Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 854/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 372/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.12.2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1970 geborene Kläger war von Januar 2003 bis zum 5.3.2004 als Steuerberater bei der Firma G. und Partner GmbH in H. beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch fristlose Kündigung des Arbeitgebers, gegen die der Kläger Kündigungsschutzklage erhob.
Am 22.3.2004 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Dies lehnte die Beklagte zunächst ab, im Widerspruchsverfahren wurde jedoch dem Kläger unter vorläufiger Berücksichtigung einer Sperrzeit nach § 144 SGB III und im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III Alg ab 29.5.2004 gewährt.
Im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht M. 5 Ca 131/04 schlossen die Parteien am 14.9.2004 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers erst zum 31.8.2004 beendet worden sei und der Arbeitgeber dem Kläger noch bis 31.8.2004 unter Berücksichtigung des gezahlten Alg Lohn nachzahle.
Die Beklagte machte daraufhin beim Arbeitgeber einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 29.5.2004 bis 31.8.1004 in Höhe von 6634,80 Euro geltend. Nach der Erstattung dieses Betrages schrieb die Beklagte die bereits gewährten 95 Leistungstage wieder gut und bewilligte mit Bescheid vom 21.12.2004 Alg ab 2.9.2004 mit einer Anspruchsdauer von (noch) 179 Tagen.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, unter Berücksichtigung seiner Versicherungspflichtzeiten vom 1.1.2003 bis zum 31.8.2004 habe er eine Anspruchsdauer von 10 Monaten bzw. 300 Kalendertagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.2.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch des Klägers sei am 22.3.2004 entstanden, an diesem Tag habe er innerhalb der um vier Jahre erweiterten Rahmenfrist Versicherungspflichtverhältnisse von insgesamt 14 Monaten und 10 Tagen gehabt und damit einen Alg-Anspruch von 6 Monaten oder 180 Tagen. Durch sein durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht verlängertes Arbeitsverhältnis vom 6.3.2004 bis 31.8.2004 habe er keinen neuen Anspruch auf Alg erworben, deswegen sei ab 1.9.2004 der Anspruch zu Recht mit 180 Kalendertagen bewilligt worden.
Mit der dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, durch den Vergleich vor dem Arbeitsgericht sei sein zuvor fristlos gekündigtes Arbeitsverhältnis bis 31.8.2004 fortgesetzt worden. Damit sei der Antrag auf Zahlung von Alg vom 22.3.2004 ersatzlos aufzuheben. Unter Berücksichtigung der weiteren Versicherungspflichtzeiten bis zum 31.8.2004 ergebe sich eine verlängerte Anspruchsdauer. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber einen Teil der Gehaltsnachzahlung im Hinblick auf das zwischenzeitlich bezogene Alg einbehalten und an die Beklagte abgeführt habe.
Durch Urteil vom 10.12.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2005 verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 1.3.2005 bis zum 30.6.2005 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Das SG hat die Auffassung der Beklagten, dass es für den Beginn der (erweiterten) Rahmenfrist auf die Antragstellung am 22.3.2004 ankomme, nicht geteilt. Die nachträgliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis Ende August 2004 sei für die Anspruchsdauer des Alg nicht ohne Belang. In der Situation, dass die Arbeitsvertragsparteien vergleichsweise übereinkommen, das Arbeitsverhältnis erst zum 31.8.2004 aufzulösen und der Arbeitgeber sich verpflichte, den noch ausstehenden Bruttolohn nachzuzahlen, würden die Interessen der Beklagten durch die so genannte Gleichwohlgewährung in § 143 Abs. 3 SGB III ausreichend geschützt. Wegen des Forderungsüberganges der Lohnansprüche im Umfang des zwischenzeitlich ausgezahlten Alg sei der Beklagten durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.9.2004 kein Nachteil erwachsen. Daher sei die Kammer der Auffassung, dass aus dem Fehlverhalten des Arbeitgebers (unrechtmäßige fristlose Kündigung am 4.3.2004) auch dem Kläger arbeitsförderungsrechtlich kein Nachteil erwachsen dürfe. Es möge zwar zutreffen, dass die einmal eingetretene Beschäftigungslosigkeit durch einen nachträglichen arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht ungeschehen gemacht werden könne. Wenn hieraus jedoch abgeleitet werde, dass damit in Sachverhalten der vorliegenden Art die Gewährung einer verlängerten Anspruchsdauer ausscheide, so sei dies nicht überzeugend. In beitragsrechtlicher Hinsicht sei nämlich für den im arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarten verlängerten Zeitraum des Arbeitsverhältnisses trotz fehlender Eingliederung in den Betrieb ein Beschäftigungsverhältnis fingiert worden. Dann könnte aber für die leistungsrechtlichen Folgen dieses Beschäftigungsverhältnisses nichts anderes gelten. Somit gebiete es eine an Sinn und Zweck der maßgebenden Vorschriften orientierte Auslegung, dass durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.9.2004 das Beschäftigungsverhältnis nicht nur beitragsrechtlich, sondern auch leistungsrechtlich verlängert bzw. fortgesetzt worden sei.
