L 11 KR 4355/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 1413/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4355/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.453,42 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind Haftungsbescheide der Beklagten wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Säumniszuschläge und Kosten in Höhe von insgesamt 5.453,42 EUR streitig.

Die Klägerin betrieb mit ihrem Ehemann eine Spedition in der Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Unter anderem mit Haftungsbescheiden vom 13.02.2003 (Zeitraum 01.07. bis 31.10.2002) und vom 16.05.2003 (Zeitraum 01.01. bis 30.04.2003) nahm die Beklagte die Klägerin wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die bei der Spedition beschäftigten Arbeitnehmer in Anspruch.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 01.06.2003 wurde über das Vermögen der Spedition S., GbR (Gesellschafter E. S. und J. S., verstorben am 23.03.2003), nachdem bereits am 24.03.2003 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden war, das Insolvenzverfahren eröffnet.

Im Berichts- und Prüfungstermin beim Amtsgericht, der am 15.08.2003 durchgeführt wurde, verpflichtete sich die Klägerin zur Vermeidung der Geltendmachung der persönlichen Haftung einen Betrag von 72.000,- EUR in Teilzahlungen von 72 Raten zur Befriedigung der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin an den Insolvenzverwalter zu bezahlen.

Mit Schreiben vom 29.10.2003 meldete die Beklagte als Insolvenzforderungen rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.150,24 EUR, Säumniszuschläge in Höhe von 435,50 EUR und Kosten in Höhe von 79,14 EUR, insgesamt 4.664,88 EUR beim Insolvenzverwalter an. Die Forderung wurde vom Insolvenzverwalter anerkannt und zur Tabelle festgestellt.

Mit Haftungsbescheid vom 19.01.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es bestehe für die Zeit vom 08.07.2002 bis 31.05.2003 ein Beitragsrückstand in Höhe von 4.664,88 EUR (Beiträge: 4.150,24 EUR, Säumniszuschläge: 435,50 EUR und Kosten: 79,14 EUR). Es wurde ausgeführt, die Klägerin hafte in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der GbR.

Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass gemäß § 93 Insolvenzordnung (InsO) während der Dauer des Insolvenzverfahrens die persönliche Haftung eines Gesellschafters nur vom Insvolvenzverwalter geltend gemacht werden könne. Über den geschlossenen Vergleich hinaus sei sie zu Zahlungen an die Gläubiger der S. GbR nicht verpflichtet.

Die Beklagte trug dagegen vor, dass der Verwaltungsakt vom 19.01.2004 der Verjährungsunterbrechung diene. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien ausdrücklich nicht angekündigt worden und würden im Hinblick auf § 93 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens auch nicht durchgeführt. Sobald das Insolvenzverfahren beendet sei, würden die Rechtswirkungen des § 93 InsO entfallen. Eine eventuell gänzliche Schuldenbefreiung könne die Klägerin entweder über einen Eigenantrag und Antrag auf Restschuldbefreiung nach § 287 InsO erreichen oder durch die Vorlage eines Insolvenzplanes.

Eine von der Klägerin am 21.03.2003 getätigte Zahlung an die Beklagte in Höhe von 788,54 EUR focht der Insolvenzverwalter in der Folge an, worauf die Beklagte mit Haftungsbescheid vom 22.03.2004 ihre Forderung um diesen Betrag auf 5.453,42 EUR erhöhte und die Forderung mit Schreiben vom 08.12.2004 beim Insolvenzverwalter anmeldete.

