L 12 AS 6027/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3880/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 6027/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.10.2006 wird dahingehend abgeändert, dass der Beklagte lediglich zur Übernahme von weiteren Heizkosten für die Heizperiode 2005/2006 in Höhe von 788,17 EUR verurteilt wird.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren zur Hälfte zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten für die Anschaffung von Brennholz als Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.

Der 1953 geborene erwerbsfähige Kläger wohnt mit seiner ebenfalls erwerbsfähigen Ehefrau und vier gemeinsamen Kindern zur Miete in einem alten Bauernhaus, welches nur eine lücken- und mangelhafte Wärmeisolierung aufweist. Das Haus mit einer Wohnfläche von ca. 180 qm wird mit Einzelöfen, einem Kaminofen sowie einem Heizherd beheizt, welche alle mit Holz befeuert werden. Im Badezimmer (ein weiteres Badezimmer ist nicht nutzbar) wird das Wasser über einem Warmwasserofen erhitzt. Zum Kochen wird hauptsächlich ein Elektroherd verwendet. Die monatliche Miete des Hauses beträgt seit 1993 unverändert 800,00 DM/409,03 EUR. Der Kläger hat bis Ende Januar 2005 Arbeitslosengeld in Höhe von 299,32 EUR wöchentlich bezogen.

Auf seinen Antrag vom 19.12.2004 wurde der Bedarfsgemeinschaft des Klägers mit seiner Ehefrau und seinen drei 1992 und 1997 geborenen Töchtern ab Februar 2005 Arbeitslosengeld II und ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II gewährt, wobei hinsichtlich der Kosten der Unterkunft lediglich die Kaltmiete berücksichtigt worden ist. Der 1986 geborene Sohn, der als Koch arbeitet, wurde nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen.

Zwecks Beheizung seines Bauernhauses erhielt der Kläger am 20./21.05. und am 11.06.2005 Buchenholzlieferungen (ofenfertig) mit einem Volumen von 36 m3 zu einem Preis von insgesamt 2.100,00 EUR. Die Rechnung legte er bei der Beklagten vor (vgl. Bl. 67 f. der Verwaltungsakten).

Am 15.06.2005 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II für den Bewilligungsabschnitt ab dem 01.07.2005.

Mit Bescheid vom 12.07.2005 wurden der Bedarfsgemeinschaft des Klägers für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.10.2005 Leistungen i. H. v. 1.163,81 EUR und für die Zeit vom 01.11. bis zum 30.11.2005 i. H. v. 1.155,94 EUR bewilligt, in denen ein Sozialzuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 79,33 EUR enthalten war. Hierzu gab der Beklagte an, dass entsprechend den vorgelegten Nachweisen für Müll-, Wasser- und Abwassergebühren und den Schornsteinfeger die entsprechenden Kosten in der Bewilligung enthalten seien. Demgegenüber könne der Einkauf von Brennholz außerhalb der Heizperiode nicht gefördert werden. Seinen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass der Einkauf von Brennholz außerhalb der Heizperiode erfolge, weil das Holz dann billiger sei.

Mit Änderungsbescheid vom 11.10.2005 half der Beklagte anderen Widersprüchen des Klägers ab, beharrte jedoch auf seiner Auffassung, dass die Anschaffung von Brennholz außerhalb der Heizperiode nicht erstattungsfähig sei. Dies führte zu einer Gewährung von Leistungen für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.10.2005 i. H. v. 1.198,89 EUR und für die Zeit vom 01.11. bis zum 30.11.2005 i. H. v. 1.196,92 EUR monatlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, weil der Bescheid den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Die mit dem Änderungsbescheid verfügte höhere Bewilligung von Leistungen beruhe darauf, dass von Seiten des Beklagten irrtümlich eine Einkommensanrechnung über den 30.06.2005 aus der geringfügigen Beschäftigung der Ehefrau vorgenommen worden sei; insofern erfolge eine Nachzahlung an den Kläger. Die Anschaffungskosten für Brennholz sah der Beklagte weiterhin als nicht erstattungsfähig an. Heizkosten seien nur innerhalb der Heizperiode erstattungsfähig. Diese beginne immer am 1. Oktober eines Jahres und ende am 30. April des darauffolgenden Jahres. Im Übrigen wird auf die Berechnung des Beklagten gemäß Bl. 131 f. der Verwaltungsakten verwiesen.