Gegen dieses am 28.12.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.1.2006 Berufung eingelegt. Sie bringt vor, der Kläger habe am 22.3.2005, dem Tag seiner Arbeitslosmeldung, alle Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch erfüllt. Sowohl Arbeitslosigkeit als auch Arbeitslosmeldung und Erfüllung der Anwartschaftszeit hätten zu dem Zeitpunkt vorgelegen, es habe sich ein Alg-Anspruch mit einer Dauer von 180 Tagen ergeben. Daran ändere sich durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich, worin das Arbeitsverhältnis erst mit Wirkung zum 31.8.2004 für beendet erklärt worden sei, nichts. Auch in den Fällen der Gleichwohlgewährung nach § 143 SGB III erfolge keine vorläufige Gewährung oder Zahlung unter Vorbehalt, sondern es werde ein Anspruch auf Alg endgültig zugesprochen. Die Rahmenfrist und die Anwartschaftszeit würden ebenso wie der Bemessungszeitraum endgültig festgelegt. Eine nachträgliche Korrektur erfolge selbst dann nicht, wenn der Arbeitgeber später das beanspruchte Entgelt nachbezahle, allerdings verlängere sich der Alg-Anspruch um die Tage, für die das Alg erstattet werde. Die Zeit des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit Anspruch auf Arbeitsentgelt diene allerdings der Begründung einer neuen Anwartschaft. Werde ein Arbeitsverhältnis durch ein Urteil oder Vergleich verlängert, ändere sich die Rahmenfrist nicht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen bereits vorher vorgelegen hätten, denn die Voraussetzung Beschäftigungslosigkeit sei bereits mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses (hier der fristlosen Kündigung vom 4.3.2004) eingetreten. Die nachträglich vereinbarte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis Ende August 2004 sei daher für den im Streit stehenden Zeitraum ohne Belang. Der Kläger könne deshalb über Februar 2005 hinaus kein Alg beanspruchen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.12.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der sich im Berufungsverfahren inhaltlich nicht eingelassen hat, beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist vom SG zu Unrecht verurteilt worden, dem Kläger auch für die Zeit vom 1.3. bis 30.6.2005 Alg zu gewähren. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg in dieser Zeit.
Das SG hat im angefochtenen Urteil die hier anzuwendenden Rechtsnormen §§ 434j Abs. 3, 124 und 127 SGB III zutreffend zitiert. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Nicht zitiert hat das SG § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III: Soweit der Arbeitslose die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Nach § 115 SGB X geht der Anspruch auf Arbeitsentgelt in der Höhe, in der Alg geleistet wurde, auf die Agentur für Arbeit über. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlichen Forderungsübergang, "ohne dass es hierzu der Feststellung durch einen Verwaltungsakt bedürfte bzw. eine solche zulässig wäre" (BSG SozR 3 - 4100 § 117 Nr. 11).
Nachdem hier die Beklagte ausdrücklich im Wege der Gleichwohlgewährung Alg ab 29.5.2004 gewährt hat und der Arbeitgeber aufforderungsgemäß das für die Zeit vom 29.5.2004 bis 31.8.2004 angeforderte Alg aus der Nachzahlung des Arbeitsentgelts erstattet hat, ist die einzige Rechtsfolge für den Kläger insoweit die von der Beklagten vorgenommene Rückbuchung der bis Ende August 2004 bereits verbrauchten Anspruchsdauer (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 16).
