S 3 U 600/03

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 600/03
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nrn. 4301 und/oder 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat.

Der 1956 geborene Kläger absolvierte von 1972 bis 1975 eine Dreherlehre, war von 1975 bis 1981 als Krankenpfleger tätig, von 1975 bis 1979 als Krankenpfleger bei der Bundeswehr, und führte von 1981 bis 1982 eine Ausbildung zum Masseur und medizinischen Bademeister durch. In diesem Beruf war der Kläger seither tätig, seit 1986 mit eigener Praxis mit einer Aushilfe und einer Reinigungskraft. Neben der 300 m² großen Praxis wurde ein Schwimmbad betrieben, das wöchentlich mit Chlortabletten gechlort wurde, zusätzlich erfolgte Flächendesinfektion mittels Sprühdesinfektion. Die Belüftung erfolgte über die Fenster. Der Kläger musste sowohl die Praxis als auch den Schwimmbereich selbst betreten.

Prof. Dr. LH. und S. diagnostizierten im ärztlichen Bericht von 19. Februar 2001 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 12. bis 13. Februar 2001 eine Typ-I Sensibilisierung auf Hausstaubmilben sowie eine Überempfindlichkeitsreaktion auf Natriumhyperchlorid. Der Kläger war stationär wegen einer rhinitischen Beschwerdesymptomatik und Nasenatmungsbehinderung aufgenommen worden. Eine Magnetresonanztomographie des Schädels vom 23. Februar 2001 ergab nach dem ärztlichen Bericht von Dr. E. vom 26. Februar 2001 eine polypoide Ethmoiditis. In den ärztlichen Berichten vom 02. und 07. Mai 2001 diagnostizierte Prof. Dr. E., Klinik für Innere Medizin der Universitätsklinik B-Stadt, beim Kläger einen chronischen Schnupfen bei Hausstaubmilbenallergie und rezidivierende Dyspnoesyndrome. Bei der Lungenfunktionsprüfung ließen sich keine signifikant pathologischen Befunde erheben mit Ausnahme einer Reduktion der Flüsse in der Lungenperipherie. Der Test zur Prüfung der unspezifischen bronchialen Hyperreaktivität erbrachte kein eindeutig positives Ergebnis, wobei jedoch bereits eine inhalative Therapie mit einem Kortikosteroidpräparat erfolgte. Der Kläger hatte als Auslöser für die Dyspnoesymptome u. a. den Gebrauch von Desinfektionsmitteln angegeben. In arbeitsfreien Zeiten sei die Symptomatik gebessert. Nach dem ärztlichen Bericht von Prof. Dr. C. vom 18. Mai 2001 bestand beim Kläger wegen der Atemwegserkrankung Arbeitsunfähigkeit seit 29. Januar 2001. Die Erkrankung sei auch unter topischen Steroiden therapieresistent gewesen und habe sich nach Angabe des Klägers durch Chlorexposition verschlechtert.

