S 12 KA 440/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 440/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 63/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die vollständige Leistungserbringung ist grundsätzlich bereits mit der Abrechnung nachzuweisen. In Zweifelsfällen kann sie in einem Verwaltungsverfahren nachgereicht werden. Im Gerichtsverfahren kann die Dokumentation weder nachgereicht noch ergänzt werden. Insofern ist auch die Amtsermittlungspflicht beschränkt. Die Amtsermittlungspflicht gilt nur für die Frage, in welchem Umfang im Verwaltungsverfahren Unterlagen vorgelegt wurden und ob diese zum Nachweis der Leistungserbringung ausreichend waren.
Bei einer Intubationsnarkose können weitere Anästhesieleistungen erbracht werden. Für ihren Nachweis ist aber erforderlich, dass sich aus dem OP-Bericht entnehmen lässt, dass bzw. wann (in Bezug auf den Operationsverlauf) der Vertragszahnarzt diese weiteren Anästhesieleistungen erbracht hat (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 15.03.2006 – S 12 KA 26/05 –).
Die Darstellung eines Nervs in seinem Verlauf zum Schutz während eines chirurgischen Eingriffes ist keine Neurolyse, die nach den Nr. 2584 GOÄ-82 abrechenbar ist.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.

3. Die Berufung wird nicht zugelassen

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung der Kieferbruchabrechnung für 06/2009 in dem Behandlungsfall HH (Siemens BKK) in Höhe von 620,03 EUR.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis. Herr Dr. Dr. A. ist Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Herr C. ist Zahnarzt, und Frau Dr. D. sowie Frau E. sind Zahnärztinnen. Sie sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Die Beklagte hörte die Klägerin unter Datum vom 16.07.2008 zur KB-Abrechnung 06/2008 im Fall HH an und bat um eine Einreichung weiterer Unterlagen.

Die Klägerin übersandte u. a. den OP-Bericht und führte aus, es habe sich um eine genehmigte kombinierte kieferorthopädisch/kieferchirurgische Behandlung einer schweren Gesichtsasymmetrie gehandelt. Es seien die Osteosyntheseplatten im Ober- und Unterkiefer entfernt worden sowie erneut eine operative Verlagerung von Spina mentalis und Pogonium vorgenommen worden. Dies habe der Verbesserung des Mund- und Lippenschlusses gedient. Aus diesem Grund sei die GOÄ-82 Nr. 2690, operative Reposition und Fixation durch Osteosynthese bei Unterkieferbruch ansetzbar. Die Wiederholung der Anästhesie habe sich durch Möglichkeit der Erreichung einer Blutungsleere und zur Reduktion der Tiefe der Narkose ergeben. Der mehrmalige Ansatz der Gebührenziffer 2702 GOÄ-82 an den Behandlungstagen 10., 11., 12. und 13.06. habe sich durch die Notwendigkeit ergeben, die Verbandsplatte zu kürzen bzw. anzupassen, nachdem Druckstellen aufgetreten seien.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 02.07.2009 alle Wiederholungen der Nr. 40 BEMA Z (insgesamt 8x) und Nr. 41a BEMA-Z (insgesamt 2x) am Behandlungstag 09.06.2008 ab, da deren Notwendigkeit in Verbindung mit einem Eingriff in Allgemeinnarkose nicht gegeben sei. Die Nr. 2584 (Neurolyse mit Nervenverlagerung und Neueinbettung) sei im Zusammenhang mit einer Metallentfernung nach Nr. 2694 GOÄ-82 (Operative Entfernung von Osteosynthesematerial aus einem Kiefer- oder Gesichtsknochen, je Fraktur) medizinisch nicht nachvollziehbar und daher zweimal zu streichen. Leistungen nach Nr. 2702 GOÄ-82 würden für alle Behandlungstage (insgesamt 9x) abgesetzt werden, da für das Abnehmen und wieder Eingliedern einer Verbandplatte diese Gebührennummer nicht abrechenbar sei. Kontrollbehandlungen auch mit Einstellungsmaßnahmen z. B. durch das Drehen von Schrauben erfüllten den Leistungsinhalt der Nr. 2702 GOÄ-82 ebenfalls nicht. Dieser setze nach Leistungsbeschreibung kleine Änderungen, teilweise Erneuerung von Schienen oder Stützapparaten oder auch die Entfernung von Schienen oder Stützapparaten voraus.

