L 3 SB 526/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 30/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 526/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) der Klägerin und die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G.

Die im Jahr 1949 geborene Klägerin stellte am 07.12.2005 einen Erstantrag nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Dabei gab sie an, sie leide an einer Erkrankung der Schilddrüse, sei lichtscheu und stromempfindlich, habe eine Arthrose und Osteoporose sowie seelische Störungen, einen beidseitigen Tinnitus, chronische Bindehautentzündung und Ohrmuschelschmerzen, wiederkehrende Magenschmerzen, eine Schwäche in beiden Knien und der Hüfte, Schmerzen an der rechten Ferse und Krampfadern. Sie fügte ihrem Antrag neben Arztbriefen der sie behandelnden Ärzte aus den Jahren 1995 bis 2006 insbesondere den Rehabilitationsentlassungsbericht der Rehaklinik G. über ihren stationären Aufenthalt in der Zeit vom 30.03. bis 18.04.2005 (Diagnosen: Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome; undifferenzierte Somatisierungsstörung; kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen; Verdacht auf wahnhafte Störung) bei. Der Beklagte holte noch Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. L. und der Ärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. S. ein und stellte nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme von Obermedizinalrätin Dr. H. sodann mit Bescheid vom 24.03.2006 auf der Grundlage von Funktionsbeeinträchtigungen "Depression, chronisches Schmerzsyndrom, Persönlichkeitsstörung, Verhaltensstörung (Teil-GdB 50); degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Schulter-Arm-Syndrom, Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) (Teil-GdB 10) und Schwerhörigkeit beidseitig mit Ohrgeräuschen (Teil-GdB 10)" einen Gesamt-GdB von 50 fest. Die Feststellung von Merkzeichen wurde abgelehnt.

Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass sie die üblichen Wegstrecken nicht mehr zu Fuß zurücklegen bzw. die Einkäufe nicht mehr nach Hause tragen könne. Auch in der Wohnung müsse sie manchmal aufgrund einer Schwäche in beiden Knien und Hüftgelenken nach ihren Krücken greifen. An den Knien, den Hüften, den Fuß- und Handgelenken sowie den Schultern sei Arthrose festgestellt worden. Außerdem habe sie Schmerzen in den Ellenbogen, den Fersen und sämtlichen Zehen. Nicht berücksichtigt worden seien auch ihre Schilddrüsenerkrankung, die chronische Bindehautentzündung, die Strom-Licht-Helligkeits¬allergie und ihre Schlafstörungen. Ihre Lebensqualität sei erheblich reduziert. Sie sei unbedingt auf ein Auto angewiesen. Allein wegen ihrer Lichtempfindlichkeit könne sie sich im Sommer nicht so lange draußen aufhalten und zu Fuß zum Einkaufen gehen. Sie legte noch einen Arztbrief von Dr. E. vom 18.05.2006 (Diagnosen: Polyarthrosen, multiple Polyarthralgien) vor. Der Beklagte zog ergänzend einen Befundbericht des Augenarztes Dr. B. vom 27.07.2006 bei, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin an einem Astigmatismus, einem Katarakt, einer Konjunktivitis und einer Myopie leidet und es sich bis auf die geringe Bindehautreizung und Linsentrübungen um einen in allen Abschnitten regelrechten Augenbefund handelt.

Mit Teilabhilfebescheid vom 30.10.2006 stellte der Beklagte hierauf auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme des Dr. Z. unter zusätzlicher Anerkennung einer "Polyarthrose bei degenerativen Gelenkveränderungen" mit einem Teil-GdB von 30 einen Gesamt-GdB von 60 seit 07.12.2005 fest. Die Feststellung des begehrten Merkzeichens G lehnte er weiterhin ab.