Sodann holte die Beklagte zur Feststellung des Vorliegens einer BK Nr. 4301 und/oder 4302 ein Gutachten bei Prof. Dr. F., Berufsgenossenschaftliches Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin an der Ruhr-Universität Bochum vom 27. August 2001 ein, das dieser auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 18. Juli 2001 erstattete. Im Rahmen der Anamnese hatte der Kläger angegeben, im Herbst 1998 nächtliche Luftnot bekommen und geschnarcht zu haben. Im Frühjahr sei dann die Nase zugegangen und im November 2000 seien Schnupfen sowie Luftnotanfälle hinzugekommen. Von den Ärzten sei eine Hausstaubmilbenallergie festgestellt worden. Seit Februar 1999 sei er nicht mehr berufstätig, seither ginge es ihm besser. Wenn er durch die Praxis laufe, bemerke er kurz dauernde Verschlechterung. Die Lungenfunktionsprüfung im Rahmen der Begutachtung ergab eine leichtgradige, im Bronchodilatationstest vollreversible obstruktive Ventilationsstörung. Prof. Dr. F. diagnostizierte ein Asthma bronchiale und eine chronische Rhinopathie bei Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben, anamnestisch ein HWS-Schulter-Arm-Syndrom. Im Rahmen der zusammenfassenden Beurteilung führte er aus, dass sich die rhinitische und asthmatische Symptomatik seit ca. 1998 mit Progredienz seit 2000 aufgrund der Vorbefunde einer Hausstaubmilbenallergie zuordnen lasse. Ein primär beruflich verursachtes Asthma sei nicht gegeben. Eine Chlorallergie als Ursache des Asthmas sei seines Wissens in der Literatur nicht beschrieben und aufgrund eines irritativen Potenzials von Chlorgas auch schwer nachzuweisen. Die arbeitsplatzbedingten Beschwerden des Klägers seien durch die irritativen Wirkungen des eingesetzten Chlors und möglicherweise auch des eingesetzten Desinfektionsmittels zu erklären. Eine BK nach BK Nrn. 4301 bzw. 4302 liege nicht vor. Schwieriger sei die Frage zu beantworten, ob die erfolgte Tätigkeitsaufgabe medizinisch erforderlich gewesen sei. Sie sei nicht primär wegen der Atemwegserkrankung, sondern wegen des HWS-Schulter-Arm-Syndroms erfolgt. Die Frage, ob die quantitative Belastung am ehemaligen Arbeitsplatz des Klägers geeignet gewesen sei, die konkrete Gefahr der Verschlimmerung der anlagebedingten Hausstaubmilbenallergie zu begründen, sei von medizinischer Seite nicht eindeutig zu beantworten. In der Regel werde davon ausgegangen, dass eine gelegentliche Sprühdesinfektion mit alkoholischen Mitteln auch von Asthmatikern durchgeführt werden könne. Hinsichtlich der Chlorimmissionen habe er Zweifel, ob nicht durch Umstellung des Desinfektionsverfahrens eine Gefährdung des Klägers weitgehend auszuschließen sei. Die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers sei nicht durch allergisierende berufliche Einwirkungen verursacht worden.

Nach dem ärztlichen Bericht von Dr. G., Arzt für Neurologie und Psychiatrie vom 17. September 2001 fand sich beim Kläger nach einer craniellen Magnetresonanztomographie eine chronische Pansinusitis. Der Neurootologe Dr. H. diagnostizierte beim Kläger im ärztlichen Bericht vom 21. September 2001 eine Polyposis nasi et sinuum, ein Empyem der Keilbeinhöhle sowie eine Infektallergie. Er führte weiter aus, der Kläger habe jede noch so kleine Exposition gegenüber Chlorwasser oder anderen allergischen Substanzen zu vermeiden, weil sich dadurch das Krankheitsbild dramatisch verschlechtern könne.

Der Landesgewerbearzt äußerte sich in seiner Stellungnahme vom 04. Oktober 2001 dahingehend, dass es sich beim Kläger um ein Asthma bronchiale sowie eine chronische Rhinopathie infolge Hausstaubmilbensensibilisierung handele. Die Voraussetzungen einer BK Nr. 4301/4302 lägen nicht vor.

Zu möglichen Präventionsmaßnahmen bei einem möglichen Zusammenhang zwischen der Luft aus dem Schwimmbadbereich und der Atemwegserkrankung des Klägers führte der Präventionsdienst der Beklagten in seinen Stellungnahmen vom 16. Januar 2002 und 29. April 2002 aus, dass folgende Maßnahmen als sinnvoll erachtet würden: Das Anbringen eines mechanischen Türschließers zwischen Bad und Praxis, Erzeugung von Unterdruck im Badbereich durch eine raumlufttechnische Anlage, alternativ auch eine Luftschleuse vor der Schwimmbadtür, ggf. eine Substitution des Chlors als Wasserdesinfektionsmittel durch UV-Licht-Desinfektion, eine Ozondesinfektion, eine Optimierung der herkömmlichen Chlordesinfektion durch automatisierte Chlorung sowie Installation einer Lüftungsanlage. Durch organisatorische Maßnahmen solle erreicht werden, dass der Kläger den Schwimmbadbereich so wenig wie möglich aufsuche. Vor Durchführung dieser Maßnahmen sei jedoch die medizinische Frage hinsichtlich der Ursächlichkeit des Chlors und seiner Verbindungen für die Atemwegserkrankung des Klägers zu klären.