Weitere Rechtsfolgen hat die Zahlung des Arbeitgebers im Alg-Leistungsverhältnis nicht. Insbesondere werden der Anspruchsbeginn und die Berechnung der Rahmenfrist (§ 124 SGB III) nicht nachträglich geändert (BSG SozR 4100 § 117 Nrn. 19 und 20) und der gleichwohl bewilligte Anspruch (insbesondere Dauer und Bemessung) bleibt - bis zur Erfüllung einer neuen Anwartschaft - für weitere Leistungsfällen maßgebend (BSG SozR 4100 § 117 Nrn. 20, 22,26).
Die Beklagte hat nach alledem zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden den Beginn des Alg-Anspruchs auf den 22.3.2005, den Tag der Arbeitslosmeldung, festgestellt, da an diesem Tag alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt waren.
Insbesondere hat sich die festgelegte Rahmenfrist durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.9.2004 oder durch die erfolgte Erstattung des Alg durch den Arbeitgeber nicht nachträglich verändert, insbesondere verlängert, so dass von einer längeren Anspruchsdauer von insgesamt 300 Tagen auszugehen wäre. Dies ergibt sich daraus, dass auch das gleichwohl gewährte Alg eine rechtmäßige Leistung ist, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen des § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III vorliegen (BSG SozR § 112 Nr. 26). Die Bewilligung des Alg bleibt auch dann rechtmäßig, wenn der Arbeitnehmer später das nachbewilligte Arbeitsentgelt erhält (BSG SozR 3 - 4100 § 117 Nr. 17) oder wenn der Arbeitgeber wie hier aus dem nachgezahlten Arbeitsentgelt das Alg erstattet.
Damit hat die Beklagte die Anspruchsdauer mit 180 Tagen zutreffend festgestellt und das Alg ab 1.9.2004 mit dieser Anspruchsdauer gewährt. Dem Kläger steht dagegen anders als vom SG angenommen keine Anspruchsdauer von 300 Tagen zu.
Das angefochtene Urteil des SG ist auch insoweit zu beanstanden, als das SG die Beklagte zur Gewährung von Alg für die Zeit in 1.3. bis 30.6.2005 verurteilt hat. Das SG hat nämlich weder festgestellt noch auch nur ermittelt, ob der Kläger in diesem Zeitraum auch die weiteren Voraussetzungen für die Alg-Gewährung erfüllte. Für die Zeit ab 29.3.2005 fehlte es bereits an der Arbeitslosigkeit des Klägers, insbesondere an seiner objektiven Verfügbarkeit (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Der Kläger hat sich nämlich zum 29.3.2005 selbstständig gemacht, ihm wurde auf seinen Antrag für die Zeit vom 29.3.2005 bis 28.9.3005 Überbrückungsgeld bewilligt. Nachdem diese selbstständige Tätigkeit in einer Steuerberatungspraxis bestand, die der Kläger auch schon während seiner Arbeitslosigkeit als Nebentätigkeit ausgeübt hat, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es nicht auch in der Zeit vom 1.3. bis 28.3.2005 an der objektiven Verfügbarkeit, mindestens an der subjektiven Arbeitsbereitschaft mangelte.
Daneben kommt es nicht mehr darauf an, dass auch die vom SG im Tenor des angefochtenen Urteils ausgesprochene Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2005 deswegen fehlerhaft war, weil die Aufhebung des Bescheides keinesfalls dem Prozessziel des Klägers entsprach. Er wollte ja nicht die gesamte Bewilligung des Alg aufgehoben haben, er begehrte lediglich die Änderung des Bewilligungsbescheides bezüglich der bewilligten Anspruchsdauer.
Insgesamt ist damit auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil aus den genannten Rechtsgründen aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1970 geborene Kläger war von Januar 2003 bis zum 5.3.2004 als Steuerberater bei der Firma G. und Partner GmbH in H. beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch fristlose Kündigung des Arbeitgebers, gegen die der Kläger Kündigungsschutzklage erhob.
