L 9 R 1898/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 RA 2794/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1898/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. April 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die1950 geborene Klägerin hat von April 1965 bis März 1968 eine kaufmännische Lehre absolviert. Zuletzt war sie bis 30.6.2000 als Bestattungsberaterin beschäftigt. Danach bezog sie Arbeitslosengeld; seit 16.8.2001 war sie arbeitsunfähig und bezog ab dem 27.9.2001 Krankengeld.

Am 8.10.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog einen Befundbericht von Dr. R., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 10.1.2002 sowie das sozialmedizinische Gutachten des MDK vom 3.1.2002 bei und ließ die Klägerin von dem Arzt für Orthopädie und Rheumatologie Dr. B. gutachterlich untersuchen. Dieser stellte bei der Klägerin im Gutachten vom 18.12.2001 folgende Gesundheitsstörungen fest: • Spondylolisthese L 4/5 • Degenerative HWS-Veränderungen • Rezidivierende Umknickneigung im oberen Sprunggelenk. Die Tätigkeit als Bestattungsberaterin könne die Klägerin sechs Stunden und mehr durchführen. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in Tagesschicht ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne häufiges Bücken, ohne Überkopfarbeiten und ohne Ersteigen von Leitern und Gerüsten könne die Klägerin vollschichtig verrichten. Da ab Januar 2002 eine psychotherapeutische Behandlung wegen Depressionen durchgeführt werde, sei eventuell eine ergänzende Begutachtung angezeigt. Die Beklagte veranlasste daraufhin die gutachterliche Untersuchung der Klägerin durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S ... Dieser diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 29.1.2002 folgende Gesundheitsstörungen: • Lumbales Reizsyndrom bei bekannter Spondylolisthese ohne neurologische Auffälligkeiten • Psychovegetativ bedingte Taubheit in der rechten Hand und den beiden Füßen ohne organischen Befund • Leichte reaktive Depression in Folge der Hautveränderungen durch Lichtallergie. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Klägerin nicht in ihrer Leistungsfähigkeit gemindert. Sie könne weiterhin der erlernten Tätigkeit als kaufmännischen Angestellten nachgehen sowie leichte und gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 13.3.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die Klägerin noch in der Lage sei, in ihrem bisherigen Beruf als kaufmännische Angestellte mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein bzw. unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden zu arbeiten.

Hiergegen legte die Klägerin am 3.4.2002 Widerspruch ein und trug vor, ihre Haut sei mit undefinierbaren unheilbaren Ekzemen behaftet, wie sich aus dem Befund der Hautklinik der Universität H. vom 7.3.2002 und den beigefügten Fotos ergebe. Sie könne seit ihrem Arbeitsunfall vom Februar 2000 keine öffentliche Verkehrsmittel mehr benutzen, da sie in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt sei. Die Beklagte zog daraufhin einen Leistungsauszug der Deutschen Angestelltenkrankenkasse und das sozialmedizinische Gutachten des MDK vom 3.1.2002 bei (Leistungsbeurteilung: weiter arbeitsunfähig, positives Leistungsbild ist auf unbestimmte Zeit nicht definierbar; weitere Lichttherapie muss abgewartet werden) und holte Befundberichte bei Dr. R. vom 30.4.2002, der Hautklinik der Universität H. vom 3.5.2002 sowie dem Orthopäden Dr. L. vom 7.5.2002 ein. Danach ließ die Beklagte die Klägerin auf internistischem und hautärztlichem Gebiet gutachterlich untersuchen.

Der Internist Dr. S. diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 26.6.2002 folgende Erkrankungen: • Chronische Bronchitis • Multiple abdominelle Operationen mit Adhäsionen • Zustand nach Ileus • Allergien • Akute Bronchitis • Psoriasiforme Epithelhyperplasie. Die Hauptbeschwerden lägen auf hautärztlichem Gebiet. Auf internistischem Gebiet fänden sich keine wesentlichen Auffälligkeiten. Die Klägerin sei von internistischer Seite her in ihrem Beruf als Bestattungsberaterin voll einsetzbar.

