L 5 KA 5164/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 4102/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5164/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. August 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren L 5 KA 5164/06 wird auf 1.009,34 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Streichung der Gebührennummer (GNR) 861 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in den Quartalen 4/03 bis 4/04 im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung im Streit.

Die Klägerin ist als psychologische Psychotherapeutin mit Sitz in E. niedergelassen und zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung zugelassen.

Im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung strich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordwürttemberg, Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei den Abrechnungen der Quartale 4/03 38 Mal die GNR 861 EBM, 1/04 21 Mal, 2/04 20 Mal, 3/04 22 Mal und 4/04 23 Mal (Honorarberichtungsbescheide vom 25. Februar 2004, 3. Juni 2004, 20. August 2004, 18. November 2004 und 17. Februar 2005). Zur Begründung führte die Beklagte jeweils aus, neben den GNR 871-872 H, 877, 877 B sei unter anderem die GNR 861 EBM nicht berechnungsfähig. Die höher bewertete Leistung sei vergütet worden.

Die Klägerin erhob gegen die Honorarberichtigungsbescheide jeweils Widerspruch und verwies auf ein rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 10. September 2003 (S 16 KA 464/01), in dem die Abrechnungsfähigkeit der GNR 861 neben den Psychotherapienummern 871 ff. ausdrücklich auf Grund des Textes der Leistungslegende bestätigt worden sei. Auch zwei weitere Urteile des SG Mainz bestätigten die Honoraranforderung (S 2 KA 867/03, S 2 KA 868/03).

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2005 gab der Widerspruchsausschuss der Beklagten dem Widerspruch der Klägerin im Hinblick auf sieben Ansätze der GNR 861 EBM statt. Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach A I 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM sei eine Leistung nicht berechnungsfähig, wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes sei. Dies gelte für Gesprächleistungen auch dann, wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung (Diagnose/Therapie) geführt werde. Hinsichtlich der Abrechnung der GNR 861 während laufender Therapie sei folgendes festzustellen: Die Leistungen nach GNR 861 dienten nicht einer "Überprüfung des psychischen Befundes und Erhebung einer Zwischenanamnese" während einer laufenden Psychotherapie, sondern der differentialdiagnostischen Einordnung des Krankheitsbildes, sowie der Indikationsstellung, welche naturgemäß vor einer psychotherapeutischen Behandlung zu erfolgen habe. So heiße es in Abschnitt E Abs. 1 der Psychotherapie-Richtlinien dann auch: "Für die Durchführung der Psychotherapie ist es sowohl unter therapeutischen als auch unter wirtschaftlichen Aspekten erforderlich, nach Klärung der Diagnose und der Indikationsstellung vor Beginn der Behandlung den Behandlungsumfang und die Behandlungsfrequenz festzulegen." Das SG Stuttgart habe in seinem rechtskräftigen Urteil S 11 KA 4612/00 vom 22. November 2002 eine entsprechende Klage zum gleichen Sachverhalt abgewiesen. Danach könne die GNR 861 EBM grundsätzlich nicht während einer laufenden Psychotherapie zur Abrechnung kommen. Offensichtlich erfolge durch den erneuten Ansatz der GNR 861 lediglich die Überprüfung, ob die Therapie in die richtige Richtung gehe. Genau dann sei diese Exploration aber Bestandteil der Psychotherapie und mit der Gebühr für die Leistung (hier den GNR 872 und 877) abgegolten. Eine Ausnahme sei lediglich für den Fall vorgesehen, in dem die vertiefte Exploration mit Indikationsstellung in Zusammenhang mit einem Therapieverlängerungsantrag notwendig werde, und dementsprechend eine enger zeitlicher Zusammenhang mit dem Bericht an den Gutachter nach GNR 868 gegeben sei. Unter diesem Gesichtspunkt hätten sieben Fälle nachvergütet werden können.