Am 22.3.2004 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Dies lehnte die Beklagte zunächst ab, im Widerspruchsverfahren wurde jedoch dem Kläger unter vorläufiger Berücksichtigung einer Sperrzeit nach § 144 SGB III und im Wege der Gleichwohlgewährung nach § 143 Abs. 3 SGB III Alg ab 29.5.2004 gewährt.
Im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht M. 5 Ca 131/04 schlossen die Parteien am 14.9.2004 einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers erst zum 31.8.2004 beendet worden sei und der Arbeitgeber dem Kläger noch bis 31.8.2004 unter Berücksichtigung des gezahlten Alg Lohn nachzahle.
Die Beklagte machte daraufhin beim Arbeitgeber einen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 29.5.2004 bis 31.8.1004 in Höhe von 6634,80 Euro geltend. Nach der Erstattung dieses Betrages schrieb die Beklagte die bereits gewährten 95 Leistungstage wieder gut und bewilligte mit Bescheid vom 21.12.2004 Alg ab 2.9.2004 mit einer Anspruchsdauer von (noch) 179 Tagen.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, unter Berücksichtigung seiner Versicherungspflichtzeiten vom 1.1.2003 bis zum 31.8.2004 habe er eine Anspruchsdauer von 10 Monaten bzw. 300 Kalendertagen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.2.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch des Klägers sei am 22.3.2004 entstanden, an diesem Tag habe er innerhalb der um vier Jahre erweiterten Rahmenfrist Versicherungspflichtverhältnisse von insgesamt 14 Monaten und 10 Tagen gehabt und damit einen Alg-Anspruch von 6 Monaten oder 180 Tagen. Durch sein durch Vergleich vor dem Arbeitsgericht verlängertes Arbeitsverhältnis vom 6.3.2004 bis 31.8.2004 habe er keinen neuen Anspruch auf Alg erworben, deswegen sei ab 1.9.2004 der Anspruch zu Recht mit 180 Kalendertagen bewilligt worden.
Mit der dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, durch den Vergleich vor dem Arbeitsgericht sei sein zuvor fristlos gekündigtes Arbeitsverhältnis bis 31.8.2004 fortgesetzt worden. Damit sei der Antrag auf Zahlung von Alg vom 22.3.2004 ersatzlos aufzuheben. Unter Berücksichtigung der weiteren Versicherungspflichtzeiten bis zum 31.8.2004 ergebe sich eine verlängerte Anspruchsdauer. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber einen Teil der Gehaltsnachzahlung im Hinblick auf das zwischenzeitlich bezogene Alg einbehalten und an die Beklagte abgeführt habe.
Durch Urteil vom 10.12.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2005 verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 1.3.2005 bis zum 30.6.2005 Alg in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Das SG hat die Auffassung der Beklagten, dass es für den Beginn der (erweiterten) Rahmenfrist auf die Antragstellung am 22.3.2004 ankomme, nicht geteilt. Die nachträgliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis Ende August 2004 sei für die Anspruchsdauer des Alg nicht ohne Belang. In der Situation, dass die Arbeitsvertragsparteien vergleichsweise übereinkommen, das Arbeitsverhältnis erst zum 31.8.2004 aufzulösen und der Arbeitgeber sich verpflichte, den noch ausstehenden Bruttolohn nachzuzahlen, würden die Interessen der Beklagten durch die so genannte Gleichwohlgewährung in § 143 Abs. 3 SGB III ausreichend geschützt. Wegen des Forderungsüberganges der Lohnansprüche im Umfang des zwischenzeitlich ausgezahlten Alg sei der Beklagten durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.9.2004 kein Nachteil erwachsen. Daher sei die Kammer der Auffassung, dass aus dem Fehlverhalten des Arbeitgebers (unrechtmäßige fristlose Kündigung am 4.3.2004) auch dem Kläger arbeitsförderungsrechtlich kein Nachteil erwachsen dürfe. Es möge zwar zutreffen, dass die einmal eingetretene Beschäftigungslosigkeit durch einen nachträglichen arbeitsgerichtlichen Vergleich nicht ungeschehen gemacht werden könne. Wenn hieraus jedoch abgeleitet werde, dass damit in Sachverhalten der vorliegenden Art die Gewährung einer verlängerten Anspruchsdauer ausscheide, so sei dies nicht überzeugend. In beitragsrechtlicher Hinsicht sei nämlich für den im arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarten verlängerten Zeitraum des Arbeitsverhältnisses trotz fehlender Eingliederung in den Betrieb ein Beschäftigungsverhältnis fingiert worden. Dann könnte aber für die leistungsrechtlichen Folgen dieses Beschäftigungsverhältnisses nichts anderes gelten. Somit gebiete es eine an Sinn und Zweck der maßgebenden Vorschriften orientierte Auslegung, dass durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.9.2004 das Beschäftigungsverhältnis nicht nur beitragsrechtlich, sondern auch leistungsrechtlich verlängert bzw. fortgesetzt worden sei.