Der Hautarzt und Allergologe Dr. S. stellte im Gutachten vom 29.8.2002 bei der Klägerin eine Prurigo simplex subacuta fest und vertrat die Auffassung, die Klägerin sei als kaufmännische Angestellte und Bestattungsberaterin lediglich drei bis unter sechs Stunden täglich einsetzbar. Die Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit der Klägerin sei durch den Juckreiz mit der Folge zwanghaften Kratzens eingeschränkt.

Dieser Leistungsbeurteilung schloss sich die Beratungsärztin der Beklagten in der Stellungnahme vom 12.9.2002 nicht an und vertrat die Ansicht, der Juckreiz sei im wesentlichen medikamentös behandelbar, sodass sich keine quantitative Leistungsminderung bei leidensgerechter Tätigkeit begründen lasse. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2002 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 29.11.2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim. Das SG hörte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde Dr. L. erklärte unter dem 13.3.2003, nach den vorliegenden bis Mai 2002 reichenden Befunden sei die Klägerin als kaufmännische Angestellte vollschichtig arbeitsfähig und könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis zum Teil mittelschwere Arbeiten ohne ständiges Stehen und ständiges Heben und Tragen von schweren Gegenständen über 5 kg vollschichtig verrichten. Dr. R. berichtete unter dem 18.3.2003, die Klägerin leide unter einer erheblichen Bronchitis mit Atemnot, Schmerzen in beiden Beinen, linkes Bein ödematös, verzögertem Abheilen der Pusteln und starkem Juckreiz. Die Klägerin sei weder berufs- noch erwerbsfähig. Die Ärzte der Universitätshautklinik H. vertraten unter dem 23.5.2003 die Auffassung, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei allein durch die Hautveränderungen nicht eingeschränkt. Zu bedenken sei jedoch, dass der zum Teil quälende Juckreiz durchaus eine Beeinträchtigung der Konzentration und somit auch der Erwerbsfähigkeit bedingen und zu Problemen im sozialen Gefüge (Kratzen in der Öffentlichkeit) führen könne. Insoweit sollte die Meinung eines Arztes für Psychiatrie/Psychosomatik eingeholt werden.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. D., Arzt für Dermatologie und Venerologie, mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem Gutachten vom 3.11.2003 führte der Sachverständige aus, die Klägerin leide an einer Prurigo simplex chronica. Hierbei handle es sich um eine chronisch-entzündliche Dermatose mit typischer Juckreizanamnese. Die Papeln und Knötchen würden intensiv gekratzt und entwickelten sich im Verlauf der Krankheit zu persistierenden, stark juckenden entzündlichen Knoten ohne Regressionstendenz. Aus dermatologischer Sicht könnten zumutbare Arbeiten in der vollen täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit verrichtet werden; allerdings sollte auf einen stressarmen Ablauf geachtet werden. Der Arbeitsplatz sollte wohltemperiert sein und die Klägerin sollte die Möglichkeit haben, bei Juckreiz entsprechende Eincremepausen (alle 1 bis 2 Stunden zirka 5 Minuten) einlegen zu können. Auf Grund möglicher Konzentrationsschwäche sollte die Klägerin nicht an gefährdenden Maschinen arbeiten. Die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens halte er für erforderlich.

Das SG beauftragte daraufhin Dr. L., Chefarzt der Psychosomatischen Fachklinik B. D., mit der Begutachtung der Klägerin. Dieser diagnostizierte zusammen mit dem Arzt für Psychotherapeutische Medizin Ecker im Gutachten vom 6.1.2004 bei der Klägerin auf seinem Fachgebiet eine Dysthymia, einen chronischen Spannungskopfschmerz sowie eine Migräne ohne Aura. Aus psychosomatisch-psychiatrischer Sicht bestünden noch keine wesentlichen quantitativen und qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Die zumutbaren Arbeiten könnten demnach in der vollen täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit verrichtet werden. Betriebsunübliche Pausen ergäben sich aus dermatologischer Sicht.