Im Rahmen ihres aufrechterhaltenen Widerspruchs legte die Klägerin den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 14.11.2006 vor, wonach die ihr mit Bescheid vom 27.05.2005 gewährte Versichertenrente als Dauerrente weitergewährt wird, und einen ärztlichen Befundbericht des Dr. E. an die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 23.10.2006 (Diagnosen: Polyarthritis, multiple Tendomyalgien, Radiocarpalarthrose beidseits, Sprunggelenksarthrose beidseits, Osteoporose, medialseits betonte Gonarthrose beidseits und depressive Erkrankung; Klägerin fühle sich morgens immer steif und könne nicht richtig gehen). Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2006 wurde sodann, nachdem der Beklagte noch den Beratungsarzt Dr. K. gehört hatte, dem Widerspruch insoweit stattgegeben, als der Gesamt-GdB auf 70 erhöht wurde. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G wurden jedoch weiterhin abgelehnt. Die Klägerin könne nicht dem in den §§ 145 Abs. 1 und 146 Abs. 1 SGB IX genannten Personenkreis zugeordnet werden. Die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule würden für sich allein keinen GdB von wenigstens 50 bedingen. Die Behinderungen an den unteren Gliedmaßen könnten auch einer Versteifung des Hüftgelenkes oder einer Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung nicht gleichgestellt werden. Keine der an den Beinen und an der Lendenwirbelsäule festgestellten Behinderungen würde sich auf die Gehfähigkeit in besonderem Maße auswirken. Es bestehe ein flüssiges Gangbild. Die Klägerin sei trotz ihrer Behinderungen durchaus noch in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden.

Dagegen hat die Klägerin am 05.01.2007 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf einen höheren Grad der Behinderung und Feststellung des Merkzeichens G weiter verfolgt. Sie habe große Probleme mit den Augen und könne nicht normal leben. Ein flüssiges Gangbild liege nicht vor; im Rehabilitationsentlassungsbericht werde auf ihren unsicheren Gang hingewiesen. Beim Einsteigen in und Aussteigen aus einem Bus habe sie Probleme. Hinsichtlich der Höhe ihres GdB fühle sie sich ihren Bekannten und Verwandten gegenüber benachteiligt. Ergänzend hat sie Lichtbilder und eine Stellungnahme des Dr. L. vorgelegt, wonach sie zwar immer wieder über Schwellungen und Überwärmung der Gelenke klage, eine entzündlich-rheumatische Erkrankung aber tatsächlich nie habe nachgewiesen werden können.

Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt.

Für Dr. L. hat Dr. T. unter Beifügung von Arztbriefen des Dr. E. und der Internistin R. am 11.05.2007 mitgeteilt, sie habe bei der Klägerin eine latente Hypothyreose, manifeste Osteoporose, schwere Gonarthrose beidseits, multiple Naevi, eine Depression und multiple Polyarthralgien festgestellt. Im Jahr 2006 habe die Klägerin sich jedoch überhaupt nicht, im Jahr 2007 bisher nur zwei Mal wegen starker Gelenkbeschwerden vorgestellt. Die Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr sei hinsichtlich des Gehvermögens schmerzbedingt eingeschränkt. Dazu, ob eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand eingetreten sei, könne sie ebenso wenig wie zur Höhe des GdB eine Aussage machen.

Dr. B. hat am 18.05.2007 ausgeführt, dass er die Klägerin letztmalig am 16.11.2006 behandelt habe. Neben dem geringen konjunktivalen Reizzustand habe es sich um einen in allen Abschnitten regelrechten Augenbefund gehandelt. Änderungen im Gesundheitszustand habe er nicht feststellen können.

Die Internistin R. hat unter dem 10.07.2007 angegeben, dass sie bei der Klägerin keine entzündlichen Veränderungen der Gelenke befundet habe. 18 von 18 Tenderpoints sowie sämtliche Kontrollpunkte seien jedoch schmerzhaft gewesen. Eine Erkrankung aus dem entzündlich rheumatischen Formenkreis habe sie ausgeschlossen, es bestehe jedoch der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung mit dissoziativen Körpermissempfindungen. Die augenfällige Somatisationssymptomatik könne die Bewegungsfähigkeit der Klägerin durchaus beeinträchtigen.