Prof. Dr. F. und Dr. I. nahmen hierzu am 12. Juni 2002 dahingehend Stellung, dass aufgrund der chemisch-irritativen Wirkung sowohl von Chlor als auch von bestimmten Komponenten von Sprühdesinfektionsmitteln unter Präventionsgesichtspunkten die Luftbelastung des Klägers so gering wie möglich zu halten sei, um sein anlagebedingtes Leiden nicht zu verschlimmern. Chlor und seine Verbindungen könnten Ursache der arbeitsplatzbedingten Beschwerden des Klägers sein, allerdings sei eine Quantifizierung der Atemluftkonzentration mit Chlor im Arbeitsbereich der Massagepraxis notwendig.

Mit Schriftsatz vom 07. August 2002 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass der Kläger sowohl wegen seiner Atemswegserkrankung und als auch wegen des HWS-Schulter-Arm-Syndroms nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf als Masseur und medizinischen Bademeister auszuüben und daher seit Januar 2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe (Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 27. Februar 2002).

Im Gutachten des Ingenieurbüros J. und Partner vom 14. November 2002 und der zugrunde liegenden Stellungnahme der Lehr- und Versuchsgesellschaft für innovative Hygiene-Technik mbH (L.V.H.T. mbH) zur Beurteilung der physikalisch-chemischen und mikrobiologischen Beschaffenheit des Schwimm- und Beckenwassers war dieses in mikrobiologischer Beziehung nicht zu beanstanden. In physikalisch-chemischer Sicht entsprach es jedoch wegen der zu hohen Werte der Oxidierbarkeit des organischen Kohlenstoffs, des Gehaltes an Chloraminen und Trihalogenmethanen nicht den an ein gechlortes Schwimm- und Badebeckenwasser zu stellenden allgemein-hygienischen Anforderungen. Die vor Ort vorhandene Anlage zur Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser sei nicht in der Lage, das Beckenwasser DINgemäß aufzubereiten. Die installierte raumlufttechnische Anlage sei um 60 % zu gering ausgelegt bzw. ausgeführt. Nach den durchgeführten Messungen betrug der Gehalt von freiem Chlor im Beckenwasser 0,42 mg/l bei einem DIN-Richtwert von 0,3 bis 0,6 mg/l. Der Gehalt von Chloramin betrug 0,43 mg/l bei einem DIN-Richtwert von 0,2 mg/l. Der Gehalt von Trihalogenmethan betrug 0,087 mg/l bei einem DIN-Richtwert von 0,02 mg/l. Die höchsten THM-Luftwerte wurden in Höhe von 20 cm über der Wasseroberfläche gemessen (1204 µg/m³ und 1248 µg/m³). Damit lag nach der Stellungnahme von Dr. X., L.V.H.T. mbH, vom 03. Dezember 2002 der im Beckenwasser festgestellte THM-Wert mit 0,087 mg/l bzw. 87 µg/l um das Vierfache höher als der noch zulässige Richt- bzw. künftige Grenzwert von 0,2 mg/l. Der Gehalt an gebundenem Chlor im Beckenwasser (Chloramin) lag mit 0,43 mg/l ungefähr doppelt so hoch wie der noch zulässige Richt- bzw. künftige Grenzwert von 0,2 mg/l. Die festgestellten THM-Luftwerte bewegten sich zwischen dem VDI-Richtwert (200 µg/m³) und BIA-Grenzwert gemäß BIA-Report 1/2002 von 2500 µg/m³.