Die Klägerin erhob auch gegen diesen Bescheid Widerspruch. Sie wies ergänzend darauf hin, dass Bedenken gegen die Höhe der festgesetzten Beträge bestünden. Eine Haftung ihrerseits für Versicherungsbeiträge, die nach der vorläufigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.03.2003 entstanden seien, komme nicht in Betracht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 28e Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) habe der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Arbeitgeber sei die GbR. Für die Verbindlichkeiten der GbR hafte jedoch jeder einzelne Gesellschafter persönlich und gesamtschuldnerisch. Nach dem seit 01.01.1999 geltenden Insolvenzrecht könnten Gläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens keine Ansprüche gegen persönlich haftende Gesellschafter mehr verfolgen. Unverändert gelte aber, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Gläubiger ihre unbefriedigten Forderungen beim Schuldner wieder unbeschränkt geltend machen könnten. Die Beschränkungen des Forderungseinzuges durch die Gläubiger würden nur gelten, solange das Insolvenzverfahren laufe. Gegen Grund und Höhe der Forderung würden keine Einwendungen erhoben. Soweit sie rechtskräftig zur Insolvenztabelle festgestellt worden seien, wirke die Rechtskraft dieser Eintragung auch gegen die Gesellschafter. Der Einwand, ein Teil der Forderung sei nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters entstanden, sei unberechtigt, denn der Rechtsgrund für die Inanspruchnahme beruhe nicht auf deliktischer, sondern auf schuldrechtlicher Haftung aus dem Handelsgesetzbuch (HGB) und hierzu ergangener Rechtsprechung.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie wies darauf hin, dass mit Erfüllung des von ihr mit Zustimmung der Gläubigerversammlung geschlossenen Vergleichs, ihre persönliche Haftung gegenüber den Gläubigern der Spedition S. GbR i.L. insgesamt erloschen sei. Ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich habe sie bisher gewissenhaft erfüllt. Für den Erlass eines Haftungsbescheides sei damit zum jetzigen Zeitpunkt eine Rechtsgrundlage nicht erkennbar. Unabhängig davon hindere § 93 InsO auch den Erlass von Bescheiden, die als Grundlage für die Vollstreckung aus der persönlichen Haftung des Gesellschafters der insolventen GbR dienen würden. Die Gläubiger würden während der Dauer des Insolvenzverfahrens ihre Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis verlieren. Der Beklagten fehle es damit an der Aktivlegitimation. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden auch, soweit die Klägerin nach der vorläufigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Beitragsschuldnerin angesehen werde. Mit der Verhängung eines Verfügungsverbotes seien Unternehmerrisiko und Lohnzahlungspflicht primär auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Er sei deshalb folgerichtig beitragspflichtiger Arbeitgeber. Ergänzend verwies die Klägerin auf einen Aufsatz von Dr. S. K. - Die Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters bei Ansprüchen nach §§ 92, 93 InsO - in NZI 2002, 367 ff., ein Urteil des SG vom 28.07.2004 - S 9 U 3787/03 - und die Kommentierung zu § 93 InsO von Brandes im Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung.

Die Beklagte trug dagegen vor, die Wirkungen des § 93 InsO seien auf die Dauer des Insolvenzverfahrens beschränkt. Bei Abschluss des Vergleichs habe der Insolvenzverwalter in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Insolvenzschuldnerin (GbR) gehandelt. Gesetzlicher Vertreter von ihr - der Beklagten - sei er nicht. Außerdem sei seine Befugnis auf seine Bestellung für die Dauer des Insolvenzverfahrens beschränkt. Der Vergleich regele die Forderungen nach Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens könnten die Gläubiger, wenn die Masse nicht reiche, ihre verbliebenen Forderungen wieder unbeschränkt bei der Schuldnerin und der persönlich haftenden Gesellschafterin geltend machen. Schuldenbefreiung könne nur über einen Insolvenzplan erlangt werden. Durch einfache Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter sei eine Haftungsbefreiung nicht möglich. Bis zur Insolvenzeröffnung am 01.06.2003 habe die Klägerin weiterhin über das Gesellschaftsvermögen verfügen können. Verfügungen hätten lediglich der Zustimmung des vorläufigen Verwalters bedurft. Der "schwache" vorläufige Verwalter trete nicht in die Arbeitgeberstellung ein. Da die Beitragsforderungen kraft Gesetzes entstehen würden, bedürfe es keines besonderen Verwaltungsaktes. Es hätte deshalb auch keines ausdrücklichen Haftungsbescheides bedurft. Lediglich für die Durchsetzung der Beitragsansprüche im Wege der Einzelvollstreckung gegen die persönlich haftende Gesellschafterin seien Haftungsbescheide gegen die Klägerin ergangen. Der Übersichtlichkeit halber und zur Verjährungsunterbrechung seien die früher ergangenen Haftungsbescheide zusammengefasst worden. Nach ihrer Auffassung sei nämlich nicht sicher, dass die Forderungsanmeldung in der Insolvenz der GbR auch die Verjährung der Forderung gegen die Gesellschafter hemme. Da durch den Haftungsbescheid vom 19.01.2004 keine neuen Forderungen in die Welt gesetzt würden - diese seien bereits kraft Gesetzes entstanden und größtenteils durch ältere Haftungsbescheide in Rechnung gestellt worden - sei ihre Vorgehensweise nicht zu beanstanden. Im übrigen seien in der Beitragsforderung auch hinterzogene Arbeitnehmeranteile enthalten. Diese seien von einer Restschuldbefreiung ausgenommen. Sie würden auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhen. Die Beklagte fügte einen Auszug aus einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 18./19.11.2002 bei.

Mit Urteil vom 20.09.2005, der Beklagten zugestellt am 06.10.2005, hob das SG die Bescheide vom 19.01.2004 und 22.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2004 auf. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte sei nicht berechtigt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die streitgegenständlichen Bescheide zu erteilen. Dies ergebe sich aus § 93 InsO. Hieran ändere sich auch nicht deshalb etwas, weil die Haftungsbescheide frühere Bescheide zusammengefasst hätten. Auch die Erteilung eines wiederholenden Verwaltungsaktes während des laufenden Insolvenzverfahrens sei nicht zulässig. Im übrigen würden die angefochtenen Bescheide auch einen zum Teil darüber hinausgehenden Regelungsgehalt beinhalten. Die Beklagte habe auch kein Regelungsinteresse am Erlass dieser Bescheide. Zum einen lägen hinsichtlich eines Großteils der festgesetzten Forderungen ohnehin schon Haftungsbescheide vor, zum anderen sei ein Bedürfnis, insoweit einen neuen Bescheid zu erteilen, nicht ersichtlich. Zur Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährung seien sie nicht erforderlich. Die Beklagte könne ohne Rechtsnachteile den Abschluss des Insolvenzverfahrens abwarten und sodann die Forderung bescheidmäßig geltend machen.

Hiergegen hat die Beklagte am 21.10.2005 Berufung eingelegt. Sie weist unter Vorlage der Kommentierung von K. Schmidt zu § 171 HGB im Münchner Kommentar zum Handelsgesetzbuch und der Drucksache des Deutschen Bundestages 12/2443 darauf hin, dass nach § 93 InsO nur das "Verwirklichen" und "Verlangen" der Leistung ausgeschlossen sei. Festgestellt werden könne die Forderung weiterhin. Deshalb hätten die erteilten Haftungsbescheide vom 19.01.2004 und 22.03.2004 auch keine Zahlungsaufforderung enthalten. Ergänzend sei darauf hingewiesen worden, dass die Forderungen im laufenden Insolvenzverfahren nicht eingezogen würden. Dies erfolge erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens. Die Forderungen seien im wesentlichen auch schon durch mehrere durch die Klägerin nicht angegriffene Haftungsbescheide lange vor Insolvenzeröffnung festgestellt worden. Die eigentliche Hauptsache sei, ob der im Insolvenzverfahren zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter geschlossene Vergleich auch in der Außenwirkung anzuerkennen sei. Dies sei nicht der Fall.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Beklagten die Aktivlegitimation und das Rechtschutzbedürfnis für den Erlass der streitigen Haftungsbescheide fehle. Die Beklagte stelle selbst fest, dass sie nach Abschluss des Insolvenzverfahrens die Wahl habe, ob sie die öffentlich-rechtliche Zwangsvollstreckung aus den Verwaltungsakten oder die zivilrechtliche Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Tabellenauszug betreibe. Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen zusätzlichen Haftungsbescheid sei nicht anzuerkennen. Aus dem Wortlaut der Haftungsbescheide lasse sich auch nicht entnehmen, dass diese ausschließlich feststellende Wirkung hätten. Sie seien zugleich als Zahlungsaufforderung zu verstehen. Außerdem sei gemäß § 93 InsO ausschließlich der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung der persönlichen Haftung der Gesellschafter berufen. Der Insolvenzverwalter sei auch ermächtigt, einen Vergleich mit Gesellschaftern zu schließen.

Der Senat hat eine Auskunft des Amtsgerichts Heidelberg eingeholt. Dieses hat mitgeteilt, dass der in der Gläubigerversammlung vom 15.08.2003 vom Insolvenzverwalter unterbreitete Vergleichsvorschlag nach der Summe der Forderungsbeträge der zustimmenden Gläubiger angenommen worden sei. Der Vergleich werde von der Klägerin nicht mehr erfüllt. Ein Insolvenzplan sei nicht erstellt worden. Restschuldbefreiung könne nicht erfolgen. Das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Beigefügt ist ein Schreiben des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt S.-T ...

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die kopierte Akte des Amtsgerichts Heidelberg (51 IN/102/03) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerechte eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Die Berufung ist auch statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG, da eine Forderung in Höhe von 5.453,42 EUR im Streit ist.