Gegen dieses am 28.12.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.1.2006 Berufung eingelegt. Sie bringt vor, der Kläger habe am 22.3.2005, dem Tag seiner Arbeitslosmeldung, alle Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch erfüllt. Sowohl Arbeitslosigkeit als auch Arbeitslosmeldung und Erfüllung der Anwartschaftszeit hätten zu dem Zeitpunkt vorgelegen, es habe sich ein Alg-Anspruch mit einer Dauer von 180 Tagen ergeben. Daran ändere sich durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich, worin das Arbeitsverhältnis erst mit Wirkung zum 31.8.2004 für beendet erklärt worden sei, nichts. Auch in den Fällen der Gleichwohlgewährung nach § 143 SGB III erfolge keine vorläufige Gewährung oder Zahlung unter Vorbehalt, sondern es werde ein Anspruch auf Alg endgültig zugesprochen. Die Rahmenfrist und die Anwartschaftszeit würden ebenso wie der Bemessungszeitraum endgültig festgelegt. Eine nachträgliche Korrektur erfolge selbst dann nicht, wenn der Arbeitgeber später das beanspruchte Entgelt nachbezahle, allerdings verlängere sich der Alg-Anspruch um die Tage, für die das Alg erstattet werde. Die Zeit des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit Anspruch auf Arbeitsentgelt diene allerdings der Begründung einer neuen Anwartschaft. Werde ein Arbeitsverhältnis durch ein Urteil oder Vergleich verlängert, ändere sich die Rahmenfrist nicht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen bereits vorher vorgelegen hätten, denn die Voraussetzung Beschäftigungslosigkeit sei bereits mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses (hier der fristlosen Kündigung vom 4.3.2004) eingetreten. Die nachträglich vereinbarte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis Ende August 2004 sei daher für den im Streit stehenden Zeitraum ohne Belang. Der Kläger könne deshalb über Februar 2005 hinaus kein Alg beanspruchen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 14.12.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger, der sich im Berufungsverfahren inhaltlich nicht eingelassen hat, beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist vom SG zu Unrecht verurteilt worden, dem Kläger auch für die Zeit vom 1.3. bis 30.6.2005 Alg zu gewähren. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg in dieser Zeit.
Das SG hat im angefochtenen Urteil die hier anzuwendenden Rechtsnormen §§ 434j Abs. 3, 124 und 127 SGB III zutreffend zitiert. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Nicht zitiert hat das SG § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III: Soweit der Arbeitslose die in den Absätzen 1 und 2 genannten Leistungen (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Nach § 115 SGB X geht der Anspruch auf Arbeitsentgelt in der Höhe, in der Alg geleistet wurde, auf die Agentur für Arbeit über. Es handelt sich hierbei um einen gesetzlichen Forderungsübergang, "ohne dass es hierzu der Feststellung durch einen Verwaltungsakt bedürfte bzw. eine solche zulässig wäre" (BSG SozR 3 - 4100 § 117 Nr. 11).