Durch Urteil vom 30.4.2004 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 17.5.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.5.2004 Berufung eingelegt und vorgetragen, bei ihr lägen Erkrankungen auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten vor. Deshalb sei eine ärztliche Stellungnahme einzuholen, die ihre Erkrankungen in ihrer Gesamtheit berücksichtige und deutlich mache, wie sich die Erkrankungen in ihrem Zusammenwirken auf ihr Leistungsvermögen auswirkten. Wegen eines Tinnitus befinde sie sich bei der HNO-Ärztin Dr. U.-S. in Behandlung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 30. April 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. März 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, es seien je zwei Gutachten auf hautärztlichem und nervenärztlichem Gebiet sowie jeweils ein Gutachten auf internistischem und orthopädischem Gebiet eingeholt worden. Mit Ausnahme des dermatologischen Gutachtens von Dr. S. hätten alle Gutachter ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten in temperierten Räumen, ohne vermehrten Stress und mit der Möglichkeit, alle zwei Stunden die Haut eincremen zu können, festgestellt. Dr. S. habe ein vermindertes Leistungsvermögen mit der Begründung angenommen, dass der Juckreiz zu Konzentrationsstörungen führe. Dies sei allerdings bei den zweimaligen nervenärztlichen Begutachtungen ausgeschlossen werden. Dr. D. habe in der Anamnese erhoben, dass der Juckreiz alle zwei Stunden auftrete und durch Eincremen gestoppt werden könne. Damit komme es zu den oben genannten qualitativen Einschränkungen; eine quantitative Einschränkung ergebe sich daraus nicht.

Dr. U.-S. hat unter dem 7.9.2004 berichtet, sie habe bei der Klägerin eine Durchblutungsstörung, einen Tinnitus, massive Allergien und Vertigo diagnostiziert. Eine Arbeitsunfähigkeit sei von ihr nicht bescheinigt worden.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat zunächst den Internisten Dr. Ertl mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 20.7.2005 auf seinem Fachgebiet folgende Krankheiten genannt: • Beeinträchtigung der Atmungsfunktion bei chronisch-obstruktiver Erkrankung der Bronchien und Lungenblähung • Gestörte Verdauungsfunktion durch Verwachsungen der Bauchhöhle bei Zustand nach mehrfachen Operationen wegen Darmverschlüssen; Colon irritabile, Refluxkrankheit der Speiseröhre; Zwerchfellbruch; chronische Magenschleimhautentzündung • Nierenfunktionsstörung mit Hämaturie (Blutabgang) bei Zustand nach Operation mit Harnleiterverschluss mit Nephrostomie (Nierenbecken) - Katheter • Herzminderleistung bei Belastungshypertonie (Angina pectoris-Ereignis im März 2002). Die Funktionseinbußen seien vor allem durch die Hauterkrankung und deren Folgeschäden wie Kratzen, Depressionen und entstelltem Aussehen, aber auch in gleicher Weise durch die Einschränkung der Atemfunktion und die orthopädischen Erkrankungen als mittelschwer anzusehen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die Funktionsbehinderungen potenzieren könnten, sei die Klägerin nur noch in der Lage, Tätigkeiten mit zahlreichen qualitativen Einschränkungen drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Im Übrigen benötige die Klägerin betriebsunübliche Pausen von ca. 15 Minuten je nach Kratzzwangzuständen. Auch sei sie nicht in der Lage, eine Wegstrecke von 500 Metern in 20 Minuten zurückzulegen, da Einschränkungen des Steh- und Gehapparates bestünden.

Anschließend hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG ein nervenärztliches Gutachten eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. hat im Gutachten vom 4.9.2006 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Prurigo simplex chronica 2. Reaktiv ausgelöste, derzeitig mittelgradige depressive Verstimmung 3. Sozial-phobische Reaktionsbildung 4. Einfache Migräne 5. Blandes Ulnarisrinnen-Syndrom rechts 6. Tinnitus beidseits. Aus nervenärztlicher Sicht bestehe, wie schon Dr. E. (Dr. L.) in seinem Gutachten dargelegt habe, keine wesentliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Die Klägerin sei in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Arbeiten mit Publikumsverkehr und besonderer geistiger Beanspruchung (Arbeitstempo, erhöhte Anforderungen an Konzentrationsfähigkeit und geistige Flexibilität, erhöhte Verantwortung) sollten jedoch nunmehr vermieden werden, da inzwischen die sozial-phobische Reaktion und die daraus resultierende depressive Symptomatik stärker ausgeprägt sei. Auf Grund des erheblichen Juckreizes sollte die Klägerin die Möglichkeit haben, nach zwei Stunden auf die betroffenen Hautstellen Salbe aufzutragen. Die Klägerin sei auch in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme einer neuen Tätigkeit verbunden seien