Der Kläger hat am 14.11.2005 über seine Bevollmächtigten Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Der Heizungsaufwand des Bauernhauses des Klägers sei besonders hoch, weil dieses schlecht isoliert sei. Da das Haus aufgrund seiner Lage nachts immer empfindlich abkühle, sei teilweise eine durchgängige Heizung des Hauses erforderlich. Hierfür benötige der Kläger 36 m3 Brennholz im Jahr. Es sei auch allgemein üblich, dass Brennholz ca. zwei Jahre lagern müsse, um zu trocknen. Der für die Feuerpolizei zuständige Bezirksschornsteinfegermeister, Herr S., sei aus umwelttechnischen Gründen ebenfalls der Ansicht, dass keinesfalls frisches Brennholz verbrannt werden dürfe, sondern nur abgelagertes trockenes Holz zur Beheizung verwendet werden dürfe. Der Kläger verfüge hierzu eigens über einen Schuppen, in welchen dieses Brennholz eingelagert werden könne. Der Kläger habe sich bei mehreren Firmen erkundigt und das Brennholz schließlich bei Herrn Daniel B. bestellt, da dieser das Holz am billigsten angeboten habe. Brennholz werde üblicherweise im Frühjahr eingekauft und dann eingelagert. Der Kläger sei zwar inzwischen darauf hingewiesen worden, dass er seinen Antrag in Zukunft ab September zu stellen habe. Dies mache jedoch keinen Sinn, da er das Holz erst ab ca. Dezember einkaufen könne. Im Übrigen sei es auch viel wirtschaftlicher, frisches Holz einzukaufen und dieses dann einzulagern. Dem Kläger müsse auch ermöglicht werden, sein Holz dann einzukaufen, wenn es angeboten werde.

Der Beklagte trat den Ausführungen des Klägers vor dem SG entgegen und vertrat die Auffassung, dass Heizkosten als Bedarf nur dann berücksichtigungsfähig seien, wenn sie anfielen; sie könnten nicht gleichmäßig über das gesamte Jahr verteilt werden. Der Bedarf an Heizmaterialien bestehe grundsätzlich nur im Winter, also in der Heizperiode von Oktober bis einschließlich April. Die vorsorgliche Gewährung von Heizkostenbeihilfen im Sommer sei nicht möglich, da dann kein Bedarf bestehe und außerhalb der Heizperiode auch nicht absehbar sei, ob in der folgenden Heizperiode überhaupt noch Hilfebedürftigkeit gegeben sei.