Die Berufung ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, weswegen der Senat ergänzend auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt, entschieden, dass die Beklagte während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht befugt und berechtigt war, ihre öffentlich-rechtliche Forderung auf Bezahlung der rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge durch Haftungsbescheide gegen die Klägerin geltend zu machen. § 93 InsO bestimmt, dass die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Hiervon geht letztendlich auch die Beklagte aus. Sie hat in ihrer Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass während des Insolvenzverfahrens die Gesellschafterhaftung nicht mehr verwirklicht werden könne und Einzelgläubiger vom Gesellschafter die Leistung nicht verlangen könnten.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte mit den Haftungsbescheiden vom 19.01.2004 und 22.03.2004 Beitragsrückstände geltend gemacht hat. Der Beitragsrückstand wurde beziffert. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der GbR auf Zahlung des Rückstandes, für den sie gesamtschuldnerisch hafte, in Anspruch genommen werde. Damit werden die Beiträge von der Klägerin "verlangt". Es handelt sich nicht nur um ein deklaratorisches Feststellen der Forderung. Dass Haftungsbescheide von der Beklagten benutzt werden, um in der Folge die Vollstreckung anzuordnen, zeigt die Vorgehensweise der Beklagten in der Vergangenheit. Frühere Haftungsbescheide dienten als Grundlage für die Anordnung der Vollstreckung. Ein Unterschied zwischen den früheren Haftungsbescheiden und den Haftungsbescheiden vom 19.01. und 22.03.2004 besteht nicht deshalb, weil die früheren Haftungsbescheide den Zusatz enthielten "Wir bitten Sie, den Rückstand binnen einer Woche zu begleichen". Diese Zahlungsfrist ist in den streitigen Haftungsbescheiden zwar nicht enthalten. Zur Geltendmachung bedarf es dieser Frist jedoch nicht. Nach § 22 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 23 SGB IV werden laufende Beiträge, die geschuldet werden, entsprechend den Regelungen der Satzung der Kranken- und Pflegekasse fällig. Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, werden spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist, oder als ausgeübt gilt. Damit ergibt sich die Fälligkeit aus dem Gesetz.

Die Haftungsbescheide sind auch nicht nur dahingehend zu verstehen, dass sie lediglich der Verjährungsunterbrechung dienen. Dieser Zweck ist dem Wortlaut der Bescheide nicht zu entnehmen. Dessen bedarf es auch nicht, nachdem § 204 Abs. 1 Nr. 10 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - wie das SG zu Recht angeführt hat - ausdrücklich feststellt, dass mit der Anmeldung eines Anspruchs im Insolvenzverfahren die Verjährung gehemmt wird. Die Anmeldung als Insolvenzforderung ist mit Schreiben vom 29.10.2003 erfolgt. Die Forderung wurde vom Insolvenzverwalter auch anerkannt und zur Tabelle festgestellt.

Ein Verstoß gegen § 93 InsO ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Forderungen im wesentlichen durch mehrere bestandskräftige Haftungsbescheide bereits lange vor Insolvenzeröffnung festgestellt und geltend gemacht worden sind. Es ist zwar richtig, dass diese früheren Haftungsbescheide nicht nach § 93 InsO unzulässig sind, denn sie sind vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangen. Hieraus kann aber nicht die Befugnis gefolgert werden, dass sie zum Erlass weiterer Haftungsbescheide während des Insolvenzverfahrens berechtigen würden. Insoweit ist nunmehr § 93 InsO zu beachten. Im übrigen stellt sich die Frage, ob angesichts der früheren Haftungsbescheide überhaupt noch die Notwendigkeit besteht, diese Bescheide zu erlassen. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Haftungsbescheide schon aus den bereits ausgeführten Gründen rechtswidrig sind.

Das Problem der Außenwirkung des zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter geschlossenen Vergleichs, ist in diesem Verfahren nicht streitgegenständlich und deshalb nicht zu entscheiden. Ob die Haftungsbescheide auch wegen dieses Vergleichs rechtswidrig wären, ist nicht zu prüfen. Den Haftungsbescheiden steht bereits § 93 InsO aufgrund der dort angeordneten Sperrfunktion, die darin besteht, dass die Gläubiger nicht mehr gegen die Gesellschafter vorgehen können, entgegen. Auf die Frage, ob der Insolvenzverwalter und die Klägerin diesen Vergleich abschließen durften und welche Wirkung er hat, kommt es im Hinblick auf die Haftungsbescheide nicht an.

Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197 a SGG.

Bei der Streitwertentscheidung hat sich der Senat auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 3, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz gestützt. Bei dem Rechtsstreit ging es um eine bezifferte Forderung. Diese bestimmt das wirtschaftliche Interesse.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved