L 11 R 1499/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1318/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1499/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1968 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit hat seinen Angaben zufolge keinen Beruf erlernt. Von September 1985 bis März 1994 war er als (ungelernter) Maschinenarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt, danach aufgrund eines massiven Bandscheibenvorfalls ab dem 30.08.1994 arbeitsunfähig erkrankt. Er erhielt deswegen bis zum 13.12.1995 Krankengeld. Bis einschließlich 06.09.1997 bezog der Kläger Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Danach war er erneut vom 09.02. bis 18.05.2001 bei der Firma D. P. und vom 11.07. bis 12.09.2001 bei der Firma R. P. GmbH in A. versicherungspflichtig beschäftigt. Ein letzter Pflichtbeitrag wurde am 12.09.2001 entrichtet. Der Grad der Behinderung des Klägers nach dem Schwerbehindertengesetz beträgt ab 30.09.1998 60, bei ihm ist das Merkzeichen "G" anerkannt (Anerkenntnis im Berufungsverfahren L 11 SB 3240/00).

Sein erster am 01.08.1995 gestellter Antrag auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit blieb erfolglos (Bescheid vom 30.08.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.1997), bestätigt durch Urteil des Sozialgerichts Ulm - SG - vom 10.02.1998 (S 10 RJ 990/97) und Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 24.02.2000 (L 11 RJ 1290/98). Der Kläger leide im wesentlichen an degenerativen Veränderungen in den Segmenten L1/2 und L5/S1 bei Zustand nach Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 und diskreten Residuen in Form eines abgeschwächten Achillessehnenreflexes links sowie einem chronischen Schmerzsyndrom mit situativ demonstrativer Ausgestaltung, ferner einer obstruktiven Blasenentleerungsstörung bei Blasenhalssklerose und einer sogenannten instabilen Blase ohne Nachweis einer entsprechenden neurogenen Blasenstörung. Dies stünde einer körperlich leichten vollschichtigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung nicht entgegen. Dem nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. Z.-B., der Kläger könne selbst leichteste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr verrichten und nur noch Wegstrecken bis 100 m zurücklegen, wurde insbesondere wegen der nicht berücksichtigten Aggravationstendenzen sowie der funktionellen Überlagerung der demonstrierten Funktionseinschränkungen nicht gefolgt. Die Nichtzulassungsbeschwerde B 13 RJ 65/00 B dagegen wurde zurückgenommen.

Ein zweiter, am 07.06.2000 gestellter Rentenantrag wurde nach orthopädischer und neurologisch-psychiatrischer Begutachtung durch die Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2001 abgewiesen. Der Kläger könne mit den Diagnosen einer Fehlhaltung und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ohne muskuläres Defizit der betroffenen Seite bei seitengleich entwickelter Muskulatur, funktioneller Beschwerdeausgestaltung ohne Anhalt für gravierende psychiatrische Erkrankung, Periarthropathie des linken Schultergelenks ohne Funktionsminderung und Blasenentleerungsstörung mit Restharn noch vollschichtig erwerbstätig sein.

Seinen dritten Rentenantrag vom 09.05.2001 lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 21.06.2001 mit der Begründung ab, im maßgeblichen Zeitraum vom 09.05.1996 bis 08.05.2001 seien nur ein Jahr und neun Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt, so dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfülle.

Auf seinen Widerspruch stellte die Beklagte weitere Versicherungszeiten fest und veranlasste daraufhin eine nervenfachärztliche und orthopädische Begutachtung des Klägers nach ambulanter Untersuchung. Der Chirurg Dr. G. führte aus, der Kläger habe sich wegen eines sequestrierten Bandscheibenvorfalles bei L5/S1 mit sich schließlich entwickelnder Cauda-Symptomatik mit Blasenlähmung 10/94 einer Nukleotomie im Segment L5/S1 unterzogen. Danach sei er nie mehr beschwerdefrei geworden und klage jetzt über erhebliche Lumboischialgien, Gangstörungen, sensible Störungen und Blasenentleerungsstörungen. Bei der Untersuchung der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte fände sich eine deutlich schmerzhafte Einschränkung der Entfaltbarkeit, auch der Seitneigung, die HWS sei weitgehend frei beweglich. Insgesamt ließe sich keine wesentliche Verschlechterung im Vergleich zu früheren Untersuchungen nachweisen, die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei jedoch weiterhin deutlich gemindert. Bei der Diagnose eines Postnukleotomiesyndroms mit beidseitigen Lumboischialgien und Funktionseinschränkung sowie einer leichten Hüftdysplasie beidseits mit beginnender Dysplasie-Coxarthrose, bislang noch ohne Funktionseinschränkungen, könne der Kläger noch leichte Arbeiten vollschichtig in wechselnder Körperhaltung verrichten. Die Nervenärztin Dr. S. beschrieb noch zusätzlich eine funktionelle Beschwerdeüberlagerung, teils bewusstseinsnah, teils im Sinne von konversionsneurotischen Mechanismen (Persönlichkeitsvariante mit Anpassungsschwierigkeiten). Ihrer Auffassung nach könne er damit noch leichte Tätigkeiten vollschichtig ohne einseitige Körperhaltung und ohne Bücken verrichten. Der Kläger habe den Plan gefasst, wiederum ins Klageverfahren zu gehen, falls dieser Rentenantrag erneut abgelehnt werde. Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2002 den Widerspruch unter Hinweis darauf, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien, zurück.

Auf seine dagegen erneut beim SG erhobene Klage erhob das Gericht zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes Beweis durch Einholung sachverständiger Zeugenaussagen und neurologische, psychiatrische sowie neurochirurgische Gutachten.

Der Internist Dr. R., der den Kläger seit 16.05.1991 behandelt, vertrat die Auffassung, dass der Kläger bei einem Zustand nach Bandscheiben-Operation links L5/S1 mit Narbenbildung sowie einer Blasenentleerungsstörung, die zu einem chronischen Schmerzsyndrom geführt hätten, nicht mehr in der Lage sei, auch nur stundenweise einer beruflichen Tätigkeit mit leichten Arbeiten nachzugehen. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei weiter durch die starken Schmerzmedikamente eingeschränkt, infolge der hochdosierten medikamentösen Behandlung habe sich auch eine leichte toxische Leberschädigung ausgebildet. Der Orthopäde Dr. H., der den Kläger seit 1999 behandelt, berichtete über eine höchstgradige Verminderung der Belastbarkeit der Wirbelsäule, so dass auch seiner Auffassung nach der Kläger nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Der Allgemeinmediziner Dr. S. schloss sich dieser Auffassung an, berichtete zusätzlich über eine limitierte Gehstrecke sowie eine Kompression der Nervenwurzel, die narbig deformiert sei. Der Neurochirurg Prof. Dr. H., bei dem eine operative Behandlung zur Entfernung von Narbengewebe geplant war, vertrat ebenfalls die Auffassung, dass derzeit leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig nicht zumutbar seien, jedoch das Ergebnis der Operation abgewartet werden müsse.

Der nervenärztliche Sachverständige, der Neurologe und Psychiater Dr. K., berichtete über eine fixierte Lumboischialgie mit einem alten S1-Syndrom links, nachgewiesen durch einen abgeschwächten Achillessehnenreflex links sowie geringgradig ausgeprägte Veränderungen mit chronisch neurogenen Veränderungen im Kernmuskel der Wurzel S1 links, einen Verdacht auf postoperatives Narbengewebe bzw. einen Rezidivbandscheibenvorfall, eine Retrolistese LWK 5/SWK 1 sowie ein funktionell ausgestaltetes Schmerzsyndrom mit Fehlverarbeitung. Der Kläger befinde sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand, sein Körperbau sei als athletisch zu bezeichnen. Im Zeitverlauf ließe sich keine wesentliche Befundverschlechterung außer den geklagten Beschwerden darstellen. Es fände sich eine ausgeprägte Aggravationstendenz, weiterhin sei auffallend, dass keinerlei funktionelle Behandlung durchgeführt werde. Bei der Untersuchung hätten sich dann normale Befunde gefunden, wenn der Untersuchungsablauf anders als gewohnt gestaltet werde. Seiner Auffassung nach könne der Kläger daher noch täglich sechs Stunden arbeiten, wobei er weder schwere Gewichte heben könne, auch zugfrei arbeiten solle und vermehrte Arbeitspausen sinnvoll seien. Prinzipiell sei der Kläger auch in der Lage, täglich viermal 500 m zu Fuß zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen.

Der Psychiater Dr. G., der an den Extremitäten keine Atrophie sowie im Mukeltonus keine zentralen oder peripheren Paresen feststellte, beschrieb eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei lumbosakralem Postdiscektomiesyndrom. Seiner Auffassung nach sei der Kläger zur Zeit nicht in der Lage, auch nur stundenweise einer beruflichen Tätigkeit mit leichten Arbeiten nachzugehen, da andauernde drückende Schmerzen im Bereich der LWS mit Ausstrahlung in das linke Bein bestünden und die Leistungsfähigkeit zudem durch die regelmäßige Einnahme von verschiedenen Schmerzmitteln stark eingeschränkt sei. Auch die Stresstoleranz, die Umstellungsfähigkeit und das Durchhaltevermögen wären deutlich eingeschränkt. Unter psychischer Behandlung werde sich aber das Leistungsvermögen erheblich verbessern.

Mit Beschluss vom 15.04.2004 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens wegen der Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme an, die in der Zeit vom 30.03.2004 bis 27.04.2004 durchgeführt wurde.

Ausweislich des Entlassungsberichts der P.-Klinik B. N. wurde der Kläger mit den Diagnosen 1. Bandscheiben-Reprolaps L5/S1 links mit begleitendem Postnukleotomiesyndrom, 2. Bandscheibenprolaps L1/2, aktuell nicht radikulär und 3. Verdacht auf funktionelles Schmerzsyndrom mit Fehlverarbeitung als leistungsfähig für leichte Arbeiten maximal fünfstündig unter Vermeidung von ständigem Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ständigen Zwangshaltungen sowie Klimabelastungen wie Kälte, Nässe, Zugluft entlassen. Empfohlen werde eine operative Revision L5/S1, natürlich sei dies kein duldungspflichtiger Eingriff. Ergänzend wurde mitgeteilt, dass der Kläger jegliche psychologische Intervention sofort abgelehnt habe.

In dem daraufhin veranlassten Gutachten diagnostizierte der Neurochirurg Prof. Dr. H. 1. die Ausräumung eines frei perforierten Bandscheibenvorfalls in Höhe L5/S 1 von links im Jahre 1994, 2. kernspintomographisch wiederholt dargestellte Verwachsungen im Bereich der Wurzel S1 links bei Verdacht auf Rezidivvorfall, 3. eine Retrolisthese L 5/S 1, 4. einen Bandscheibenvorfall in Höhe L 1/L 2 mit grenzwertiger Spinalkanaleinengung sowie 5. ein psychisch überlagertes chronisches Schmerzbild lumbal. Die empfohlene Operation (Revision des Operationsgebietes mit nachfolgender Stabilisierung der Wirbelsäule in dieser Höhe) sei offenbar nicht durchgeführt worden. Die bildgebenden Verfahren erklärten ausreichend die glaubhaften Beschwerden, auf die der Kläger verstärkt hinweise. Er sei aber noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes drei bis sechs Stunden durchzuführen, wobei Heben, Tragen und Schieben von Lasten, das Arbeiten auf Gerüsten und in stereotyper Körperhaltung sowie an zugigen Orten (Verspannung der Muskulatur) ebenso wie das Führen von Kraftfahrzeugen oder ähnlichen Geräten vermieden werden sollten. Die Gehstrecke sei nach seinen Angaben auf 100 m limitiert, was angesichts der Schmerzen glaubhaft sei. Allerdings könne dem Kläger die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet werden. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe seit Mai 2001.

Hierauf anerkannte die Beklagte mit Schreiben vom 11.10.2005, dass der Kläger seit Ende der Rehabilitationsmaßnahme in der P.-Klinik B. N. am 27.04.2004 nur noch drei bis unter sechs Stunden auf Zeit bis 31.12.2006 leistungsfähig sei. Eine Rentengewährung sei dennoch nicht möglich. Unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 27.04.2004 (Ende der Rehabilitationsmaßnahme) lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente nicht vor, da im dann maßgebenden Zeitraum vom 01.04.1996 bis 26.04.2004 lediglich 25 Monate Pflichtbeiträge enthalten seien. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen würden zuletzt bei dem Eintritt eines Leistungsfalles bis zum 30.04.2003 erfüllt. Sie hat hierzu eine ärztliche Stellungnahme von Dr. D. vorgelegt, wonach zum Zeitpunkt 4/03 keine entsprechenden Befunde nervenärztlicherseits vorgelegen hätten, die bei ausgeprägten Aggravationstendenzen und Situationsabhängigkeit eine quantitative Leistungsminderung zu einem früheren Zeitpunkt bereits rechtfertigen könnten.

Mit Urteil vom 23.01.2006, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 13.03.2006, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, unter der Annahme eines Versicherungsfalles vom 27.04.2004 habe der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, da er in dem maßgebenden Zeitraum vom 01.04.1996 bis 26.04.2004 lediglich 25 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt habe. Das Gericht sei aber bereits vom Eintritt eines Leistungsfalles nicht überzeugt. Denn der Rehabilitationsentlassungsbericht könne dies nicht zwingend stützen. Die dort beschriebenen funktionellen Einschränkungen rechtfertigten noch keine Leistungsminderung des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter sechs Stunden täglich. Auch wenn das Gutachten des Neurochirurgen Prof. Dr. H. einen früheren Leistungsfall nahelege, so vermöge das Gericht seine Überzeugung darauf nicht zu stützen, denn dieses habe sich mit den meisten Vorgutachten nicht auseinandergesetzt, welche überzeugend und schlüssig ein Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes begründeten. Lediglich Dr. G. habe eine Leistungsminderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten gesehen, ohne dass jedoch seine Einschätzung mit den von ihm festgestellten objektiven Funktionseinschränkungen korreliert habe. Dies sei auch für das Gutachten von Prof. Dr. H. festzustellen, der hierfür keine belastbare Begründung geliefert habe.

Mit seiner dagegen am 24.03.2006 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, das Gericht habe sich über das überzeugende Gutachten von Prof. Dr. H. hinweggesetzt. Dieser habe sich mit den widersprechenden Angaben in den Vorgutachten auseinandergesetzt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass er (der Kläger) seit Mai 2001 erwerbsunfähig sei. Hierbei könne auch nicht unbeachtet bleiben, dass das Gutachten zu einem Anerkenntnis der Beklagten, wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt geführt habe, welcher aber willkürlich festgelegt worden sei. Es sei die Annahme begründet, dass derjenige, der aus einer Rehabilitationsmaßnahme als erwerbsunfähig entlassen werde, dies mit Sicherheit auch zuvor gewesen sei. Dies werde auch durch das Vorgutachten von Dr. Z.-B. bestätigt. Tatsächlich sei er aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Das habe auch der Gutachter Dr. T. in dem Untersuchungstermin bestätigt, niemand werde ihn einstellen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Januar 2006 sowie den Bescheid vom 21. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ab 01. Juni 2001 zu gewähren, hilfsweise Frau S., zu laden über die Bundesagentur für Arbeit - Außenstelle S. G. -, zum Beweis der Tatsache zu hören, dass er unvermittelbar sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass sie zu keinem Zeitpunkt ein Anerkenntnis darüber abgegeben habe, dass der Kläger Anspruch auf Erwerbsminderungsrente habe. Soweit auf das Vorgutachten von Dr. Z.-B. aus dem Jahr 1999 verwiesen werde, so habe das LSG mit Beschluss vom 24.02.2000 rechtskräftig festgestellt, dass es sich dieser Leistungsbeurteilung nicht anschließe und deswegen ein Anspruch auf Rente bis zu diesem Zeitpunkt nicht bestanden habe.

Zur weiteren Aufklärung der Sachverhaltes hat der Senat ein nervenärztliches Gutachten bei dem Neurologen und Psychiater Dr. H. eingeholt und den Kläger anschließend auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 SGG begutachten lassen.

Dr. H. hat (unter Berücksichtigung einer am 22.02.2006 durchgeführten Kernspintomographie der LWS sowie eines CT’s der Bandscheiben LWS vom 19.07.2006) einen fehlenden Achillessehnenreflex als Folge der Bandscheibenoperation im Segment L5/S1 sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung leichter bis mäßiger Ausprägung begleitet von einer leichten depressiven Symptomatik diagnostiziert. Der sich in altersentsprechend gutem Allgemeinzustand befindliche Kläger sei seiner Auffassung nach noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig durchzuführen, wobei Arbeiten in einseitiger Körperhaltung ebenso wie das Heben und Tragen schwerer Lasten oder in Zwangshaltungen nicht mehr zumutbar seien. Dies gelte auch für Tätigkeiten verbunden mit erhöhter Verantwortung bzw. besonderer (hoher) geistiger Beanspruchung, unter besonderem Zeitdruck, mit erhöhtem Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie Überwachung von komplexeren Arbeitsvorgängen. Bei dem Kläger hätten sich weder Lähmungen noch Muskelatrophien, sondern eine seitengleich kräftig ausgebildete Muskulatur gezeigt. Sein Gangbild sei flüssig, mittelschrittig mit ausreichendem Mitschwingen der Arme und flüssigen Drehbewegungen gewesen. Auch das Treppensteigen und die Spontanmotorik wären unauffällig gewesen. Während der mehrstündigen Exploration und Untersuchung hätte der Kläger über längere Zeit stillsitzen können, entlastende Körperbewegungen oder Aufstehen seien nicht notwendig gewesen. An- und Auskleiden sei ihm zügig und ohne fremde Hilfe möglich gewesen. Auch das Bücken zum Auf- und Zuschnüren der Schuhe sei unter Benutzung beider Hände problemlos möglich gewesen. Hinweise für ein vermindertes Durchhaltevermögen oder Umstellungsfähigkeit hätten sich während der mehrstündigen Exploration und Untersuchung nicht gefunden, so dass er sich weder dem Gutachter Dr. G. noch Prof. Dr. H. anschließen könne.

Der Neurologe und Psychiater Dr. T. führte in seinem nach § 109 SGG erstatteten Gutachten aus, der Kläger könne in flottem Tempo die Untersuchungsräume wechseln, auffällige Einschränkungen bei Alltagstätigkeiten (z.B. An- und Ausziehen ohne Hilfestellung) seien nicht festzustellen. Die Muskulatur sei kräftig und seitengleich ausgebildet, somit lägen keine Muskelatrophien vor. Er diagnostizierte eine somatoforme Schmerzstörung, eine Anpassungsstörung sowie ein Postnukleotomie-Syndrom. Trotz der sehr wahrscheinlich übertriebenen Schmerzen könne er noch einfache Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten, wobei er sicherlich einen Wiedereinstieg in das Arbeitsleben benötige. Die zumutbaren Wegstrecken könne der Kläger noch bewältigen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die beigezogenen Akten L 11 RJ 1290/98 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und damit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid vom 21.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Sachverhalt ist aufgeklärt, insbesondere bedurfte es einer Vernehmung der für den Kläger zuständigen Sachbearbeiterin der Bundesagentur für Arbeit nicht. Der Senat konnte für wahr unterstellen, dass der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen für die Arbeitslosenversicherung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, gerade in Anbetracht der hohen Arbeitslosenzahlen für Geringqualifizierte wie den Kläger, gegenwärtig nicht vermittelbar ist.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung in der hier anzuwendenden ab 01.01.2001 gültigen Fassung (§§ 300, 99, 302b Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Zwar erfüllt er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, wie sich aus dem vorgelegten Versicherungsverlauf vom 29.05. 2005 ergibt, und danach zuletzt bis zum 30.04.2003, er ist jedoch weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist er vielmehr in der Lage, zumindest leichte Arbeiten unter Vermeidung von einseitiger Körperhaltung, Heben und Tragen schwerer Lasten, Arbeiten in Zwangshaltungen oder verbunden mit häufigem Heben und Bücken, erhöhter Verantwortung bzw. besonderer (hoher) geistiger Beanspruchung, unter Zeitdruck, mit erhöhtem Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie mit Überwachung von komplexeren Arbeitsvorgängen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Damit ist der Kläger nicht erwerbsgemindert. Das hat das SG im angefochtenen Urteil ausführlich begründet dargelegt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und nimmt auch insoweit auf die Entscheidungsgründe Bezug.

Aus dem Umstand, dass die Beklagte erstinstanzlich mitgeteilt hat, dass sie das Vorliegen von Erwerbsminderung anerkenne, ergibt sich nichts anderes, insbesondere bestand keine Notwendigkeit, ausgehend hiervon lediglich noch den Eintritt des Leistungsfalls festzustellen. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, dass keine Bindungskraft aus dieser Mitteilung erwächst. Denn sie hat keinen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente anerkannt.

Ergänzend ist weiter auszuführen, dass auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren zu keinem anderen als von dem SG festgestellten Ergebnis geführt haben. Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf das überzeugende und in sich schlüssige Gutachten von Dr. H ... Danach hat die 1994 durchgeführte Bandscheibenoperation lediglich noch zu einem fehlenden Achillessehnenreflex geführt, was auf die Schädigung S 1 hinweist. Mithin besteht kein auffälliges neurologisches Defizit. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird dadurch belegt, dass die sonstigen Muskeleigenreflexe an Armen und Beinen seitengleich auslösbar waren. Lähmungserscheinungen, Muskelatrophien oder trophische Störungen an den Extremitäten waren ebenfalls nicht nachzuweisen. Auch Dr. T. hat deswegen bekundet, dass es keinen objektiven Grund für den Kläger gibt, eine Gehhilfe zu benutzen. Dieses neurologische Krankheitsgeschehen wird überlagert durch die mittlerweile im Vordergrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen stehende anhaltende somatoforme Schmerzstörung, begleitet durch eine leichte depressive Symptomatik. Letztere ist nicht von gravierendem Ausmaß, da die Stimmung des Klägers während der Exploration und Untersuchung im wesentlichen ausgeglichen und die affektive Schwingungsfähigkeit ebenso erhalten war wie der Antrieb und die Psychomotorik. Defizite im Hinblick auf Konzentration und Mnestik waren ebenfalls klinisch nicht fassbar. Im wesentlichen hat sich der bereits von dem Vorgutachter Dr. K. vorgefundene Eindruck, dass sich bei der Untersuchung normale Befunde gezeigt hätten, wenn der Untersuchungsablauf andern als gewohnt gestaltet werde, bestätigt. Beispielsweise war die Spontanmotorik unauffällig, der Kläger konnte während der mehrstündigen Exploration und Untersuchung über längere Zeit stillsitzen ohne dass entlastende Körperbewegungen oder Aufstehen erforderlich gewesen wären. Sowohl das Gangbild wie auch das Treppensteigen waren unauffällig. Selbst An- und Auskleiden gelang ihm zügig und ohne fremde Hilfe, teils im Stehen, teils im Sitzen, wobei das Bücken zum Auf- und Zuschnüren der Schuhe unter Benutzung beider Hände unproblematisch möglich war. Auch in der Untersuchungssituation durch Dr. T. wurde dieser Eindruck in vollem Umfang bestätigt. Für die Richtigkeit des Gutachtens spricht weiter, dass der Kläger in seinem alltäglichen Leben nicht so eingeschränkt ist, dass er nicht einen großen Freundes- und Bekanntenkreis mit gegenseitigen Besuchen pflegen kann, über einen strukturierten Tagesablauf verfügt, seinen Hobby’s (insbesondere Bücher lesen) nachgehen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 17.04.2007 L 11 R 4066/06) wird aber der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. All dies belegt auch zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger durch das Schmerzgeschehen nicht so eingeschränkt sein kann, wie er dies den Gutachtern gegenüber geschildert hat. Der Senat konnte sich deswegen weder der abweichenden Einschätzung von Dr. G. noch von Prof. Dr. H. anschließen, zumal sich keine Hinweise für ein vermindertes Durchhaltevermögen oder eine fehlende Umstellungsfähigkeit gezeigt haben. Das hat im wesentlichen auch der nach § 109 SGG angehörte Sachverständige Dr. T. bestätigt.

Weiter ist über die bekannte eingeschränkte Wegefähigkeit (Merkzeichen "G") hinaus von einer rentenrechtlich relevanten Limitierung der Wegefähigkeit, wie diese insbesondere von Prof. Dr. H. beschrieben wird, nicht auszugehen. Weder neurologische Ausfälle noch das Ausmaß der Schmerzen können das objektiv begründen. Der Kläger hat Dr. H. gegenüber geschildert, dass er als Freizeitbeschäftigung zwanzig bis dreißig Minuten laufen könne. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, warum dann ein Arbeitsweg nicht möglich sein soll.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet nach § 240 SGB VI schon deswegen aus, weil der Kläger aufgrund seines Lebensalters die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt.

Schließlich war dem Kläger auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle des Klägers ist keiner dieser Fälle gegeben.

Die gegenwärtige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95 -). Das Risiko, dass der Kläger keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz fand, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).

Nach alledem war deshalb die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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