L 6 U 2418/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2251/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2418/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Juni 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente unter Anerkennung einer Epicondylitis als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.

Der 1962 geborene Kläger war seit Mai 1982 bei der D. und Sch. Bauunternehmung GmbH und Co. (im Folgenden: Firma D.) als Spezialfacharbeiter beschäftigt und dort im Tief- und Rohrleitungsbau eingesetzt.

Am 5. Juni 2000 ging bei der Beklagten die Ärztliche Anzeige über eine BK des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 30. Mai 2000 ein. Darin ist ausgeführt, dass der Kläger über Schmerzen am rechten Ellenbogen geklagt habe, die er auf seine Arbeit als Maurer zurückführe ("Steine schleppen u.s.w."). Insoweit werde als BK eine Epicondylitis radialis rechts angenommen. Zur Arbeitsanamnese gab der sodann befragte Kläger an, er führe seinen Gelenkschaden auf Arbeiten mit Drucklufthammern, auf schweres Heben, Tragen, Graben und Stoßen, das Graben einschalen und das Sprieße anschlagen zurück. Die Beklagte wandte sich an die behandelnden Ärzte, wobei Dr. B. unter dem 3. Juli 2000 berichtete, der Kläger habe seit Oktober 1999 u.a. über stärkere Ellenbogenschmerzen rechts geklagt, weshalb er Ultraschalleisanwendungen, Krankengymnastik sowie weitere physikaltherapeutische Maßnahmen angeordnet, Kortikoidspritzen verabreicht sowie eine Bandage verordnet habe, ohne dass eine wesentliche Besserung zu verzeichnen gewesen sei. Dem Kläger sei eine Operation empfohlen worden, die er jedoch abgelehnt habe. Ebenfalls unter dem 3. Juli 2000 berichtete auch der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M.-M. von einer therapieresistenten Epicondylitis rechts, wobei er den Kläger auf seinen eigenen Wunsch im April 2000 zum Ausschluss einer rheumatischen Erkrankung an einen orthopädischen Kollegen überwiesen habe und nach Feststellung eines positiven Rheumafaktors an einen Rheumatologen. Ausweislich des beigefügten Arztbriefs des Priv. Doz. Dr. H., Facharzt für Innere Medizin/Rheumatologie/Physikalische Therapie, ging dieser trotz des diskret erhöhten Rheumafaktors nicht von einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung aus. Der Arzt für Orthopädie Dr. W. berichtete unter dem 14. Juli 2000 über eine Vorstellung des Klägers im Mai 2000 wegen Ellenbogengelenksbeschwerden rechts, die nach Behandlung mit einer Epicondylitisbandage sich sehr gut gebessert hätten. Bei der weiteren Vorstellung Ende Juni 2000 habe der Kläger dann über seit zwei Tage bestehende Schulterbeschwerden geklagt.

Zur Aufklärung der Arbeitsbedingungen des Klägers wandte sich die Beklagte mit dem "Fragebogen Erschütterungen" an die Firma D., die unter dem 14. Juli 2000 mitteilte, der Kläger habe bei der Grabenverfüllung mit einem Wackerstampfer oder einem Verdichtungsgerät arbeiten müssen; Stemmarbeiten in Beton oder Bitumentragschicht habe er bei seiner Beschäftigung nur selten ausüben müssen. Bei der AOK - Die Gesundheitskasse R.-N. holte die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers ein und wandte sich zur Erhebung und Beurteilung der beruflichen Gefährdung des Klägers im Hinblick auf die BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV an ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD), der nach Durchführung von Ermittlungen im Hinblick auf die Schwingungseinwirkungen bei den verwendeten Arbeitsgeräten (Abbauhammer, Vibrationsplatte und -stampfer) das Berufsgenossenschaftliche Institut für Arbeitssicherheit (BIA) hinzuzog und nach Auswertung deren Berichts vom 6. Oktober 2000 ausführte, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 2103 der Anlage zur BKV seien erfüllt (Stellungnahme vom 2. Mai 2001).

Zur Prüfung des beim Kläger vorliegenden Krankheitsbildes und dessen Verursachung durch die berufliche Tätigkeit veranlasste die Beklagte sodann das Gutachten des Prof. Dr. C., Orthopädische Universitätsklinik H., vom 5. Juli 2001, der beim Kläger als krankhafte Veränderungen eine chronische Epicondylitis humeri radialis rechts und geringer ausgeprägt seit wenigen Monaten auch links bestehend objektivierte, ferner ein degeneratives Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom sowie ein unteres Zervikalsyndrom, jeweils derzeit allerdings ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen. Keine der entsprechenden Erkrankungen führte er auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurück. Nach gängiger Gutachtenliteratur könne insbesondere eine Epicondylitis humeri, hervorgerufen durch Pressluftarbeiten, nicht als BK anerkannt werden. Bei BKen nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV seien auf orthopädischem Fachgebiet insbesondere Erkrankungen, wie beispielsweise Knochennekrosen im Bereich der Gliederkette Handgelenk, Ellenbogengelenk und Schultereckgelenk zu erwarten; hierfür hätten die durchgeführten Röntgenaufnahmen im Bereich beider Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke jedoch keine Hinweise ergeben. Die Beklagte holte die Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes ein, der mit Schreiben vom 14. September 2001 eine BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vorschlug. Mit Bescheid vom 19. Februar 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Ellenbogenbeschwerden des Klägers als BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, eine berufliche Verursachung dieser Beschwerden sei nicht wahrscheinlich, da in diesem Fall Schäden der sog. Gliederkette (Handgelenk, Ellenbogengelenk und Schultereckgelenk) zu erwarten seien; pathologische Befunde lägen insoweit jedoch nicht vor. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, seine Erkrankungen hingen mit seinen Arbeiten auf der Baustelle zusammen. Hand- und Schultereckgelenksbeschwerden habe er bereits vor den Ellenbogenbeschwerden, die nach wie vor vorhanden seien, gehabt. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2002 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde über die Darlegungen in dem angefochtenen Bescheid hinaus ausgeführt, es liege auch keine BK nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKV vor. Denn insoweit seien Voraussetzung für eine berufliche Verursachung unphysiologische Bewegungsabläufe bzw. Arbeiten mit unnatürlichen Haltungen. Allein langjährige Schwerarbeit bzw. eintönige Arbeit erfülle die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht. Berufliche Bewegungsabläufe bzw. relevante Beanspruchungen im Sinne der BK Nr. 2101 hätten nicht festgestellt werden können.

Dagegen erhob der Kläger am 23. September 2002 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage, zuletzt mit dem Begehren, ihm unter Anerkennung einer BK nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKV Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 vom Hundert (v.H.) zu gewähren. Er sah sich in seiner Auffassung insbesondere durch das vom SG gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholte Gutachten des Dr. S. vom 11. Juli 2003 mit ergänzender Stellungnahme vom 14. April 2004 bestätigt. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie legte im Hinblick auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die im Streit stehende BK die ergänzende Stellungnahme des Dipl.-Ing. St. ihres TAD vom 5. März 2003 vor. Zu dem Gutachten des Dr. S. legte sie die Stellungnahme des Prof. Dr. D., Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der J. G.-Universität M., vom 20. August 2003 vor, der die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die in Rede stehende BK nicht als erfüllt sah, weil der Kläger pro Arbeitsschicht nicht mehr als 0,5 Stunden im Sinne dieser BK gefährdet tätig gewesen sei. Solche Belastungen reichten nicht aus, um von einer "einseitigen, lang dauernden mechanischen Beanspruchung" zu sprechen. Das SG hörte Dr. W. unter dem 17. Januar 2003 schriftlich als sachverständigen Zeugen und erhob auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten des Dr. S., zunächst Institut für Arbeitsmedizin des Klinikums der J. W. G.-U. F./M., zwischenzeitlich Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der J. G.-Universität M., vom 11. Juli 2003. Dieser gelangte nach Erhebung der arbeitsbedingten Belastungen durch Befragung des Klägers nach Diskussion des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu der Einschätzung, dass die beim Kläger vorliegende Epicondylitis lateralis mit Wahrscheinlichkeit beruflich verursacht sei. Ursächliche Faktoren seien die kombinierte Einwirkung von mit Kraftausübung verbundenen Tätigkeiten, repetitiven Bewegungen und ungünstigen Haltungen der Arme und Hände während seiner etwa 16-jährigen Tätigkeit als Rohrleger. Die MdE schätzte er ab Aufgabe der belastenden Tätigkeit am 1. April 2002 auf 20 v.H. Das SG veranlasste zu der daraufhin von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Prof. D. vom 20. August 2003 dessen weitere Stellungnahme vom 16. Dezember 2003 sowie ferner zu diesen Ausführungen die ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 14. April 2004, der daran festhielt, dass der Kläger als Rohrleger Arbeiten ausgeführt habe, die täglich mehr als drei Stunden mit Kraftausübung, repetitiven und mit einer ungünstigen Hand- und Armstellung einhergehende Tätigkeiten ausgeübt habe. Zu den beruflichen Belastungen des Klägers in seiner Tätigkeit holte das SG hiernach die schriftliche Auskunft der Firma D. vom 13. Mai 2004 ein, hörte den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2004 persönlich an und vernahm den Werkpolier der Firma D., E., als Zeugen. Sodann verurteilte es die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2002, dem Kläger unter Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV Rente nach einer MdE um "mindestens 20 v.H." ab 1. April 2001 zu gewähren. Das SG sah die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die in Rede stehende BK als erfüllt an, weil der Kläger zumindest 2,5 Stunden täglich Aushubarbeiten von Hand mit Hilfe einer Schaufel verrichtet habe, bei denen es sich um repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitig hoher Kraftaufwendung handele und folgte damit der Auffassung des Sachverständigen Dr. S ... Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der Beklagten am 17. Juni 2004 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat die Beklagte am 21. Juni 2004 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, bei der Prüfung der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs zwischen den gesicherten Einwirkungen und der Erkrankung sei von wissenschaftlichen Standards im Sinne einer subjektiven Überzeugung der maßgeblichen Wissenschaft von der aus objektiven Daten abgeleiteten Wahrscheinlichkeit des Zusammenhangs auszugehen. Danach sei es nicht als wahrscheinlich zu betrachten, dass die bei Schaufelarbeiten auftretenden Belastungen der Sehnenansätze eine Epicondylitis verursachten. In der wissenschaftlichen Literatur ergäben sich keine Hinweise auf Daten zu besonderen Belastungen durch Schaufelarbeiten. Erkenntnisse hierzu seien auch nicht der von dem Sachverständigen Dr. S. herangezogenen Übersichtsarbeit des National Institute of Occupational Safety and Health (NIOSH) bzw. der Studie von Haahr und Andersen (2003) zu entnehmen. Insoweit verwies sie auf die vorgelegte Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. F. vom 19. Juli 2004. Zu der im Hinblick auf dessen Ausführungen eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Dr. S. vom 30. Juni 2005 legte sie die weitere Stellungnahme des Dr. F. vom 26. August 2005 vor und zu den weiteren Ausführungen des Dr. S., der sich unter dem 5. Februar 2006 erneut ergänzend äußerte, die nochmalige Stellungnahme des Dr. F. vom 25. April 2006.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und bezieht sich auf die umfangreichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. S ...