Prof. Dr. F. und Dr. I. führten in ihrer Stellungnahme vom 30. Januar 2003 hierzu aus, dass die Frage erhöhter Chlor- bzw. HCI-Gas-Konzentrationen im Arbeitsbereich des Klägers nur über Abschätzung beurteilt werden könne, da HCI-Gas selbst nicht gemessen worden sei. Zum einen sei freies Chlor im Beckenwasser in der von der DIN-Vorschrift vorgegebenen Schwankungsbreite im mittleren Bereich zu messen gewesen. Zum anderen könnten Gefahrstoffe wie Chloraminverbindungen sehr geruchsintensiv seien. Aufgrund des im Normbereich eingestellten freien Chlors des Beckenwassers sei nicht mit erhöhten Chlorgaskonzentrationen zu rechnen, welche in der Lage wären, durch chemisch-irritative bzw. toxische Wirkung eine Verstärkung der obstruktiven Atembeklemmungen des Klägers zu verursachen. Hierzu seien deutlich höhere Konzentrationen notwendig. Unter den im Gutachten des Ingenieurbüros J. und Partner gemessenen Bedingungen könne Chlor oder eine seiner Verbindungen die Atemwegserkrankung des Klägers weder verursacht noch verschlimmert haben.

Der Landesgewerbearzt beim Regierungspräsidium Darmstadt äußerte sich in seiner Stellungnahme vom März 2003 dahingehend, dass die von der Firma J. und Partner festgestellte Konzentration von chlorierten Kohlenwasserstoffen in der Raumluft des Betriebes des Klägers deutlich unter den MAK-Werten liegen würden (Bl. 367, 382, 384 U-Akte). Zum selben Ergebnis seien Prof. Dr. F. und Dr. I. gelangt. Es lägen keine ausreichenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, dass die am Arbeitsplatz des Klägers nachgewiesenen chlorierten Kohlenwasserstoffe im Niedrigdosisbereich zu einer Verschlimmerung der anlagebedingten obstruktiven Atemwegserkrankung durch Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben führe.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei ihm weder eine BK nach Bk Nrn. 4301, 4302 noch ein Anspruch auf Leistungen bestehe. Bei ihm liege ein durch allergisierende Stoffe verursachtes Asthma bronchiale sowie eine chronische Rhinopathie bei Überempfindlichkeit gegen Hausstaubmilben vor. Nach den gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. F. könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Atemwegserkrankung und der beruflichen Tätigkeit des Klägers nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Auch eine richtunggebende Verschlimmerung der anlagebedingten obstruktiven Atemwegserkrankung durch Überempfindlichkeit gegenüber Hausstaubmilben durch die nachgewiesenen chlorierten Kohlenwasserstoffe im Niedrigdosisbereich könne aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht wahrscheinlich gemacht werden.

Den gegen diesen Bescheid am 02. Juni 2003 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2003 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 15. August 2003 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich der Schadstoffkonzentrationen in der Raumluft der Massagepraxis des Klägers keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden seien und somit nicht nachprüfbar sei, ob, wie von Prof. Dr. F in seinem Gutachten vom 30. Januar 2003 erklärt, bei den in der Raumluft gemessenen Chlorverbindungen tatsächlich wegen ihrer geringen Konzentration keine chemisch-irritativen oder toxischen Wirkungen an den Atemwegen zu erwarten seien. HCI-Gas in der Raumluft sei nicht gemessen worden, bisher nur nach Abschätzung aus den Messwerten des freien Chlors des Beckenwassers abgeleitet worden. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Stoffgruppe Chloramin-T in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, Seite 1027 ausdrücklich als Ursache einer BK Nr. 4302 hervorgehoben werden. Bei den Messungen im Wasser seien die Richtwerte von 0,2 mg/l für Chloramin mit 0,43 mg/l deutlich überschritten worden. Schließlich habe Prof. Dr. F in seinem Gutachten selbst darauf hingewiesen, dass für low-level-irritative Langzeitwirkungen von Chlorverbindungen in der Raumluft nur geringe Erfahrungen vorliegen würden.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 21. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilten, die Atemwegserkrankung des Klägers als Berufskrankheit nach Nrn. 4301, 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG beauftragte Sachverständige Prof. K. hat mit Stellungnahme vom 02. November 2004 eine rechnerische Bestimmung des Raumluftgehaltes an HCI-Gas über den gemessenen Chlorgehalt des Wassers angeregt, da definitive Angaben über die Raumluftkonzentration von HCI-Gas benötigt würden.