Der Beklagte sei außerdem an die Vorgaben des Landkreistages als übergeordnetem Organ der die Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II tragenden Kommunalen Träger gebunden. Zwar verweise auch der Landkreistag auf die günstigeren Bevorratungsmöglichkeiten während der Sommermonate unter dem Gesichtspunkt der wünschenswerten wirtschaftlichen Lebensführung der Hilfebedürftigen. Daraus sei jedoch nicht zwingend der Schluss zu ziehen, dass auch während der Sommermonate die pauschalierte Heizkostenbeihilfe vom Beklagten zu erbringen sei. Es könne vom Kläger erwartet werden, dass er, wie im Übrigen auch Nichthilfeempfänger dies täten, aus dem regelmäßigen Lebensunterhalt Ansparleistungen treffe. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass eine solche Einsparleistung aus der gewährten Heizkostenbeihilfe nicht dergestalt getroffen werden könne, dass die ausgezahlte Pauschale bis zum tatsächlichen Bedarfsfall (Einkauf von Brennholz im Sommer) aufgespart werde. Im Falle des Klägers sei die Situation jedoch dergestalt, dass er die tatsächlich entstandenen Kosten der Brennholzbeschaffung nachträglich erstattet haben wolle (Bl. 67, 68 und 76 d. A.), so dass es dabei nicht um einen zukünftigen Bedarf, sondern um bestehende Schulden gegenüber dem Verkäufer des Brennholzes handele. Im Übrigen sei abschließend darauf hinzuweisen, dass der Kläger selbst vortrage, für die Heizperiode 2004/2005, also bis einschließlich April 2005, die notwendigen Briketts von Bekannten geschenkt bekommen zu haben (Bl. 186 d. A.), so dass sich hier die Frage des tatsächlichen Bedarfs stelle. Für die Heizperiode 2005/2006 sei dem Kläger trotz Antragstellung im Februar 2006 noch die vollständige Beihilfe gewährt worden, so dass insoweit der anfallende Bedarf abgedeckt werden könne (Bl. 187, 189 d. Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 14.02.2006 hat der Beklagte dennoch eine einmalige Hilfe zur Beschaffung von Brennholz für die Heizsaison 2005/2006 i. H. v. insgesamt 760,83 EUR bewilligt (vgl. Bl. 189 der Verwaltungsakte).

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 26.10.2006 unter Abänderung des Bescheids vom 12.07.2005 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2005 zur Gewährung von 1.549,00 EUR als Heizkosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Bei den meisten Arbeitslosengeld II-Empfängern, welche in der Regel Mieter seien, erfolge die Erbringung der Heizungskosten durch die (teilweise) Berücksichtung der monatlichen Nebenkosten bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft. Diese Vorgehensweise sei vorliegend nicht möglich, wenn der Leistungsempfänger als Eigentümer oder wie vorliegend ausnahmsweise auch als Mieter den für die Heizung notwendigen Energieträger nicht monatlich, sondern in größeren Zeitabständen anschaffen müsse. In diesen Fällen sei es sinnvoll, den Bedürftigen die tatsächlich anfallenden Kosten zu erstatten und nicht auf monatliche Abschläge oder Pauschalen zu verweisen. Die Zahlung für die Zeit vor Beschaffung des Energieträgers sei nicht sachgerecht, da noch gar keine tatsächlichen Aufwendungen angefallen seien, jedoch sei auch der Verweis auf spätere monatliche Zahlungen nicht sinnvoll. Zudem sei es in diesem Zusammenhang ein Gebot des wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln, Leistungsempfänger dazu aufzufordern, sich den Energieträger in Niedrigpreiszeiten zu verschaffen und dann hierfür die vollständige Erstattung der Kosten zu beantragen (unter Verweis auf Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 02.02.2006 – L 8 AS 439/05 ER –). Die Kammer könne die Ansicht des Beklagten, der sich auf eine Vorgabe des Landkreistages zurückziehe, Heizkosten könnten nur in der Heizperiode erstattet werden, nicht nachvollziehen. Aufgrund eigener Lebenserfahrung sei der Kammer bekannt, dass ein wirtschaftlich denkender Mensch Heizöl nicht in der Heizperiode anschaffe, wenn der Preis am höchsten sei. Der Kläger habe schlüssig dargelegt, dass für Brennholz nichts anderes gelte. Zudem seien dann auch noch die Witterungsverhältnisse zu beachten, die eine Anlieferung von Brennholz auf der Albhochfläche im Winter zwar nicht unmöglich, aber deutlich aufwendiger und damit teurer sein ließen. Nachvollziehbar sei auch, dass der Kläger Brennholz selbst einlagere, da sich beim Kauf von bereits abgelagerten Brennholz die Lagerungskosten des Lieferanten preiserhöhend auswirken würden. Zwar sei der Einwand des Beklagten beachtlich, es dürfe keine vorsorgliche Hilfegewährung erfolgen, da nicht sicher sei, ob in einer zukünftigen Heizperiode weiter Hilfebedürftigkeit bestehe. Dem könne jedoch dadurch Rechnung getragen werden, dass durch entsprechende Formulierungen in eventuell nachfolgenden Bewilligungsbescheiden deutlich gemacht werde, dass die Erstattung der angefallenen Kosten unter dem Vorbehalt erfolge, dass zum Zeitpunkt des tatsächlichen Verbrauchs des gelieferten Holzes noch Hilfebedürftigkeit bestehe. Soweit dies nicht der Fall sein sollte, wäre von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse auszugehen, welche eine Aufhebung der Bewilligung und eine Rückforderung nicht verbrauchter Leistungen rechtfertigen würde.

