L 1 SB 6483/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 801/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SB 6483/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zusteht.

Der 1965 geborene Kläger, bei dem mit Bescheid des Versorgungsamts F., Außenstelle R.(VA) vom 10. März 1999 ein GdB von 20 ab 11. November 1998 anerkannt worden war (zugrundeliegende Behinderungen: Koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt, mehrfache Dilationsbehandlung, Stent-Implantation (Teil-GdB 20); Wirbelsäulenfehlstellung, Ischialgie (Teil-GdB 10), beantragte am 28. November 2002 die Erhöhung des GdB. Beigefügt war der Arztbrief des Herzzentrums Bodensee vom 29. November 2002, in dem u.a. ein weiterer Myokardinfarkt am 5. November 2002 mit Stent-Implantation aufgeführt ist. Die Beklagte holte ärztliche Befundberichte ein, u.a. den Reha-Entlassungsbericht vom 30. Januar 2003 (Coronare 3-Gefäßerkrankung, Zustand nach RIVA-PTCA + Stent 1997, Re-PTCA 1998 und RCA-PTCA 2000; Hinterwandinfarkt 5.11.2002, RCX-PTCA + Stent 5.11.2002, leicht reduzierte LV-Funktion; Zustand nach Vorderwandinfarkt 1995; Hyperlipidämie; degeneratives LWS-Syndrom, bekannter Bandscheibenvorfall L 5).

Mit Bescheid vom 7. Juli 2003 stellte das VA den GdB mit 30 ab 11. November 1998 fest, dem als Funktionsbeeinträchtigungen abgelaufene Herzinfarkte und Stent-Implantation (Teil-GdB 20) sowie Bandscheibenschaden, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) zugrunde lagen.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, der Teil-GdB von 20 trage den tatsächlichen kardialen Einschränkungen ebenso wenig Rechnung wie die Bewertung der Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule. Insbesondere sei er durch die ständige Angst, einen weiteren Herzinfarkt zu erleiden, auch psychisch beeinträchtigt. Ein GdB von 50 sei insgesamt angemessen. Das VA nahm daraufhin weitere Sachverhaltsermittlungen auf und zog u.a. die Entlassberichte und Herzkathederberichte beim Herzzentrum Bodensee bei.

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, insbesondere sei eine ergometrische Belastung bis 175 Watt ohne Hinweise auf Durchblutungsstörungen des Herzens möglich gewesen und bei der Ultraschalluntersuchung habe sich echokardiografisch allenfalls eine leichtgradige Schädigung der linken Herzkammer gezeigt. Daher sei die Herzleistung mit einem GdB von 20 zu bewerten. Eine wesentliche Verschlimmerung sei auch für das Rückenleiden nicht belegt.

Dagegen hat der Kläger am 6. April 2004 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Das Gericht hat die behandelnden Ärzte Dr. R. (Facharzt für innere Medizin, Auskunft vom 26. Juni 2004), den Internisten Dr. C. (Auskunft vom 8. Juli 2004), den Arzt für Orthopädie Dr. K. (Auskunft vom 13. August 2004) und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. (Auskunft vom 8. Juli 2004) schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Unter dem 25. November 2004 hat der Beklagte einen Vergleichsvorschlag unterbreitet (GdB von 40 ab 28. November 2002), den der Kläger nicht angenommen hat.

Das SG hat daraufhin bei Dr. O., Kardiologe, ein Gutachten in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 18. April 2005 hat Dr. O. ausgeführt, unter Berücksichtigung der leicht eingeschränkten linksventrikulären Funktion sowie der leichten Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung sei ein GdB von 30 festzustellen. Hämodynamisch relevante Rhythmusstörungen könnten nicht festgestellt werden; bei allseits palpablen Pulsen sei eine wesentliche periphere arterielle Verschlusskrankheit derzeit nicht anzunehmen. Soweit nunmehr auf neurologischem Fachgebiet (durch den behandelnden Orthopäden) ein GdB von 30 und durch den behandelnden Orthopäden ein GdB von 30 vorgeschlagen werde, sei der Gesamt-GdB mit 40 zu bemessen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das orthopädische Gutachten vom 1. März 2006 bei Dr. R. eingeholt. In seinem Gutachten kam dieser zusammenfassend zum Schluss, beim Kläger liege ein statisch degeneratives Hohlkreuz-Lendenwirbelsyndrom bei dringendem Verdacht auf instabiles Segment L 5/S 1, Spondylolyse/Olisthese Grad I und interspinaler Irritation L 5/S 1, ein linksseitiges HWS-Syndrom ohne subjektive Beeinträchtigung, eine Haltungsinsuffizienz Rundhohlrücken sowie Senkspreizfüße/Syndaktylie II/III vor. Der GdB durch die lumbale Problematik betrage 20 seit November 2002. Gehe man von einem Teil-GdB von 20 für die kardiale Problematik und einem weiteren Teil-GdB von 20 für die psychiatrischen Einschränkungen aus, werde der Gesamt-GdB mit 40 vorgeschlagen. Dem Gutachten beigefügt waren aktuelle Arztbriefe u.a. der Ärztin für Neurologie Dr. T. vom 21. Juli 2004 und 19. November 2005 (sensible Neuropathie mit neuropathischem Schmerz) sowie der Reha-Entlassungsbericht vom 1. Dezember 2004 nach stationärer Rehabilitationsbehandlung vom 19. Oktober bis 16. November 2004.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. November 2006 hat das SG die angefochtenen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, beim Kläger ab 28. November 2002 einen GdB von 40 festzustellen.