Mit Verfügung vom 5.9.2006 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, das SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das LSG - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 5.9.2006 hat der Senat die Beteiligten auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten von Dr. B. vom 18.12.2001, Dr. S. vom 29.1.2002, Dr. S. vom 26.6.2002, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der Gutachten der Sachverständigen Dr. D. vom 3.11.2003, Dr. L. vom 6.1.2004 und Dr. S. vom 4.3.2006. Die von den Feststellungen von Dr. B., Dr. S., Dr. S., Dr. D., Dr. L. und Dr. S. partiell abweichenden Beurteilungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin in den Gutachten von Dr. S. vom 29.8.2002 und Dr. E. vom 20.7.2005 entbehren einer hinreichend schlüssig und nachvollziehbar dargelegten Begründung und vermögen im Ergebnis keine der Klägerin günstigere Entscheidung zu begründen.

Die Klägerin leidet danach zur Überzeugung des Senats an folgenden, für ihre Leistungsfähigkeit bedeutsamen Gesundheitsstörungen: • Prurigo simplex chronica • Dysthymia bzw. reaktiv ausgelöste, zeitweise mittelgradige depressive Verstimmung mit sozialphobischer Reaktionsbildung • Chronischer Spannungskopfschmerz • Migräne ohne Aura • Lumbales Reizsyndrom bei Spondylolisthese L4/5 (ohne neurologische Auffälligkeiten) • Degenerative HWS-Veränderungen • Rezidivierende Umknickneigung im oberen Sprunggelenk • Tinnitus • Chronisch-obstruktive Erkrankung der Bronchien und Lungenblähung • Gestörte Verdauungsfunktion durch Verwachsungen der Bauchhöhle bei Zustand nach mehrfachen Operationen wegen Darmverschlüssen; Colon irritabile, Refluxkrankheit der Speiseröhre; Zwerchfellbruch; chronische Magenschleimhautentzündung • Nierenfunktionsstörung mit Hämaturie (Blutabgang) bei Zustand nach Operation mit Harnleiterverschluss mit Nephrostomie (Nierenbecken)-Katheter • Herzminderleistung bei Belastungshypertonie (Angina pectoris-Ereignis im März 2002).

Diese Gesundheitsstörungen schränken die berufliche Leistungsfähigkeit der Klägerin zwar in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht ein. Aus medizinischer Sicht ist die Klägerin noch in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten bzw. mindestens sechs Stunden täglich als kaufmännische Angestellte zu arbeiten. Dies ergibt sich für den Senat aus den Gutachten von Dr. B., Dr. S., Dr. S., der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.9.2002, den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. L. sowie der Ärzte der Universitäts-Hautklinik H. sowie den Gutachten von Dr. D., Dr. L. und Dr. S ... Nicht mehr zumutbar sind der Klägerin Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufigem Bücken, mit Überkopfarbeiten, mit Ersteigen von Leitern und Gerüsten, in Kälte, Nässe, Zugluft, mit Einwirkung von inhalativen Reizen, mit Publikumsverkehr und mit besonderer geistiger Beanspruchung (Stress, erhöhtes Arbeitstempo, erhöhte Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit und geistige Flexibilität, erhöhte Verantwortung). Die Klägerin ist auch in der Lage, viermal täglich über 500 Meter in zumutbarer Zeit zurückzulegen und dabei öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, d. h. ihre Wegefähigkeit ist gegeben, wie der Senat insbesondere den Gutachten von Dr. L. und Dr. S. entnimmt.