Mit Gerichtsbescheid vom 03.01.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein höherer GdB als 70 lasse sich nicht zuerkennen. Der Beklagte habe zu Recht auf psychiatrischem Fachgebiet eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten angenommen, die nach den Anhaltspunkten mit einem GdB von 50 bis 70 zu bewerten sei. Darin seien auch die Missempfindungen und das chronische Schmerzsyndrom sowie die Persönlichkeits- und Verhaltensstörung enthalten. Die Polyarthrose sei mit einem Einzel-GdB von 30 nicht zu gering bewertet. Für die Augen sei ein Einzel-GdB nicht anzusetzen. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens G seien nicht gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin Wegstrecken, die üblicherweise im Ortsverkehr zurückzulegen seien, nicht mehr zurücklegen könne. Auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule oder andere Erkrankungen, die sich im Besonderen auf die Gehfähigkeit auswirken könnten, lägen nicht vor. Die Angabe der Internistin R., wonach die Somatisierungsstörung die Bewegungsfähigkeit beeinträchtigen könne, werde nicht begründet.

Am 25.01.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, sie könne, ganz abgesehen von ihren Gelenken, auch wegen ihres Rückens keine 2 km in ca. einer halben Stunde zurücklegen. Dass ihre Augen nicht täglich und das ganze Jahr über gerötet seien, sei "logisch", weil sie zu Hause so zurückgezogen lebe. Wenn sie längere Zeit Strom ausgesetzt gewesen sei, bekomme sie nicht nur rote, tränende Augen, sondern auch Kopfweh bis hin zur Migräne, Brechreiz bis zum Erbrechen, ihr Magen drehe sich, sie habe keinen Appetit, Herzrhythmusstörungen und panische Angst.

Der Senat hat sachverständige Zeugenauskünfte von Dr. E. und der Internistin R. eingeholt.

Dr. E. hat am 19.03.2008 ausgeführt, dass sich die Klägerin in den letzten eineinhalb Jahren in seiner Praxis nicht mehr vorgestellt habe. Der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes zum GdB sei nichts entgegen zu setzen. Die beschriebene Gangunsicherheit sei schwierig zu objektivieren. Auf orthopädischem Fachgebiet finde er keine objektivierbaren Kriterien zur Gehstreckenreduktion. Die Internistin R. hat unter dem 25.03.2008 mitgeteilt, sie habe die Klägerin jeweils im Juni 2006 und 2007 behandelt und den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung mit dissoziativen Körpermissempfindungen geäußert. Die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes zum GdB könne sie teilen. Die augenfällige Somatisationssymtommatik könne die Bewegungsfähigkeit der Klägerin durchaus beeinträchtigen. Nach ihrem Kenntnisstand dürfte eine Wegstrecke von 2 km von der Klägerin aber in etwa einer halben Stunden ohne erhebliche Schwierigkeiten zu Fuß zurückgelegt werden können.

Ergänzend hat der Senat die die Klägerin betreffende Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 03. Januar 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 24. März 2006 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 30. Oktober 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 80 und das Merkzeichen G festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligen haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des SG, die beigezogenen SchwbG-Akten des Beklagten und die Rentenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide des Beklagten verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Weder hat sie Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 70 (I.) noch liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des begehrten Merkzeichens G vor (II.).

I.

Wegen der für die GdB-Feststellung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften nimmt der Senat auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung und die Begründung der streitgegenständlichen Bescheide Bezug und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 136 Abs. 3 und § 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass mittlerweile die im wesentlichen mit den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) 2004 gleichlautenden AHP 2008 in Kraft getreten sind.

In Anwendung dieser Grundsätze ist dem auf Erhöhung des ihr zuerkannten Gesamt-GdB gerichteten klägerischen Begehren kein Erfolg beschieden. Zutreffend hat das SG festgestellt, dass sich zu Gunsten der Klägerin kein Gesamt-GdB von mehr als 70 zuerkennen lässt.