Gegen den ihm am 23. November 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27. Dezember 2006, dem ersten Werktag nach Weihnachten, Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2006 sowie den Bescheid vom 7. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. März 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm einen GdB von 50 ab Antragstellung festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat ein Gutachten beim Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom November 2007 hat Dr. Z. ausgeführt, beim Kläger bestehe auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet ein Bandscheibenvorfall L 5/S 1 links mit sensiblem Wurzelreizsyndrom sowie chronifizierter Schmerzsymptomatik und eine Depression verbunden mit Ängsten bei Zustand nach zwei Herzinfarkten. Er hat weiter ausgeführt, dass aus seiner Sicht ein GdB von 50 angemessen sei. Berücksichtige man den Teil-GdB auf kardiologischem Fachgebiet mit 20 müsse jedoch beachtet werden, dass das Lumbalsyndrom wegen der glaubhaften chronischen Schmerzen einen Teil-GdB von 30 rechtfertige, auch wegen der persistierenden Sensibilitätsstörungen im Bereich des Dermatoms S 1. Die Angstdepression sei mit einem GdB von 30 zu bewerten. Der Beklagte hat die vä Stellungnahme vom 10. März 2008 vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Eine noch weitergehende wesentliche Änderung in den Verhältnissen ist nicht eingetreten, so dass der GdB mit 40 zutreffend festgestellt ist.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Maßgebliche Rechtsgrundlagen sind insoweit seit 01.07.2001 die Vorschriften des 9. Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63, 68 des SGB IX vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag stellen die Behörden einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale aus.

Diese Vorschriften sind weitgehend inhaltsgleich mit den bis zum 30.06.2001 geltenden Vorschriften der §§ 3 und 4 SchwbG, weshalb die bisherigen Grundsätze zur GdB-Bewertung weiter angewandt werden können. Inwieweit in Einzelfällen Gesundheitsstörungen über die damit verbundenen Funktionseinschränkungen hinaus Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben und auch diese Auswirkungen insoweit bei der GdB-Einschätzung zu berücksichtigten sind (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R), kann dahinstehen, denn solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2008 (AP) niedergelegt sind (vgl. BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4; SozR 3 - 3870 § 4 SchwbG Nr. 19 und Urteil vom 07.11.2001 aaO). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Auch sind sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3 - 3870 aaO; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R).

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den Grundsätzen zu verfahren, wie sie in den AP (Abschnitt 19) ihren Niederschlag gefunden haben. Danach sind bei der Festsetzung des Gesamt-GdB die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung, auch wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB verursacht. Dann ist im Hinblick auf weitere Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung insgesamt größer wird und deshalb dem höchsten Einzel-GdB ein Behinderungsgrad von 10 oder 20 oder mehr hinzuzufügen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Mathematische Methoden, insbesondere eine Addition der einzelnen GdB-Werte, sind hierbei ausgeschlossen (BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4).

Unter Berücksichtigung der in den Anhaltspunkten niedergelegten Grundsätze ist im Fall des Klägers ein GdB von 40 festzustellen.

Wirbelsäulenschäden sind nach den AP Nr. 26.18 ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität mit einem GdB von 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 20 und erst mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) mit einem GdB von 30 zu bewerten. Einen GdB zwischen 30 und 40 rechtfertigen darüber hinaus auch mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist ein GdB von 20 für den bestehenden Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1 mit Schmerzsymptomatik und persistierenden Sensibilitätsstörungen in einem Dermatom zutreffend. Beim Kläger liegt eine Beeinträchtigung nur in einem Wirbelsäulenabschnitt vor. Die bestehenden neurologischen Beeinträchtigungen sind von lediglich mittelgradiger Schwere. Dies hat auch der nach § 109 SGG in erster Instanz gehörte Dr. Rügemer bestätigt. Soweit von diesem eine neurologische Symptomatik vermutet und deshalb ein höherer GdB in den Raum gestellt worden ist, konnte auch durch Dr. Z. eine Claudicatio-spinalis Symptomatik nicht bestätigt werden, die ggf. nach den AP Nr. 26.9 eine gesonderte GdB-Bewertung rechtfertigen könnte. Vielmehr hat er ebenfalls (wie schon Dr. Rügemer) vom Kläger geschilderte Schmerzen in beiden Beinen, die sich beim Sitzen aber vor allem beim Stehen verstärkten, berichtet. Auch ist eine relevante spinale Enge im Bereich L 5/S 1 nicht nachgewiesen. Daher ist davon auszugehen, dass es sich bei den vom Kläger glaubhaft geschilderten Beschwerden um die mit der Wirbelsäulenerkrankung und geringer neurologischer Beeinträchtigung typischerweise einhergehenden Schmerzen handelt, die jedoch schon in den Bewertungsvorschlägen der AP enthalten sind und eine Höherbewertung nicht rechtfertigen. Eine ggf. gesondert zu bewertende Schmerzerkrankung ist nicht nachgewiesen.