Entgegen ihrer Auffassung ist die Klägerin auch in Zusammenschau ihrer vorrangig auf hautärztlichem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen mit den auf psychiatrischem bzw. psychosomatischem, orthopädischem, internistischem und HNO-ärztlichem Gebiet liegenden Erkrankungen noch in der Lage, als kaufmännische Angestellte sechs Stunden täglich zu arbeiten. Die von Dr. S. angenommene Leistungsminderung auf drei bis unter sechs Stunden wegen einer Einschränkung der Belastbarkeit und der Konzentrationsfähigkeit auf Grund des starken Juckreizes und des zwanghaften Kratzens ist nicht durch entsprechende nervenärztliche Befunde belegt. Zwar beschrieben auch Dr. L. und Dr. S. negative Auswirkungen der durch die Hauterkrankung ausgelösten depressiven Symptomatik auf den Antrieb und die Konzentrationsfähigkeit der Klägerin, diese führten jedoch im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. L. (17.12.2003) weder zu qualitativen noch quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin, während Dr. S. (Untersuchung am 29.6.2006) Einschränkungen in Bezug auf Arbeiten feststellte, die mit besonderer geistiger Beanspruchung und mit Publikumsverkehr einhergehen. Beide Sachverständige halten die Klägerin auch weiterhin für fähig, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten, wobei sie übereinstimmend darauf hinweisen, dass das Leistungsvermögen der Klägerin durch eine sachgerechte psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung erheblich verbessert werden könnte. Die Nichtbehandlung der depressiven Symptomatik könnte nach den Darlegungen von Dr. L. eine depressive Abwärtsspirale in Gang setzen, die mittelfristig auch Auswirkungen auf das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin haben könnte. Dr. S. hat zweieinhalb Jahre später insoweit auch eine stärkere Ausbildung der depressiven Symptomatik verbunden mit einer sozial-phobischen Reaktionsbildung festgestellt, die aber nach seiner den Senat überzeugenden Beurteilung lediglich zu der beschriebenen Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin in qualitativer Hinsicht führt.

Der Beurteilung des Internisten Dr. E. folgt der Senat nicht. Da Dr. E. selbst einen engen Zusammenhang zwischen der Hauterkrankung und der Psyche annimmt, hält der Senat die Beurteilungen des Arztes für Psychosomatik Dr. L. und des Neurologen und Psychiaters Dr. S. für maßgebender als die Beurteilung des Internisten Dr. E., zumal er ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen damit begründet, dass die vom Hautarzt Dr. D. angenommenen Eincremepausen alle ein bis zwei Stunden für fünf Minuten unrealistisch seien und von einer Pause von jeweils 15 Minuten (Erreichen eines geeigneten Raumes, Aus- und Ankleiden, Eincremen, Kühlen, Entspannungsübungen sowie Aufsuchen des Arbeitsplatzes) auszugehen sei. Da es sich hierbei jedoch um die Auswirkungen von Erkrankungen auf hautärztlichem Gebiet handelt, folgt der Senat insoweit auch der Beurteilung des Hautarztes Dr. D ... Danach benötigt die Klägerin lediglich Eincremepausen von ca. fünf Minuten alle ein bis zwei Stunden. Soweit Dr. E. die Auffassung vertritt, die Klägerin benötige für eine Wegstrecke von 500 Meter mehr als 20 Minuten, vermag sich der Senat seiner Beurteilung ebenfalls nicht anzuschließen, zumal weder der Orthopäde Dr. B. noch die Neurologen und Psychiater Dr. S., Dr. L. und Dr. S. eine Einschränkung der Wegefähigkeit bei der Klägerin festgestellt haben; Dr. L. und Dr. S. haben vielmehr eine Einschränkung des Arbeitsweges in zeitlicher oder sonstiger Hinsicht ausdrücklich verneint.

Auch wenn die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bestattungsberaterin auszuüben, weil diese Tätigkeit mit Kundenkontakten und damit Publikumsverkehr verbunden ist, kommt die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht in Betracht, da die Klägerin weiterhin ihren erlernten Beruf als kaufmännische Angestellte ausüben bzw. sonstige Bürotätigkeiten ohne Publikumsverkehr verrichten kann.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved