schmerzzustände, die ein Arbeiten unmöglich machten. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass sie täglich Medikamente einnehme, deren Dosierung im Jahre 1999 noch habe erhöht werden müssen. Trotz der Einnahme der Schmerzmittel sei sie nur selten in der Lage, ihren Haushalt zu führen. Auch Dr. K. hatte mit am 20. August 2001 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben der Leistungsbeurteilung durch Dr. Sc. widersprochen. Er wies darauf hin, dass bei der Klägerin "ein chronisches Schmerzleiden Stadium III nach Mainzer Schema" vorliege, wofür es korellierende Befunde gebe, die jedoch von Dr. Sc. nicht gewürdigt worden seien. Eine depressive Verstimmung sei bei chronisch schmerzkranken Patienten häufig. Er empfahl die Einholung eines erneuten Gutachtens bei einem Arzt, der die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" habe. Im Hinblick auf die von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahmen des Nervenarztes/Sozialmedizin Dr. L. vom 23. August und 12. September 2001 blieb der Widerspruch erfolglos (Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsstelle vom 16. Oktober 2001).

Am 30. Oktober 2001 erhob die Klägerin deswegen schriftlich Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart. Sie benannte die sie behandelnden Ärzte als Zeugen und verwies auf die Beurteilung im Arztbrief des Dr. K. vom 01. März 2001. Sie legte ihre Krankheitsgeschichte und die erfolglosen Behandlungen dar. Sie habe Schmerzen beim Laufen, Stehen, Sitzen und Liegen. Selbst die Verrichtung der Hausarbeiten sei nur äußerst eingeschränkt möglich. Mit den Ausführungen des Dr. K. habe sich die Beklagte nicht auseinandergesetzt. Es müsse ein Gutachten eingeholt werden, wobei der Gutachter danach auszuwählen sei, dass er die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" führe. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und sozialärztlicher Stellungnahmen des Dr. L. vom 28. Januar und 06. August 2002 entgegen. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. St. vom 25. März 2002, des Orthopäden Dr. F. vom 26. März 2002, des Dr. K. vom 23. Mai 2002 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie P. vom 29. Mai 2002. Ferner holte es von Amts wegen das Sachverständigengutachten des Arztes für Neurochirurgie und Neurologie Dr. W. vom 03. Oktober 2001 ein, der zu Einwendungen der Klägerin noch eine ergänzende Stellungnahme vom 18. November 2002 abgab, sowie auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das schmerztherapeutische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R., Chefarzt der Abteilung für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des K.-O.-Krankenhauses - Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität U. - in S. vom 07. April 2003 und, nachdem sich dazu die Klägerin mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. April und 26. Mai 2003 auch unter Vorlage eines Arztbriefes des Dr. We. vom 20. Februar 2003 und die Beklagte mit einer Stellungnahme des Dr. L. vom 02. Mai 2003 geäußert hatten, dessen ergänzende Stellungnahmen vom 30. Mai und 14. Juli 2003. Im Hinblick darauf, dass Prof. Dr. R. noch ein psychosomatisches Gutachten als unerlässlich erachtet hatte, holte das SG schließlich von Amts wegen das nervenärztliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. Fr. vom 18. Mai 2004 ein, wozu sich die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. August 2004 und die Beklagte mit Schriftsätzen vom 25. Juni und 09. September 2004 auch unter Vorlage einer weiteren Stellungnahme des Dr. L. vom 22. Juni 2004 äußerten. Mit Urteil vom 29. November 2004 verurteilte das SG die Beklagte, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. November 2001 bis 31. Oktober 2006 zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es führte aus, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin noch in der Lage sei, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu beachten seien jedoch zahlreiche qualitative Einschränkungen. Zusätzlich benötige sie nach dem schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten des Dr. Fr. neben der üblichen Mittagspause zwei weitere Pausen von jeweils 15 Minuten Dauer. Diese Leistungseinschränkungen zusammen mit zusätzlichen Pausen stellten eine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dar. Angesichts dieser Leistungseinschränkungen könne nicht davon ausgegangen werden, dass in der sozialen Wirklichkeit Arbeitsplätze vorhanden seien, die der Klägerin tatsächlich noch die Möglichkeit böten, Erwerbseinkommen zu erzielen. Die Beklagte habe auch keine konkreten Tarifverträge benannt, die zusätzlich zur Mittagspause je vormittags und nachmittags weitere Pausen mit einer Dauer von mindestens 15 Minuten erlaubten. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 09. Dezember 2004 zugestellten Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 03. Januar 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Sie trägt vor, die von Dr. Fr. angenommenen zusätzlichen Arbeitsunterbrechungen stellten keine betriebsunüblichen Pausen dar, sondern könnten in den normalen Arbeitsablauf integriert werden, wie das vorgelegte Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19. Februar 2003 (L 2 RJ 1709/02) ergebe. Darin werde ausgeführt, dass bei der Personalbedarfsberechnung in Wirtschaft und Verwaltung die von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandenen persönlichen "Verteilzeiten" mit bis zu 12 vom Hundert (v.H.) der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt würden. Im Geltungsbereich des Tarifvertrags (TV) der Metallindustrie Baden-Württemberg sei eine Erholungszeit von mindestens fünf Minuten pro Stunde festgelegt; dazu komme noch eine Zeit für persönliche Bedürfnisse von nicht weniger als drei Minuten pro Stunde. Wenn man diese Zeiten zusammenrechne, ergebe sich eine zusätzliche Pause von 16 Minuten alle zwei Stunden. Mithin seien die von Dr. Fr. geforderten zusätzlichen zwei Pausen von je 15 Minuten nicht betriebsunüblich, weshalb der Arbeitsmarkt für die Klägerin nicht verschlossen sei und ein Rentenanspruch nicht bestehe. Im Übrigen ergebe sich aus der von ihr eingereichten weiteren Stellungnahme des Dr. L. vom 23. Mai 2005, dass zusätzliche Arbeitsunterbrechungen nicht notwendig seien; diese ergäben sich nicht aus dem körperlichen und psychischen Befund, den Dr. Fr. in seinem Gutachten bei der Klägerin erhoben habe. Die Aussage des Dr. K. in der von der Klägerin eingereichten Bescheinigung vom 25. Januar 2005, wonach bei ihr eine chronische Schmerzerkrankung im Stadium III nach Gerbershagen vorliege und dass Versicherte in diesem Stadium nur noch in 20 v.H. der Fälle in der Lage seien, einer geregelten halbschichtigen leichten Tätigkeit nachzugehen, entbehre jeglicher wissenschaftlicher Grundlage. Das Chronifizierungsstadium von Schmerzerkrankungen korelliere in keiner Weise mit der individuellen Leistungsfähigkeit.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2004 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Die von dem Sachverständigen Dr. Fr. als erforderlich erachteten zusätzlichen Arbeitspausen von jeweils 15 Minuten seien im Arbeitsleben nicht realisierbar, weil sie in diesen Pausen Entspannungs- und Gymnastikübungen durchführen solle. Dies scheitere schon an den örtlichen Gegebenheiten der für sie in Frage kommenden Arbeitsplätze. Die von der Beklagten angeführten persönlichen Verteilzeiten könnten auf die vorstehend angeführten zusätzlichen Pausen nicht angerechnet werden. Die Verteilzeiten seien in der gewerblichen Wirtschaft für Frühstückspause, Toilettenbesuche und sonstige persönlich bedingte Arbeitsunterbrechungen vorgesehen. Während dieser Zeiten könnte sie jedoch die vom Sachverständigen geforderten 15-minütigen Übungen nicht durchführen. Neben der persönlichen Verteilzeit müssten ihr daher die zusätzlichen Pausen gewährt werden. Im Übrigen sei jedoch fraglich, ob dem Sachverständigen Dr. Fr. in der Bejahung ihrer vollschichtigen Leistungsfähigkeit gefolgt werden könne. Insoweit gebe der Schmerztherapeut Dr. K. an, dass sie keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen könne. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie P. schätze die Leistungsfähigkeit ebenfalls mit unter drei Stunden ein. Auch der Sachverständige Prof. Dr. R. nehme eine maximale Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich an, wobei jedoch zwei Stunden als Erholungs- und Entspannungsphasen berücksichtigt werden müssten. Schließlich weise Dr. K. in der vorgelegten Bescheinigung vom 25. Januar 2005 darauf hin, dass sie seit langem bei ihm in Behandlung sei, wobei es bisher jedoch nicht gelungen sei, eine durchgreifende Besserung bei ihr zu erzielen, die eine geregelte Tätigkeit auch nur teilschichtig möglich mache. Sie sei seit etwa sieben Jahren au krank und müsse wegen ihrer Schmerzen starke Schmerzmittel zu sich nehmen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Beklagte damit die von der Klägerin zumindest auch begehrte Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt hat. Nur dieser Anspruch auf Zeitrente war hier noch Streitgegenstand, nachdem sich die Klägerin im Berufungsverfahren darauf beschränkt hat, die Zurückweisung der Berufung der Beklagten zu beantragen. Gegen die teilweise Klageabweisung, soweit es um den Anspruch auf Dauerrente ging, hat sich die Klägerin nicht gewandt.

Das SG hat zu Recht den Anspruch auf Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. November 2001 bis 31. Oktober 2006 bejaht, weshalb der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug nimmt.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren Folgendes noch auszuführen: Auch der Senat stellt fest, dass die Klägerin, der nach § 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Berufsschutz nicht zukommt und die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann, noch in der Lage ist, dort mindestens sechs Stunden pro Tag arbeiten zu können. Dabei sind als qualitative Einschränkungen noch zu berücksichtigen, dass gleichförmige Körperhaltungen, häufiges Bücken, Treppensteigen, überwiegendes Gehen, Stehen oder Sitzen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, Akkord- oder Fließbandarbeiten, Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Nässe oder Zugluft sowie mit besonderer Verantwortung oder besonderer geistiger Beanspruchung nicht zumutbar sind. Ein Leistungsvermögen für derartige Tätigkeiten von nur drei bis sechs Stunden täglich bzw. von weniger als drei Stunden vermag der Senat nicht festzustellen. Die Einschätzung eines nur noch vierstündigen Leistungsvermögens, die Prof. Dr. R. vorgenommen hat, weil bei einer Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden zwei Stunden als zusätzliche Erholungs- und Entspannungsphase notwendig seien, war gerade noch von der für erforderlich gehaltenen Heranziehung eines Psychiaters bzw. der Erhebung eines psychosomatischen Gutachtens abhängig, das dann Dr. Fr. erstattet hat. Soweit die Klägerin zuletzt erneut auf die Bescheinigung des sie schmerztherapeutisch behandelnden Dr. K. vom 25. Januar 2005 verweist, ergibt sich daraus keine weitergehende zeitliche Leistungseinschränkung. Dr. K. geht ebenso wie der Sachverständige Prof. Dr. R. davon aus, dass bei der Klägerin eine chronische Schmerzerkrankung nach Stadium III nach Gebershagen vorliegt. Die Aussage des Dr. K., bei Patienten in diesem Stadium einer chronischen Schmerzerkrankung seien nur noch 20 vom Hundert (v.H.) der Fälle in der Lage, einer geregelten halbschichtigen, leichten Tätigkeit nachzugehen, enthält keine auf die Klägerin konkret bezogene Leistungsbeurteilung. Insoweit schließt sich der Senat der Beurteilung des Sachverständigen Dr. Fr. hinsichtlich des Vorliegens eines mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens an.

Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Fr. auch insoweit, als die Klägerin im Hinblick auf die aus psychiatrischer Sicht vorliegende Schmerzstörung mit Morphinabhängigkeit, die sich aus einer orthopädisch nachvollziehbaren Grundlage entwickelt hat, gegenwärtig bei der mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit zusätzlich zur halbstündigen Mittagspause zwei 15 minütige Pausen für Erholungs- und Entspannungsphasen benötigt, um das erlernte Entspannungstraining durchzuführen. Dabei hat Dr. Fr. durchaus die nur geringen neurologischen Befunde sowie auch ein Aufmerksamkeit suchendes und auch aggravatorisches Verhalten der Klägerin berücksichtigt, das mit einer somatoformen Schmerzstörung häufig verbunden ist und deswegen nicht allein als psychogene Fehlhaltung interpretiert werden kann. Die Notwendigkeit, zwei zusätzliche Pausen von jeweils 15 Minuten einlegen zu können, bedeutet entgegen der Ansicht der Beklagten auch das Vorliegen unüblicher Arbeitsbedingungen, weshalb der Anspruch auf Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung begründet ist. Die Klägerin könnte diese zusätzlichen Pausen nämlich nicht nach § 4 Satz 1 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ohne weiteres beanspruchen. Danach ist die Arbeit durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Auf zusätzliche Pausen, die nicht in § 4 ArbZG vorgesehen sind, besteht kein Rechtsanspruch. Nichts anderes kann aus § 7 ArbZG hergeleitet werden. Danach kann in einem TV oder aufgrund eines TV in Betriebsvereinbarungen abweichend von § 4 Satz 2 ArbZG die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer verteilt werden. Auch hierauf kann die Klägerin nicht verwiesen werden, denn es handelt sich bei § 7 ArbZG um eine Ausnahmeregelung, auf die ebenfalls kein Rechtsanspruch besteht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96). Die Beklagte verweist weiter auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19. Februar 2003 (L 2 RJ 1709/02). Darin führt der 2. Senat aus, dass zusätzliche Arbeitsunterbrechungen von zehn Minuten am Vor- und Nachmittag keine betriebsunüblichen Pausen darstellten, sondern in den normalen Arbeitsablauf intregriert werden könnten, weil bei der Personalbedarfsberechnung in Wirtschaft und Verwaltung die von den Arbeitgebern den Arbeitnehmern zugestandenen persönlichen "Verteilzeiten" (zusätzliche Arbeitsunterbrechungen neben Pausen nach dem Arbeitszeitrecht, z.B. Wege zum Waschraum, zur Kaffeeküche, bewusst oder unbewusst eingelegte Pausen aufgrund eingetretener Ermüdungserscheinungen) mit bis zu zwölf v.H. der tariflich festgesetzten Arbeitszeit angesetzt würden. So sei für den Geltungsbereich des TV der Metallindustrie Baden-Württemberg eine Erholungszeit von mindestens fünf Minuten pro Stunde festgelegt. Dazu komme eine Zeit für persönliche Bedürfnisse (persönliche Verteilzeiten) von nicht weniger als drei Minuten pro Stunde. Rechne man diese Zeiten zusammen, ergebe sich eine zusätzliche Pause von 16 Minuten alle zwei Stunden. Für den Bürobereich würden üblicherweise sieben Minuten pro Stunde kalkuliert. Abgesehen davon, dass auf die Inanspruchnahme von derartigen Verteilzeiten kein Rechtsanspruch besteht, rechtfertigt dies hier nicht die Annahme, dass es für die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konkret zu benennende Tätigkeiten gibt, bei denen sie die geforderten zusätzlichen Pausen zur Durchführung von Entspannungsübungen einlegen kann. Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Klägerin diese konkret einzusetzenden Pausen selbst zusätzlich zu einer Verteilzeit beispielsweise für Wege zum Waschraum, zur Toilette oder zur Kaffeeküche eingeräumt werden müssten. Solche konkreten Tätigkeiten, z.B. aus dem betrieblichen Geltungsbereich des TV der Metallindustrie Baden-Württemberg, die für die Klägerin noch in Betracht kommen, hat die Beklagte nicht benannt. Auch der Senat vermag derartige konkrete Tätigkeiten nicht festzustellen und geht daher davon aus, dass der Klägerin trotz des täglich mindestens sechsstündigen Leistungsvermögens der Arbeitsmarkt derzeit verschlossen ist.

Danach war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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