Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 795/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4796/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erstrebt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG".
Mit Bescheid vom 24.11.1997 stellte der Beklagte zugunsten der im Jahr 1942 geborenen Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 wegen folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
- Sjögren-Syndrom mit Trockenheit der Augen- und Mundschleimhäute, - Raynaud-Syndrom und sekundärer Fibromyalgie; - Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom; - Depressive Verstimmung mit Somatisierungstendenz; - Chronisches Handekzem.
Auf einen von der Klägerin im September 2004 gestellten Verschlimmerungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.11.2004 eine Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung der geltend gemachten Merkzeichen "G" und "aG" ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2005, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2005 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, durch die neu hinzugetretene Erkrankung an einem Plasmozytom, das zu erheblichen Knochenschmerzen und sonstigen Schmerzzuständen führe, sei sie weitgehend immobil.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständigen Zeugen gehört, bei Dr. H. ein internistisch-rheumatologisches Gutachten eingeholt sowie den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 16.07.2007 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 05.06. bis 03.07.2007 beigezogen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dr. S. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 26.09.2005 den Grad der Behinderung auf 80 geschätzt und das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung angenommen. Nach seiner Beurteilung könne die Klägerin mehr als 500 Meter nicht selbständig gehen und sei auf einen Pkw angewiesen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat unter dem 13.03.2006 mitgeteilt, er schätze den Grad der Behinderung auf neurologischem Fachgebiet auf 50 v.H. Eine gewisse Einschränkung des Gehvermögens könne glaubhaft angenommen werden, eine erhebliche Einschränkung des Gehvermögens liege nicht vor.
Der Internist, Rheumatologe, Endokrinologe und Diabetologe Dr. H., Oberarzt der Klinik am Hofgarten Bad Waldsee, hat im Gutachten vom 29.08.2006 die Diagnosen
- Sjögren-Syndrom, systemischer Lupus erythematodes, sekundäres Fibromyalgie-Syndrom (Teil-GdB 50) - Maligne Erkrankung des hämatologisch-lymphatischen Systems (Plasmozytom) (Teil-GdB 40) - Restless-Legs-Syndrom, Polyneuropathie (Teil-GdB 20) - Dysthymia (Teil-GdB 20)
gestellt. Die Rückenschmerzen seien dem Fibromyalgie-Syndrom zuzuordnen, es lägen keine Anhaltspunkte für über das Altersmaß hinausgehende degenerative Veränderungen am Achsenskelett vor. Den Gesamt-GdB hat er mit 90 bewertet.
Im Entlassbericht der Klinik B. wird ausgeführt, das Behandlungskonzept habe u.a. Krankengymnastik in der Gruppe mit Elementen für die Anleitung zu den Aktivitäten des täglichen Lebens umfasst. Zur allgemeinen Leistungsverbesserung und Haltungsschulung unter dynamischen Bedingungen sei die Teilnahme an einer individuell zugeschnittenen medizinischen Trainingstherapie erfolgt, begleitet von balneo-physikalischen Maßnahmen in Form von u.a. Bewegungsbädern. Zusätzlich habe die Klägerin an Stretching-Übungen, Kneippschen Behandlungen sowie Wassertreten und an speziellen Übungen im Rahmen der Ergotherapie teilgenommen. Die Klägerin habe an den Therapiemaßnahmen regelmäßig teilgenommen und diese auch gut vertragen.
Mit Urteil vom 22.08.2007 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 02.11.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 23.03.2005 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin einen GdB von 90 ab dem 27.09.2004 sowie das Merkzeichen "G" ab dem 28.09.2006 zuzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Abweisung der Zuerkennung des Merkzeichens aG hat das SG ausgeführt, unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen Dr. H. festgestellten Einschränkungen sei die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht gerechtfertigt.
Gegen das der Klägerin am 03.09.2007 zugestellte Urteil hat diese am 04.10.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 11/95) komme es hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" darauf an, ob die Auswirkungen funktional im Hinblick auf die Vergleichsgruppe in den Anhaltspunkten gleich zu achten seien. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn jeder Schritt des Behinderten mit erheblichen Schmerzen im Bereich der Extremitäten verbunden und die Fortbewegung hierdurch zusätzlich erschwert sei. Diese Voraussetzungen seien bei ihr erfüllt. Auch treffe auf sie die weiter vom BSG gestellte Anforderung zu, dass es für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ausreichend sei, dass der Behinderte von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung gehen könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das gesundheitliche Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG") festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des SG Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 154 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht am Tag nach einem gesetzlichen Feiertag eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des SG sowie der Bescheid der Beklagten vom 02.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2005 sind nicht zu beanstanden, soweit darin die Zuerkennung des Merkzeichens aG abgelehnt worden ist. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des gesundheitlichen Merkmals außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG").
Das Merkzeichen "aG" ist gemäß § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. mit Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden festzustellen. Nach II Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift sind als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen diejenigen Schwerbehinderten, die in der Aufzählung der Verwaltungsvorschrift nicht ausdrücklich genannt sind, dann gleichgestellt werden, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz der Verwaltungsvorschrift aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen können. Zwar genügt es, wenn der Behinderte hinsichtlich seiner Gehfunktionen ebenso eingeschränkt ist wie der Angehörige nur einer der in der Verwaltungsvorschrift genannten Gruppen. Das gilt insbesondere für die Gruppe der Doppelunterschenkelamputierten. Auch in diesem Fall muss aber die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sein, so dass sich ein Vergleich mit Doppelunterschenkelamputierten, bei denen dieses nicht der Fall ist, verbietet, mag auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei Personen, die dieser Untergruppe angehören, eine besondere Prüfung des Gehvermögens unterbleiben (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2002 - B 9 SB 9/01 R -, zitiert nach juris, m. w. N.).
Eine solche Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße setzt dabei nicht voraus, dass ein schwerbehinderter Mensch nahezu unfähig ist, sich fortzubewegen. Ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen lässt sich griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Auch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt dazu grundsätzlich nicht. Denn die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich (insbesondere Parkerleichterungen) auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R -, SozR 3-3250 § 69 Nr. 1 = BSGE 90, 180 ff. m. w. N.).
Die Klägerin gehört danach zum berechtigten Personenkreis, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen kann, wie die in der Verwaltungsvorschrift genannten Personen (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002, a. a. O.). Dies ist aber nicht der Fall:
Zwar besteht bei der Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. im Gutachten vom 11.10.2006, die sich der Senat zu eigen macht, eine deutliche Beeinträchtigung des Gehvermögens. So war es ihr nicht möglich, drei Stockwerke am Stück hochzusteigen, vielmehr musste der Versuch bereits im ersten Stockwerk abgebrochen werden. Die Klägerin ist jedoch noch in der Lage, sich ohne fremde Hilfe fortzubewegen, auch ist ihr die Fortbewegung nicht nur mit großer Anstrengung möglich. Die Klägerin hat nämlich gegenüber dem Sachverständigen auch angegeben, noch eine Wegstrecke von ca. 1 km in der Ebene zu Fuß zurücklegen zu können. Ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik war der Klägerin ein An- und Auskleiden selbständig problemlos möglich. Während sie bei der Untersuchung durch Dr. H. nur mühsam in die Hocke gehen konnte, war die Hocke bei der Untersuchung in der Klinik frei und auch das Gangbild unauffällig, auch war der Einbeinstand beidseits unauffällig. Die Klägerin war weiter in der Lage, an der Krankengymnastik in der Gruppe mit Anleitungen für die Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen, auch nahm sie an einer individuell zugeschnittenen medizinischen Trainingstherapie sowie an balneo-physikalischen Maßnahmen in Form u.a. von Bewegungs-, Thermal- und medizinischen Bädern teil. Darüber hinaus erfolgten ergotherapeutische Übungen wie z.B. Stretching-Übungen und Wassertreten. Ausweislich der Patientenselbsteinschätzung im Abschlussgespräch konnte die Klägerin an allen Behandlungen teilnehmen, diese wurden von ihr gut vertragen, ihre Beschwerden waren rückläufig. Aus Sicht der im Heilverfahren behandelnden Ärzte bestanden keine wesentlichen Einschränkungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Danach liegen bei der Klägerin keine derart gravierenden Einschränkungen der Gehfähigkeit vor, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erstrebt die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG".
Mit Bescheid vom 24.11.1997 stellte der Beklagte zugunsten der im Jahr 1942 geborenen Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 70 wegen folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:
- Sjögren-Syndrom mit Trockenheit der Augen- und Mundschleimhäute, - Raynaud-Syndrom und sekundärer Fibromyalgie; - Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom; - Depressive Verstimmung mit Somatisierungstendenz; - Chronisches Handekzem.