Was zunächst die Funktionsbeeinträchtigung "Depression, chronisches Schmerzsyndrom, Persönlichkeitsstörung und Verhaltensstörungen" anbelangt, ist diese mit einem Teil-GdB von 50 auf der Grundlage der AHP zutreffend bewertet. Nach Nr. 26.3 (S. 48) der AHP sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen psychischer Traumen, die stärker behindernde Störungen zur Folge haben und mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive hypochondrische, asthenische oder phobische Störung, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) verbunden sind, mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 und wenn die Erkrankung mit schweren Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten verbunden ist, mit einem Teil-GdB zwischen 50 und 70 zu bewerten. Ein noch höherer GdB kommt erst bei Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Betracht. Im Fall der Klägerin ist insbesondere dem Rehabilitationsentlassungsbericht über die von ihr im Jahr 2005 durchgeführte Heilbehandlung zu entnehmen, dass bei ihr eine mittel- bis schwergradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung mit einer ausgeprägten Chronizität, jedoch ohne psychotische Symptome, vorliegt. Darüber hinaus leidet sie an einer somatoformen Schmerzstörung und des weiteren wurde der Verdacht auf eine wahnhafte Störung geäußert. Nach dem Entlassungsbericht fühlt sich die Klägerin lustlos und hat massive Durchschlafstörungen. Wenn sie sich zu lange Licht und Strom ausgesetzt gefühlt habe, ziehe sie sich nach ihren Angaben in eine dunkle Kammer zurück. Ihre Lebensfreude sei beeinträchtigt. Im Kontakt sei sie ängstlich, zurückhaltend und latent vorwurfsvoll. Auf der anderen Seite wird sie jedoch als wach, bewusstseinsklar und allseits orientiert geschildert. Ihre Auffassung und die Konzentration seien ungestört. Nach ihren Angaben hat sie einen guten Kontakt sowohl zu ihren Kindern als auch zu ihrem Ex-Mann. In durchgehender psychiatrischer Behandlung befindet sich die Klägerin nicht. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Wasmer hat ausweislich seines Arztbriefes vom 26.05.2004 nur eine depressive Erschöpfung diagnostiziert. Nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Dr. L. vom 11.05.2007 besteht bei der Klägerin eine Depression, wobei sie wegen der Depression bei ihm jedoch weder im Jahr 2006 noch im Jahr 2007 vorstellig wurde. Die Internistin R. äußert in ihrem Arztbrief vom 14.06.2006 den Verdacht auf eine somatisierende Depression und teilt mit, dass die Klägerin ihr angegeben habe, sie habe Ein- und Durchschlafstörungen, sei oft nervös, unruhig, habe Angstgefühle und Alpträume. Entsprechendes geht auch aus ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 10.7.2007 hervor. Auch Dr. E. nennt in seinen Arztbriefen als Diagnose teilweise eine depressive Erkrankung und eine somatoforme Schmerzstörung. Diese Befunde rechtfertigen es zweifellos, die Erkrankung der Klägerin nicht nur als psychische Erkrankung mit stärker behindernden Störungen, sondern bereits als solche mit schweren Störungen einzustufen. Soziale Anpassungsschwierigkeiten sind durchaus vorhanden, sie sind jedoch noch mittelgradig, nachdem die Klägerin - wenn auch eingeschränkt - noch kontaktfähig ist. Ein GdB von 50 ist deshalb angemessen. Diese Bewertung beinhaltet auch das chronische Schmerzsyndrom der Klägerin, das keine organische Ursache hat.

Für die Polyarthrose bei degenerativen Gelenkveränderungen ist ein höherer Teil-GdB als 30 nicht gerechtfertigt. Dieser Teil-GdB-Wert berücksichtigt die bei der Klägerin an den verschiedensten Gelenken beklagten Druckschmerzen und beachtet, dass eine Erkrankung aus dem entzündlich rheumatischen Formenkreis ausgeschlossen werden konnte. Die Bewegungseinschränkungen an den Gelenken sind ebenso wie die röntgenologischen Veränderungen gering. Der postoperative Verlauf der im Jahr 2005 durchgeführten Arthroskopien war komplikationslos. Bei der danach durchgeführten Heilbehandlung waren die Knie ohne Instabilität mit 140/0/0° beweglich. Im Jahr 2006 erwähnte Dr. E. nur noch eine initiale Gonarthrose, über Bewegungseinschränkungen hat er nicht berichtet (AHP Nr. 26.18, S. 112 ff.).

