L 6 SB 5740/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SB 3692/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5740/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger statt eines Grads der Behinderung (GdB) von 30 ein GdB von mindestens 50 festzustellen ist.

Der 1945 geborene Kläger beantragte im Januar 2002 erstmalig die Feststellung seines GdB nach dem Schwerbehindertengesetz. Das Versorgungsamt U. lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13. März 2002 ab, da die geltend gemachte Funktionsbehinderung der Wirbelsäule nebst Nervenwurzelreizerscheinungen keinen GdB von wenigstens 20 bedinge.

Am 1. Juni 2005 beantragte der Kläger erneut die Feststellung seines GdB. Er machte Beschwerden am Rücken, den Händen, den Fingern, den Beinen, den Hüften, den Füßen, an der Schulter, der Wirbelsäule, den Bandscheiben sowie Magen- und Verdauungsschwierigkeiten geltend. Das Landratsamt H. (LRA) zog den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 28. Juni 2005, der einen Arztbrief des Orthopäden Dr. Schroedl vom 1. März 2004 beifügte, bei. Mit Bescheid vom 8. August 2005 stellte das LRA einen GdB von 20 seit dem 1. Juni 2005 wegen nachfolgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:

1. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen,

2. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke.

Dem lag die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Kühlmuß vom 14. Juli 2005 zugrunde. Dr. Kühlmuß bewertete die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 1 mit einem Teil-GdB von 20, die Funktionsbeeinträchtigung Nr. 2 mit einem Teil-GdB von 10 und verwies dabei auf einen Reha-Entlassbericht der Federseeklinik Bad Buchau vom 21. April 1999, der bereits im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zum Erstfeststellungsantrag vom 23. Januar 2002 beigezogen worden war.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 17. August 2005. Seine Magen- und Verdauungsschwierigkeiten, sowie Funktionsbehinderungen der Schulter, der Ellbogen, der Hände und der Finger seien nicht berücksichtigt worden. Der Kläger legte verschiedene Unterlagen, unter anderem aus Rechtsstreitigkeiten, die er mit verschiedenen Berufsgenossenschaften wegen der Anerkennung von Berufskrankheiten beim Sozialgericht Ulm (-SG- Aktenzeichen: S 2 U 922/02) und beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (Aktenzeichen: L 10 U 129/02) geführt hatte, vor. In der Bescheinigung vom 10. November 2002 diagnostizierte Dr. Binz (Nervenarzt) eine schwere Myopathie, eine schwere Neuropathie, eine Hörschädigung, eine sehr schwere Leistungsminderung sowie Persönlichkeitsänderung und schwere Ausfälle der Glukose-Utilisation im PET nach langjähriger toxisch belasteter Arbeit. PD Dr. Weiss (Oberarzt an der Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Ulm) hatte in dem für das SG erstellten hautärztlichen Fachgutachten vom 8. Juni 2003 eine Rosazea Stadium II - geringer Ausdehnung und kosmetisch nur wenig störend - sowie eine Typ IV-Sensibilisierung gegenüber Benzoylperoxid diagnostiziert und letztere für die Dauer der Exposition mit dem Berufsstoff mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 von Hundert (v. H.) bewertet. In seinem im Berufungsverfahren (L 10 U 129/02) erstellten internistisch-umweltmedizinischen Fachgutachten vom 15. Januar 2004 beschrieb Prof. Dr. Huber (Internist-Nephrologie-Umweltmedizin) einen Zustand nach Styrol- und Dichlormethanbelastung, eine Enzephalopathie Stadium II b, eine Polyneuropathie, vermehrte Entzündungszeichen und eine Verminderung der Abwehrlage. Er ging von einer MdE um 50 v. H. aus. In der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 24. Juli 2004 ging Dr. Kratzsch (Innere-/Allgemeinmedizin, Rheumatologie) aufgrund näher beschriebener orthopädischer und neurologischer Erkrankungen sowie aufgrund eines chronischen Erschöpfungszustandes von einer nicht mehr gegebenen Erwerbsfähigkeit aus.