Auf einen von der Klägerin im September 2004 gestellten Verschlimmerungsantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 02.11.2004 eine Neufeststellung des GdB sowie die Feststellung der geltend gemachten Merkzeichen "G" und "aG" ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2005, auf den Bezug genommen wird, zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.04.2005 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, durch die neu hinzugetretene Erkrankung an einem Plasmozytom, das zu erheblichen Knochenschmerzen und sonstigen Schmerzzuständen führe, sei sie weitgehend immobil.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständigen Zeugen gehört, bei Dr. H. ein internistisch-rheumatologisches Gutachten eingeholt sowie den Entlassungsbericht der Klinik B. vom 16.07.2007 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 05.06. bis 03.07.2007 beigezogen.
Der Facharzt für Allgemeinmedizin, Umweltmedizin Dr. S. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 26.09.2005 den Grad der Behinderung auf 80 geschätzt und das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung angenommen. Nach seiner Beurteilung könne die Klägerin mehr als 500 Meter nicht selbständig gehen und sei auf einen Pkw angewiesen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat unter dem 13.03.2006 mitgeteilt, er schätze den Grad der Behinderung auf neurologischem Fachgebiet auf 50 v.H. Eine gewisse Einschränkung des Gehvermögens könne glaubhaft angenommen werden, eine erhebliche Einschränkung des Gehvermögens liege nicht vor.
Der Internist, Rheumatologe, Endokrinologe und Diabetologe Dr. H., Oberarzt der Klinik am Hofgarten Bad Waldsee, hat im Gutachten vom 29.08.2006 die Diagnosen
- Sjögren-Syndrom, systemischer Lupus erythematodes, sekundäres Fibromyalgie-Syndrom (Teil-GdB 50) - Maligne Erkrankung des hämatologisch-lymphatischen Systems (Plasmozytom) (Teil-GdB 40) - Restless-Legs-Syndrom, Polyneuropathie (Teil-GdB 20) - Dysthymia (Teil-GdB 20)
gestellt. Die Rückenschmerzen seien dem Fibromyalgie-Syndrom zuzuordnen, es lägen keine Anhaltspunkte für über das Altersmaß hinausgehende degenerative Veränderungen am Achsenskelett vor. Den Gesamt-GdB hat er mit 90 bewertet.
Im Entlassbericht der Klinik B. wird ausgeführt, das Behandlungskonzept habe u.a. Krankengymnastik in der Gruppe mit Elementen für die Anleitung zu den Aktivitäten des täglichen Lebens umfasst. Zur allgemeinen Leistungsverbesserung und Haltungsschulung unter dynamischen Bedingungen sei die Teilnahme an einer individuell zugeschnittenen medizinischen Trainingstherapie erfolgt, begleitet von balneo-physikalischen Maßnahmen in Form von u.a. Bewegungsbädern. Zusätzlich habe die Klägerin an Stretching-Übungen, Kneippschen Behandlungen sowie Wassertreten und an speziellen Übungen im Rahmen der Ergotherapie teilgenommen. Die Klägerin habe an den Therapiemaßnahmen regelmäßig teilgenommen und diese auch gut vertragen.
Mit Urteil vom 22.08.2007 hat das SG den Bescheid des Beklagten vom 02.11.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 23.03.2005 abgeändert und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin einen GdB von 90 ab dem 27.09.2004 sowie das Merkzeichen "G" ab dem 28.09.2006 zuzuerkennen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Abweisung der Zuerkennung des Merkzeichens aG hat das SG ausgeführt, unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen Dr. H. festgestellten Einschränkungen sei die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht gerechtfertigt.
Gegen das der Klägerin am 03.09.2007 zugestellte Urteil hat diese am 04.10.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 11/95) komme es hinsichtlich der Zuerkennung des Merkzeichens "aG" darauf an, ob die Auswirkungen funktional im Hinblick auf die Vergleichsgruppe in den Anhaltspunkten gleich zu achten seien. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn jeder Schritt des Behinderten mit erheblichen Schmerzen im Bereich der Extremitäten verbunden und die Fortbewegung hierdurch zusätzlich erschwert sei. Diese Voraussetzungen seien bei ihr erfüllt. Auch treffe auf sie die weiter vom BSG gestellte Anforderung zu, dass es für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" ausreichend sei, dass der Behinderte von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung gehen könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 22. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das gesundheitliche Merkzeichen außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG") festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Klägerin sei nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des SG Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 154 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht am Tag nach einem gesetzlichen Feiertag eingelegt worden. Sie ist jedoch nicht begründet. Das angegriffene Urteil des SG sowie der Bescheid der Beklagten vom 02.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2005 sind nicht zu beanstanden, soweit darin die Zuerkennung des Merkzeichens aG abgelehnt worden ist. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung des gesundheitlichen Merkmals außergewöhnliche Gehbehinderung ("aG").