Hierzu hat die Beklagte Berechnungen zur Raumluftkonzentration von HCI-Gas mit Datum vom 11. März 2005, verantwortlich gezeichnet durch Dr. L., Leiter des Gefahrstoffreferats der Beklagten vorgelegt: Dieser hat ausgeführt, dass die potenzielle HCI-Konzentration über dem Badewasser sehr niedrig sei. Die ermittelte Konzentration könne nur als orientierend angesehen werden. Die Größenordnung liege bei 10-5 bis 10-6 mg/m³ und sei damit verschwindend gering.

Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03. Mai 2005 geäußerte Kritik an der Berechnung durch Dr. L. und den Messungen durch Dr. M. führte zunächst zu Bedenken des Sachverständigen gegen Berechnung der Raumluftkonzentration (Stellungnahme von Prof. Dr. K. vom 24. Mai 2005). Diese Bedenken wurden jedoch in der Stellungnahme von Dr. N. von 14. Juni 2005 und insbesondere im Gutachten von Prof. Dr. K. vom 02. August 2005 nicht aufrechterhalten. Dort wurde ausgeführt, dass der Sachverständige bei Abklärung der Fragestellung, ob die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers primär berufsbedingt oder durch die Arbeitsplatzsituation verschlimmert worden sei, mit Prof. Dr. F. insoweit übereinstimme, als bisher keine Angaben über eine chlorinduzierte Asthma-Erkrankung existieren würden. Im Bericht von Dr. L. vom 11. März 2005 werde die rechnerisch bestimmte HCI-Konzentration in der Raumluft des Bades mit 10-5 bis 10-6 mg/m³ angegeben. Eine irritative Wirkung von Chlorgas erscheine als Ursache der arbeitsplatzbezogenen Atemwegsproblematik des Klägers daher unwahrscheinlich. Es sei jedoch davon auszugehen, dass eine chronische Chloraminexposition zumindest bei Patienten mit vorbestehender Atemwegserkrankung asthmatische Beschwerden auslösen bzw. verschlimmern könnten. Eine berufsbedingte Erkrankung könne beim Kläger nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden. Jedoch habe eine berufsbedingte Chloraminexposition zu einer Verschlechterung der anlagebedingten Atemwegserkrankung beigetragen. Nicht durch die berufliche Tätigkeit verursacht worden seien folgende Gesundheitsstörungen: Angeborene Fehlstellung der Nasenscheidewand, chronische Rhinitis, beginnende polypöse Sinusitis, Asthma bronchiale. Eine BK liege nicht vor. Jedoch sei die bereits bestehende Atemwegserkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Exposition mit Chloraminen zusätzlich verschlechtert worden. Dieser arbeitsplatzgebundene, schädigende Einfluss reiche von Beginn der Tätigkeit als selbständiger Masseur und Bademeister in den gemieteten Praxisräumen im Jahre 1986 bis zu dessen Beendigung im Jahre 2001.

Gegen die Begutachtung und die zugrunde gelegte Berechnung der Raumluftkonzentration von Dr. L. vom 11. März 2005 hat der Prozessbevollmächtigte eingewandt, dass die Berechnung zwar rein mathematisch gesehen nicht zu beanstanden sei, dass jedoch nach Stellungnahme von Dr. M. vom 06. Oktober 2005 die Berechnung für ein Bewegungsbad, wie es beim Kläger vorgelegen habe, letztlich nicht anwendbar sei. In seiner Stellungnahme vom 06. Oktober 2005 hat Dr. M. ausgeführt, dass die angewandte Berechnung für ein Bewegungsbecken verbunden mit Zirkulation des Schwimm- und Badebeckenwassers und permanenter Zugabe von Chlor bzw. chloridhaltigen Betriebsmitteln nicht ohne Weiteres anwendbar sei. Insoweit halte er weitere Messungen vor Ort für erforderlich. Seitens des Klägers ist in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2006 darauf hingewiesen worden, dass Messungen vor Ort nicht mehr durchgeführt werden können, da das Schwimmbad nicht mehr betrieben werde.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 21. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Atemwegserkrankung als BK nach Nrn. 4301 und/oder 4302 der Anlage zur BKV.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. In Nr. 4301 der Anlage zur BKV sind durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie) als BKen bezeichnet, in Nr. 4302 der Anlage zur BKV durch chemisch-irritative oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen. Sowohl für Erkrankungen im Sinne der BK Nr. 4301 als auch der BK Nr. 4302 ist erforderlich, dass die Erkrankungen zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die Erkrankungsfolgen müssen mit der versicherten Tätigkeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in einem rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang stehen. Es muss sowohl ein Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Klägers und der schädigenden Einwirkung als auch zwischen der schädigenden Einwirkung und den Erkrankungsfolgen des Klägers vorliegen. Der Ursachenzusammenhang ist dann wahrscheinlich, wenn nach Feststellung, Prüfung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles – im sozialmedizinischen Bereich auch unter Berücksichtigung der gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse - insgesamt deutlich mehr für als gegen das Bestehen des Ursachenzusammenhangs spricht. Ein besonders hoher oder an Sicherheit grenzender Grad an Wahrscheinlichkeit ist nicht erforderlich. Es genügt ein deutliches Überwiegen der für den Ursachenzusammenhang sprechenden Gesichtspunkte (vgl. Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 4. Auflage, Seite 592, 111, 112 m. w. N.).

Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass beim Kläger die Voraussetzungen einer BK nach BK Nr. 4301 nicht erfüllt sind, weder im Sinne der Entstehung, noch im Sinne der Verschlimmerung. Bereits Prof. Dr. F., dessen Gutachten vom 27. August 2001 und ergänzende Stellungnahmen vom 12. Juni 2002 und 30. Januar 2003 im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, hatte nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass eine Chlorallergie als Ursache von Asthma in der Literatur nicht beschrieben ist und die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers nicht durch allergisierende berufliche Einwirkungen verursacht wurde. Der Kläger war danach am Arbeitsplatz keinen allergisierenden Einwirkungen ausgesetzt, sondern allenfalls Einwirkungen chemisch-irritativer Natur. Dem hat sich der Landesgewerbearzt in seinen Stellungnahmen vom 04. Oktober 2001 und März 2003 im Ergebnis angeschlossen. Prof. Dr. K. hat im Sachverständigengutachten vom 02. August 2005 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er insoweit mit Prof. Dr. F. übereinstimme, als bisher keine Angaben über eine chlorinduzierte Asthma-Erkrankung existierten. Zu den in einer Untersuchung über Schwimmbadangestellte berichteten Hinweisen auf eine berufsbedingte Asthma-Entwicklung durch Trichloramine führte Prof. Dr. F. aus, dass die Asthma-Entwicklung auf eine immunologische Überempfindlichkeit gegenüber Trichloraminen zurückgeführt wurde, wobei die zugrunde liegenden Mechanismen ungeklärt blieben. Aufgrund der aktenkundigen Stellungnahmen und Vorgutachten sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann daher keine durch allergisierende Einwirkungen verursachte BK im Hinblick auf die Exposition des Klägers im Schwimmbadbereich gegenüber Chlor und seinen Verbindungen angenommen werden.

Weiter steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei dem Kläger auch keine Berufskrankheit nach BK Nr. 4302 vorliegt, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Nach den aktenkundigen Stellungnahmen und Vorgutachten sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass beim Kläger eine ausreichende Belastung durch chemisch-irritativ wirkende Stoffe vorlag, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu seiner Atemwegserkrankung geführt hat. Sowohl Prof. Dr. F. in seinem Gutachten vom 27. August 2001 als auch der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 02. August 2005 gingen übereinstimmend davon aus, dass die obstruktive Atemwegserkrankung des Klägers nicht primär berufsbedingt ist, sondern im Zusammenhang mit der beim Kläger festgestellten Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben zu sehen ist. Entgegen den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. vom 02. August 2005 kann auch nicht von einer berufsbedingten - richtunggebenden - Verschlimmerung der anlagebedingten Atemwegserkrankung ausgegangen werden. Prof. Dr. F. nahm in seiner Stellungnahme vom 30. Januar 2003 nach Kenntnis der Messwerte der Ingenieurgemeinschaft J. und Partner vom 14. November 2002 an, dass unter Zugrundelegung des im Normbereich eingestellten freien Chlors im Beckenwasser nicht mit einer erhöhten Chlorgaskonzentration zu rechnen ist, welche in der Lage gewesen ist, durch chemisch-irritative bzw. toxische Wirkung eine Verstärkung der obstruktiven Atembeklemmungen des Klägers zu verursachen. Auch der Landesgewerbearzt ging in seiner Stellungnahme vom März 2003 bei den am Arbeitsplatz des Klägers nachgewiesenen chlorierten Kohlenwasserstoffen im Niedrigdosisbereich davon aus, dass diese nicht geeignet waren, zu einer Verschlimmerung der anlagebedingten obstruktiven Atemwegserkrankung zu führen. Dem schließt sich die Kammer an. Zwar hat Prof. Dr. K. die Auffassung vertreten, dass eine chronische Chloraminexposition zumindest bei Patienten mit einer vorbestehenden Atemwegserkrankung asthmatische Beschwerden auslösen bzw. verschlimmern könne, und dies beim Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall zu sein scheine. Eine überzeugende wissenschaftliche Begründung für eine richtunggebende Verschlimmerung im konkreten Fall lässt sich dem Sachverständigengutachten allerdings nicht entnehmen. Prof. Dr. K. stellte die von Dr. L. übermittelten Berechnungen in seinem Gutachten vom 02. August 2005 nicht in Frage. Er hat selbst dargelegt, dass sich in der Literatur nur wenige Informationen über mögliche Auswirkungen von Chloraminen auf das Bronchialsystem finden. Danach wurde zwar in einer Untersuchung von Schwimmbadangestellten über Hinweise auf eine berufsbedingte Asthma-Entwicklung durch Trichloramine berichtet. Eine reine Reizwirkung für die Entstehung von bronchialen Beschwerden wurde jedoch als wenig wahrscheinlich erachtet. Vielmehr wurde die Asthma-Entwicklung auf eine immunologische Überempfindlichkeit gegenüber Trichloraminen zurückgeführt, wobei die zugrunde liegende Mechanismen ungeklärt blieben. Ein Grenzwert für den Chloramingehalt in der Luft existiert nach Prof. Dr. K. bislang nicht, gesundheitliche Folgen bei einer Langzeitexposition lassen sich nur schwer abschätzen. Außerdem lassen sich keine Gesundheitsstörungen feststellen, die eine berufsbedingte Verschlimmerung belegen. Vielmehr hat der Sachverständige sämtliche von ihm festgestellten Gesundheitsstörungen einer angeborenen Fehlstellung der Nasenscheidewand, einer chronischen Rhinitis, einer beginnenden polypösen Sinusitis sowie eines Asthma bronchiale als nicht beruflich verursacht angesehen. Ein nachvollziehbarer Verschlimmerungsbefund geht aus dem Gutachten nicht hervor.

Nach alledem musste die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved