L 9 R 4954/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2400/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4954/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. September 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1954 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie kam im Jahr 1977 aus der Türkei in die Bundesrepublik. Von Juli 1982 bis Dezember 1986 war sie als Kontrolleurin, von Oktober 1987 bis Dezember 1989 als Büglerin und sodann bis November 2001 als Maschinenbedienerin versicherungspflichtig beschäftigt.

Vom 23. November 2001 bis zum 6. Juni 2002 bezog sie Krankengeld und sodann, zeitweise unterbrochen durch Krankengeldbezug, Leistungen der Arbeitsverwaltung.

Vom 8. Mai bis zum 6. Juni 2002 absolvierte die Klägerin ein Heilverfahren in der Rehabilitationsklinik H ... Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 21. Juni 2002 die Diagnosen: chronisches lokales HWS-Syndrom, cervicocephales Syndrom, Verdacht auf beginnendes Carpaltunnel-Syndrom (CTS) beidseits, somatoforme Schmerzstörung und psychovegetatives Erschöpfungssyndrom. Die degenerativen Veränderungen am Bewegungsapparat seien aktuell von untergeordneter Bedeutung und erklärten weder Ausprägung noch Therapieresistenz der Beschwerden. In Zusammenschau der Befunde stehe eine somatoforme Schmerzstörung im Vordergrund. Die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Frauenarbeiten ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten ohne technische Hilfsmittel nach vollschichtig verrichten.

Am 27. Oktober 2003 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte ließ die Klägerin von der Fachärztin für Chirurgie Dr. L. begutachten. Diese stellte im Gutachten vom 16. Dezember 2003 folgende Diagnosen: HWS-Syndrom mit Neigung zu muskulären Verspannungen und ausstrahlenden Schmerzen in den Hinterkopf bei Fehlhaltung ohne wesentliche Funktionseinschränkungen, Kniegelenksbeschwerden beidseits, aktuell ohne Funktionseinbußen, ohne Reizzustand bei Zustand nach Arthroskopie rechts im Mai 2003 Somatoforme Schmerzstörung, Verdacht auf CTS beidseits mit sensiblen Störungen ohne motorische Ausfälle, Fehlform der Wirbelsäule mit geringen Beschwerden ohne wesentliche Funktionseinbußen. Sie führte aus, aus den vorliegenden Befunden und der Schilderung ergebe sich der Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung. Die Klägerin habe in der Untersuchung diffuse Schmerzen im Bereich beider Arme geäußert, die keiner bestimmten Struktur zugeordnet werden könnten. Dabei seien funktionelle Einschränkungen oder äußerliche Reizzustände nicht festzustellen gewesen. Der Medikamentenspiegel für das eingenommene Schmerzmittel liege unter der Nachweisgrenze. Es bestehe ein über 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten. Auszuschließen seien Tätigkeiten mit L. dauernden oder häufigen Zwangshaltungen der HWS, sowie Arbeiten in L. dauernder kniender oder hockender Position bzw. häufiges Steigen auf Leitern und Gerüsten.

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab.

Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren geL.te das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 31. März 2004 zu den Akten. Dr. B. führte darin aus, die Klägerin sei bei seit dem 30. September 2003 bestehender Arbeitsunfähigkeit wegen eines fixierten Rundrückens mit rezidivierendem Cervikal- und Lumbalsyndrom und einem chronischen Kapselreiz des rechten Knies bei Varusretropatellararthrose auch weiterhin arbeitsunfähig für alle Arbeiten. Eine stationäre Reha-Maßnahme sei zu empfehlen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2004 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Gegen den am 9. Juni 2004 zur Post gegebenen Bescheid erhob die Klägerin am 18. Juni 2004 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG).

Das SG befragte die Ärzte der Klägerin, den Allgemeinmediziner Dr. H. den Psychiater Dr. G. und den Orthopäden Dr. S. als sachverständige Zeugen und holte von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten von Dr. J. und ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. R. und auf Antrag der Klägerin ein nervenärztlich-psychosomatisches Gutachten von Dr. K. ein.

Dr. Haug teilte mit, wegen der Wirbelsäulenerkrankung schätze er die Arbeitsfähigkeit der Klägerin auf unter drei Stunden täglich ein (Auskunft vom 6. September 2004).