Das LRA forderte einen Befundbericht des behandelnden Orthopäden Dr. Schroedl an. Dieser beschrieb am 13. Oktober 2005 Beschwerden an der rechten Schulter, dem rechten Ellbogen, der Wirbelsäule sowie eine Polyneuropathie und eine Borreliose. Er fügte seinem Bericht Arztbriefe über kernspintomographische Untersuchungen vom September und Mai 2005, Februar 2004 und Dezember 2003 sowie neurologische Befundberichte vom September und Juni 2004 bei.

Der ärztliche Dienst des LRA, Herr Fischer, ging nach Auswertung der Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 2005 weiterhin von einem GdB von 20 aus. Im Einzelnen bewertete er die Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt:

1. degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen: Teil-GdB 20, 2. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogengelenks: Teil-GdB 10, 3. Rosazea: Teil-GdB 10, 4. Polyneuropathie: Teil-GdB 10.

Darauf gestützt wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - (RP) den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005 zurück.

Hiergegen richtete sich die am 18. November 2005 beim RP eingegangene Klage. Der Kläger wiederholte sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend verwies er ausdrücklich auf die Einschätzung von Prof. Dr. Huber. Ferner seien Funktionseinschränkungen auf dem psychiatrischen Gebiet, die Dr. Kießling beschrieben habe, nicht berücksichtigt worden.

Dr. Schroedl schätzte in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 2. Februar 2006 den GdB aufgrund der auf dem orthopädischen Fachgebiet liegenden Funktionsbeeinträchtigungen an Schulter, Ellenbogen, Wirbelsäule und Hüfte auf 40. Er fügte seiner Zeugenaussage Arztbriefe über kernspintomographische Untersuchungen vom Oktober 2005 und Dezember 2005 sowie den Arztbrief über eine neurologische Untersuchung vom November 2005 bei. Dr. B. (Facharzt für Allgemeinmedizin) stellte in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16. Februar 2006 die Diagnosen schmerzhafte Myogelosen bei chronischem Cervicalsyndrom, chronisch vertebragene Lumbalgien und Arthralgien sowie ausgeprägte Somatisierung bei vegetativem Psychosyndrom. Er ging von einer erheblichen psychischen Überlagerung bei der Beschwerdeschilderung des Klägers aus. Die Gesundheitsstörungen seien als leicht bis mittelschwer einzuordnen. Sie gingen nicht über das altersübliche Maß hinaus. Dr. Kratzsch bewertete in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 1. März 2006 ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit mittel bis schwer und eine Polyneuropathie mit leicht. Die Übrigen Behinderungen schätzte sie als "mittel" ein.

Das SG zog die Gutachten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, die wegen eines Antrags des Klägers auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erstellt worden waren, bei. Dr. Reutter diagnostizierte in seinem Gutachten vom 14. November 2005 im Wesentlichen zeitweilige Wirbelsäulenbeschwerden ohne wesentliche Funktionseinschränkung und mit einer Funktionsminderung verbundene Schulterbeschwerden rechts. Dr. Saul (Nervenärztin) stellte in ihrem Gutachten vom 11. November 2005 die Diagnosen einer Persönlichkeitsvariante mit anankastischem, wenig flexiblem Verhalten, verminderter Krankheitsverarbeitung, narzisstisch kränkbar, ohne Rückwirkung auf das quantitative Leistungsvermögen sowie eine leichte Polyneuropathie nicht eindeutig geklärter Genese ohne belangvolle Funktionseinschränkung. Für die wirbelsäulen- und gelenkbezogenen Beschwerden sah sie keinen Hinweis für ein organneurologisches Korrelat.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Mai 2006 hielt Dr. Franke nach Auswertung der neu eingeholten medizinischen Unterlagen an der bisherigen Bewertung der Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates fest. Allerdings könne aufgrund der Auskunft von Dr. B. und des Gutachtens von Dr. Saul von einer Somatisierung im Rahmen einer seelischen Beeinträchtigung ausgegangen werden, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Das Vergleichsangebot des Beklagten, einen GdB von 30 ab dem 1. Juni 2005 anzuerkennen (Schreiben vom 10. Mai 2006), lehnte der Kläger jedoch ab.