Die vom Beklagten vorgenommene Bewertung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, muskulären Verspannungen, des Schulter-Arm-Syndroms und der Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) ist mit einem Teil-GdB von 10 zutreffend bewertet, nachdem Dr. E. nur in den Jahren 2000 bis 2003 über eine druck- und klopfempfindliche Lendenwirbelsäule und eine Bewegungseinschränkung, die Orthopädin Dr. Maderner nur im Jahr 2004 über starke Schmerzen im oberen Wirbelsäulenbereich ohne bzw. nur mit endgradigen Bewegungseinschränkungen berichtet hat und der Finger-Boden-Abstand ausweislich des Entlassungsberichtes über die stationäre Heilbehandlung der Klägerin mit 10 cm gemessen wurde. Ein Bandscheibenvorfall konnte bei den MR-Untersuchungen der Wirbelsäule nicht festgestellt werden. Berücksichtigt sind mit einem Teil-GdB von 10 auch die von der Internistin R. in ihrer letzten sachverständigen Zeugenauskunft vom 25.03.2008 erwähnte akut aufgetretene schmerzende Schulter ohne bleibende Einschränkung sowie die sich aus dem Arztbrief des Kreiskrankenhauses Bad Saulgau vom 09.06.2005 ergebende Osteoporose (AHP Nr. 26.18, S. 116, Seite 119).

Die Schwerhörigkeit beidseitig mit Ohrgeräuschen ist mit einem Teil-GdB von 10 auf der Grundlage des Befundberichts von Dr. S. vom 20.02.2006 ebenfalls angemessen bewertet (AHP Nr. 26.5, Seite 58 - 61).

Eine eigenständige Augenerkrankung (Bindehautreizung, Lichtempfindlichkeit), die unabhängig von der psychischen Erkrankung zu sehen und zu bewerten ist, ergibt sich aus den vorliegenden Befunden nicht, nachdem Dr. B. sowohl im Befundbericht vom 27.07.2006 als auch in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 18.05.2007 nur über eine geringe Bindehautreizung bei im übrigen regelrechtem Augenbefund berichtet hat (AHP Nr. 26.4, Seite 51 ff.). Die Lichtempfindlichkeit der Klägerin ist bei fehlendem organischem Befund in dem Teil-GdB von 50 für die psychiatrische Erkrankung mit abgegolten. Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht deshalb, weil die Klägerin das Licht meidet und ihre Augen "deshalb" nicht dauernd gerötet sind, denn entscheidend ist der tatsächliche Zustand, nicht der Zustand, der "sein könnte".

In Anwendung der vom SG im Gerichtsbescheid vom 03.01.2008 ausgeführten Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB (AHP Nr. 19) ist die vom Beklagten und dem SG vorgenommene Gesamtbewertung nicht zu beanstanden. Ausgehend von dem höchsten Einzel-GdB Wert von 50 für die psychiatrische Erkrankung ist unter weiterer Berücksichtigung der Polyarthrose bei degenerativen Veränderungen mit einem Teil-GdB von 30 eine Erhöhung des GdB auf insgesamt 70 gerechtfertigt. Die übrigen mit einem Teil-GdB von 10 bewerteten Behinderungen können nicht zu einer weiteren Erhöhung der Gesamtbehinderung führen, da sie als "leicht" einzustufen sind und das Ausmaß der Gesamtbehinderung nicht erhöhen. Auch Dr. E. und die Internistin R. haben sich der Bewertung des versorgungsärztlichen Dienstes der Beklagten sowohl hinsichtlich der Teil-GdB-Werte als auch des Gesamt-GdB angeschlossen.

II.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens G.

Wegen der rechtlichen Voraussetzungen und der bei der Feststellung des Merkzeichens G anzuwendenden Maßstäbe verweist der Senat wiederum auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die vom SG genannten Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr in den AHP Nr. 30 (Seite 137) zu finden sind.