Der Senat hat zu den Ausführungen des Dr. F. vom 19. Juli 2004 die ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 30. Juni 2005 eingeholt und zu den weiteren Ausführungen des Dr. F. vom 26. August 2005 die nochmalige ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 5. Februar 2006. Ferner hat er das orthopädische Gutachten des Dr. v. S., Klinikum K.-L., vom 4. August 2004 erhoben. Dieser Sachverständige sah beim Kläger zwar erhebliche Risikofaktoren für das Vorliegen einer BK nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKV, verneinte jedoch ein schadenskonformes Krankheitsbild, weil beim Kläger in der Zusammenschau multiple weichteildegenerative Veränderungen in mehreren Körpergelenken bestünden, ohne dass diese sich jedoch wie in den anderen Bereichen der BKen, beispielsweise bei der bandscheibenbedingten Erkrankung mit zwingend geforderten belastungsadaptiven und objektivierbaren Veränderungen, im Röntgenbild niederschlügen. Zudem liege beim Kläger ein Blutbefund mit positivem Rheumafaktor vor, ohne objektivierbare chronisch entzündliche Veränderungen. Daher konkurrierten in der Entstehung der geklagten Gesundheitsstörungen sowohl belastende Tätigkeiten des Erwerbslebens als auch körpereigene schicksalbedingte Veränderungen entzündlicher oder degenerativer Art. Zu diesem Gutachten hat der Senat die weitere ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 3. Juni 2007 eingeholt, der die von dem Sachverständigen Dr. v. S. vorgebrachten Gesichtspunkte, die gegen ein belastungskonformes Schadensbild sprächen, nicht für überzeugend erachtete und an seiner bisher getroffenen Einschätzung festhielt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet.

Das SG hätte der Klage nicht stattgeben dürfen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. August 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die beim Kläger vorliegende Epicondylitis radialis rechts ist keine BK im Sinne der Nr. 2101 der Anlage zur BKV und dementsprechend von der Beklagten auch nicht zu entschädigen. Die angefochtene Entscheidung konnte daher keinen Bestand haben.

Gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung Arbeitsunfälle und BKen. Dabei sind BKen Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Satz 2 dieser Regelung ist die Bundesregierung ermächtigt, Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; dabei kann sie bestimmen, dass die Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten.

Als BK in diesem Sinne kommt beim Kläger eine Epicondylitis radialis, mithin eine BK nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKV in Betracht.

Die Feststellung einer BK erfordert zum Einen die Erfüllung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. der Versicherte muss im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität), zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss demnach ein dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Demnach führt auch der Umstand, dass ein Versicherter über lange Jahre hinweg Belastungen ausgesetzt war, die grundsätzlich geeignet sind, eine BK hervorzurufen, nicht automatisch zur Anerkennung und ggf. Entschädigung. Vielmehr ist beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen jeweils im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der aufgetretenen Erkrankung besteht. Dabei sind neben den beruflichen Faktoren auch Schadensanlagen und außerberufliche Belastungen zu berücksichtigen.

Ausgehend hiervon vermag der Senat im Falle des Klägers bereits nicht das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV festzustellen.

Nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV sind Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen. Geeignete berufliche Belastungen, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der in Rede stehenden Krankheit in Betracht kommen, sind einseitige, langdauernde mechanische Beanspruchungen und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung.

Maßgebend für das Entstehen der BK nach dieser Nr. der Anlage zur BKV ist danach nicht die Schwere der auszuführenden Arbeit, sondern der Umstand, dass in einer bestimmten Zeiteinheit in einem bestimmten Umfang Bewegungen rasch und monoton über mehrere Stunden hinweg ausgeübt werden. Nach Mehrtens/Brandenburg (Die Berufskrankheitenverordnung [BKV], Kommentar, M 2101 Rdnr. 4.1) kommen als Bewegungsabläufe, die als Belastungsparameter zu biomechanisch relevanten Beanspruchungen führen (1.) kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz (mindestens 10 000 Bewegungsabläufe/Stunde = 3/Sekunde) in Betracht. Gemeint sind dabei die Wiederholungen immer der gleichen Bewegungsabläufe mit stets einförmiger Belastung der entsprechenden Muskel- und Sehnengruppen, überwiegend der Streckseite, wie beispielsweise beim Maschinenschreiben oder Klavierspielen. Darüber hinaus kommen (2.) hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk, wie beispielsweise beim Stricken, Handnähen und Stopfen in Frage, ferner (3.) repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitiger hoher Kraftanwendung (Beispiel: drehen, montieren, Obst pflücken), bzw. (4.) forcierte Dorsalextensionen der Hand (Beispiel: Rückhandschlag beim Tennis, Hämmern) sowie darüber hinaus (5.) monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarms (Beispiel: Betätigen eines Schraubendrehers). Langjährige Schwerarbeit bzw. "eintönige Fließarbeit" kommen als arbeitstechnische Voraussetzungen demgegenüber nicht in Betracht, sofern es sich dabei nicht um unphysiologische Bewegungsabläufe oder unnatürliche Haltungen der beteiligten Gliedmaßen handelt. Denn insoweit ist eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) zu erwarten, die eine Störung des Anpassungsgleichgewichts verhindert. Die tägliche Einwirkungsdauer sollte dabei mindestens drei Stunden, die Gesamtbelastungszeit in der Regel fünf Jahre betragen. Die Prüfung, ob eine oder mehrere dieser Bewegungsabläufe vorliegen, ist für jede Seite vorzunehmen. Für jeden der Bewegungsabläufe nach den Ziffern (1.) bis (5.) muss der arbeitstägliche Zeitanteil errechnet werden. Eine Aufsummierung ist nicht möglich, da es um ganz unterschiedliche Belastungen und Beanspruchungen geht. Zu berücksichtigen ist ferner, ob die Bewegungsabläufe über längere Arbeitsphasen verrichtet werden oder Bestandteil häufig wechselnder Verrichtungen sind.

Als Arbeitsgänge in diesem Sinne hat das SG auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S. die vom Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Rohrleitungsbauer auszuführenden Schaufelarbeiten angesehen, die nach den Angaben des Klägers durchschnittlich täglich ca. 2,5 Stunden anfielen, wenn nach dem Aufbrechen der Straßendecke und dem Ausschaufeln der Baugrube mit dem Bagger Erde, Sand und Kies dort von Hand aus der Baugrube herausgeschaufelt werden musste, wo der Bagger nicht hinkam. Hierbei handle es sich im Sinne der dargelegten Ziffer (3.) um repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitiger hoher Kraftanwendung. Als in dem dargelegten Sinn belastenden Arbeitsgang hat das SG weiter die Erstellung der Schalungen mit dem Vierkanthammer angesehen, woraus im Sinne der Ziffer (4.) der dargelegten Bewegungsabläufe eine forcierte Dorsalextension der Hand resultiere. Belastend sei im Übrigen das Installieren der Hausanschlüsse unter Einsatz der Rohrzange gewesen, bei dem monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Unterarms im Sinne der oben dargelegten Ziffer (5.) angefallen seien, die ebenso wie die zuvor genannten Verrichtungen durchschnittlich täglich ca. 15 Minuten angefallen seien.

Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass es sich bei den Schalungsarbeiten unter Einsatz des Vierkanthandhammers und beim Installieren der Hausanschlüsse unter Einsatz der Rohrzange um gefährdende Tätigkeiten im Hinblick auf die in Rede stehende BK handelt. Insoweit hat sich insbesondere auch der von der Beklagten im Klageverfahren hinzugezogene Gutachter Prof. Dr. D., der sodann auch noch auf Veranlassung des SG eine Stellungnahme als Sachverständiger abgegeben hat, der Einschätzung des Sachverständigen Dr. S. angeschlossen. Der Senat sieht keinen Grund an der Richtigkeit dieser übereinstimmenden Beurteilungen zu zweifeln und legt diese daher auch seiner eigenen Einschätzung zugrunde.