Auf Wunsch des Klägers wurde Prof. Dr. Huber, der den Kläger jedoch nur im Rahmen der Begutachtung am 21. Oktober 2003 gesehen hatte, ebenfalls als sachverständiger Zeuge befragt. In seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 19. Juli 2006 bewertete er eine Polyneuropathie und Enzephalopathie Stadium II mit einem Teil-GdB von 50, einen Zustand nach Borrelieninfektion und nach Epstein-Barr-Virus-Infektion sowie pathologische Lymphozytensubpopulationen, Zytokinerhöhung, Autoantikörpererhöhungen sowie vermehrte Entzündungsbereitschaft mit Verminderung der Abwehrlage mit einem Teil-GdB von 20, eine Polyarthritis der linken Schulter sowie Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 10 sowie einen Zustand nach einer rezidivierenden Kontaktdermatitis ebenfalls mit einem Teil-GdB von 10. Eine Schwerhörigkeit beidseits bedürfe einer weiteren fachärztlichen Abklärung. Der Kläger legte noch die Bescheinigung von Dr. Kratzsch vom 12. September 2006 vor. Darin bewertete diese Wirbelsäulensyndrome mit einem Teil-GdB von 30, die Funktionsbeeinträchtigung an den Schultern mit einem Teil-GdB von 10, Fingergelenkspolyarthrsen/Beugesehnentendovaginitiden nebst Epicondylitis mit einem Teil-GdB von 30, eine depressive Verstimung/Polyneuropathie/ Restless-Legs-Syndrom mit einem Teil-GdB von 30 und den Gesamt-GdB mit 50.

Das SG verurteilte den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 28. September 2006, den GdB ab 1. Juni 2005 mit 30 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Dieser sei für Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vorgesehen. Nach dem überzeugenden Gutachten des Dr. Reutter als auch nach den Angaben des Hausarztes Dr. B. lägen beim Kläger keine wesentlichen Funktionsdefizite hinsichtlich der Wirbelsäule vor. Lediglich Dr. Schroedl und Dr. Kratzsch hätten von Bewegungseinschränkungen berichtet. Danach sei der vom Beklagten vorgeschlagene Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenschädigung als großzügig, aber noch angemessen anzusehen. Ein beim Kläger bestehendes chronisches Schmerzsyndrom mit psycho-vegetativen Störungen sei ebenfalls mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Von einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit könne angesichts der im Gutachten von Dr. Saul wiedergegebenen Anamnese nicht ausgegangen werden. Die vom Kläger teilweise berichteten Schwindelerscheinungen sowie Magen- und Darmbeschwerden, welche vom Hausarzt nicht bestätigt worden seien, seien insoweit mitberücksichtigt. Auch die Schmerzen im Bereich der Schulter und der Ellenbogengelenke seien nicht gesondert in Ansatz zu bringen. Nach dem Gutachten des Dr. Reutter seien die Ellenbogengelenke frei beweglich gewesen und es habe kein Druckschmerz und keine Entzündung bestanden. Die linke Schulter sei ebenfalls frei beweglich, die rechte Schulter in der Abduktion bis 120° aktiv und passiv bis 130° beweglich gewesen. Zudem bestehe eine Polyneuropathie, welche mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten sei. Die von Dr. Huber angegebenen Einschränkungen seien aufgrund der aktuellen sachverständigen Zeugenauskünfte und Gutachten nicht nachvollziehbar. Ferner liege eine Rosazea vor, welche angemessen mit einem Teil-GdB von 10 bewertet worden sei. Die behandelnden Ärzte hätten insoweit keinen Befund erhoben, so dass davon auszugehen sei, dass die Erkrankung nur geringfügig sei. Insgesamt betrage der GdB 30.

Gegen das ihm am 17. Oktober 2006 zugestellte Urteil legte der Kläger am 16. November 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung ein. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Einschätzungen von Prof. Dr. Huber und Dr. Kratzsch. Die Befunde, die Prof. Dr. Huber erhoben habe, seien nicht berücksichtigt worden, obwohl er jahrelang mit toxischen Substanzen gearbeitet habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Ulm vom 28. September 2006 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 8. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. November 2005 zu verurteilen, einen GdB von 50 seit 1. Juni 2005 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte weist zur Erwiderung darauf hin, die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten stützten das Berufungsbegehren in keinster Weise.