Hiergegen legte die Klägerin am 21.07.2009 Widerspruch ein. Sie trug vor, die Wiederholungen der Nr. 40 und 41a BEMA-Z seien zu erstatten, nachdem der Eingriff länger als drei Stunden gedauert habe. Die Neurolyse sei notwendig geworden aufgrund der separat durchgeführten Osteotomie im Bereich des Corpus mandibulae. Hier sei deutlich zu erkennen, dass die Osteotomie durch das Foramen mentale führe. Diesbezüglich sei es dann im Rahmen der Ausheilung der Osteotomien zu Verwachsungen mit dem Nervus mentalis gekommen. Dies habe die Sensibilität des Nerven beeinträchtigt und eine Neurolyse notwendig gemacht. In vorangegangenen Behandlungsfällen sei immer wieder die Indikation zur Neurolyse im Zusammenhang mit Metallentfernungen bestätigt worden, nämlich dann, wenn die Osteomielinie in unmittelbarer Nähe oder aber sogar durch das Foramen mentale verlaufe. Die Nr. 2702 GOÄ-82 sei für umfangreiche Änderungen an bestehenden Apparaturen angesetzt worden, nicht für Kontrollbehandlungen.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Operationsbericht werde lediglich vermerkt, dass der Operateur zunächst Infiltrations- bzw. Leitungsanästhesien erbracht habe und in welchem Bereich. Im Übrigen heiße es: "Intraoperativ Wiederholen der Anästhesien". Daraus werde nicht ersichtlich, nach welchem Zeitlablauf und in welchem Bereich die einzelnen Anästhesien verabreicht worden seien. Dies gehöre jedoch zu den Standards eines OP-Berichts. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Anästhesien werde verlangt, dass die Verabreichung mit Zeit und Bereich vermerkt werde. Diesen Anforderungen hätten die Angaben der Klägerin weder im Operationsbericht noch nach dem Vortrag im Widerspruchsverfahren genügt. Erfolge eine Neurolyse im örtlichen Zusammenhang mit einer chirurgischen Hauptleistung, hier der Plattenentfernung Nr. 2694 GOÄ-82, um den Nerv zu schonen oder seine Verletzung zu verhindern, könne dies nicht als selbstständige Leistung abgerechnet werden (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2008 – III ZR 239/07 –). Sie sei auch im vorliegenden Fall als flankierende Maßnahme ohne eigenständige Indikation anzusehen und könne nicht gesondert abgerechnet werden. Das bloße Abnehmen und wieder Eingliedern einer Verbandplatte werde ebenso wie Kontrollbehandlungen mit Einstellungsmaßnahmen von der Nr. 2702 GOÄ-82 nicht erfasst, was sich unmittelbar aus der Leistungsbeschreibung ergebe. Umfangreiche Änderungen an den Apparaturen reichten nicht aus. Bei bestehenden vorgetragenen Zweifeln an der eingereichten Abrechnung obliege es dem Vertragszahnarzt, diese Zweifel durch dezidierten und beweisbaren Vortrag auszuräumen.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.06.2010 die Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Auffassung, die Anästhesien könnten bei größeren Eingriffen abgerechnet werden. Ein Abrechnungsausschluss der Neurolyse nach Nr. 2583 GOÄ-82 neben der Entfernung von Osteosynthesematerial nach Nr. 2694 GOÄ-82 sei in der Gebührenordnung nicht vereinbart. Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehörten nach B VI.1d chirurgische Eingriffe bei Mund- und Kieferkrankheiten, wenn die Heilung durch andere Maßnahmen voraussichtlich nicht oder nicht so schnell zu erreichen sei. Die Plattenentfernung falle hierunter. Sie sei nicht Bestandteil der Neurolyse. Eine Entscheidung des BGH könne nicht maßgebend sein. Die Beklagte verwechsle im Übrigen eigenständige und selbständige Leistungen. Nr. 2584 müsse nicht als selbständige Leistung erbracht werden im Gegensatz zu Nr. 2583. Die Leistung sei für eine Mobilisation des Nervus mentalis aus dem Foramen heraus erbracht worden. Dies sei selbständig medizinisch indiziert gewesen. Die Absetzung der Nr. 2702 GOÄ-82 sei bereits deshalb fehlerhaft, weil unter Ermessensverletzung wegen Ermessenfehlgebrauch keine intellektuelle Überprüfung vorangegangen sei. Zwar sei es richtig, dass die Wiedereingliederung einer herausnehmbaren Verbandsplatte nicht abrechenbar sei, jedoch handele es sich entgegen der Auffassung der Beklagten um Änderungen unterschiedlichen Umfangs sowie teilweise Erneuerungen von festsitzenden oder herausnehmbaren Verbandsplatten.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29.04.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, hinsichtlich der Anästhesien sei entscheidend, dass der Leistungsinhalt der abgesetzten Wiederholungsanästhesien neben der Vollnarkose nicht belegt worden sei. Ein Abrechnungsausschluss der Neurolyse nach Nr. 2583 GOÄ-82 neben der Entfernung von Osteosynthesematerial nach Nr. 2694 GOÄ-82 bestehe zwar nicht ausdrücklich, ergebe sich jedoch gem. Ziffer 2 der Allgemeinen Bestimmungen des BEMA-Z in Verbindung mit den Überlegungen zum sog. Zielleistungsprinzip. Die Neurolyse sei nur als selbständige Leistung abrechenbar, nicht im örtlichen Zusammenhang mit einem anderen chirurgischen Eingriff, bei dem ein Nerv tangiert werde. Die Neurolyse nach der höher bewerteten Nr. 2584 GOÄ-82 umfasse als obligate Leistungsbestandteile zusätzlich noch die Nerverlagerung und die Neueinbettung in ein neues Verlaufsbett. Auch im vorliegenden Fall habe der Nervus mentalis verlagert werden müssen, nachdem sich die Osteotomie bis dorthin erstreckt habe. Die Absetzungen der Leistungspositionen nach Nr. 2702 GOÄ-82 seien nach Darlegungslastgrundsätzen erfolgt. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leistung in jedem der neun abgerechneten Einzelfälle erbracht worden sei. Eine "intellektuelle Prüfung" sei ihr gar nicht möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragszahnärzte handelt (§ 12 Abs. 3 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 29.04.2010 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.