Der Kläger habe schließlich auch nachgewiesen, dass er sich um einen günstigen Anbieter bemüht habe. Soweit er vortrage, 36 m3 Brennholz im Jahr zu benötigen, erscheine dies der Kammer unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bei einer Wohnfläche von 180 m2 zwar als hoch, aber noch als nachvollziehbar, und zwar unter Berücksichtung der klimatischen Verhältnisse auf der Albhochfläche und der Tatsache, dass es sich um ein altes Haus mit fehlender Isolierung handele. Ausnahmsweise komme die Übernahme der Kosten nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II in Betracht, da der Bedarf des Klägers unstreitig sei und eine der Gesetzesregelung vergleichbare Notlage bestehe. Insoweit sei von einer Ermessensreduzierung des Beklagten auf Null auszugehen, dass die Kosten auch als Schulden zu übernehmen seien. Für die Zukunft werde, soweit weiterhin Hilfsbedürftigkeit vorliege, klargestellt, dass der Kläger vor Anschaffung des Brennholzes den jeweiligen Bedarf dem Beklagten mitzuteilen habe und diesem die Möglichkeit zu geben sei, auf die Anschaffung insbesondere im Hinblick auf die entstehenden Kosten Einfluss zu nehmen. Hinsichtlich des geltend gemachten Betrags seien Abschläge für die Kosten der Warmwasseraufbereitung i. H. v. 16,75 EUR monatlich (6,23 EUR + 4 x 2,63 EUR) sowie ein Abzug eines Kopfanteils von sechs Personen des Haushaltes wegen des volljährigen Sohnes vorzunehmen, welcher nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Hieraus ergebe sich der von dem Beklagten zu leistende Betrag i. H. v. 1.549,00 EUR. Das Urteil ist dem Beklagten am 15.11.2006 zugestellt worden.

Der Beklagte hat am 04.12.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Vorliegend handele es sich entgegen der Auffassung des SG nicht um die Übernahme von Schulden nach § 22 Abs. 5 SGB II, da es weder um die Sicherung der Unterkunft noch um eine vergleichbare Notlage gehe. Die Annahme einer Notlage wäre allenfalls dann denkbar, wenn das Brennholz gekauft und angeliefert, aber noch nicht bezahlt worden wäre. Im Übrigen habe das SG nicht beachtet, dass der Beklagte die eingereichten Rechnungen durchaus als günstige Bevorratung im Sommer gewertet und dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 14.02.2006 (vgl. Bl. 189 d. A.) eine einmalige Heizbeihilfe für die Heizperiode 2005/2006 i. H. v. 760,83 EUR nach den Vorgaben des Landkreistages bewilligt habe. Die bewilligte Höhe der Leistung entspreche den Vorgaben des Landkreistages in seinem Rundschreiben betreffend die Höhe der Pauschalen für die jeweilige Heizperiode (vgl. Bl. 5 ff. der LSG-Akte). Zusätzlich zu dem vom SG zugesprochenen Betrag ergebe sich eine Gesamtleistung für Heizungskosten in einer Heizperiode an den Kläger i. H. v. 2.309,83 EUR, welche unangemessen hoch sei. Im Übrigen habe das SG verkannt, dass im Falle der Sicherung der Unterkunft oder einer vergleichbaren Notlage nach § 22 Abs. 5 SGB II allenfalls die Möglichkeit bestehe, eine Schuldenübernahme auf Darlehensbasis vorzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.10.2006 insoweit aufzuheben, als er darin zur Gewährung von Heizkosten i. H. v. 1.549,00 EUR verpflichtet worden ist.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist zum Teil begründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Vorliegend ist in prozessualer Hinsicht zunächst davon auszugehen, dass der Kläger sein Verfahren vor dem SG auch für die anderen Kläger durchgeführt hat, da sein Klageziel bei verständiger Würdigung so auszulegen ist, dass er die Einzelansprüche aller Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft gerichtlich geltend machen wollte. Hiervon ist auch bereits der Beklagte im Verwaltungsverfahren ausgegangen, welcher die Ansprüche der Bedarfsgemeinschaft insgesamt und nicht alleine den einzelnen Anspruch des Klägers verbeschieden hat. Dementsprechend sind die Einlassungen der Bevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren so auszulegen, dass alle Personen der Bedarfsgemeinschaft der Berufung des Beklagten entgegentreten. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich (vgl. BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -).

Vorliegend ist der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass zu der Bedarfsgemeinschaft des Klägers alle Familienmitglieder mit Ausnahme des 1986 geborenen Sohnes gehören, vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in der bis zum 30.06.2006 geltenden Fassung. Danach gehören neben dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seinem Partner zur Bedarfsgemeinschaft auch die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können.

Nach § 22 Abs. 1 SGB II in der vom 01.01.2005 bis zum 31.03.2006 geltenden Fassung werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (ursprüngliche Normfassung) werden demnach Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist dabei die Angemessenheit des Umfangs der Aufwendungen an den Besonderheiten des Einzelfalls zu messen (vgl. hierzu Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Rdnr. 40 ff.; ebenso Rothkegel in Gagel, SGB III mit SGB II, § 22 SGB II Rdnr. 23, Stand Dezember 2005).

Entsprechend den Ausführungen des SG kann nicht davon ausgegangen werden, dass die von der aus fünf Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft der Kläger bewohnte Immobilie unangemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist. Dem steht auch nicht die große Wohnfläche von ca. 180 qm entgegen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage etc. isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird. Nach der auch vom BSG vertretenen Produkttheorie ist abzustellen auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Ihr ist gegenüber der sog. Kombinationstheorie (hierzu Rothkegel in Gagel, SGB III mit SGB II § 22 Rdnr. 28) der Vorzug zu geben, weil nicht alle berücksichtigungsfähigen Faktoren jeweils im Bereich der Angemessenheit liegen müssen und der Hilfebedürftige daher nicht ohne sachlichen Grund in der Wohnungswahl beschränkt wird (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - m.w.N.). Angesichts der geringen (Kalt-)Miete der Kläger i.H.v. 800,00 DM/409,03 EUR monatlich ist die Angemessenheit des Wohnraums der Bedarfsgemeinschaft auch von dem Beklagten nicht bezweifelt worden.

Auch zuzüglich der Heizkosten durch den Kauf von Brennholz ist die (somit Warm-)Miete der Bedarfsgemeinschaft nicht überhöht; die vom SG festgestellten Heizkosten der Bedarfsgemeinschaft (absolute Kosten abzüglich der Kosten für die Warmwasseraufbereitung und abzüglich eines Sechstels Nutzungsanteils für den volljährigen Sohn, der nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehört) von 1.549 EUR jährlich ergeben nach der Produkttheorie eine monatliche Warmmiete von 538,11 EUR monatlich, die schwerlich als überhöht bezeichnet werden kann.

Dementsprechend hat auch der Beklagte durch seinen Bescheid vom 14.02.2006 (Bl. 189 der Verwaltungsakte) dem Grunde nach anerkannt, dass die Wohnung und die Art ihrer Beheizung im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden sind. Denn er hat eine einmalige Beihilfe für die Heizperiode 2005/2006 gewährt und gleichzeitig in Aussicht gestellt, dass - bei einer rechtzeitigen Antragstellung im September - auch in Zukunft eine Zahlung für die Heizkosten erfolgen wird.