Dr. G. führte aus, die Klägerin befinde sich seit dem 7. Juni 2004 in seiner Behandlung. Es fänden alle 3 bis 4 Wochen Gesprächstermine und eine antidepressive medikamentöse Behandlung statt. Diagnostisch sei vom Vorliegen einer klimakterisch bedingten sonstigen depressiven Episode auszugehen. Derzeit könne die Klägerin nur 4 bis 6 Stunden täglich mit Einschränkungen arbeiten (Auskunft vom 15. September 2004).

Dr. S. bekundete unter dem 30. September 2004, wegen eines ausgeprägten Rundrückens mit rezidivierenden Kreuz- und Nackenschmerzen und Knorpelschäden im rechten Kniegelenk bestehe ein Schmerzmittelbedarf auf Dauer. Leichte körperliche Arbeiten im Wechsel könne die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Im Gutachten vom 11. November 2004 führte Dr. J. aus, die Beweglichkeit der HWS, BWS und LWS sei altersentsprechend frei gewesen. Neurologische Ausfälle an den Extremitäten hätten sich nicht gezeigt. Röntgenologisch zeigten sich keine relevanten degenerativen Veränderungen, kernspintomographisch seien lediglich Bandscheibenvorwölbungen, aber keine Bandscheibenvorfälle und keine auffällige Kompression der Nervenwurzeln nachgewiesen worden. Zusammenfassend ließen sich die von der Klägerin angegebenen massiven Nackenschmerzen, weswegen sie mit angelegter Zervikalstütze erschienen sei, nur sehr begrenzt objektivieren. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel mindestens 6 Stunden täglich ausüben. Zu vermeiden seien wiederkehrende Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen und vornüber gebeugter Körperhaltung, wiederkehrende Überkopfarbeit beidseits, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in der Hocke und im Knien sowie häufiges Treppensteigen.

Dr. R, der die Klägerin am 18. Februar 2005 im Beisein einer türkischen Dolmetscherin untersuchte, stellte im Gutachten vom 29. März 2005 folgende Diagnosen: Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik (ICD 10 F 43.2) Somatoforme Schmerzstörung eher geringer Ausprägung (ICD 10 F 45.4) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne relevante Funktionsbeeinträchtigung. Die wesentliche psychiatrische Diagnose sei die der Anpassungstörung mit emotionaler Symptomatik. Die Klägerin habe die subjektiv empfundene Kränkung an der Arbeitsstelle - sie sei zu Unrecht gekündigt worden - nicht verarbeiten können. Dies habe sie mit großer emotionaler Beteiligung geschildert. Der deutlich im Vordergrund stehende Schmerz bei der Beschwerdeschilderung sei als Ausdruck seelischen Getroffenseins zu deuten und entspreche weniger den ohnedies nur relativ geringen Befundauffälligkeiten vom orthopädischen Fachgebiet her. Über das orthopädische Fachgebiet hinausgehende Leistungseinschränkungen ergäben sich durch die nervenärztliche Befundsituation nicht. Die Klägerin sei imstande, alle ihrer körperlichen Verfassung adäquaten Arbeiten 6 Stunden und mehr zu verrichten.

Dr. K. führte im Gutachten vom 9. Juli 2005 folgende Diagnosen auf: Anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD 10 F 45.4) Hals mit Ausstrahlungen, LWS, Knie und Fibromyalgie, Generalisierte Angststörung (ICD 10 F 41.1) Rezidivierende depressive Episode (ICD 10 F 33.10) mittelgradig, chronifiziert Andauernde Persönlichkeitsveränderung (ICD 10, F 62.8) durch Dauerschmerzen, chronifizierte Depression und Angst Restless-legs-Syndrom Sozialmedizinisch am gravierendsten sei die anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Dadurch sei die Klägerin bei jedem Körperlagewechsel, beim Bücken, Stehen, Gehen und auch Tragen von leichten Gegenständen erheblich behindert. Auch würden dadurch geistige Funktionen beeinträchtigt. Die mittelgradige Depressivität habe zu leicht-bis mittelgradigen kognitiven Defiziten geführt, wobei es inzwischen auch zu erheblichen sozialen Defiziten gekommen sei im Vergleich zur früheren Lebensführung. Das Leistungsvermögen der Klägerin sei auch für sehr leichte Tätigkeiten auf deutlich unter 3 Stunden pro Tag abgesunken. Wegen der generalisierten Angststörung sei auch Wegefähigkeit nicht mehr gegeben.