Die Beklagte war zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertrags(zahn)ärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertrags(zahn)ärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 19 BMV-Z/17 EKV-Z der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 10.05.1995 - 6 RKa 30/94 - SozR 3-5525 § 32 Nr. 1 = NZS 1996, 134 = Breith 1996, 280 = USK 95120, juris Rdnr. 12; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 § 87 Nr. 5, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 11 = BSGE 93, 69 = SGb 2004, 474 = GesR 2004, 522 = MedR 2005, 52 = NZS 2005, 549, juris Rdnr. 17) bzw. § 12 Abs. 1 Satz 1 EKV-Z (vgl. BSG, Urt. v. 13.05.1998 - B 6 KA 34/97 R - SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 = USK 98155, juris Rdnr. 13; BSG, Urt. v. 28.04.2004 - B 6 KA 19/03 R - aaO.; BSG, Urt. v. 30.06.2004 - B 6 KA 34/03 R - aaO.).

Bei den Absetzungen handelt sich auch um sachlich-rechnerische Berichtigungen.

Während die Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V bei der Menge der erbrachten Leistungen ansetzt, erstreckt sich die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß - also ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - erbracht worden sind. Solche Verstöße können zum Beispiel darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 1998, Az: B 6 KA 48/97 R- BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 S 43 = Breith 1999, 659 = USK 98163, juris Rdnr. 15 m. w. N.). Eine K(Z)V darf im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung vom Arzt in Ansatz gebrachte Leistungen in vollem Umfang streichen, wenn deren Voraussetzungen erweislich nicht vorliegen oder ihr Vorliegen sich im Einzelfall nicht nachweisen lässt. Diese Berechtigung besteht unabhängig davon, ob die Nichterfüllung der Leistungslegende nur in Einzelfällen oder in vielen Fällen im Streit ist. Während bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung allein an die Menge ärztlicher oder ärztlich veranlasster Leistungen angeknüpft wird, die in grundsätzlicher Übereinstimmung mit den gesetzlichen und/oder vertraglichen Bestimmungen erbracht worden sind, bezieht sich die Prüfung der Abrechnung seitens der KV auf Rechenfehler und die Einhaltung der tatbestandlich umschriebenen Voraussetzungen einer Position der Gebührenordnung und der sie flankierenden Regelungen. Dieses bedingt bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Zurückführung der überhöht erbrachten Leistungen ggf. auf Durchschnittswerte, während für nicht in Einklang mit den Vergütungsnormen erbrachte Leistungen - unabhängig von ihrer Menge - kein Vergütungsanspruch besteht. Ergeben sich in einzelnen Behandlungsfällen begründete Zweifel daran, dass der Tatbestand einer Gebührenordnungsposition erfüllt ist, weil der abrechnende Vertragsarzt den Inhalt der Leistungslegende verkannt hat, obliegt es auch dem betroffenen Arzt, an der Beseitigung dieser Zweifel durch sachdienliche Angaben mitzuwirken. Da ihn als Anspruchssteller grundsätzlich die Feststellungslast hinsichtlich der Voraussetzungen für seinen Vergütungsanspruch trifft, liegt eine derartige Mitwirkung in seinem eigenen Interesse. Den KVen ist es nicht untersagt, anhand von Einzelfällen zu prüfen, worauf etwa ein als implausibel bewerteter Anstieg der Ansatzhäufigkeit einer bestimmten EBM-Ä-Position beruht und darauf ggf. mit einer Korrektur der Abrechnung zu reagieren (vgl. BSG, Beschl. v. 06.09.2000 - B 6 KA 17/00 B - juris Rdnr. 8).