Nachdem hier die Beklagte ausdrücklich im Wege der Gleichwohlgewährung Alg ab 29.5.2004 gewährt hat und der Arbeitgeber aufforderungsgemäß das für die Zeit vom 29.5.2004 bis 31.8.2004 angeforderte Alg aus der Nachzahlung des Arbeitsentgelts erstattet hat, ist die einzige Rechtsfolge für den Kläger insoweit die von der Beklagten vorgenommene Rückbuchung der bis Ende August 2004 bereits verbrauchten Anspruchsdauer (BSG SozR 4100 § 117 Nr. 16).
Weitere Rechtsfolgen hat die Zahlung des Arbeitgebers im Alg-Leistungsverhältnis nicht. Insbesondere werden der Anspruchsbeginn und die Berechnung der Rahmenfrist (§ 124 SGB III) nicht nachträglich geändert (BSG SozR 4100 § 117 Nrn. 19 und 20) und der gleichwohl bewilligte Anspruch (insbesondere Dauer und Bemessung) bleibt - bis zur Erfüllung einer neuen Anwartschaft - für weitere Leistungsfällen maßgebend (BSG SozR 4100 § 117 Nrn. 20, 22,26).
Die Beklagte hat nach alledem zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden den Beginn des Alg-Anspruchs auf den 22.3.2005, den Tag der Arbeitslosmeldung, festgestellt, da an diesem Tag alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt waren.
Insbesondere hat sich die festgelegte Rahmenfrist durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 14.9.2004 oder durch die erfolgte Erstattung des Alg durch den Arbeitgeber nicht nachträglich verändert, insbesondere verlängert, so dass von einer längeren Anspruchsdauer von insgesamt 300 Tagen auszugehen wäre. Dies ergibt sich daraus, dass auch das gleichwohl gewährte Alg eine rechtmäßige Leistung ist, auf die ein Rechtsanspruch besteht, wenn die Voraussetzungen des § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III vorliegen (BSG SozR § 112 Nr. 26). Die Bewilligung des Alg bleibt auch dann rechtmäßig, wenn der Arbeitnehmer später das nachbewilligte Arbeitsentgelt erhält (BSG SozR 3 - 4100 § 117 Nr. 17) oder wenn der Arbeitgeber wie hier aus dem nachgezahlten Arbeitsentgelt das Alg erstattet.
Damit hat die Beklagte die Anspruchsdauer mit 180 Tagen zutreffend festgestellt und das Alg ab 1.9.2004 mit dieser Anspruchsdauer gewährt. Dem Kläger steht dagegen anders als vom SG angenommen keine Anspruchsdauer von 300 Tagen zu.
Das angefochtene Urteil des SG ist auch insoweit zu beanstanden, als das SG die Beklagte zur Gewährung von Alg für die Zeit in 1.3. bis 30.6.2005 verurteilt hat. Das SG hat nämlich weder festgestellt noch auch nur ermittelt, ob der Kläger in diesem Zeitraum auch die weiteren Voraussetzungen für die Alg-Gewährung erfüllte. Für die Zeit ab 29.3.2005 fehlte es bereits an der Arbeitslosigkeit des Klägers, insbesondere an seiner objektiven Verfügbarkeit (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Der Kläger hat sich nämlich zum 29.3.2005 selbstständig gemacht, ihm wurde auf seinen Antrag für die Zeit vom 29.3.2005 bis 28.9.3005 Überbrückungsgeld bewilligt. Nachdem diese selbstständige Tätigkeit in einer Steuerberatungspraxis bestand, die der Kläger auch schon während seiner Arbeitslosigkeit als Nebentätigkeit ausgeübt hat, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es nicht auch in der Zeit vom 1.3. bis 28.3.2005 an der objektiven Verfügbarkeit, mindestens an der subjektiven Arbeitsbereitschaft mangelte.
Daneben kommt es nicht mehr darauf an, dass auch die vom SG im Tenor des angefochtenen Urteils ausgesprochene Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2005 deswegen fehlerhaft war, weil die Aufhebung des Bescheides keinesfalls dem Prozessziel des Klägers entsprach. Er wollte ja nicht die gesamte Bewilligung des Alg aufgehoben haben, er begehrte lediglich die Änderung des Bewilligungsbescheides bezüglich der bewilligten Anspruchsdauer.
Insgesamt ist damit auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil aus den genannten Rechtsgründen aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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