L 8 AS 5435/05 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 6634/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 5435/05 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart (SG), mit der dieses den auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat.

Der am 01.08.1971 geborene Antragsteller, der bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe bezog, lebt zusammen mit seiner am 20.11.1974 geborenen Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern der Eheleute in einer aus vier Zimmern bestehenden Wohnung mit ca. 80 m2, für die seit 01.05.2004 eine Miete einschließlich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 536,58 EUR zu zahlen ist. Mieter der Wohnung sind die Eltern des Antragstellers, die ebenfalls unter der genannten Wohnanschrift polizeilich gemeldet sind, aber nach Angaben des Antragstellers in der Türkei leben. Ferner wohnt dort auch der Bruder des Klägers, C. C. Der Antragsteller ist Vater eines am 27.08.2002 geborenen nichtehelichen Kindes, für das er Unterhalt (zuletzt 100,00 EUR monatlich) leistet.

Auf den Antrag vom 20.10.2004 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.08.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) in Höhe von monatlich 1.317,58 EUR. Dabei wurden als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller, seine Ehefrau und seine drei ehelichen Kinder berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung bestand für den Antragsteller bei der Württembergischen Lebensversicherung AG eine Kapitallebensversicherung, deren Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile sich zum 31.08.2004 auf 9.878,71 EUR belief und auf die er bis zu diesem Stichtag Beiträge in Höhe von 11.218,76 EUR einbezahlt hatte. Bei diesem Versicherungsvertrag handelt es sich um eine Ausbildungsversicherung, die zum 31.08.2013 abläuft. Eine weitere Kapitallebensversicherung bestand im Oktober 2004 bei der Deutschen Herold Lebensversicherungs-AG. Bei dieser Versicherung belief sich der Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile am 01.09.2004 auf 11.092,64 EUR und die eingezahlten Beiträge betrugen 11.129,73 EUR. Dieser Versicherungsvertrag läuft am 31.12.2018 ab.

Am 13.05.2005 beantragte der Antragsteller die Fortzahlung der Leistungen ab 01.09.2005 und gab an, es seien gegenüber dem Erstantrag keine Änderungen eingetreten. Mit Bescheid vom 11.08.2005 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig, da das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 20.301,00 EUR die Grundfreibeträge von 14.300,00 EUR überschreite. Eine Rückforderung der für die Zeit vom 01.01. bis 31.08.2005 überzahlten Leistungen erfolge voraussichtlich nicht, da nach Aktenlage die Überzahlung nicht vom Antragsteller zu vertreten sei.

Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 18.08.2005 Widerspruch ein und machte geltend, die Kapitallebensversicherung beim Deutschen Herold habe er zwecks Schuldentilgung C. übertragen, sodass sie nicht mehr zu seinem Vermögen gehöre. Er habe im Februar 2003 einen "Telepost Call Shop" als Gewerbe angemeldet und hierfür von der Bundesagentur für Arbeit sechs Monate lang Übergangsgeld erhalten. Außerdem habe er bei seinem Bruder ein Existenzgründungsdarlehen in Höhe von 10.000,00 EUR aufgenommen. Im Gegenzug habe er seine Lebensversicherung an C übertragen, der auch die laufenden Versicherungsprämien bezahle. Nach dem Auslaufen des Übergangsgeldes habe er das Gewerbe wieder abgemeldet, da er nur Verluste gemacht habe. Am 01.11.2003 habe sein Bruder das Geschäft übernommen und hierfür ein Bankdarlehen in Höhe von 10.000,- EUR aufgenommen. Der Telepost Call Shop werde weiterhin von C. betrieben. Als Beleg für seine Angaben legte der Antragsteller neben Kontoauszügen von ihm und C. ein Schriftstück vor, in dem es unter dem Datum vom 19.02.2003 heißt, die Kapitallebensversicherung mit der Nr. 01DB13841062 bei der Deutschen Herold werde mit sofortiger Wirkung zur Schuldentilgung vom Antragsteller auf C. übertragen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2005 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei - für die beiden Versicherungsunternehmen - noch immer Gläubiger der Ansprüche aus den beiden Lebensversicherungen. Im Übrigen gehe der Abtretungsvertrag jetzt ins Leere, da die letzte Kreditrate bereits Mitte 2004 zu zahlen gewesen sei, sodass die Rückübertragung der zur Sicherheit übertragenen Lebensversicherung verlangt werden könne. Das somit zu berücksichtigende Vermögen des Antragstellers von 20.113,84 EUR - die Rückkaufswerte lägen bei über 90% der Einzahlungen - sei höher als der Freibetrag für ihn, seine Ehefrau und die drei Kinder in Höhe von 16.550,00 EUR.