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist ferner anerkannt, dass die K(Z)Ven ärztliche Leistungen nicht honorieren müssen, die der Vertragsarzt nicht hat erbringen dürfen, weil sie nicht Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind. Eine Leistungspflicht der GKV besteht nicht bei solchen Leistungen, die sich im konkreten Behandlungszusammenhang in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft befinden oder erkennbar ohne jeden Nutzen erbracht worden sind. Ist bei vertragsarztrechtlich an sich zulässigen Leistungen diese Evidenzschwelle nicht erreicht, kommt aus kompetenzrechtlichen Gründen nur die Untersuchung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise durch die zuständigen Prüfgremien in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 15/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 1 = MedR 2003, 591 = Breith 2003, 704 = USK 2003-125, juris Rdnr. 19; BSG, Urt. v. 20.03.1996 - 6 RKa 85/95 - SozR 3-5533 Nr. 3512 Nr. 1 = NZS 1997, 44 = SGb 1997, 229 = MedR 1997, 187 = USK 9696, juris Rdnr. 14; jurisPK-Clemens, § 106a, Rdnr. 38; s.a. BSG, Beschl. v. 17.03.2010 - B 6 KA 23/09 B -, juris Rdnr. 11).

Die Beklagte geht davon aus, dass die Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Abrechnung einer Gebührenposition vom Vertragszahnarzt nicht nachgewiesen worden sind. Von daher war sie für die Berichtigung zuständig.

Der angefochtene Berichtigungsbescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Absetzung der strittigen Anästhesieleistungen war berechtigt. Es ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin die abgesetzten Leistungen tatsächlich erbracht hat. Es liegen keine Unterlagen vor, aus denen sich entnehmen lässt, dass bzw. wann die Klägerin diese weiteren Anästhesieleistungen am Behandlungstag 17.04.2009 erbracht hat. Im OP-Bericht wurde lediglich vermerkt, dass der Operateur zunächst Infiltrations- bzw. Leitungsanästhesien erbracht habe und in welchem Bereich. Im Übrigen heiße es: "Intraoperativ Wiederholen der Anästhesien". Nach der insoweit fachkundig besetzten Kammer gehören aber die entsprechenden Angaben zu den Wiederholungsanästhesien zu den Standards zahnmedizinischer Dokumentation. Wegen des Ausnahmecharakters solcher Anästhesien bei einem ITN-Eingriff ist ferner generell zu verlangen, dass die Verabreichung mit Zeit (in Bezug auf den Operationsverlauf) und Bereich vermerkt wird (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 15.03.2006 – S 12 KA 26/05 –). Von daher fehlt es an einem Leistungsnachweis für diese Leistungen und handelte es sich nicht um Fragen der Wirtschaftlichkeit.

Die Beklagte hat zu Recht zweimal Leistungen nach Nr. 2584 GOÄ-82 abgesetzt. Die mit 165 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 2584 GOÄ-82 beinhaltet die Neurolyse mit Nervenverlagerung und Neueinbettung. Soweit diese Leistung auch in Verbindung mit anderen chirurgischen Leistungen flankierend abgerechnet werden kann, müssen im Karteiblatt die Notwendigkeit und der Aufwand der Durchführung einer Neurolyse neben einem anderen zahnärztlich-chirurgischen Eingriff im Sinne eines intraoperativen Befundes oder in einem OP-Protokoll nachvollziehbar dokumentiert werden. Die prä- und postoperative Röntgendokumentation ist aus fachlichen und forensischen Gründen ohnehin erforderlich. Insbesondere ist aber die Darstellung eines Nervs in seinem Verlauf zum Schutz während eines chirurgischen Eingriffes keine Neurolyse, die nach den Nr. 2583 oder 2584 GOÄ-82 abrechenbar ist (vgl. Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA-Z, Stand: 93. Ergänzungslieferung, Februar 2010, Nrn. 2583, 2584 GOÄ, S. 7). Diesen Anforderungen genügt bereits der Sachvortrag des Klägers nicht. Im Übrigen fehlt es an einem Nachweis für die Erfüllung der Leistungslegende.

Die Absetzungen der Nr. 2702 GOÄ-82 waren nicht zu beanstanden.

Die mit 34 Punkten bewertete Leistung nach Nr. 2702 GOÄ-82 beinhaltet die Wiederanbringung einer gelösten Apparatur oder kleine Änderungen, teilweise Erneuerung von Schienen oder Stützapparaten – auch Entfernung von Schienen oder Stützapparaten -, je Kiefer.

Die Beklagte hat nach den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen hierfür eine von der Kammer nachvollziehbare Begründung abgegeben. Die Klägerin hat unter Datum vom 15.09.2008 kurz ausgeführt, der mehrmalige Ansatz der Gebührenziffer 2702 GOÄ 82 habe sich durch die Notwendigkeit ergeben, die Verbandsplatte zu kürzen bzw. anzupassen, nachdem Druckstellen aufgetreten seien. Erst mit dem Widerspruchsvorbringen hat sie behauptet, die Nr. 2702 GOÄ-82 sei für umfangreiche Änderungen an bestehenden Apparaturen angesetzt worden, nicht für Kontrollbehandlungen. Nachweise für ihr Vorgehen hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt. Es hätte der Klägerin oblegen, durch substantiierten Vortrag und Nachweis wenigstens einer Dokumentation zu belegen, dass sie den Inhalt der Leistungslegende erfüllt hat. Insofern hat die Beklagte in nicht zu beanstandender Weise im Widerspruchsbescheid dargelegt, dass das bloße Abnehmen und wieder Eingliedern einer Verbandplatte ebenso wie Kontrollbehandlungen mit Einstellungsmaßnahmen von der Nr. 2702 GOÄ-82 nicht erfasst werde, was sich unmittelbar aus der Leistungsbeschreibung ergebe. Umfangreiche Änderungen an den Apparaturen reichten nicht aus.

Im Klageverfahren hat die Klägerin lediglich lapidar behauptet, es handele sich entgegen der Auffassung der Beklagten um Änderungen unterschiedlichen Umfangs sowie teilweise Erneuerungen von festsitzenden oder herausnehmbaren Verbandsplatten. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine 1-seitige Kopie einer Karteikarte mit handschriftlichen Aufzeichnungen bzw. Ergänzungen zur Gerichtsakte in der mündlichen Verhandlung gereicht hat, kann die Klägerin damit nicht mehr gehört werden. Von daher kann hier dahinstehen, ob der behauptete Vortrag die Leistungslegende erfüllt und ob hierfür ein ausreichender Nachweis besteht.