Demnach ist vorliegend nur noch die Höhe der für die Heizperiode 2005/2006 zustehenden Zuzahlung im Streit. Der Beklagte hat 760,83 EUR eines Bedarfs von 1.549 EUR gewährt, was das SG in seinem Urteil nicht beachtet hat. Das Urteil des SG war daher dahingehend abzuändern, dass der Beklagte lediglich zusätzliche 788,17 EUR als Heizkostenerstattung zu leisten hat.

Diese Leistung (insgesamt 1.549 EUR) steht der Bedarfsgemeinschaft indes entsprechend den im Übrigen zutreffenden Ausführungen des SG zu. Insofern sind die von dem Beklagten zitierten Vorgaben des Landkreistages, die geringere Zuschüsse enthalten, für den Beklagten bereits deswegen nicht bindend, da es sich ausdrücklich um Empfehlungen handelt und diese auf der Grundlage eine durchschnittlichen Wärmedämmung und dem Verbrauch von Heizöl ergangen sind. Den Besonderheiten des vorliegenden Falles - Heizen mit Holz und zusätzlich schlechte Wärmedämmung - können diese Empfehlungen nicht gerecht werden. Bei den Empfehlungen ist außerdem auch die Bedeutung der nach dem BSG (siehe oben) maßgeblichen Produkttheorie zu beachten, wonach vorliegend auch bei der Überschreitung der Heizkostenwerte des Landkreistages immer noch von unterdurchschnittlichen Wohnkosten für eine fünfköpfige Bedarfsgemeinschaft auszugehen ist. Dabei illustriert der vorliegende Fall die Bedeutung der Produkttheorie eindrucksvoll, denn die geringe Kaltmiete der Kläger beruht gerade zum Teil auch darauf, dass es sich um ein altes Wohngebäude mit schlechter Wärmedämmung handelt, was zwangsläufig zu höheren Heizkosten führt. Wenn der Beklagte aber einerseits wegen des veralteten baulichen Zustands der Immobilie von einer sehr niedrigen Kaltmiete profitiert, ist es ihm verwehrt, sich auf der anderen Seite über überdurchschnittliche Heizkosten zu echauffieren, solange nach der Produkttheorie insgesamt keine nach § 22 SGB II unangemessen teure Wohnung vorliegt.

Im Übrigen enthält die Ziff. 22.19 der gemeinsamen Richtlinien des Landkreistages Baden-Württemberg und des Städtetages Baden-Württemberg auch die ausdrückliche Regelung, dass angemessene Beschaffungskosten von Brennstoffen "im Monat der Abrechnung bzw. Beschaffung als Bedarf zu berücksichtigen sind". Damit lassen es die Richtlinien, auf die der Beklagte sich vorliegend beruft, ausdrücklich zu, dass Heizmaterial außerhalb des Monats seines konkreten Verbrauchs als Bedarf berücksichtigt wird. Bei der üblichen Bevorratung in den Fällen, in denen mit Öl oder Holz geheizt wird, ist dies einer Auslegung zugänglich, welche den Bedarf anhand des monatlichen Durchschnittsverbrauchs einer Heizperiode ermittelt und die Auszahlung der Leistung dann erfolgen lässt, wenn der Bedarf entsteht, nämlich zum Zeitpunkt der Lieferung bzw. der Abrechnung des Brennmaterials seitens des Verkäufers.

Der Kläger hat die Übernahme der Heizkosten auch bereits im Juni 2005 zusammen mit seinem Fortzahlungsantrag betreffend die Gewährung von Arbeitslosengeld II beantragt und somit noch vor dem Monat September, welchen die Beklagte in ihrem Bescheid vom 14.02.2006 als "richtigen" Antragsmonat bezeichnet hat. Eine verspätete Antragstellung kann daher jedenfalls nicht angenommen werden; demgegenüber dürften dem Kläger aus einer "zu frühen" Antragstellung keine Nachteile erwachsen, weil das Gesetz insoweit in § 22 SGB II keine Sanktion zu Lasten des Klägers vorsieht.

Insbesondere ist es auch nicht zulässig, die Leistung an den Kläger mit der Begründung zu verweigern, sie erfolge außerhalb der Heizperiode. Nichts anderes geschieht nämlich im Regelfall auch, wenn Mieter monatlich über das ganze Jahr gleichbleibend hohe Nebenkosten zu begleichen haben, die einen nur in der Heizperiode tatsächlich genutzten Heizkostenanteil beinhalten.

Entgegen der Auffassung des SG ist es demnach auch nicht erforderlich, auf die Übernahme von Schulden nach § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II abzustellen; dem steht bereits entgegen, dass das Holz von dem Kläger ein gutes Vierteljahr vor seinem Verbrauch angeschafft worden ist und auch die Erstattung seiner Kosten beantragt worden ist. Vielmehr handelt es sich bei den Kosten der Anschaffung des Holzes um die normale Bewirtschaftung einer durch Holz betriebenen Heizanlage, bei der das Holz regelmäßig außerhalb der Heizperiode angeschafft und eingelagert wird.

Insofern ist dem Beklagten mit dem SG einzuräumen, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass bei einer Gewährung der Heizkostenübernahme außerhalb der Heizperiode sichergestellt ist, dass anschließend in der Heizperiode noch Bedürftigkeit besteht. Auch dies stellt jedoch den Regelfall der - abschnittsweise für die Zukunft erfolgten - Gewährung von Arbeitslosengeld II dar. In jedem anders gelagerten Fall der Gewährung von Arbeitslosengeld II kann eine Zuvielgewährung erfolgen, wenn die Bedürftigkeit oder eine andere Leistungsvoraussetzung plötzlich entfallen. Der Beklagte hat es in der Hand, durch die Gewährung mit Vorbehalt der Rückforderung oder die Rückforderung nach § 48 SGB X dafür Sorge zu tragen, dass nur Berechtigte Leistungen nach dem SGB II erhalten.

Zutreffend hat das SG insoweit auf die Erwägungen des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen in dessen Beschluss vom 02.02.2006 - L 8 AS 439/05 ER - verwiesen: Danach kann die Angemessenheit der Aufwendungen für die Heizung nur unter Betrachtung eines längeren Zeitraumes sachgerecht ermittelt werden. Insbesondere bei einer Beheizung durch Heizöl kann die Angemessenheit nicht anhand der Kosten überprüft werden, maßgebend ist vielmehr der Verbrauch. Bei einer Beheizung durch Heizöl ist es sinnvoll, den Bedürftigen die tatsächlich anfallenden Kosten zu erstatten und nicht auf monatliche Abschläge oder Pauschalen zu verweisen. Weder ist die Zahlung für die Zeit vor Beschaffung des Heizöls sachgerecht, noch der Verweis auf spätere monatliche Zahlungen, weil die Aufwendung bereits mit Beschaffung des Heizöls entstanden ist. Es ist zudem ein Gebot wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln, Leistungsempfänger in Niedrigpreiszeiten aufzufordern, sich Heizöl zu besorgen und die Kosten dann vollständig zu erstatten (veröffentlicht in juris).

Der Kläger hat sich vorliegend genau an die Vorgaben in diesem Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen gehalten, weshalb der Beklagte antragsgemäß - abzüglich der bereits gewährten Beihilfe - zu verurteilen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Kostenentscheidung des SG ist trotz Abänderung des Haupttenors der erstinstanzlichen Entscheidung nicht zu beanstanden, weil der Beklagte die bereits erbrachte Teilleistung für die Heizkosten erst nach der Klageerhebung vor dem SG anerkannt hat und demnach auch insofern Veranlassung zur Klage gegeben hatte.

Die Zulassung der Revision beruht auf der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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