Durch Urteil vom 29. September 2005 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin sei noch in der Lage leichte körperliche Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich mit qualitativen Leistungseinschränkungen zu verrichten. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin stütze es sich auf die Gutachten von Dr. J. und Dr. R. Dem Gutachten von Dr. K. könne nicht gefolgt werden, da auch der behandelnde Psychiater Dr. G. Befunde beschreibe, die von ihrer Art und ihrem Schweregrad eher der Befunderhebung von Dr. R nahekämen. Gegen einen Schweregrad der psychischen Gesundheitsstörungen der Klägerin, wie von Dr. K. beschrieben, spreche auch der Umstand, dass sich die Klägerin nicht konsequent behandeln lasse.

Gegen das am 12. November 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 21. November 2005 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist. Sie hat eine Attest von Dr. Haug vorgelegt, der ausgeführt hat, wegen der therapeutischen Refraktärität der Beschwerden der HWS sei eine Berentung der Klägerin erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. September 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtenen Urteil für zutreffend.

Dr. G. hat auf Anfrage des Senats unter dem 15. März 2006 mitgeteilt, er behandle die Klägerin seit Juni 2004 in regelmäßigen Abständen von ca. 4 Wochen. Im Vordergrund stehe eine depressive Entwicklung im Rahmen verschiedener Probleme. Diagnostisch sei vom Vorliegen einer depressiven Episode, nicht näher bezeichnet (IDC 10 F 32.9) und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Die Klägerin werde mit Antidepressiva behandelt. Nach anfänglich schwankendem Verlauf habe sich die depressive Symptomatik stabilisiert und unter der derzeitigen Behandlung etwas gebessert.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat das Gutachten des Chirurgen und Sozialmediziners Dr. L. vom 30. Oktober 2006 eingeholt. Dieser führte aus, aus chirurgisch-orthopädischem Blickwinkel allein auf das organische Gebiet bezogen könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus verrichten. Es seien von Seiten des körperlichen Befundes keine relevanten Auffälligkeiten ermittelt worden. Die von der Klägerin geklagten Beschwerden seien als nicht organisch bedingt einzustufen. Die Bewegungseinschränkungen an der HWS und LWS wirkten eher demonstriert. Die Klägerin sei aus körperlicher Sicht auch wegefähig. Allerdings scheine die psychische Komponente bei der Klägerin im Vordergrund zu stehen. Die Klägerin habe sich ähnlich wie bei Dr. K. und völlig anders als bei Dr. R als passiv, hilflos reagierend, deutlich depressiv verstimmt und antriebsarm präsentiert. Er rege daher eine psychiatrische Begutachtung an.

Daraufhin haben Dr. G. und der Psychiater Dr. Z. zur Behandlung der Klägerin berichtet (Auskünfte vom 29. Dezember 2006 und vom 27. August 2007) und Prof. Dr. E. hat das fachpsychiatrische Gutachten vom 3. April 2007 mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 10. Dezember 2007 erstattet.

Dr. G. hat mitgeteilt, unter der bisherigen Behandlung sei der Verlauf wechselhaft. In letzter Zeit habe sich der Zustand der Klägerin wieder etwas verschlechtert. Eine Weiterbehandlung mit Gesprächstherapie und medikamentöser Behandlung sei dringend erforderlich.

Dr. Zimmer hat ausgeführt, er habe die Klägerin am 24. Mai 2007 erstmals gesehen. Seither sei es zu 3 weiteren Kontakten gekommen Er habe eine mittelgradige depressive Episode und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und eine medikamentöse Behandlung mit gesprächstherapeutischer Einbindung aufgenommen, soweit dies aufgrund der sprachlichen Möglichkeiten gegeben sei. Das Krankheitsbild zeige sich trotz aller therapeutischer Bemühungen uniform. Es werde über Schmerzen geklagt, die keinerlei Aktivitäten zuließen und ganztägig, unabhängig von äußeren Einflüssen, zu bestehen schienen. Eine Besserung habe sich nicht gezeigt.