Der Senat hat von Amts wegen Dr. Schumacher (Internist) mit der Erstellung eines Gutachtens nebst Zusatzgutachten auf nervenfachärztlichem und orthopädischem Fachgebiet beauftragt. Die Untersuchungen durch Dr. Schumacher, Dr. Schüssler (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) und Dr. Naruhn (Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie) erfolgten am 22. Mai 2007. Dr. Schumacher diagnostizierte zusammenfassend multiple Körperbeschwerden bei einer zwanghaft und hypochondrisch akzentuierten Persönlichkeit ohne erhebliche, organisch fassbare Veränderungen, leichte, in der Altersnorm liegende Verschleißerscheinungen am Bewegungsapparat sowie eine auswärts diagnostizierte, derzeit nicht floride Rosazea. Trotz seit Jahren geklagter Beschwerden und Behandlungen hätten keine erheblichen krankhaften Veränderungen in körperlicher Hinsicht gefunden werden können. Ein GdB von 20 allein aus orthopädischer Sicht sei nur unter Mitbewertung einer seelischen Beeinträchtigung nachvollziehbar. Aus fachnervenärztlicher Sicht sei im Rahmen der Untersuchung eine hypochondrisch strukturierte Persönlichkeit mit gleichzeitigen zwanghaften Zügen herausgearbeitet worden, welche mit erheblichen Benachteilungsängsten einhergehe und die somatoformen Beschwerden erkläre. Die Kriterien einer somatoformen Schmerzstörung seien jedoch nicht erfüllt. Die auswärts diagnostizierte Polyneuropathie hätte nicht in funktional relevantem Umfang bestätigt werden können. Prof. Dr. Huber habe keine konkreten nachvollziehbaren Funktionseinschränkungen genannt, sondern vor allem apparatetechnische Untersuchungsbefunde und "Zustände nach ..." bewertet, welche bei den aktuellen Begutachtungen nicht im Sinne von Behinderungen klinisch fassbar geworden seien. Dem Gutachten war der Arztbrief der Federseeklinik vom 14. Februar 2007 über die akutstationäre Behandlung vom 29. Januar bis 9. Februar 2007 beigefügt.

Der Kläger reichte noch einen Arztbrief des Dr. Kempa (Orthopäde) vom 27. September 2007 sowie eine Stellungnahme und ein Attest von Dr. Kratzsch vom 7. und 16. Oktober 2007 ein. Dr. Kratzsch verwies auf eine Diskrepanz zwischen den Befunden von Dr. Kempa und Dr. Naruhn. Ferner seien die von Prof. Dr. Huber erhobenen Befunde, die ihr selbst nicht bekannt seien, nicht berücksichtigt worden. Es sei bekannt, dass der Kläger jahrelang mit toxischen Substanzen gearbeitet habe. Der GdB sei zu niedrig angesetzt.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 9. Januar 2008 erörtert. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Beschluss einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Der Senat kann vorliegend gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten haben sich - im Rahmen des Erörterungstermins - mit dieser Vorgehensweise ausdrücklich einverstanden erklärt.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt und auf die im Regelfall anzuwendenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) hingewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführung Bezug. Zwar ist zum Januar 2008 eine neue Ausgabe der AHP herausgegeben worden. Für die hier streitgegenständlichen Funktionsbeeinträchtigungen bestehen zwischen den AHP Ausgabe 2004 und den AHP Ausgabe 2008 jedoch keine Unterschiede.

Das SG ist unter ausführlicher und kritischer Bewertung der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Unterlagen zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger ein GdB von 30, unter Zugrundelegung eines Teil-GdBs für Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule von 20, eines chronischen Schmerzsyndroms sowie psycho-vegetativer Störungen mit einem Teil-GdB von ebenfalls 20 - darin eingeschlossen Schwindelerscheinungen, Magen- und Darmbeschwerden sowie Schulterbeschwerden -, einer Polyneuropathie mit einem Teil-GdB von 10 sowie einer Rosazea mit ebenfalls einem Teil-GdB von 10, vorliegt. In nicht zu beanstandender Weise wurde dargelegt, aus welchen Gründen den Einschätzungen von Dr. B., Dr. Reutter und Dr. Saul, nicht jedoch den Einschätzungen von Prof. Dr. Huber und Dr. Kratzsch zu folgen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Entscheidungsgründe (Seite 6, 2. Absatz bis Seite 10, 2. Absatz) Bezug genommen.

Die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen lassen kein für den Kläger günstigeres Ergebnis zu.

Dr. Naruhn konnte im Rahmen seiner gutachterlichen Untersuchung auf dem chirurgisch-orthopädischen Fachgebiet keine relevanten, organisch ableitbaren Funktionsstörungen finden. Die klinische Wirbelsäulenevaluation zeigte noch hinlänglich gute bis befriedigende Bewegungs- und Funktionswerte ohne erkennbare wirbelsäulenabgeleitete Symptomatiken. Die Funktionen aller Wirbelsäulenabschnitte waren nicht erkennbar eingeschränkt. Es bestanden auch keine aktuellen Wurzelreizzeichen. Nur unter Berücksichtigung von Vorberichten und der geltend gemachten Beschwerden sah sich Dr. Naruhn veranlasst, von einem Wirbelsäulenschaden mit geringen funktionellen Auswirkungen auszugehen. Da dieser nach den AHP lediglich einen GdB von 10 bedinge, ergänzte er folgerichtig, der von ihm vorgeschlagene GdB von 20 sei nur mit Überschneidung und Integration einer somatoformen Störung zu begründen. In einer für den Senat ungewöhnlich deutlichen Weise hat Dr. Naruhn in seinem Gutachten Verdeutlichungstendenzen des Klägers beschrieben. Schon beim leichten Bestreichen und Berühren und harmlosen Anfangsauslenkungen habe der Kläger "Aua"-Rufe und Lautäußerungen abgegeben. Bei der Aufforderung, ein Bein gestreckt abzuheben, habe er anfangs mehrfach nur mit dem Bein liegend "gezuckt". Die geklagten Beschwerden hätten sich in Auslösung, Ort, Stärke und Überwindbarkeit sehr wechselnd und nicht konstant gezeigt und hätten einen wesentlichen organischen Kern vermissen lassen.

Auch Dr. Schüssler beschrieb funktionelle Überlagerungen beim Finger-Nasen-Versuch und bei erschwerten Gehprüfungen. Allerdings kam er in der psychiatrischen Beurteilung zu dem Schluss, auch wenn die Schilderung des Klägers, insbesondere seine Neigung, Bagatellbeschwerden gewissermaßen auszuschmücken, an eine bewusstseinsnahe Komponente denken lasse, liege unabhängig hiervon eine deutliche Beeinträchtigung vor. Der Kläger sei kaum in der Lage, kritische Reflexionen anzustellen, aus seinen subjektiven Benachteiligungsängsten herauszutreten oder psychosomatische Zusammenhänge in Betracht zu ziehen. Hinsichtlich der Wirbelsäulenveränderungen fand er keine neurologischen Begleiterscheinung, insbesondere keine Nervenwurzelreizerscheinungen, die bei der Bemessung des GdB zu berücksichtigen gewesen wären.

Soweit Dr. Schüssler funktionell überformte multiple Körperbeschwerden ohne Anhalt auf eine eigenständige somatoforme Schmerzstörung und persönlichkeitsspezifische Besonderheiten mit zwanghaften und hypochondrischen Zügen sowie erhöhten Benachteiligungsängsten diagnostiziert und dafür einen Teil-GdB auf nervenärztlichem Gebiet von 20 für vertretbar aber auch ausreichend erachtet, steht er im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem SG. Überzeugend führt er aus, das Vollbild einer somatoformen Schmerzstörung liege nicht vor, da während der Untersuchung kein andauernder, schwerer und quälender Schmerz zu beobachten gewesen sei. Insoweit könne die Symptomatik auch noch nicht den stärker behindernden Störungen im Sinne der AHP zugeordnet werden. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit dem Tagesablauf, den der Kläger Dr. Saul gegenüber als nicht wesentlich eingeschränkt dargestellt hat, worauf bereits das SG hingewiesen hat. Soweit im Bericht der Federseeklinik vom 14. Februar 2007 als Diagnose eine Somatisierungsstörung genannt wird, ergeben sich keine Hinweise darauf, dass das im Übrigen in Übereinstimmung mit den Ausführung von Dr. Schüssler geschilderte Beschwerdebild mit einem Teil-GdB von 20 zu gering bewertet wäre.

Eine Polyneuropathie konnte weder von Dr. Schüssler noch von Dr. Naruhn bestätigt werden. Im neurologischen Konsil der Federseeklinik vom 2. Februar 2007 (Anlage zum Brief vom 14. Februar 2007) wird ausdrücklich ausgeführt, dass die vorbestehende Diagnose einer Polyneuropathie nicht aufrecht erhalten werden könne, sondern korrigiert werden müsse. Dies wurde darauf zurückgeführt, dass bei früheren neurologischen Untersuchungen 2004 und 2006 jeweils sehr unterschiedliche Angaben zum Vibrationsempfinden erfolgt seien. Eine ausführlichere neurophysiologische Untersuchung im Jahr 2006 habe keinen Hinweis auf eine Polyneuropathie bei gleichen Beschwerden, wie sie aktuell vom Kläger geschildert wurden, ergeben. Die Angaben zur Sensibilität und zum Vibrationssinn seien letztendlich subjektive Angaben. Eine objektivierbare Störung liege noch nicht vor. Unter Beachtung der Vorgeschichte des Klägers, dem Untersuchungsbefund und dem Erleben des Klägers in der Untersuchungssituation ergebe sich der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung. Insoweit wurde auch das Bestehen eines Restless-Legs-Syndrom abgelehnt.

Der gutachterlichen Einschätzung von Prof. Dr. Huber kann der Senat nicht folgen. Völlig zu Recht weist Dr. Schumacher darauf hin, dass Prof. Dr. Huber keine nachvollziehbaren Funktionseinschränkungen benennt. Er schildert lediglich apparatetechnische Untersuchungsbefunde und "Zustände nach ...", die als Grundlage für die Bewertung des GdB nicht ausreichend sind. Soweit Prof. Dr. Huber in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG eine Polyneuropathie und Enzephalopathie Stadium II mit einem GdB von 50 bewertete, steht dem bereits entgegen, dass diese Diagnose nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Im Übrigen hat selbst Dr. Kratzsch, auf deren Einschätzung der Kläger ansonsten Wert legt, die Polyneuropathie in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 1. März 2006 als lediglich leicht eingestuft.

Aus den vom Kläger nachgereichten Stellungnahmen von Dr. Kratzsch ergibt sich nichts Neues. Darin gibt sie die vom Kläger "geklagten" Beschwerden wieder, ohne eigene nachvollziehbare geschweige denn konkrete Funktionsbeeinträchtigungen zu nennen. Ihre Äußerung zugunsten des Prof. Dr. Huber bleibt unklar, räumt sie doch selbst ein, die von ihm erhobenen Befunde nicht zu kennen. Auch aus dem Arztbrief von Dr. Kempa vom 27. September 2007 ergibt sich keine Änderung in den Beurteilungsgrundlagen, wird hier doch lediglich über eine neue Therapieoption durch Akupunktur berichtet.

Nach alledem ist der Kläger durch die Entscheidung des SG keinesfalls benachteiligt, da nach den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten auch an einen Gesamt-GdB von lediglich 20 hätte gedacht werden können.

Im Hinblick auf die von Dr. Schüssler angesprochenen subjektiven Benachteiligungsängste des Klägers sieht sich der Senat veranlasst darauf hinzuweisen, dass der GdB nach objektiven Maßstäben und unter Gleichbehandlung aller Antragssteller zu bestimmen ist. Dies wird durch die gleichmäßige Anwendung der AHP erreicht. Völlig unerheblich für die Bestimmung des GdB ist dabei, ob und ggf. in welchem Umfang ein Betroffener eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält. Soweit der Kläger laut den Ausführungen von Dr. Schüssler meinte, die Russen hätten "alle Rente" bekommen, "und ich bekomm nix", ist diese subjektive Empfindung für die hier zu treffende Entscheidung gänzlich ohne Belang. Von Bedeutung sind hingegen die Vergleichsmaßstäbe, die sich aus den AHP ergeben. Hierzu ist insbesondere unter der Nr. 19.2 ausgeführt, ein Gesamt-GdB von 50 könne beispielsweise nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich sei wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel. Mit solchen Funktionsbeeinträchtigungen können indes die beim Kläger vorliegenden Störungen nicht verglichen werden.

Die Berufung war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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