Soweit der Sachverständige Dr. S. das Schaufeln mit der Hand jedoch gleichsam als gefährdend im Sinne der in Rede stehenden BK angesehen hat, vermochte sich der Senat hiervon allerdings nicht zu überzeugen. Der Senat schließt sich insoweit vielmehr der gegenteiligen Beurteilung des Prof. Dr. D. und des von der Beklagten im Berufungsverfahren hinzugezogenen Arbeitsmediziners Dr. F. an, die den Bewegungsablauf beim Schaufeln nicht geprägt durch repetitive Manipulationen mit statischen und dynamischen Anteilen mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitiger hoher Kraftanwendung sehen. Für den Senat überzeugend hat Dr. F. im Rahmen seiner Ausführungen insoweit darauf hingewiesen, dass Schaufelarbeiten weder mit einer besonders hohen Repetivität ausgeführt werden, noch einen hohen Kraftaufwand erfordern, da lediglich durchschnittliche Gewichte von ca. vier bis acht Kilogramm Last pro Schaufelhub zu bewegen sind und im Übrigen auch besondere Verdrehungen oder Auslenkungen der Ellenbogen- und Handgelenke bei Schaufelarbeiten nicht erforderlich werden. Dr. F. hat insoweit auch darauf hingewiesen, dass allein im Zusammenhang mit der sog. "Schipperkrankheit" Schäden durch Schaufelarbeiten bekannt geworden seien, die entsprechenden Gesundheitsstörungen in Form von Ermüdungsfrakturen der Dornfortsätze der unteren Halswirbelkörper jedoch nur bei praktisch ganztägiger Schaufelarbeit durch untrainierte Personen aufgetreten seien. Dabei habe es sich um Abrissfrakturen bei Personen gehandelt, die an körperlichen Belastungen nicht angepasst gewesen seien. Belege für das Auftreten einer Epicondylitis durch solche Belastungen seien in der internationalen Literatur demgegenüber nicht zu finden. Der Sachverständige Dr. S. hat insoweit zwar darauf hingewiesen, dass Untersuchungen von PD Dr. J. zur Biomechanik des Schaufelns vorliegen, die ergäben hätten, dass beim Einstechen in verdichtetes Material die Druckkraft auf die unterste Bandscheibe Spitzenwerte von mehr als 6 Kilo-Newton ergeben habe, was einer Druckkraft auf die unterste Bandscheibe entspreche, die beim beidhändigen Heben eines Lastgewichts von 60 Kilogramm entstehe, weshalb auch für den Ellenbogen aufgrund der Hebelwirkung von einer sehr hohen Belastung durch das Schaufeln ausgegangen werden müsse. Allerdings hat Dr. F. für den Senat überzeugend gegen diesen Einwand vorgebracht, dass im Rahmen der Studie von PD Dr. J. zur Biomechanik des Schaufelns auf die besonderen Belastungen der Ellenbogen oder der Hände überhaupt nicht eingegangen worden sei, vielmehr dessen Gegenstand allein die Belastung der Bandscheiben der LWS gewesen sei. Da die Modellrechnungen zu den LWS-Belastungen ausschließlich auf Berechnungen der Bandscheibendruckkräfte durch Hebelwirkung beruhen, hätte sich der Hauptverband der Berufsgenossenschaften veranlasst gesehen, eine eigene "Schaufelstudie" durchzuführen. Der Senat teilt insoweit auch die Auffassung Dr. F.s, der schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen hat, dass beim Schaufeln keine nennenswerten Verdrehungen oder Winkelausschläge der Hände anfallen.

Da somit nicht festzustellen ist, dass beim Kläger eine relevante Gesamtbelastungszeit von täglich zumindest drei Stunden schädigender Bewegungsabläufe vorgelegen hat, sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die geltend gemachte BK nicht erfüllt. Demnach sind auch die von dem Sachverständigen Dr. S. im Zusammenhang mit der Diskussion zum ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung des Klägers als Rohrleger und der in Rede stehenden Erkrankung herangezogenen Studien, die von den am Verfahren beteiligten Ärzten kontrovers diskutiert wurden, nicht mehr von Belang. Insbesondere kommt damit auch der von dem Sachverständigen Dr. S. herangezogenen Querschnittstudie von Ritz, der er besondere Bedeutung beigemessen hat, weil in dieser Studie Beschäftigte der H. Gas- und Wasserwerke im Hinblick auf das Vorliegen einer Epicondylitis untersucht worden sind, keine relevante Bedeutung mehr zu. Wenn als Ergebnis dieser Studie Rohrlegern und Schweißern die höchste Ellenbogenbelastung zuerkannt worden ist, und Ritz dies damit begründete, dass beim Annehmen, Halten und Einpassen von schweren Rohren eine kraftvolle Rotation im Ellenbogengelenk erforderlich sei und besonders belastend die Arbeitsbedingungen während der notfallmäßigen Behebung von Wasser- oder Gasschäden seien, darüber hinaus die Arbeit oft auf engem Raum ausgeführt werden müsse, was manche Arbeit in ungünstiger Körperhaltung mit geringer technischer Ausrüstung erforderlich mache, so vermag auch dies nicht zu einer dem Kläger günstigeren Beurteilung führen. Denn auch der Senat geht davon aus, dass die Arbeiten, die der Kläger beim Installieren der Hausanschlüsse mit dem Einsatz der Rohrzange zu verrichten hatte, als im Sinne der in Rede stehenden BK belastend anzusehen sind. Da solche Tätigkeiten nach den Angaben des Klägers jedoch lediglich durchschnittlich täglich 15 Minuten ausgeführt wurden, ist bereits die erforderliche tägliche Einwirkungsdauer zu verneinen, weshalb allein schon aus diesem Grund ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Belastung nicht wahrscheinlich gemacht werden kann. Auch der Studie des NIOSH, nach der den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. zufolge in Abweichung zu der Beurteilung von Mehrtens/Brandenburg (aaO) eine Aufsummierung unterschiedlicher Bewegungsabläufe gerade für erforderlich erachtet wird, kommt vor diesem Hintergrund keine entscheidungserhebliche Bedeutung mehr zu.

Ungeachtet der zu verneinenden arbeitstechnischen Voraussetzungen steht der Anerkennung einer Epicondylitis als BK nach der Nr. 2101 der Anlage zur BKV im Falle des Klägers auch entgegen, dass ein ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Insoweit hat die Beklagte zutreffend auf Mehrtens/Brandenburg (aaO Rdnr. 5) hingewiesen, wonach die Zusammenhangsbegutachtung kritisch zu erfolgen habe, da nur selten Kraftanstrengungen gefordert würden, die zur Überbeanspruchung führten, und im Allgemeinen innere Gegebenheiten die wesentliche Ursache für das Entstehen einer Epicondylitis seien. Insoweit ist beim Kläger vorliegend zu berücksichtigen, dass er bereits um das 25. Lebensjahr über Wirbelsäulenbeschwerden geklagt hat und eine lumbosakrale Übergangsstörung schon im Alter von 42 Jahren im Mai 2005 operativ behandelt werden musste. Weiterhin bestehen beim Kläger multiple weichteildegenerative Veränderungen in mehreren Körpergelenken (gesamte Wirbelsäule, Schulter-, Nacken- und Armmuskulatur, Handgelenke), die einer besonderen beruflichen Belastung nicht zugeordnet werden können. Auch liegt ein Befund vor, der einen positiven Rheumafaktor, wenn auch ohne chronisch entzündliche Veränderungen, zeigt, was ebenfalls darauf hindeutet, dass bei der Entstehung der in Rede stehenden Erkrankung körpereigene schicksalsbedingte Veränderungen entzündlicher oder degenerativer Art konkurrieren. Von besonderer Bedeutung ist insoweit, dass die Ellenbogenbeschwerden, die zunächst rechts aufgetreten waren, sich auch im linken Ellenbogen manifestiert haben, dies allerdings während einer Zeit, zu der der Kläger seine Tätigkeit bereits nicht mehr ausübte. Dies ergibt sich aus den Darlegungen im Gutachten des Prof. Dr. C. vom 5. Juli 2001. Denn bei der seinerzeitigen Untersuchung am 5. Juli 2001 hatte der Kläger insoweit angegeben, seit wenigen Monaten auch am linken Ellenbogen Beschwerden zu haben. Zu diesem Zeitpunkt übte er seine berufliche Tätigkeit bedingt durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit jedoch praktisch seit März 2000 nicht mehr aus. Vor diesem Hintergrund schließt sich der Senat der Einschätzung des Sachverständigen Dr. v. S. an, nach dessen Auffassung für die Entstehung der Epicondylitis radialis und ulnaris rechts körpereigene schicksalsbedingte Veränderungen, nicht aber schädigende berufliche Einwirkungen im Vordergrund stehen.

Da das angefochtene Urteil nach alledem keinen Bestand haben konnte, war dieses aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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