Bei der Untersuchung am 20. März 2007 hat die Klägerin gegenüber Prof. Dr. E. angegeben, sie nehme derzeit nur ein Baldrianpräparat zur Nacht. Alle anderen Medikamente, auch die Antidepressiva, habe sie vor drei Monaten auf Anraten ihres Hausarztes abgesetzt. Dies wisse Dr. G. nicht.

Prof. Dr. E. hat im Gutachten vom 3. April 2007 bei der Klägerin eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mittlerer bis schwergradiger Ausprägung und eine leichte depressive Symptomatik diagnostiziert. Bei Unterbleiben einer konsequenten fachspezifischen Therapie bestehe eine ungünstige Prognose, eine gewisse Chronifizierung sei bereits eingetreten. Die Klägerin könne nur noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen verrichten und müsse gleichförmige Körperhaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten mit häufigem Treppensteigen meiden. Aus psychischer Sicht sollten Akkordarbeit und Wechsel- und Nachtschicht vermieden werden. Diese Tätigkeit könne die Klägerin 4 bis 6 Stunden täglich verrichten. In der ergänzenden Stellungnahme hat er klargestellt, dass der Klägerin eine 6-stündige leichte bis mittelschwere Tätigkeit mit den genannten Einschränkungen zuzumuten sei. Die Angabe von Dr. Zimmer, der Klägerin sei wegen der geklagten Beschwerden keine Aktivität mehr möglich, entspreche nicht dem Eindruck, der bei der Befunderhebung im Beisein einer professionellen Dolmetscherin gewonnen worden sei. Auch könne seiner Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode nicht gefolgt werden. In Anbetracht des Krankheitsverlaufs und des laufenden L.wierigen Verfahrens sei die Diskrepanz zu verstehen als Folge der Aggravationstendenz der Klägerin, die ihre gesamte Situation nur noch sehr einseitig erlebe und darstelle und dadurch zusätzlich einen sekundären Krankheitsgewinn erfahre. Auch wenn inzwischen eine Chronifizierung der somatoformen Schmerzstörung eingetreten sei, sei eine Besserung des jetzigen Gesundheitszustandes keinesfalls ausgeschlossen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakte.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin weder Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen.

Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens der Dr. L. vom 16. Dezember 2003, das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird, der im erstinstanzlichen Verfahren vom SG Karlsruhe eingeholten Gutachten von Dr. J. vom 11. November 2004, von Dr. R vom 18. Februar 2005 und von Dr. K. vom 9. Juli 2005 sowie der im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. L. vom 3. Oktober 2006 und von Prof. Dr. E. vom 3. April 2007 mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 10. Dezember 2007.

Auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bestehen nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. L., Dr. J. und Dr. L. im wesentlichen altersentsprechende degenerative Veränderungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule, die aber weder zu neurologischen Ausfallserscheinungen führen noch die Funktion der Wirbelsäule wesentlich einschränken. Dies gilt auch für den deutlich vermehrten Rundrücken, den die Klägerin weitgehend, wenn auch nicht vollständig aufrichten kann. Die vom behandelnden Allgemeinarzt Dr. Haug als therapierefraktär beschriebenen massiven Beschwerden der Klägerin insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule, weshalb sie bei Dr. J. mit einer Zervikalstütze erschien, sind nach den übereinstimmenden Feststellungen von Dr. J. und Dr. L. anhand des klinischen und röntgenologischen Befundes nicht zu objektivieren. Bei Dr. L. wirkten die dargebotenen Bewegungseinschränkungen der Hals- und Lendenwirbelsäule auch eher demonstriert. Nachdem auch wesentliche Gesundheitsstörungen an den Extremitäten nicht objektiviert werden konnten, überzeugt die übereinstimmende Beurteilung der auf chirurgisch-orthopädischem Gebiet tätig gewordenen Sachverständigen, dass die Klägerin zwar nur noch leichte körperliche Arbeiten ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne vornübergebeugte Körperhaltung, ohne Knien und Hocken, ohne Überkopfarbeit, ohne das Besteigen von Leitern und Gerüsten und ohne häufiges Treppensteigen verrichten kann, dass sich aber unter Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen keine zeitliche Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit ergibt und sie deshalb noch sechs Stunden und mehr täglich arbeiten kann.