In Anwendung dieser Grundsätze scheitert ein Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung des Merkzeichens G daran, dass bei ihr keine auf die Gehfähigkeit sich auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen, nachdem die Polyarthrose bei degenerativen Gelenkveränderungen lediglich mit einem Teil-GdB von 30 und die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Schulter-Arm-Syndrom und Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose) nur mit einem GdB von 10 zu berücksichtigen sind. Es liegt auch keine Behinderung an den unteren Gliedmaßen, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirkt, z.B. Versteifung des Hüftgelenkes, Versteifung des Knie- oder Fußgelenkes in ungünstiger Stellung, arterielle Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40, die ebenfalls die Zuerkennung des Merkzeichens rechtfertigen könnte, vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht auf Grund des chronischen Schmerzsyndroms, das nur zusammen mit der Depression, der Persönlichkeitsstörung und der Verhaltensstörungen mit einem GdB von 50 bewertet wurde.

Ebenso wenig liegen internistische Leiden vor, die die körperliche Leistungsfähigkeit der Klägerin in dem in den AHP Nr. 30 Abs. 3 vorgegebenen Ausmaß dauernd schwer beeinträchtigen. Den eingeholten sachverständigen Zeugenauskünften und den vorliegenden ärztlichen Berichten und Krankengeschichten lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen.

Die Vorgaben der AHP Nr. 30 Abs. 4 erfüllt die Klägerin ebenfalls nicht. Sie leidet an keinen hirnorganischen Anfällen.

Desgleichen liegen bei ihr auch keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen (AHP Nr. 30 Abs. 5).

Auch die Lichtempfindlichkeit der Klägerin führt zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr. Ursächlich hierfür ist nicht, dass die Lichtempfindlichkeit in den AHP Nr. 30 nicht genannt wird, denn es handelt sich bei den in den Nr. 30 Abs. 3 bis 5 der AHP aufgeführten Fällen nur um Regelbeispiele, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt anzusehen sind, und die bei dort nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - in SozR 3-3870 § 60 Nr. 2). Die Lichtempfindlichkeit führt jedoch zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Gehfähigkeit im Straßenverkehr. Es wird insoweit nicht verkannt, dass es sicherlich Zeiten gibt, in denen sich die Klägerin nicht im Stande fühlt, aus dem Haus zu gehen, und dies möglicherweise dann auch objektiv nicht kann. Weitere Aufklärung ist insoweit jedoch nicht erforderlich, denn dies stellt auch nach den Angaben der Klägerin keinen Dauerzustand dar. Insbesondere bei trübem Wetter und bei Dunkelheit steht die Lichtempfindlichkeit einer Bewegungsfähigkeit der Klägerin im Freien nicht entgegen. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, das die Klägerin, wenn sie nicht aus dem Haus gehen könnte, auch keinen Bus benutzen könnte.

Auch die Zusammenschau der bei der Klägerin vorliegenden Behinderungen vermag kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, da sie auch in ihrer Kombination nicht zu einer Bejahung der erheblichen Beeinträchtigung der Gehfähigkeit im Straßenverkehr führen. Darauf, ob die Klägerin noch in der Lage ist, ihre Einkäufe nach Hause zu tragen, kommt es nicht an. Entscheidend ist die Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und nicht die Fähigkeit, Taschen zu tragen.

Der Klägerin gelingt es auch nicht, den Nachweis zu führen, dass sie aufgrund der Behinderungen eine Wegstrecke von 2 km nicht mehr in einer halben Stunde zurücklegen kann. Die Internistin R. hat in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 25.03.2008 insoweit ausgeführt, dass die augenfällige Somatisationsymptomatik die Bewegungsfähigkeit der Klägerin durchaus beeinträchtigen könne, eine Wegstrecke von 2 km dürfte die Klägerin in etwa einer halben Stunde ohne erhebliche Schwierigkeiten zu Fuß aber zurücklegen können. Hiermit im Einklang steht, dass auch Dr. E. in seinem Arztbrief vom 08.11.2005 ein flüssiges Gangbild der Klägerin mit frei durchführbarem Fersen- und Zehengang beschrieben hat und er auf orthopädischen Gebiet keine objektivierbaren Kriterien der Gehstreckenreduktion gefunden hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Rehaentlassungsbericht. Danach hat die Klägerin zwar eine Gangunsicherheit beklagt, im Zusammenhang mit der körperlichen Untersuchung wird jedoch mitgeteilt, dass sie sich frei bewegt habe.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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