Gemäß der AP 26.3 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 – 40 und schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB zwischen 50 – 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdB zwischen 80 – 100 zu bewerten.

Unter Berücksichtigung dieser Bewertungsgrundsätze sind die beim Kläger bestehenden psychischen Beeinträchtigungen maximal mit einem GdB von 20 zu bewerten. Beim Kläger liegt, bedingt durch die durchaus nachvollziehbare Angst, einen weiteren Herzinfarkt zu erleiden, eine depressive Störung bzw. Verstimmung vor, die als leichtere psychovegetative oder psychische Störung im Sinne der AP zu bewerten ist. Keiner der den Kläger behandelnden Ärzte hat eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit berichtet, die es rechtfertigen würde, einen höheren GdB festzustellen. Soweit der nach § 109 SGG beauftragte Dr. Z. ausgeführt hat, er bewerte die Angstdepression mit einem GdB von 30 schließt sich das Gericht diesem Vorschlag nicht an. Dr. Z. hat nichts vorgetragen, was eine stärker behindernde Störung rechtfertigen würde, z.B. Einschränkungen in der Tagesstruktur, dem persönlichen Verhalten etc. Vielmehr geht der Kläger nach wie vor seiner Arbeit nach und ist lediglich auf einen körperlich weniger anstrengenden Arbeitsplatz als Staplerfahrer umgesetzt worden.

Krankheiten des Herzens (Herzklappenfehler, koronare Herzkrankheit, Kardiomyopathien, angeborene Herzfehler u.a.) sind nach den AP Nr. 26.9:

1. ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z. B. sehr schnelles Gehen [7-8 km/h], schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Solleistung bei Ergometerbelastung; bei Kindern und Säuglingen (je nach Alter) beim Strampeln, Krabbeln, Laufen, Treppensteigen keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung, keine Tachypnoe, kein Schwitzen mit einem GdB von 0 – 10 zu bewerten;

2. mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z. B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten); bei Kindern und Säuglingen Trinkschwierigkeiten, leichtes Schwitzen, leichte Tachy- und Dyspnoe, leichte Zyanose, keine Stauungsorgane, Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 1 Watt/kg Körpergewicht mit einem GdB zwischen 20 und 40;

3. mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z. B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Meßdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten); bei Kindern und Säuglingen deutliche Trinkschwierigkeiten, deutliches Schwitzen, deutliche Tachy- und Dyspnoe, deutliche Zyanose, rezidivierende pulmonale Infekte, kardial bedingte Gedeihstörungen, Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 0,75 Watt/kg Körpergewicht mit einem GdB von 50 – 70 zu bewerten.

Treten gelegentlich vorübergehend schwere Dekompensationserscheinungen auf, rechtfertigen diesen einen GdB von 80. Bestehen Leistungsbeeinträchtigungen bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz, z. B. auch bei fixierter pulmonaler Hypertonie); bei Kindern und Säuglingen auch hypoxämische Anfälle, deutliche Stauungsorgane, kardiale Dystrophie kann ein GdB zwischen 90 – 100 festgestellt werden. Dabei sind die für Erwachsene angegebenen Wattzahlen auf mittleres Lebensalter und Belastung im Sitzen bezogen. Liegen weitere objektive Parameter zur Leistungsbeurteilung vor, sind diese entsprechend zu berücksichtigen. Nach operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen (z. B. Ballondilatation) ist der GdB/MdE-Grad von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig. Bei Herzklappenprothesen ist der GdB/MdE-Grad nicht niedriger als 30 zu bewerten; dieser Wert schließt eine Dauerbehandlung mit Antikoagulantien ein. Nach einem Herzinfarkt ist die GdB/MdE-Bewertung von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig.

In den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, zuletzt des Belastungs-EKG vom Oktober 2004, war der Kläger bis 150 Watt ohne relevante cardiale Beschwerden und ohne signifikante ST-Streckenveränderungen belastbar. Auffällig war lediglich ein niedriger Ruhe-Blutdruck. Der Kläger wurde aus der Rehabilitationsmaßnahme im Herbst 2004 als arbeitsfähig entlassen und lediglich die Versorgung des vom Kläger gefahrenen Gabelstaplers mit einem orthopädischen Fahrersitz empfohlen. Der Kläger hat darüber hinaus gegenüber Dr. Z. Leistungseinschränkungen beim Gehen nicht mit kardio-pulmonalen Beschwerden, sondern mit Schmerzen im Rücken, in die Beine ziehend, begründet. Anhaltspunkte für eine kardiale Einschränkung der Leistungsfähigkeit bereits bei alltäglicher leichter Belastung, die einen GdB von 30 rechtfertigen würden, liegen daher nicht vor. Im Übrigen würde auch dies einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit des Klägers in seinem körperlich durchaus beanspruchenden Beruf widersprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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