Das Merkzeichen "aG" ist gemäß § 69 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. mit Abschnitt II Nr. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VV) zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) von den für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden festzustellen. Nach II Nr. 1 der Verwaltungsvorschrift sind als Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen diejenigen Schwerbehinderten, die in der Aufzählung der Verwaltungsvorschrift nicht ausdrücklich genannt sind, dann gleichgestellt werden, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz der Verwaltungsvorschrift aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen können. Zwar genügt es, wenn der Behinderte hinsichtlich seiner Gehfunktionen ebenso eingeschränkt ist wie der Angehörige nur einer der in der Verwaltungsvorschrift genannten Gruppen. Das gilt insbesondere für die Gruppe der Doppelunterschenkelamputierten. Auch in diesem Fall muss aber die Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt sein, so dass sich ein Vergleich mit Doppelunterschenkelamputierten, bei denen dieses nicht der Fall ist, verbietet, mag auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei Personen, die dieser Untergruppe angehören, eine besondere Prüfung des Gehvermögens unterbleiben (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2002 - B 9 SB 9/01 R -, zitiert nach juris, m. w. N.).
Eine solche Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße setzt dabei nicht voraus, dass ein schwerbehinderter Mensch nahezu unfähig ist, sich fortzubewegen. Ein den Anspruch ausschließendes Restgehvermögen lässt sich griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Auch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugt dazu grundsätzlich nicht. Denn die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist, nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich (insbesondere Parkerleichterungen) auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R -, SozR 3-3250 § 69 Nr. 1 = BSGE 90, 180 ff. m. w. N.).
Die Klägerin gehört danach zum berechtigten Personenkreis, wenn ihre Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und sie sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen kann, wie die in der Verwaltungsvorschrift genannten Personen (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2002, a. a. O.). Dies ist aber nicht der Fall:
Zwar besteht bei der Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H. im Gutachten vom 11.10.2006, die sich der Senat zu eigen macht, eine deutliche Beeinträchtigung des Gehvermögens. So war es ihr nicht möglich, drei Stockwerke am Stück hochzusteigen, vielmehr musste der Versuch bereits im ersten Stockwerk abgebrochen werden. Die Klägerin ist jedoch noch in der Lage, sich ohne fremde Hilfe fortzubewegen, auch ist ihr die Fortbewegung nicht nur mit großer Anstrengung möglich. Die Klägerin hat nämlich gegenüber dem Sachverständigen auch angegeben, noch eine Wegstrecke von ca. 1 km in der Ebene zu Fuß zurücklegen zu können. Ausweislich des Entlassungsberichts der Klinik war der Klägerin ein An- und Auskleiden selbständig problemlos möglich. Während sie bei der Untersuchung durch Dr. H. nur mühsam in die Hocke gehen konnte, war die Hocke bei der Untersuchung in der Klinik frei und auch das Gangbild unauffällig, auch war der Einbeinstand beidseits unauffällig. Die Klägerin war weiter in der Lage, an der Krankengymnastik in der Gruppe mit Anleitungen für die Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen, auch nahm sie an einer individuell zugeschnittenen medizinischen Trainingstherapie sowie an balneo-physikalischen Maßnahmen in Form u.a. von Bewegungs-, Thermal- und medizinischen Bädern teil. Darüber hinaus erfolgten ergotherapeutische Übungen wie z.B. Stretching-Übungen und Wassertreten. Ausweislich der Patientenselbsteinschätzung im Abschlussgespräch konnte die Klägerin an allen Behandlungen teilnehmen, diese wurden von ihr gut vertragen, ihre Beschwerden waren rückläufig. Aus Sicht der im Heilverfahren behandelnden Ärzte bestanden keine wesentlichen Einschränkungen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Danach liegen bei der Klägerin keine derart gravierenden Einschränkungen der Gehfähigkeit vor, welche die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" rechtfertigen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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