Hiergegen hat die Klägerin am 06. Juli 2005 Klage vor dem SG Stuttgart erhoben. Sie hat geltend gemacht, die von der Beklagten vertretene Auffassung stehe im Gegensatz zur Leistungslegende der in Frage stehenden Gebührennummern. Aus dem Wortlaut der GNR 861 EBM sei nicht zu entnehmen, dass ein Vergütungsanspruch nicht bestehe, wenn eine Leistung Teil des Leistungsbildes einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes sei. Die einzige Einschränkung sei dahin möglich, dass die Leistung höchstens zweimal im Behandlungsfall berechnungsfähig sei. Die von der Beklagten vorgenommene Einschränkung, dass die differentialdiagnostische Einordnung des Krankheitsbildes vor einer psychotherapeutischen Behandlung zu erfolgen habe, finde im Text der Leistungslegende keine Grundlage. Die Beklagte setze sich damit in Widerspruch zu der Rechtsprechung des SG Mainz. Auch das SG Hannover habe die von der Klägerin vertretene Auffassung für zutreffend erklärt. Aus dem Text der Leistungslegende sei gerade nicht ersichtlich, dass die psychotherapeutische Indikationsstellung der psychotherapeutischen Behandlung vorauszugehen habe. Es sei vielmehr so, dass nicht nur zu Beginn, sondern im Verlauf einer psychotherapeutischen Behandlung sich die Notwendigkeit einer Überprüfung für die gewählte Psychotherapiemethode immer wieder neu stellen könne. Insbesondere könne es darum gehen, dass auf Grund neuer, bisher verborgener Krankheitsbilder die Diagnosestellung abzuändern und neuen Erkenntnissen anzupassen oder auch eine Überarbeitung der Technik und Intervention vorzunehmen sei. Dies müsse im Rahmen der Therapie- und Behandlungsfreiheit dem Therapeuten überlassen bleiben. Dem genannten Urteil des SG Stuttgart vom 24. November 2002 (S 11 KA 4612/00) könne nicht gefolgt werden. Bei der dort vorgenommenen Auslegung der Allgemeinen Bestimmungen gehe das Gericht nach Auffassung der Klägerin über die Grenzen hinaus, die der Auslegung insgesamt gesetzt seien. Es entspricht der üblichen Gesetzestechnik, Regelungen allgemeiner Art an den Anfang zu stellen und dies im weiteren Verlauf durch Ausnahmen von der Regel zu ergänzen, zu erweitern oder einzuschränken. Eine solche Ausnahme enthalte GNR 861 EBM im zweiten Teil der Leistungslegende mit der Beschränkung der Abrechnung auf "höchstens zweimal im Behandlungsfall". Davon ausgehend, dass eine psychotherapeutische Behandlung in aller Regel deutlich länger als ein Quartal dauere, sei auch in dieser Bestimmung eine wiederholte Abrechnung der Ziffer angelegt. Wenn sie nur zu Beginn der Therapie einmal und dann nie wieder abrechnungsfähig wäre, würde die Einschränkung auf zweimal im Behandlungsfall keinen Sinn ergeben. Es handle sich dabei um eine Abweichung von der Allgemeinen Regelung in Teil A I 1 mit der Folge, dass die Ausnahme anstelle der Allgemeinen Regelung trete.

Die Beklagte ist dem entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass hinsichtlich der Auslegung des EBM der Blick nicht auf einzelne Abrechnungspositionen verengt werden dürfe. Der gesamte EBM sei zu berücksichtigen, somit auch die Allgemeine Bestimmungen A I 1. Danach sei eine Leistung nicht berechnungsfähig, wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes sei. Dies gelte für Gesprächsleistungen auch dann, wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung (Diagnose/Therapie) geführt werde. Bei den hier streitbefangenen Leistungen handele es sich ausschließlich um Gesprächsleistungen; demzufolge greife hier die allgemeine Bestimmung, auch wenn im nachfolgenden die streitgegenständliche GNR 861 EBM nicht explizit aufgeführt sei. Die konkrete Nennung der streitgegenständlichen Gebührennummern sei nicht erforderlich. Durch die generellen Regelungen in den Allgemeinen Bestimmungen habe der Bewertungsausschuss darauf verzichten können, jeweils in Annmerkungen nach den in Frage kommenden GNR aufzuzählen, welche Nummern neben diesen Leistungen nicht berechnet werden könnten. Vor jeder Therapie müsse grundsätzlich eine Diagnose stehen. Dies habe auch für die Psychotherapie zu gelten. Werde eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder eine analytische Psychotherapie durchgeführt und abgerechnet, sei das Stadium der Diagnostik bzw. Therapiefindung bereits verlassen. Der Umstand, dass eine durchgeführte Therapie immer wieder kritisch hinterfragt werden müsse, ändere hieran nichts. Demzufolge bestimmten auch die Psychotherapie-Richtlinien, dass erst nach Klärung der Diagnose und der Indikationsstellung, also nach Erbringung der Leistungen nach GNR (860 und 861) Behandlungsumfang und -frequenz festzulegen seien. Nur in den Fällen, in welchen in Verbindung mit einem Umwandlungs-, Fortführungs- oder Ergänzungsbericht im Rahmen des Gutachterverfahrens die Leistung nach Nr. 868 zu erbringen sei, könne von dieser Richtlinie abgewichen werden. Aus diesem Grunde sei die GNR 861 trotz laufender Psychotherapie dann nicht gestrichen worden, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Leistungen nach GNR 861 und GNR 868 gegeben gewesen sei. Die Streichungen seien daher zu Recht erfolgt, dies entspreche auch der ständigen Rechtssprechung des SG (Urteile vom 24. April 2002 - S 10 KA 2514/01 - und vom 22. November 2002 - S 11 KA 4612/00 - ).

Mit Urteil vom 30. August 2006 hat das SG die Honorarberichtigungsbescheide der Beklagten für die Quartale 4/03 - 4/04 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2005 bzgl. der Streichung der Leistungen nach GNR 861 EBM aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die gestrichenen Leistungen nach GNR 861 nachzuvergüten. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Grundsätze zur Auslegung von Gebührenregelungen die vorgenommene Honorarkürzung keinen Bestand haben könne. Das SG hat in dem Zusammenhang ausdrücklich seine frühere Auffassung bzgl. der Abrechungsfähigkeit von GNR 861 EBM neben laufender Psychotherapie - nicht jedoch neben der Abrechnung der GNR 870 EBM - aufgegeben. Im Einzelnen hat das SG zur Begründung darauf verwiesen, dass sich aus den Texten der Leistungslegende zu GNR 861 EBM sowie den Nummer 871 bis 884 EBM nicht entnehmen lasse, dass eine Abrechnung dieser Leistungen nebeneinander ausgeschlossen sein solle. Eine Beschränkung sei lediglich insoweit geregelt, als GNR 861 EBM lediglich zweimal im Behandlungsfall abrechnungsfähig sei, das bedeute, dass sie für denselben Psychotherapeuten, für denselben Patienten, in demselben Quartal, zu Lasten derselben Krankenkasse insgesamt nur zweimal in Ansatz gebracht werden dürfe (siehe § 21 Abs. 1 BMV-Ä/§ 25 Abs. 1 EKV-Ä). Auch inhaltlich lasse sich aus dem Text der Leistungslegende nicht entnehmen, dass die psychotherapeutische Indikationsstellung nur vor einer psychotherapeutischen Behandlung in Betracht komme. Vielmehr könne sich nicht nur zu Beginn, sondern auch im Verlauf einer psychotherapeutischen Behandlung die Notwendigkeit einer Überprüfung für die gewählte Psychotherapiemethode immer wieder neu stellen. Auch aus den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil A 1 Satz 2 EBM lasse sich im Verhältnis der GNR 861 EBM zu den hier streitigen Nummern 872 und 877 EBM nach der nunmehr vertretenen Auffassung kein Abrechnungsausschluss entnehmen. Nach den genannten Allgemeinen Bestimmungen sei eine Leistung dann nicht neben oder anstelle einer anderen Leistung berechnungsfähig, wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes sei. Nach Satz 3 der genannten Allgemeinen Bestimmungen gelte dies für Gesprächsleistungen auch dann, wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung (Diagnose/Therapie) geführt werde. Sowohl die Leistungen GNR 861 EBM als auch die Leistungen der laufenden Psychotherapie (z. B. GNR 872 und 877 EBM) seien Gesprächsleistungen, auch wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung (Diagnose/Therapie) geführt werde. Wie sich aus der Beschränkung der Abrechnungsfähigkeit der GNR 861 EBM auf zweimal im Behandlungsfall entnehmen lasse, finde die Allgemeine Bestimmung im Verhältnis der GNR 861 EBM zu den Leistungen der laufenden Psychotherapie keine Anwendung. Eine psychotherapeutische Behandlung dauere in der Regel länger als ein Quartal. Wäre die Leistung nur zu bzw. vor Beginn der Therapie abrechnungsfähig, würde die Einschränkung auf zweimal im Behandlungsfall keinen Sinn ergeben. Die ganz strenge Auffassung, dass die Leistungen nach GNR 861 EBM in keinem Fall neben einer laufenden Psychotherapie zur Anwendung kommen könne, werde im Übrigen auch von der Beklagten nicht vertreten. So gehe auch diese davon aus, dass in den Fällen, in welchen in Verbindung mit einem Umwandlungs-, Fortführungs- oder Ergänzungsbericht im Rahmen des Gutachterverfahrens die Leistung nach GNR 868 EBM zu erbringen sei, auch die Leistung nach GNR 861 EBM im engen zeitlichen Zusammenhang abgerechnet werden könne. Es könne für die Absetzbarkeit der GNR 861 EBM jedoch nach Auffassung des SG nicht darauf ankommen, welches Ergebnis eine Überprüfung der gewählten Psychotherapiemethode durch eine vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes und psychotherapeutischer Indikationsstellung habe. Denn eine derartige Überprüfung müsse nicht zwangsläufig etwa in einem Fortsetzungs- oder Umwandlungsantrag münden, sondern könne ebenso gut zu dem Ergebnis führen, dass die bisherige Therapie in gleicher Weise fortzusetzen sei. Daher seien die Streichungen aufzuheben und sei die Beklagte verpflichtet, die gestrichenen Ansätze der GNR 861 EBM zu vergüten.

Die Beklagte hat gegen das ihr mit Empfangsbekenntnis am 14. September 2006 zugestellte Urteil am 13. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht die Beklagte geltend, der Entscheidung des SG könne nicht gefolgt werden. Der Ausschluss der Nebeneinanderabrechnung der GNR 861 EBM neben Leistungen der Psychotherapie ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, da die differentialdiagnostische Einordnung des Krankheitsbildes und die psychotherapeutische Indikationsstellung zu Beginn der Therapie zu erfolgen habe. Das bedeute, eine vertiefte Exploration mit der soeben genannten differentialdiagnostischen Einordnung des Krankheitsbildes und der psychotherapeutischen Indikationsstellung sei typischer Weise eine Leistung zu Beginn der Behandlung. Die Indikationsstellung müsse der Behandlung vorausgehen. Würde man die Auffassung vertreten, der Wortlaut allein schließe die Abrechenbarkeit von GNR 861 EBM neben einer laufenden Psychotherapie nicht aus, ergäbe sich dieser Ausschluss aus den Allgemeinen Bestimmungen A I 1 EBM. Auf Grund der generellen Regelungen in den Allgemeinen Bestimmungen A I 1 Satz 2 und 3 EBM habe der Bewertungsausschuss darauf verzichten können jeweils in Anmerkungen nach den in Frage kommenden Gebührennummern aufzuzählen, welche Nummern neben diesen Leistungen nicht berechnet werden könnten. Insofern seien die nach bestimmten Gebührennummern in Anmerkungen festgehaltenen Ausschlussbestimmungen nicht vollständig und beträfen nur jene Positionen, bei denen der Bewertungsausschuss es für zweckmäßig gehalten habe, die Ausschlüsse der Nebeneinanderabrechnung gesondert zu erwähnen, um Abrechnungsirrtümern vorzubeugen. Hieraus dürfe aber nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass eine Nebeneinanderabrechnung generell in allen Fällen möglich wäre, in denen spezifische Ausschlüsse nicht formuliert seien. Vor jeder Therapie müsse grundsätzlich eine Diagnose stehen. Dies habe auch für die Psychotherapie zu gelten. Selbst bei den sogenannten probatorischen Sitzungen, die hier aber nicht streitgegenständlich seien, sei eine Nebeneinanderabrechnung nicht möglich. Dies werde im Interpretationsbeschluss Nr. 41 klargestellt. Werde eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder eine analytische Psychotherapie durchgeführt und abgerechnet, sei das Stadium der Diagnostik bzw. Therapiefindung bereits verlassen. Demzufolge bestimmten auch die Psychotherapie-Richtlinien, dass erst nach Klärung der Diagnose und der Indikationsstellung (also nach Erbringung der Leistung nach den Nummern 860 und 861 EBM) Behandlungsumfang und Behandlungsfrequenz festzulegen seien. Der Umstand, dass eine durchgeführte Therapie immer wieder kritisch hinterfragt werden müsse, ändere hieran nichts. Eine kritische Reflexion des Krankheitsbildes mit Überprüfung der differentialdiagnostischen Einordnung und der psychotherapeutischen Indikationsstellung bedeute aber nicht per se auch eine Abrechnungsfähigkeit der Leistung nach der GNR 861 EBM. Hier kämen eben jedenfalls die Allgemeinen Bestimmungen des EBM zum tragen, die ebenso streng auszulegen seien, wie die einzelnen Leistungslegenden. Diese regelten nun einen Ausschluss für Gesprächsleistungen, auch wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung geführt werde. Aus dem Umstand, dass die Leistung nach der GNR 861 EBM höchstens zweimal im Behandlungsfall berechnungsfähig sei, könne nicht geschlossen werden, dass diese Leistung immer dann zweimal im Quartal abgerechnet werden könne, wenn aus psychotherapeutischen Gründen erneut eine vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes unter psychotherapeutischer Indikationsstellung durchgeführt werden müsse. Die Annmerkung zur GNR 861 EBM - "höchstens zweimal im Behandlungsfall" - enthalte nach Auffassung der Beklagten schon gar keine direkte oder indirekte Aussage dazu, ob die GNR 861 EBM neben einer laufenden Psychotherapie abrechenbar sei oder nicht. Hintergrund der Annmerkung sei vielmehr nur, die Abrechnungsfähigkeit der GNR 861 EBM überhaupt zu begrenzen. Dies sei deshalb erforderlich, da die Leistungslegende der GNR 861 EBM - anders als andere Psychotherapienummern - keine Mindestzeitvorgabe enthalte. Damit habe es der Psychotherapeut letztlich in der Hand, in wie vielen Sitzungen welcher jeweiligen Dauer er die vertiefte Exploration durchführe. Durch die Anmerkung zur GNR 861 EBM sei sichergestellt, dass für den Fall, dass sich die vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes nicht in einer Sitzung abschließen lasse, keine unbegrenzte Abrechnungsmöglichkeit stattfinde. Damit zusammenhängend mache auch die Bezugnahme auf den Behandlungsfall Sinn, dass sich die vertiefte Exploration ja auch auf mehreren Sitzungen quartalsübergreifend - nämlich am Quartalswechsel - verteilen könne, bevor dann überhaupt erst die Psychotherapie beantragt und später durchgeführt werden könne. Ganz abgesehen davon könne auch nicht generell gesagt werden, dass eine Psychotherapie in der Regel länger als ein Quartal dauere. Gehe man von den in der Praxis sehr häufigen Kurzzeittherapien und darüber hinaus davon aus, dass die Sitzungsfrequenz zweimal die Woche betrage, dauere die Psychotherapie gerade mal ein Quartal. Aus der Tatsache, dass die Beklagte die Abrechnung der GNR 861 EBM neben laufender Psychotherapie im Zusammenhang mit einem Gutachterantrag nach GNR 868 EBM gestattet habe, könne ebenfalls nichts gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Streichungen abgeleitet werden. Im Handkommentar Wezel/Liebold zur GNR 861 EBM sei formuliert, dass die Abrechnung während einer laufenden Psychotherapie allenfalls dann in Frage komme, wenn ein Fortsetzungs- oder Umwandlungsantrag gestellt werde. Selbst wenn die Beklagte mit der von ihr praktizierten Handhabung den Ausschluss der Nebeneinanderabrechnung nicht strikt durchgehalten habe, wäre dies eine - möglicherweise rechtswidrige - Zugunstenregelung, die aber keine Präjudizwirkung für die hier in Rede stehende Abrechnungsstreitfrage haben könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Ergänzend führt der Klägerbevollmächtigte aus, die diagnostische Einordnung und Indikationsstellung sei am Anfang einer psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen der biographischen Anamnese (GNR 860) als vorausgehende diagnostische Maßnahme vor Beginn der psychotherapeutischen Behandlung durchzuführen (mit Hinweis auf Wezel/Liebold S. 9 G - 25/26). Die vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung (GNR 861) solle die dokumentierten Ergebnisse der selbsterbrachten Leistung nach GNR 860 einbeziehen, aber eben nicht am Anfang der Therapie, sondern bis zu zweimal im Behandlungsfall, wenn eine erneute diagnostische Einordnung und Indikationsstellung notwendig werde. Insofern stelle die vertiefte Exploration (GNR 861) gerade nicht eine Leistung da, die typischer Weise am Beginn der Behandlung stehe. Bei ihrem Hinweis auf die Psychotherapie-Richtlinien verkenne die Beklagte, dass nur die biographische Anamnese GNR (860 EBM) am Anfang der Behandlung stehe, während GNR 861 die unter Umständen später notwendige "vertiefte" Exploration regele. Gerade die Spezifikation in der Leistungslegende als vertiefte Exploration weise deutlich genug darauf hin, dass tiefer/weitergehender als am Beginn der Behandlung möglich exploriert werden solle. Es decke sich auch im Übrigen mit den Erfahrungen der Klägerin, dass eine Psychotherapie in der Regel - wie vom SG auch festgestellt - länger als ein paar Tage dauere. Auch bei dem von der Beklagten konstruierten Fall einer Kurzzeittherapie werde regelmäßig ein Quartal überschritten. Denn Kurzzeittherapien würden nach den Erfahrungen der Klägerin überwiegend in einer gestreckten Frequenz durchgeführt, also einmal pro Woche oder einmal pro zwei Wochen. Die erneute Antragstellung als Grund für eine vertiefte Exploration sei schließlich ganz im Sinne des Inhalts der Leistungslegende, also keinesfalls rechtswidrig. Allerdings könne dies gerade nicht bedeuten, dass ohne Antragstellung keine vertiefte Exploration stattfinden dürfe.

Wegen weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach §144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert in Höhe von 500,00 EUR ist überschritten. Im Streit stehen Honorarkürzungen in Höhe von 1.009,34 EUR.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des SG besteht ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung der hier gestrichenen Ansätze der GNR 861 EBM nicht.

Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä und § 34 Abs. 4 Satz 1 und 2 EKV-Ä, die nach § 1 Abs. 4 BMV-Ä und § 1 Abs. 6 EKV-Ä für Psychologische Psychotherapeuten entsprechend gelten, obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Dies gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerkes. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der leicht abweichende Wortlaut des § 34 EKV-Ä enthält in der Sache keine andere Regelung. Nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des auf der Grundlage des § 85 Abs. 4 SGB V ergangenen HVM (übernommen in den zwischenzeitlichen Honorarverteilungsvertrag - HVV - der KV Baden-Württemberg) sind für die Abrechnungen die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie die autonomen Satzungsnormen der Beklagten maßgebend. Nach § 7 Abs. 1 HVM prüft die Beklagte die eingereichten Abrechnungen in formaler Hinsicht. Bei dieser Prüfung ist u.a. darauf zu achten, ob die Bestimmungen der Gebührenordnungen beachtet und die richtigen Gebührenordnungsnummern angesetzt worden sind.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist für die Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegende maßgeblich (vgl. BSG SozR 3-5533 Nr. 505 Nr. 1 S 3; BSG SozR 4-5533 Nr. 40 Nr. 1 RdNr. 6; s zuletzt Urteil vom 28. April 2004 - B 6 KA 19/03 R - SozR 4-2500 §87 Nr. 5). Das vertragliche Regelwerk dient nämlich dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5 S 22 ff sowie SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 S 4 zum zahnärztlichen Bereich), und es ist vorrangig Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst, darin auftretende Unklarheiten zu beseitigen. Ergänzend ist es statthaft, zur Klarstellung des Wortlauts der Leistungslegende eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen vorzunehmen (vgl. BSG SozR 3-5533 Nr. 115 Nr. 1 S 3; s auch BSG SozR aaO Nr. 2145 Nr. 1 S 3). Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (vgl. BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 S 6). Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewandt werden (vgl. BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1 S. 5; SozR 3-5555 § 10 Nr. 1 S. 4; SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 2 S. 7).

Unter Berücksichtigung der oben dargestellten, von der Rechtssprechung aufgestellten Grundsätze, ist der Senat der Überzeugung, dass die hier streitigen Ansätze der GNR 861 EBM zutreffend gestrichen wurden, da eine Abrechnung während einer laufenden Therapie grundsätzlich nicht möglich war.

Die Leistungslegende der mit 1450 Punkten bewerteten GNR 860 EBM hatte in den hier streitigen Quartalen folgenden Wortlaut:

Erhebung des psychodynamischen Status mittels der biographischen Anamnese unter neurosenpsychologischen oder verhaltensanalytischen Gesichtspunkten mit schriftlichen Aufzeichnungen, einschließlich Beratung des Kranken, gegebenenfalls in mehreren Sitzungen, insgesamt mindestens 50 Minuten.

Die Leistung nach Nummer 860 ist im Krankheitsfall nur einmal berechnungsfähig.

Die Leistungslegende der mit 250 Punkten bewerteten GNR 861 EBM hatte in den hier streitigen Quartalen folgenden Wortlaut:

Vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes und psychotherapeutischer Indikationsstellung unter Einbeziehung der dokumentierten Ergebnisse der selbsterbrachten Leistung nach Nr. 860, je Sitzung.

Die Leistung nach Nr. 861 ist höchstens zweimal im Behandlungsfall berechnungsfähig.

Die Leistungslegenden der jeweils mit 450 Punkten bewerteten GNRn 872 und 877 hatten in den streitigen Quartalen folgenden Wortlaut:

Nr. 872: Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (Langzeittherapie) als Einzelbehandlung, jede Sitzung (Dauer mind. 50 Min.).

Nr. 877: Analytische Psychotherapie als Einzelbehandlung, je Sitzung (Dauer mind. 50 Min.).

Nach Teil A I 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM ist eine Leistung nicht berechnungsfähig, wenn sie Teil des Leistungsinhalts einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes ist. Dies gilt für Gesprächsleistungen auch dann, wenn das Gespräch mit unterschiedlicher Zielsetzung (Diagnose/Therapie) geführt wird (Nrn. 10, 11, 17, 21, 165, 171, 173, 180, 190, 822, 827, 845, 846, 848, 849, 850, 851, 871, 872, 873, 874, 877, 878, 881, 882, 883, 884 und 1180).

Wie nun gerade der Zusammenhang zwischen der GNR 860 und der GNR 861 zeigt, dient in der Tat die Leistung nach GNR 861 nicht einer "Überprüfung des psychischen Befundes und Erhebung einer Zwischenanamnese während einer laufenden Psychotherapie", sondern der differentialdiagnostischen Einordnung des Krankheitsbildes sowie der Indikationsstellung, welche naturgemäß vor einer psychotherapeutischen Behandlung zu erfolgen hat. Denn wie der Bevollmächtigte der Klägerin selber vorgetragen hat, ist die diagnostische Einordnung und Indikationsstellung am Anfang einer psychotherapeutischen Behandlung im Rahmen der biografischen Anamnese (GNR 860) als vorausgehende diagnostische Maßnahme vor Beginn der psychotherapeutischen Behandlung durchzuführen (so Wezel/Liebold S. 9 g 25/26). Genügt nun die biografische Anamnese nach GNR 860 noch nicht, um sicher eine diagnostische Einordnung und Indikationsstellung vor Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung vornehmen zu können und muss vielmehr "tiefer" gegangen werden, dann kommt die GNR 861 zur Anwendung, nämlich die "vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes und psychotherapeutischer Indikationsstellung" unter Einbeziehung der dokumentierten Ergebnisse der selbsterbrachten Leistungen nach Nr. 860. Da also die nach GNR 860 EBM vorzunehmende biografische Anamnese der diagnostischen Einordnung der Indikationsstellung dient und offensichtlich die GNR 861 darauf aufbaut, sofern eben eine vertiefte Exploration noch notwendig ist, zeigt dies aber nach Auffassung des Senates deutlich, dass nicht nur die GNR 860 EBM sondern auch die GNR 861 EBM am Anfang bzw. vor Einleitung der eigentlichen psychotherapeutischen Behandlung stehen. Des weiteren ist in Abschnitt E Abs. 1 der Psychotherapie-Richtlinien auch festgelegt, dass für die Durchführung der Psychotherapie es sowohl unter therapeutischen als auch unter wirtschaftlichen Aspekten erforderlich ist, nach Klärung der Diagnose und der Indikationsstellung vor Beginn der Behandlung den Behandlungsumfang und die Behandlungsfrequenz festzulegen. Dies bedeutet ebenfalls, dass in den Fällen, in den die Anamneseerhebung nach GNR 860 EBM noch nicht ausreichend ist, um dies festzulegen, dann vor Beginn der Maßnahme auch noch eine vertiefte Exploration nach GNR 861 EBM ggf. durchzuführen und dann auch abzurechnen ist.

Auch im Kölner Kommentar zum EBM wird hinsichtlich der GNR 861 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass, sofern sich nach der Erhebung des psychodynamischen Status nach GNR 860 herausstellt, dass eine Psychotherapie geboten erscheint, vor der Festlegung eines konkreten Behandlungsplanes eine vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes notwendig werden kann, um möglicherweise den Therapieplan schon so konkret anzulegen, dass eine spätere Änderung des Therapieverfahrens möglichst vermieden wird. Grundsätzlich ist die Leistung nach Nr. 868 nur von dem Arzt berechnungsfähig, der auch die Leistung nach Nr. 860 erbracht hat. Die Berechnung der Nr. 861 neben der Nr. 860 ist am gleichen Behandlungstag unter Würdigung des Leistungsinhaltes kaum denkbar und gemäß Interpretationsbeschluss Nr. 41 ausgeschlossen. Lässt sich die vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes nicht in einer Sitzung abschließen und werden dazu weitere Sitzungen nötig, sind auf Grund der Anmerkung nach Nr. 861 dennoch nur zwei Sitzungen im Quartal berechnungsfähig (siehe Kölner Kommentar zu Nr. 861 G S. 476/477).

Sofern allerdings während einer laufendem Therapie der behandelnde Psychotherapeut zu der Einschätzung gelangt, dass er möglicherweise die Diagnosestellung und die Indikationsstellung überprüfen und korrigieren und ggf. auch die Therapie anpassen und hierfür eine entsprechende "vertiefte Exploration" zur differentialdiagnostischen Einordnung vornehmen muss, ist diese bereits über die eigentliche Behandlungsziffer nach GNR 872 bzw. 877 abgedeckt. Denn es gehört zu den Sorgfaltspflichten eines jeden Vertragsarztes bzw. Vertragspsychotherapeuten, während einer laufenden Behandlung ohnehin ständig die Behandlung auf ihre "Richtigkeit" zu überprüfen, d. h. die Diagnosestellung dahingehend zu überprüfen, ob und inwieweit ggf. aufgrund zwischenzeitlich neu gewonnener Erkenntnisse diese zu korrigieren und im Hinblick darauf ggf. auch die Behandlung/Therapie anzupassen ist. Dieses Vorgehen aber ist im Endeffekt Teil der laufenden Behandlung und damit also Teil des Leistungsinhalts der GNR 872 bzw. 877, nämlich der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie als Einzelbehandlung bzw. der analytischen Psychotherapie als Einzelbehandlung. Daher sind unter Berücksichtigung der Allgemeinen Bestimmungen Teil A Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 letztlich die hier abgerechneten und streitigen GNR 861 nicht berechnungsfähig, da sie Teil des Leistungsinhalts der GNR 872 bzw. 877 sind, unabhängig von der konkreten Zielsetzung (der Handlung oder Überprüfung der Diagnose) im Einzelfall.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf Grund des Zusatzes bei der GNR 861 EBM, wonach die Leistung höchstens zweimal im Behandlungsfall berechnungsfähig ist. Als Behandlungsfall gilt gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 25 Abs. 1 Satz 1 EKV-Ä die gesamte von demselben Vertragsarzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Kranken ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung. Da im Unterschied zur GNR 860 EBM und auch den GNRn 872, 877 bei der GNR 861 keine Mindestzeitvorgabe besteht (also auch schon nach einer kürzeren Gesprächsdauer abgerechnet werden kann), soll diese Regelung verhindern, dass die Leistung nach Nr. 861 mit vergleichsweise kurzer Behandlungsdauer/Gesprächsdauer auf mehrere Behandlungstermine verteilt wird und entsprechend mehrfach abgerechnet wird. Diese Regelung widerlegt auch die Auffassung der Klägerin, die GNR 861 im Ergebnis immer dann abrechnen zu können, wenn sie während der Behandlung diese differentialdiagnostisch überprüft. Denn wenn man diese Auffassung auch von Seiten des Bewertungsausschusses geteilt hätte, dann würde diese Beschränkung auf eine maximal zweimalige Abrechnungsfähigkeit pro Behandlungsfall dem widersprechen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Rahmen einer in einem Quartal konzentrierten Behandlung sich auch häufiger die Frage der Überprüfung der Indikationsstellung und der Therapie stellen und dann folgerichtig jeweils die GNR 861 im Rahmen dessen "begleitend" abgerechnet werden könnte. Dann hätte es aber auch gerade unter Berücksichtigung der oben bereits zitierten Regelung in den Allgemeinen Bestimmungen A Nr. 1 des EBM einer entsprechenden Klarstellung hier in der Leistungslegende dahingehend bedurft, dass die GNR 861 etwa neben den GNRn 872, 877 berechnungsfähig ist.

Zu keinem günstigeren Ergebnis führt auch im übrigen die Praxis der Beklagten, die Abrechnung der GNR 861 in Verbindung mit der GNR 868 (Bericht an den Gutachter zum Antrag des Versicherten auf Erstellung der Leistungspflicht zur Einleitung oder Verlängerung der tiefenpsychologisch fundierten, der analytischen Psychotherapie oder der Verhaltenstherapie als Langzeittherapie) zu akzeptieren. Diese Interpretation des EBM kann zumindest vor dem Hintergrund akzeptiert werden, dass speziell für den Bericht an den Gutachter im Zusammenhang mit einem Verlängerungsantrag die vertiefte Exploration mit differentialdiagnostischer Einordnung des Krankheitsbildes über die oben bereits angesprochene "regelmäßige Kontrolle der Indikationsstellung und Therapie " hinausgeht. Darüber hinaus stellt sich gerade bei einem Verlängerungsantrag die Situation ähnlich wie vor Aufnahme der Therapie dar, es ist nämlich (erneut) auf Grund entsprechender Exploration die Indikationsstellung und Therapie zu prüfen und (neu) festzulegen.

Schließlich bestätigt auch noch der Vergleich zu den Regelungen im zwischenzeitlich geltenden EBM 2000 plus die Richtigkeit der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung:

Die Leistungslegende der Nr. 35140 des EBM 2000 plus "Biografische Anamnese", der insoweit GNR 860 alter (hier maßgeblicher) Fassung EBM entspricht lautet: Obligater Leistungsinhalt - Biografische Anamnese, -Erhebung des psychodynamischen Status, - Dauer mindestens 50 Minuten

Die Leistungslegende der Nr. 35141 des EBM 2000 plus "Zuschlag zu der Leistung nach der Nr. 35140 für die vertiefte Exploration", der insoweit GNR 861 EBM alte Fassung ersetzt, lautet: Obligater Leistungsinhalt - Differentialdiagnostische Einordnung des Krankheitsbildes unter Einbeziehung der dokumentierten Ergebnisse der selbst erbrachten Leistungen nach der Nr. 35140 im Zusammenhang mit einem Antragsverfahren oder bei Beendigung der Therapie, - Dauer mindestens 20 Minuten

Im Unterschied zu GNR 861 EBM aF enthält nunmehr Nr. 35140 EBM 2000 plus den ausdrücklichen Zusatz "im Zusammenhang mit einem Antragsverfahren ...". Ganz offensichtlich ist also der Bewertungsausschuss auch der Auffassung, dass die Nr. 35141 nur in Verbindung mit Nr. 35140, also vor Einleitung der Therapie oder im Zusammenhang mit einem Verlängerungsantrag zur Anwendung kommt, wie dies auch von der Beklagten schon bezüglich der hier streitigen Nr. 861 EBM akzeptiert wurde. Hätte der Bewertungsausschuss aber die Vorgängerregelung GNR 861 EBM in dem von der Klägerin vertretenen Sinne verstanden, hätte es bei der Nachfolgeregelung keine Veranlassung gegeben diesen Zusatz nunmehr aufzunehmen. Mit anderen Worten: ganz offensichtlich hat der Bewertungsausschuss auch die Vorgängerregelung GNR 861 EBM bereits in dem auch von der Beklagten in ihrer Entscheidung vertretenen Sinne verstanden haben wollen.

Aus diesen Gründen hat die Beklagte zu Recht die hier noch streitigen Ansätze der GNR 861 EBM gestrichen und eine Berichtigung des Honorars bei der Klägerin vorgenommen. Daher ist das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. August 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Insbesondere besteht keine grundsätzliche Bedeutung, da es sich hier um zwischenzeitlich ausgelaufenes Recht handelt und die Nachfolgeregelung Nr. 35141 EBM 2000 plus durch den entsprechenden Zusatz "im Zusammenhang mit einem Antragsverfahren" die hier streitige Frage eindeutig geregelt hat.
Rechtskraft
Aus
Saved