Am 20.10.2005 erhob der Antragsteller Klage zum SG und beantragte gleichzeitig, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ohne Berücksichtigung der Lebensversicherung beim Deutschen Herold als Vermögen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Er habe diese Versicherung im Februar 2003 an C. - nicht nur zur Sicherheit - übertragen, da dieser für ihn die Verpflichtungen aus seinem Darlehen übernommen habe. Der Rückkaufswert stehe ihm daher nicht mehr zu. Mit Beschluss vom 03.11.2005 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Im vorliegenden Fall fehle es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller sei nicht hilfebedürftig, da sein Vermögen den davon abzusetzenden Freibetrag übersteige. Die Rückkaufswerte der beiden Lebensversicherungen seien verwertbares Vermögen des Antragstellers. Trotz der behaupteten Abtretung der Lebensversicherung beim Deutschen Herold sei der Antragsteller nach wie vor Versicherungsnehmer und seine Ehefrau Bezugsberechtigte im Todesfall, sodass er weiterhin nach außen Inhaber des Rückkaufsanspruchs gegen die Versicherungsgesellschaft sei. Abgesehen davon sei das Vorbringen des Antragstellers, er habe die Lebensversicherung an C. abgetreten, nicht überwiegend wahrscheinlich. Ein Anlass für eine Abtretung sei nicht glaubhaft gemacht. So gehe die angegebene Darlehensschuld des Antragstellers aus keiner der vorgelegten Unterlagen hervor und noch im Antrag vom Oktober 2004 habe er beide Lebensversicherungen als seine eigenen angegeben. Die Verwertung der Lebensversicherungen durch den Antragsteller sei auch zumutbar, da sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich und unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebensführung billigerweise zu erwarten gewesen sei. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 10.11.2005 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 12.12.2005, einem Montag, Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Er macht geltend, er habe Anspruch auf die geltend gemachten Leistungen, da sein zu berücksichtigendes Vermögen unter dem Freibetrag liege. Versicherungsnehmer der Lebensversicherung beim Deutschen Herold sei C., was auch im Rechtsverkehr nach außen erkennbar sei. Hierzu legt er den vom Versicherer am 26.10.2005 ausgestellten Versicherungsschein vor, in dem C. als Versicherungsnehmer genannt ist. Er habe C. die Lebensversicherung übertragen, da dieser ein Darlehen aufgenommen und auch zurückgezahlt habe, das er, der Antragsteller, zur Eröffnung seines Call Shops benötigt habe. Er könne daher von C. nicht die Rückübertragung der Lebensversicherung verlangen. Ferner sei die Eintragung von C. als Versicherungsnehmer nicht gleichzeitig mit der Übertragung der Lebensversicherung im Februar 2003, sondern wohl erst nach der Antragstellung im Oktober 2004 erfolgt, sodass er zumindest der Form nach noch Versicherungsnehmer gewesen sei und deshalb beide Versicherungen als seine eigenen angegeben habe. Was die weitere Lebensversicherung anbetreffe, handle es sich um eine Ausbildungsversicherung, die nicht für ihn, sondern für seine Kinder abgeschlossen worden sei. Deshalb sei bereits aus diesem Grund ein höherer Freibetrag anzusetzen. Der Antragsteller legt den diese Versicherung betreffenden Versicherungsschein des Versicherers vom 13.12.2005 vor (Beginn 01.09.1993, Ablauf 31.08.2013, Versicherungsschutz derzeit in Höhe von 12.991,89 EUR). Was die Frage der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anbetreffe, beziehe der Vater des Antragstellers eine Rente in Höhe von etwa 1.000,00 EUR monatlich und seine Mutter habe keine Einkünfte. C. gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft, da er selbstständig und getrennt von ihm wohne und wirtschafte. Im Übrigen seien die beantragten Leistungen vom Antragsgegner nur wegen zu berücksichtigendem Vermögen abgelehnt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Bewilligung der Leistungen aus diesem Grund nicht versagt worden wäre.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. November 2005 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Der Antragsteller habe wegen zu berücksichtigenden Vermögens keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die behauptete Abtretung der Lebensversicherung werde ausdrücklich bestritten. Eine solche sei nicht erfolgt; die Versicherung sei lediglich beitragsfrei gestellt worden. Die Verwertung der Versicherungen stelle auch keine unbillige Härte dar. Ferner sei weiterhin davon auszugehen, dass eine Haushaltsgemeinschaft, zu der auch C. und die Eltern des Antragstellers gehörten, bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten erster und zweiter Instanz und die Akten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht (§ 64 Abs. 3 SGG) eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende. Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Zur Bedarfsgemeinschaft gehören neben dem Antragsteller (erwerbsfähiger Hilfebedürftiger) seine Ehefrau und die Kinder R., E. und A. Nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören die Eltern des Antragstellers und sein Bruder (§ 7 Abs. 3 SGB II).

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Maßgebend ist der Verkehrswert des Vermögens zum Zeitpunkt des Antrags auf Bewilligung oder Wiederbewilligung von Leistungen. Wesentliche Änderungen des Verkehrswertes nach der Antragstellung sind zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 3 SGB II).

Die Lebensversicherungen des Antragstellers bei der Württembergischen Lebensversicherung AG und der Deutschen Herold AG sind als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen. Der Verkehrswert dieses Vermögens übersteigt die der Bedarfsgemeinschaft zustehenden Freibeträge. Die Bedarfsgemeinschaft ist damit nicht hilfebedürftig. Dies folgt bereits aus den zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss. Der Senat schließt sich der vom SG vertretenen Auffassung an. Ergänzend ist auszuführen, dass auch das Vorbringen im Beschwerdeverfahren keine andere Beurteilung rechtfertigt.

Der Vortrag des Antragstellers, die bei der Deutschen Herold AG bestehende Lebensversicherung habe er an seinen Bruder abgetreten, ist unbeachtlich. Nach den Versicherungsbedingungen der meisten Versicherungsgesellschaften ist eine Abtretung von Ansprüchen aus einer Lebensversicherung nur wirksam, wenn sie der Verfügungsberechtigte dem Versicherer schriftlich angezeigt hat (vgl Römer/Langheid, Versicherungsvertragsgesetz 2. Aufl. 2003, Rn 26). Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller weder seinen Vertrag mit der Versicherungsgesellschaft vorgelegt noch eine ggf. erforderliche Abtretungsanzeige. Der Bescheinigung der Deutschen Herold AG vom 26.10.2005 lässt sich lediglich entnehmen, dass zwischenzeitlich der Bruder des Antragstellers als Versicherungsnehmer der bei dieser Versicherungsgesellschaft bestehenden Lebensversicherung bezeichnet wird. Auf eine Ergänzung des insoweit unvollständigen Vortrags des Antragstellers kann hier allerdings verzichtet werden.

Sollte eine Abtretung der Forderung aus dem Lebensversicherungsvertrag an den Bruder nur unter Vorbehalt oder nur zum Schein erfolgt sein, wäre sie nach den §§ 116, 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig, sollte eine (offene) Abtretung nach dem 31.12.2004 erfolgt, wirklich gewollt und rechtlich wirksam sein, hätte sich der Antragsteller gezielt unvermögend gemacht, um Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu erlangen. In beiden Fällen muss die Versicherung als verwertbares Vermögen des Antragstellers iSd § 12 Abs. 1 SGB II angesehen werden. Ist davon auszugehen, dass die Abtretung als stille Zession bereits vor der Antragstellung erfolgte und wäre eine derartige Abtretung nach den geltenden Bestimmungen des Versicherungsvertrages tatsächlich wirksam, finden die vom SG dargelegten Grundsätze zur so genannten verdeckten Treuhand Anwendung. Die Rechtsauffassung des SG, dass derjenige, der als Treuhänder den Rechtsschein erzeugt, Inhaber eines Vermögens zu sein, sich bei der Bedürftigkeitsprüfung durch die Leistungsträger des SGB II an diesem Rechtschein festhalten lassen muss, entspricht der Rechtsprechung des Senats.

Der Verwertbarkeit der bei der Württembergischen Lebensversicherungs-AG bestehenden Versicherung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich dabei um eine so genannte Ausbildungsversicherung handelt. Eine Ausbildungsversicherung ist eine Kapitallebensversicherung, die für die Kosten einer späteren Ausbildung aufkommen soll. Sie unterscheidet sich von einer sonstigen Lebensversicherung lediglich dadurch, dass die Versicherungssumme geringer ist, diese aber meist zu Beginn eines Studiums oder einer anderen Berufsausbildung fällig wird. Der Anspruch aus dieser Versicherung steht dem Versicherungsnehmer, d.h. dem Antragsteller zu, auch wenn durch die gesparte Summe ein Dritter (Kind) begünstigt werden soll. Es handelt sich damit nur um eine bestimmte Form der Geldanlage. Ein als bezugsberechtigt bezeichneter Dritter erwirbt, wenn der Versicherungsnehmer nichts Abweichendes bestimmt, das Recht auf die Leistung des Versicherers erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalls (§ 159 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz).

Die Verwertung der Lebensversicherungen ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich iSd § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II. Davon kann nur gesprochen werden, wenn der dadurch erlangte bzw. zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des verwerteten bzw. zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht oder stehen würde. Das mit der Sparform der Kapitallebensversicherung verbundene Risiko, bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages größere Einbußen hinnehmen zu müssen, trägt in Fällen der vorliegenden Art der Hilfebedürftige (vgl. zu der entsprechenden Vorschrift im Recht der Arbeitslosenhilfe BSG 14.09.2005 - B 11a/11 AL 71/04 - m.w.N.). Der Antragsteller hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass bei einer Verwertung der Lebensversicherungen zum Zeitpunkt der Antragstellung (13.05.2005) ein deutliches Missverhältnis zwischen der Höhe der eingezahlten Beiträge und dem Rückkaufswert einschließlich der Überschussbeteiligungen besteht.

Ebenso wie das SG ist der Senat der Ansicht, dass der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1a SGB II nur greift, wenn das Kind auch Vermögen hat. Er kann nicht den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet werden (Adolph in Linhardt/Adolph SGB II SGB XII AsylbLG Stand Juni 2005 § 12 Rn 13).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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