Sind von einem Zahnarzt abgerechnete Leistungen aus den Krankenblättern nicht ersichtlich, so ist zunächst davon auszugehen, dass er diese Leistungen tatsächlich nicht erbracht hat. Es obliegt dann dem Zahnarzt, die Erbringung der von ihm abgerechneten Leistungen nachzuweisen. Eine sachlich-rechnerische Richtigstellung ist gerechtfertigt, wenn die gebührenordnungsgemäßen Leistungen und Abrechnungsvoraussetzungen nicht eingehalten worden sind, die Behandlungsdokumentation Vollständigkeit vermissen lässt und Richtlinienverstöße vorliegen, die im Hinblick auf die Qualitätssicherung der vertragszahnärztlichen Versorgung zu beachten und einzuhalten sind (so LSG Bayern, Urt. v. 07.07.2004 - L 3 KA 510/02- www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 25).

Soweit die Beklagte daher Zweifel an einer ordnungsgemäßen Leistungserbringung hat, hat sie einen Vertragszahnarzt hierzu anzuhören und ihn aufzufordern, einen vollständigen Beweis für die Leistungserbringung zu führen. Maßgeblich sind dann die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Urkunden oder sonstigen Nachweise. Die vom Vertragszahnarzt geführte Dokumentation nebst weiteren technischen Aufzeichnungen kann allein vom Vertragszahnarzt vorgelegt werden.

Die vollständige Leistungserbringung ist grundsätzlich bereits mit der Abrechnung nachzuweisen. In Zweifelsfällen kann sie in einem Verwaltungsverfahren nachgereicht werden. Im Gerichtsverfahren kann die Dokumentation weder nachgereicht noch ergänzt werden. Insofern ist auch die Amtsermittlungspflicht beschränkt. Die Amtsermittlungspflicht gilt nur für die Frage, in welchem Umfang im Verwaltungsverfahren Unterlagen vorgelegt wurden und ob diese zum Nachweis der Leistungserbringung ausreichend waren.

Die vollständige Leistungserbringung ist grundsätzlich bereits mit der Abrechnung nachzuweisen (vgl. SG Marburg, Urt. v. 03.06.2009 - S 12 KA 521/08 – juris Rdnr. 27, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 50/09 -). Ein Vertragszahnarzt ist in zeitlicher Hinsicht darauf beschränkt, seiner Nachweispflicht bis zur Entscheidung der Beklagten als Widerspruchsbehörde nachzukommen. Dies beruht letztlich darauf, dass die Kenntnis solcher möglicherweise entscheidungserheblichen Tatsachen allein in der Sphäre des Vertragszahnarztes liegt, soweit sie nicht offenkundig sind und von Amts wegen erkannt werden können. Bei Zweifeln an der ordnungsgemäßen Leistungserbringung wird der Vertragszahnarzt wieder auf die ursprüngliche Position eines Leistungserbringers zurückgeworfen, auch die ordnungsgemäße Erbringung seiner Leistungen nachzuweisen. Es handelt sich hierbei um ein bloßes Tatsachenvorbringen. Wie im allgemeinen Wirtschaftsleben muss dann der Vertragszahnarzt nachweisen, dass er die Leistung erbracht hat (vgl. bereits zur Wirtschaftlichkeitsprüfung SG Marburg, Urt. v. 25.11.2009 - S 12 KA 137/09 – juris Rdnr. 73 (Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 99/09 -; zum verspäteten Vorbringen in einem Disziplinarverfahren SG Marburg, Urt. v. 25.11.2009 - S 12 KA 137/09 – AZR 2007, 108, juris Rdnr. 43).

Ausgehend von diesen Grundsätzen (s.a. SG Marburg, Urt. v. 07.07.2010 – S 12 KA 325/09 -) kommt es nicht darauf an, welchen neuen Sachvortrag die Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegt hat.

Nach allem war der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§§ 143, 144 SGG).
Rechtskraft
Aus
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