Auf psychiatrischem Gebiet leidet die Klägerin nach den Feststellungen von Prof. Dr. E., die auf der Untersuchung am 20. März 2007 beruhen, an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung mittlerer bis schwerer Ausprägung und einer leichten depressiven Symptomatik. Damit in Übereinstimmung hat der Facharzt für Psychiatrie Dr. G., der die Klägerin seit dem 7. Juni 2004 behandelte und zunächst eine sonstige depressive Episode im Rahmen klimakterischer Beschwerden diagnostizierte (Arztbrief vom 7. Juni 2004), im weiteren Verlauf eine Zunahme von verschiedenen körperlichen Schmerzen festgestellt und zuletzt mitgeteilt, dass er von einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer sonstigen Depression (klimakterisch) ausgehe (Auskunft vom 29. Dezember 2006). Diese Entwicklung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet lässt sich auch anhand des Gutachtens von Dr. R nachvollziehen, der am 18. Februar 2005 noch eine Kränkung nach dem Verlust des Arbeitsplatzes in den Vordergrund gestellt hatte, während sich die somatoforme Schmerzstörung mangels schwererer Auswirkungen auf das soziale, interpersonale und familiäre Verhalten in eher geringer Ausprägung darstellte. Auch Prof. Dr. E. sieht in der Kränkung anlässlich der aus der Sicht der Klägerin unberechtigten Kündigung ihres Arbeitsplatzes den Ausgangspunkt für die Zunahme der bis zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Beschwerden im Bereich des Kopfes und der Wirbelsäule, woraus sich im Laufe der Zeit auch weitere körperliche Beschwerden und psychische Begleitsymptome entwickelten. Allerdings weist er zu Recht darauf hin, dass die bei der Klägerin vorhandenen Therapiemöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind. Bei Dr. G. erfolgten in längeren zeitlichen Abständen eine Gesprächstherapie und eine medikamentöse Behandlung, wobei die Klägerin die Medikamente auch ohne Wissen des Arztes absetzte. Schon Frau Dr. L. hatte Ende des Jahres 2003 bemerkt, dass der Medikamentenspiegel für das eingenommene Schmerzmittel unter der Nachweisgrenze lag. Auch die zuletzt bei Dr. Zimmer begonnene Behandlung, die medikamentös, psychoedukativ und gesprächstherapeutisch erfolgt, ist schon wegen der Sprachbarriere eingeschränkt. Prof. Dr. E. hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Klägerin auch in der Lage ist, sich entsprechenden Therapien zu unterziehen. Er hat sie nicht, wie Dr. Zimmer, als hilflos erlebt, sondern in der Untersuchungssituation eine durchaus ausreichende Konzentration und in der Exploration eine gewisse Tagesstruktur mit der Verrichtung verschiedener Tätigkeiten feststellen können. Der Senat folgt daher seiner Beurteilung, dass die Klägerin wegen der - behandelbaren - Schmerzzustände und der damit verbundenen - ebenfalls behandelbaren - leichten depressiven Symptomatik nicht gehindert ist, noch mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten zu verrichten, wobei zu den bereits genannten Leistungssausschlüssen aus psychiatrischer Sicht lediglich noch der Ausschluss von Akkord- und Schichtarbeit hinzukommt.

Den Feststellungen und der Leistungsbeurteilung von Dr. K. folgt der Senat - ebenso wie das SG - nicht. Zutreffend hat das SG darauf abgestellt, dass gegen die von ihm angenommene Ausprägung der psychischen Beschwerden die mangelnde Konsequenz in der Behandlung dieser Störungen spricht. Prof. Dr. E. hat ergänzend auch darauf hingewiesen, dass das inaktive Verhalten der Klägerin und ihre Angaben, sie könne keinerlei Tätigkeiten mehr ausüben, auch Folge einer Aggravationstendenz bei der Klägerin sind, die ihre gesamte Situation sehr einseitig erlebt und darstellt, wodurch sie einen sekundären Krankheitsgewinn erfährt.

Der Senat kann daher nicht feststellen, dass die Klägerin erwerbsgemindert ist. Auch ist ihre Wegefähigkeit nicht beeinträchtigt und sie bedarf auch keiner besonderer Arbeitsbedingungen. Eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung steht ihr daher nicht zu.

Die Berufung musste daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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