Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 1390/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 174/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 05. Dezember 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20 April 2004 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. Juni 2002 (Rotatorenmanschettenruptur rechts, Bizepssehnenluxation und Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem und posttraumatische Gelenkssteife) ab 3. Juli 2003 eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung von Rente.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 25.6.2002 um 11.30 Uhr bei der Arbeit einen Unfall, als er von einer Maschine abrutschte und von einem ca. 80 cm hohen Podest auf den rechten Ellenbogen stürzte. Seitdem verspürte er Schmerzen in der rechten Schulter. Dr. W. erhob am Unfalltag um 12.13 Uhr beim Kläger folgenden Befund: "Druckschmerz über dem vorderen und seitlichen Schultergelenk rechts, schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter, Prellmarke und Hautabschürfung über der Streckseite des rechten Ellenbogens". Beim Röntgen des rechten Schultergelenks zeigte sich keine Knochenverletzung. Es lag ein Zustand nach früherer Claviculafraktur vor. Dr. W. diagnostizierte eine Schulterprellung rechts sowie eine Prellung und Schürfung des rechten Ellenbogens und nahm eine Arbeitsunfähigkeit von über 3 Tagen an (DA-Bericht vom 25.6.2002). Die Weiterbehandlung erfolgte am 26. und 27.6.2002 durch den Hausarzt Dr. Breitenbücher, der am 26.6.2002 beim Kläger folgenden Befund erhob: "Schwellung des Unterarms und der Schulter rechts mit Bewegungsschmerzen der Schulter, des Ellenbogens und des Handgelenks". Arbeitsunfähigkeit bestand bis 28.6.2002. Danach habe der Kläger Urlaub genommen (Mitteilung des Arbeitgebers vom 17.7.2002).
Im Nachschaubericht von Dr. W. vom 13.1.2003 heißt es, zwischenzeitlich seien die Beschwerden der rechten Schulter nicht abgeklungen; es bestehe eine deutliche Schultersteife rechts. Nachdem sich bei einer Kernspintomografie vom 23.12.2002 u. a. eine Teilruptur am Supraspinatussehnenansatz gezeigt hatte, wurde am 12.2.2003 in der Orthopädischen Klinik Markgröningen eine Arthroskopie des rechten Schultergelenks, eine offene Rotatorenmanschettenrekonstruktion sowie eine Operation nach Neer und eine Tenodese der langen Bizepssehne vorgenommen (Zwischenbericht vom 6.3.2003). Der Kläger wurde zunächst am 20.2.2003 aus der stationären Behandlung entlassen; vom 26.3. bis 11.4.2003 wurde er zur Mobilisation erneut stationär aufgenommen. Ab 19.5.2003 erfolgte eine Arbeitserprobung mit zunächst drei Stunden; ab 3.7.2003 bescheinigte Dr. W. Arbeitsfähigkeit (Nachschaubericht vom 2.7.2003).
Die Beklagte beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem Gutachten vom 7.10.2003 führte dieser aus, bei dem Sturz auf die linke (gemeint: rechte) Seite sei es zu einer indirekten Prellung bzw. Kontusion des linken (gemeint: rechten) Schultergelenks durch den ruckartigen Druck des Oberarmkopfs nach kopfwärts gekommen. Auch wenn dabei eine Druckbelastung von unten nach oben auf die Rotatorenmanschette erfolge, so bedeute dies nicht automatisch eine Quetschverletzung, da das Schulterblatt weich nach oben ausweichen könne. Wie bei Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 504 ff. angegeben, sei das Unfallereignis nicht geeignet gewesen, die beschriebene Verletzung hervorzurufen. Als ungeeigneter Unfallhergang werde die direkte Krafteinwirkung auf die Schulter durch Sturz, Prellung oder Schlag gesehen, wie auch der Sturz nach vorn auf den ausgestreckten Arm oder eine fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärts geführter Armhaltung.
Mit Bescheid vom 5.11.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Bei dem Unfall vom 25.6.2002 sei es zu einer Prellung und Schürfung des rechten Ellenbogens sowie einer Stauchung der rechten Schulter mit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit vom 26.6. bis 28.6.2002 gekommen. Folgen dieses Unfalls lägen nicht mehr vor. Die nachfolgenden Behandlungsbedürftigkeiten und Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 7.1.2003 seien auf unfallunabhängige anlagebedingte Erkrankungen zurückzuführen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.4.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 10.5.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, mit der er die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vH begehrte.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG den Orthopäden Dr. Sch. mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem Gutachten vom 15.3.2005 führte dieser aus, im Operationsbericht werde der beim Kläger vorliegende Befund als Zustand nach Trauma beschrieben. Hinweise auf unabhängig vom Unfallereignis bestehende degenerative Veränderungen fänden sich im Operationsbericht nicht. Der Kläger sei vor dem Unfall am Arbeitsplatz körperlich hoch belastet gewesen. Er habe über keinerlei Beschwerden geklagt; auch vorangegangene Behandlungsmaßnahmen, die als Vorreiter einer sich ankündigenden Massenruptur der Rotatorenmanschette der rechten Schulter zu werten wären, lägen nicht vor. Die im Operationsbericht beschriebene Luxation der Bizepssehne aus dem Sulcusbereich belege ein weiteres Merkmal der Verrenkungsfolge des Schultergelenks. Die Rotatorenmanschettenruptur, die Bizepssehnenluxation, die Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem sowie die posttraumatische Gelenkssteife seien als Unfallfolgen anzusehen. Hinweise auf wesentliche degenerative Vorschäden der Rotatorenmanschette vor dem Unfall oder altersunübliche Abnutzungsbefunde im Bereich der gelenkbildenden Anteile fänden sich auch radiologisch nicht. Die unfallbedingte MdE betrage 20 vH.
Die Beklagte legte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. S. vom 2.5.2005 vor, der ausführte, der intraoperative Befund beschreibe keine traumatisch entstandenen Veränderungen, sondern lediglich eine Zusammenhangstrennung, wie sie bei degenerativen Aufbraucherscheinungen der Rotatorenmanschette typisch seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Arthroskopie des Schultergelenks erst ca. acht Monaten nach dem Unfallereignis stattgefunden habe, sodass eine zeitliche Zuordnung der beschriebenen Vernarbungen und Veränderungen nicht möglich sei. Er stimme Dr. H. zu, dass der beschriebene Unfallhergang nach der Gutachtensliteratur nicht geeignet sei, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Begriff "Ruptur" nicht nur eine traumatische Zusammenhangstrennung beschreibe, sondern auch eine schleichende degenerative Auffaserung mit daraus resultierender Läsion der Rotatorenmanschette.
Mit Urteil vom 5.12.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das SG gehe davon aus, dass im Zeitpunkt des Unfallereignisses als körpereigene Ursachen eine AC-Gelenksarthrose und ein Impingementsyndrom III. Grades im Bereich der rechten Schulter vorgelegen hätten. Dies entnehme das SG dem Zwischenbericht von Professor Dr. I. vom 16.1.2003, der im Hinblick auf die Kernspintomografie vom 23.12.2002 ausführe, dass eine Degeneration im AC-Gelenk und subacromial und ein Impingement III. Grades vorliege. Deswegen vermöge das SG der Schlussfolgerung von Dr. Sch. nicht zu folgen, dass vor dem Unfall keine Hinweise auf degenerative Veränderungen vorgelegen hätten. Zudem teile das SG die Einschätzung von Dr. H., dass die im Operationsbericht beschriebene Massenruptur der Rotatorenmanschette auf Grund ihrer Ausdehnung ebenfalls für degenerative Schädigungen spreche. Die vorbestehende AC-Gelenksarthrose und das Impingementsyndrom stellten als Schadensanlage die rechtlich wesentliche Ursache der Gesundheitsstörungen dar. Soweit Dr. Sch. zum Ergebnis gelange, die Rotatorenmanschettenruptur sei auf das Ereignis vom 25.6.2002 zurückzuführen, folge das SG der Bewertung nicht. Das Unfallereignis sei auch nicht geeignet gewesen, die Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Die Bizepssehnenluxation, die Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem und die Gelenksteife seien ebenfalls nicht wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 16.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.1.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, der Unfallhergang sei geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Professor Dr. I. gehe in seinem Zwischenbericht vom 15.4.2003 von einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur aus. Des weiteren trägt er vor, er habe sich im Juli 2002 einer ausgedehnten Zahnbehandlung unterzogen und habe nach drei Tagen Arbeitsunfähigkeit eine Woche Urlaub genommen. Wegen der starken Schmerzen habe er in vermehrtem Umfang Alkohol zu sich genommen, weshalb nach einigen Tagen der Verdacht auf eine Magenblutung bestanden habe und eine stationäre Krankenhausaufnahme erfolgt sei. Nach der Entlassung sei er bei einem Arzt in Behandlung gewesen, der seit 4 Jahren nicht mehr praktiziere, im Anschluss daran bei dem Orthopäden Dr. von C ...
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Dezember 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2004 aufzuheben, festzustellen, dass die Rotatorenmanschettenruptur rechts, die Bizepssehnenluxation und die Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem rechts, die posttraumatische Gelenksteife, die Nervus-axillaris-Läsion und die Musculus Deltoideusparese Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. Juni 2002 sind und die Beklagte zu verurteilen, ihm einer Rente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, sie gehe weiterhin von einer unfallunabhängigen Schädigung der Rotatorenmanschette aus. Der Unfallhergang sei auch nicht als geeignet anzusehen, da der Kläger nach vorne mit angewinkeltem rechten Arm mit dem Ellenbogenköpfchen auf den harten Boden aufgekommen sei, und nicht mit nach hinten ausgestrecktem Arm.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, Unterlagen über die stationären Behandlungen des Klägers im Krankenhaus Bietigheim - Klinik für Innere Medizin - vom 18.4. bis 25.4.2002 und vom 28.7. bis 7.8.2002 einschließlich Röntgenbilder der rechten Schulter beigezogen und ein Gutachten nach Aktenlage nebst ergänzenden Stellungnahmen eingeholt.
Dr. B. hat am 20.6.2006 mitgeteilt, der Kläger habe ihn nach dem 25.6.2002 lediglich am 26.6. und 27.6.2002 aufgesucht. Er habe eine mäßige Schwellung am Unterarm und der Schulter rechts, einen Druckschmerz am Schultergelenk lateral und ventral, eine deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Schulter in allen Richtungen sowie eine Hautabschürfung mit Hämatom an der Streckseite des rechten Ellenbogens festgestellt und Arbeitsunfähigkeit vom 26.6. bis 28.6.2006 bescheinigt.
Der Allgemeinarzt Dr. S. hat erklärt, er habe den Kläger seit 16.12.2002 bis 5.4.2004 behandelt. Der Kläger habe über bewegungsabhängige Schmerzen der rechten Schulter und erhebliche Bewegungseinschränkungen geklagt; ein Anheben der Schulter über die Horizontale sei nicht möglich gewesen. Es sei eine Rotatorenmanschettenruptur rechts diagnostiziert worden.
Der Orthopäde Dr. von C. hat angegeben, er habe den Kläger am 26.6.2004 wegen Schmerzen nach Sprunggelenksverstauchung behandelt.
Aus den Arztbriefen von Professor Dr. W., Chefarzt der Inneren Medizin I des Krankenhauses Bietigheim vom 3.5. und 13.8.2002 nach stationärer Behandlung des Klägers vom 18.4. bis 25.4.2002 und vom 28.7. bis 7.8.2002 geht hervor, dass der Kläger wegen einer Alkoholkrankheit (erneute stationäre Entgiftung) behandelt worden war. Im Arztbrief vom 13.8.2002 wird ausgeführt, der Kläger klage nach Sturz auf die rechte Schulter vor vier Wochen über Schmerzen im rechten Schultergelenk, eine Elevation des rechten Arms sei aktiv nicht möglich gewesen. Nach Ausschluss einer Fraktur sei sonographisch der Verdacht auf degenerative Veränderungen der Rotatoren gestellt worden, ein kompletter Riss sei nicht festgestellt worden. Es seien Krankengymnastik und eine Schmerztherapie begonnen worden.
Die AOK Ludwigsburg-Rems-Murr hat am 20.6.2008 mitgeteilt, beim Kläger seien vom 23.9. bis 9.10.2002 Massagen, Krankengymnastik und Packungen durchgeführt worden
Der Orthopäde PD Dr. S. hat im Gutachten vom 12.12.2006 ausgeführt, eine sichere Rekonstruktion des Unfallhergangs sei nach Aktenlage kaum möglich. Eine traumatische Zerreißung der Rotatorenmanschette im vorderen und oberen Anteil sei bei seitlich abgespreizten und nach hinten gewendeten Arm bei älteren Menschen durchaus möglich. Das Unfallereignis schließe damit ein traumatisches Zerreißen der Rotatorensehne nicht aus. Der Kläger habe noch am Unfalltag ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Die Weiterbehandlung sei lückenlos durch den Hausarzt und Chirurgen erfolgt. Bei persistierenden Beschwerden sei schließlich die Vorstellung in der Orthopädischen Klinik M. nach Durchführung einer Kernspintomografie am 23.12.2002 erfolgt. Somit sei eine lückenlose Brückensymptomatik bis zum Operationszeitpunkt aktenkundig. Im Kernspintomogramm vom Dezember 2002 finde sich eine Rotatorenmanschettenläsion im Supraspinatussehnenbereich, wobei nach dem vorliegenden Bildmaterial nicht zwischen rein degenerativer Verursachung dieser Läsion und traumatischer Verursachung unterschieden werden könne. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen habe vor dem Unfall keine behandlungsbedürftige Erkrankung im Bereich der rechten Schulter bestanden und der Kläger sei in der Lage gewesen, zumindest mittelschwere körperliche Tätigkeiten auszuführen. Radiologische und kernspintomographische degenerative Veränderungen im Bereich des rechten Schultergelenks und des Schultereckgelenks seien aktenkundig. Der Unfall habe mit Wahrscheinlichkeit zum Riss der Rotatorensehne mit klinischer Symptomatik und nachfolgender Operation geführt. Als Unfallfolgen lägen eine Einschränkung der aktiven Beweglichkeit der rechten Schulter nach operativer Versorgung eines traumatischen Risses der Rotatorensehne und eine Luxation der Bizepssehne vor. Nach dem letzten klinische Befund von Dr. Sch. betrage die MdE 20 vH. Ab 19.5.2003 sei eine Arbeitserprobung durchgeführt worden. Für die Zeit vom 19.5. bis 30.6.2003 schlage er eine MdE um 50 vH und danach um 20 vH vor.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 28.1.2008 hat PD Dr. S. ausgeführt, nach den Unterlagen bestehe tatsächlich eine Dokumentationslücke in der Zeit von Juni bis Dezember 2002. Allerdings finde sich im Nachschaubericht vom 13.1.2003 der Eintrag des D-Arztes Dr. W., dass sich der Kläger auf Veranlassung des Hausarztes vorgestellt habe und zwischenzeitlich die Beschwerden in der rechten Schulter nicht abgeklungen seien.
In einer weiteren Stellungnahme vom 16.4.2008 hat Professor Dr. S. dargelegt, im Arztbrief über den stationären Aufenthalt vom 28.7. bis 7.8.2002 finde sich die Dokumentation einer Brückensymptomatik vier Wochen nach dem Unfallereignis und eine Erklärung für die fehlenden Unterlagen über eine ambulante Behandlung, da der Kläger unfallunabhängig wegen seiner Alkoholerkrankung in Behandlung gewesen sei und diese im Vordergrund gestanden habe. Demgegenüber finde sich im vorangegangenen Brief keinerlei Hinweis auf eine Problematik im Bereich des rechten Schultergelenks. Er bleibe bei seiner Auffassung, dass die intraoperativ nachgewiesene Rotatorenmanschettenruptur unfallbedingt sei. Dies gelte insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt arbeitsfähig gewesen sei und der Arztbrief vom 13.8.2002 eine eindeutige und für eine frische Zerreißung der Rotatorenmanschette typische Symptomatik aktenkundig mache.
Die Beklagte ist dem unter Vorlage von Stellungnahmen von Dr. H. vom 21.2. und 3.6.2008 entgegengetreten.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist auch weitgehend begründet.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamt¬gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen be¬einträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Be¬rücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtspre¬chung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum heraus¬gearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Darüber hinaus hat ein Versicherter, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, wie oben dargelegt, auch einen Anspruch auf Feststellung der Unfallfolgen.
Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und auch ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).
Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).
Ausgehend hiervon ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die Rotatorenmanschettenruptur sowie die Bizepssehnenluxation und die dadurch bedingte Einschränkung der aktiven Beweglichkeit der rechten Schulter mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 25.6.2002 zurückzuführen sind. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Sachverständigengutachten von Dr. Sch. 15.3.2005 und PD Dr. S. vom 12.12.2006 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 28.1. und 16.4.2008 sowie unter Berücksichtigung des DA-Berichts von Dr. W. vom 25.6.2002, des Nachschauberichts von Dr. W. vom 13.1.2003, der Auskunft von Dr. B. vom 24.7.2002, der Arztbriefe des Krankenhauses B. vom 3.5. und 13.8.2002 sowie der Berichte der Orthopädischen Klinik M. vom 15.4. und 17.6.2003.
Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und den Ausführungen von Dr. Sch. und PD Dr. S. sowie unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 509 ff., Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Auflage, S. 337/338: Charakteristische Zeichen einer frischen traumatischen RM-Läsion)) sprechen folgende Umstände im Sinne einer Indizienkette für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 25.6.2002 und dem Rotatorenmanschettenschaden:
• Vor dem Arbeitsunfall hat der Kläger ausweislich des Vorerkrankungsregisters und des Arztbriefes des Krankhauses B. vom 3.5.2002 nicht unter Schulterbeschwerden gelitten und war in der Lage, seine körperlich zumindest mittelschwere Tätigkeit in der Produktion zu verrichten. • Der Unfallmechanismus, dem ebenfalls nur die Bedeutung eines Indizes zukommt, - Sturz von einem 80 cm hohen Podest und damit unter Einbeziehung der Körpergröße des Klägers insgesamt aus einer Höhe von ca. zwei Metern direkt auf den Ellenbogen - schließt eine ventrale Stauchung des Schultergelenks, die als geeignet gilt, eine Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen, nicht aus. • Der Kläger hat sofort nach dem Unfall am 25.6.2002 (11:30 Uhr) die Arbeit eingestellt und den D-Arzt Dr. W. (12:13 Uhr) aufgesucht. • Dr. W. hat unmittelbar nach dem Unfall einen Druckschmerz über dem vorderen und seitlichen Schultergelenk sowie eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter festgestellt und Arbeitsunfähigkeit über drei Tage hinaus angenommen. • Dr. B. hat am 26.6.2002 neben einer Schwellung des Unterarms auch eine Schwellung der Schulter rechts mit Bewegungsschmerzen der Schulter, des Ellenbogens und des Handgelenks erhoben (vgl. Rompe/Erlenkämper aaO S. 337: Primärbefund der Schulterweichteile). • Nach dem Arbeitsunfall hat der Kläger seine Tätigkeit in der Produktion für längere Zeit nicht wieder aufgenommen, da er nach der von Dr. Breitenbücher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ausweislich der Bescheinigung des Arbeitsgebers Urlaub genommen hatte, wegen einer Zahnbehandlung erneut arbeitsunfähig war und sodann vom 28.7. bis 7.8.2002 wegen einer Alkoholerkrankung stationär behandelt wurde. • Während des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 28.7. bis 7.8.2002 klagte der Kläger über seit dem Sturz - vor einem Monat - fortbestehende Schmerzen im rechten Schultergelenk; eine Elevation des rechten Armes war aktiv nicht möglich, was nach den Darlegungen von Prof. Dr. S. exakt dem klinischen Bild einer akuten Zerreißung der Rotatorensehne entspricht. Es wurde im Krankenhaus Krankengymnastik begonnen und eine Schmerztherapie durchgeführt sowie die Weiterführung der Krankengymnastik und der Schmerztherapie (ggf. Steigerung) empfohlen. • Eine Behandlung mit Massagen, Krankengymnastik und Packungen wurde nach Mitteilung der AOK vom 23.9. bis 9.10.2002 durchgeführt. • Die am 30.7.2002 im Krankenhaus B. gefertigten Röntgenaufnahmen zeigen keinen Hochstand des Humeruskopfes, welcher nach frischen Verletzungen erst nach 3 Monaten eintritt (vgl. Schönberg/Mehrtens/Valentin aaO S. 512). • Die Beschwerden in der rechten Schulter bestanden bis zum Tag der Nachuntersuchung durch Dr. W. am 13. Januar 2003 fort und führten inzwischen zu einer deutlichen Schultersteife. • Im Operations-Bericht vom 12.2.2003 sowie in den Berichten der Orthopädischen Klinik M. vom 15.4. und 17.6.2003 wird von einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur und Bizepssehnenluxation ausgegangen.
Die vorbestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich des Schultergelenks mit Engpasssyndrom II bis III (Impingement-Syndrom) sowie eine Acromioclaviculargelenksarthrose, welche auf einen vor 35 Jahren erlittenen Schlüsselbeinbruch zurückzuführen ist, sprechen angesichts dieser Indizienkette nicht gegen einen Kausalzusammenhang, da sie bis zum Unfallereignis nicht zu behandlungsbedürftigen Beschwerden führten und der Kläger an der Ausübung seiner zumindest mittelschwere beruflichen Tätigkeit in der Produktion nicht gehindert war.
Die MdE für die Unfallfolgen beträgt (ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zum 3.7.2003) 20 vH. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grund der Beurteilungen von Dr. Sch. und PD Dr. S., die aber die vom Kläger als weitere Unfallfolgen geltend gemachte Nervus-axillaris-Läsion und Musculus-detoideus-Parese aktuell nicht mehr bestätigten.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 25.6.2002 eine Rente nach einer MdE um 20 vH ab 3.7.2003 zu gewähren. Die Berufung war lediglich insoweit zurückzuweisen, als der
Kläger zusätzlich die Feststellung einer Nervus-axillaris-Läsion und Musculus-detoideus-Parese als weitere Unfallfolgen begehrte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung von Rente.
Der 1952 geborene Kläger erlitt am 25.6.2002 um 11.30 Uhr bei der Arbeit einen Unfall, als er von einer Maschine abrutschte und von einem ca. 80 cm hohen Podest auf den rechten Ellenbogen stürzte. Seitdem verspürte er Schmerzen in der rechten Schulter. Dr. W. erhob am Unfalltag um 12.13 Uhr beim Kläger folgenden Befund: "Druckschmerz über dem vorderen und seitlichen Schultergelenk rechts, schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der rechten Schulter, Prellmarke und Hautabschürfung über der Streckseite des rechten Ellenbogens". Beim Röntgen des rechten Schultergelenks zeigte sich keine Knochenverletzung. Es lag ein Zustand nach früherer Claviculafraktur vor. Dr. W. diagnostizierte eine Schulterprellung rechts sowie eine Prellung und Schürfung des rechten Ellenbogens und nahm eine Arbeitsunfähigkeit von über 3 Tagen an (DA-Bericht vom 25.6.2002). Die Weiterbehandlung erfolgte am 26. und 27.6.2002 durch den Hausarzt Dr. Breitenbücher, der am 26.6.2002 beim Kläger folgenden Befund erhob: "Schwellung des Unterarms und der Schulter rechts mit Bewegungsschmerzen der Schulter, des Ellenbogens und des Handgelenks". Arbeitsunfähigkeit bestand bis 28.6.2002. Danach habe der Kläger Urlaub genommen (Mitteilung des Arbeitgebers vom 17.7.2002).
Im Nachschaubericht von Dr. W. vom 13.1.2003 heißt es, zwischenzeitlich seien die Beschwerden der rechten Schulter nicht abgeklungen; es bestehe eine deutliche Schultersteife rechts. Nachdem sich bei einer Kernspintomografie vom 23.12.2002 u. a. eine Teilruptur am Supraspinatussehnenansatz gezeigt hatte, wurde am 12.2.2003 in der Orthopädischen Klinik Markgröningen eine Arthroskopie des rechten Schultergelenks, eine offene Rotatorenmanschettenrekonstruktion sowie eine Operation nach Neer und eine Tenodese der langen Bizepssehne vorgenommen (Zwischenbericht vom 6.3.2003). Der Kläger wurde zunächst am 20.2.2003 aus der stationären Behandlung entlassen; vom 26.3. bis 11.4.2003 wurde er zur Mobilisation erneut stationär aufgenommen. Ab 19.5.2003 erfolgte eine Arbeitserprobung mit zunächst drei Stunden; ab 3.7.2003 bescheinigte Dr. W. Arbeitsfähigkeit (Nachschaubericht vom 2.7.2003).
Die Beklagte beauftragte den Orthopäden Dr. H. mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem Gutachten vom 7.10.2003 führte dieser aus, bei dem Sturz auf die linke (gemeint: rechte) Seite sei es zu einer indirekten Prellung bzw. Kontusion des linken (gemeint: rechten) Schultergelenks durch den ruckartigen Druck des Oberarmkopfs nach kopfwärts gekommen. Auch wenn dabei eine Druckbelastung von unten nach oben auf die Rotatorenmanschette erfolge, so bedeute dies nicht automatisch eine Quetschverletzung, da das Schulterblatt weich nach oben ausweichen könne. Wie bei Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 504 ff. angegeben, sei das Unfallereignis nicht geeignet gewesen, die beschriebene Verletzung hervorzurufen. Als ungeeigneter Unfallhergang werde die direkte Krafteinwirkung auf die Schulter durch Sturz, Prellung oder Schlag gesehen, wie auch der Sturz nach vorn auf den ausgestreckten Arm oder eine fortgeleitete Krafteinwirkung bei seitlicher oder vorwärts geführter Armhaltung.
Mit Bescheid vom 5.11.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Bei dem Unfall vom 25.6.2002 sei es zu einer Prellung und Schürfung des rechten Ellenbogens sowie einer Stauchung der rechten Schulter mit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit vom 26.6. bis 28.6.2002 gekommen. Folgen dieses Unfalls lägen nicht mehr vor. Die nachfolgenden Behandlungsbedürftigkeiten und Arbeitsunfähigkeitszeiten ab 7.1.2003 seien auf unfallunabhängige anlagebedingte Erkrankungen zurückzuführen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.4.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 10.5.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, mit der er die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vH begehrte.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG den Orthopäden Dr. Sch. mit der Erstattung eines Gutachtens. In dem Gutachten vom 15.3.2005 führte dieser aus, im Operationsbericht werde der beim Kläger vorliegende Befund als Zustand nach Trauma beschrieben. Hinweise auf unabhängig vom Unfallereignis bestehende degenerative Veränderungen fänden sich im Operationsbericht nicht. Der Kläger sei vor dem Unfall am Arbeitsplatz körperlich hoch belastet gewesen. Er habe über keinerlei Beschwerden geklagt; auch vorangegangene Behandlungsmaßnahmen, die als Vorreiter einer sich ankündigenden Massenruptur der Rotatorenmanschette der rechten Schulter zu werten wären, lägen nicht vor. Die im Operationsbericht beschriebene Luxation der Bizepssehne aus dem Sulcusbereich belege ein weiteres Merkmal der Verrenkungsfolge des Schultergelenks. Die Rotatorenmanschettenruptur, die Bizepssehnenluxation, die Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem sowie die posttraumatische Gelenkssteife seien als Unfallfolgen anzusehen. Hinweise auf wesentliche degenerative Vorschäden der Rotatorenmanschette vor dem Unfall oder altersunübliche Abnutzungsbefunde im Bereich der gelenkbildenden Anteile fänden sich auch radiologisch nicht. Die unfallbedingte MdE betrage 20 vH.
Die Beklagte legte eine beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. S. vom 2.5.2005 vor, der ausführte, der intraoperative Befund beschreibe keine traumatisch entstandenen Veränderungen, sondern lediglich eine Zusammenhangstrennung, wie sie bei degenerativen Aufbraucherscheinungen der Rotatorenmanschette typisch seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Arthroskopie des Schultergelenks erst ca. acht Monaten nach dem Unfallereignis stattgefunden habe, sodass eine zeitliche Zuordnung der beschriebenen Vernarbungen und Veränderungen nicht möglich sei. Er stimme Dr. H. zu, dass der beschriebene Unfallhergang nach der Gutachtensliteratur nicht geeignet sei, eine Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Begriff "Ruptur" nicht nur eine traumatische Zusammenhangstrennung beschreibe, sondern auch eine schleichende degenerative Auffaserung mit daraus resultierender Läsion der Rotatorenmanschette.
Mit Urteil vom 5.12.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, das SG gehe davon aus, dass im Zeitpunkt des Unfallereignisses als körpereigene Ursachen eine AC-Gelenksarthrose und ein Impingementsyndrom III. Grades im Bereich der rechten Schulter vorgelegen hätten. Dies entnehme das SG dem Zwischenbericht von Professor Dr. I. vom 16.1.2003, der im Hinblick auf die Kernspintomografie vom 23.12.2002 ausführe, dass eine Degeneration im AC-Gelenk und subacromial und ein Impingement III. Grades vorliege. Deswegen vermöge das SG der Schlussfolgerung von Dr. Sch. nicht zu folgen, dass vor dem Unfall keine Hinweise auf degenerative Veränderungen vorgelegen hätten. Zudem teile das SG die Einschätzung von Dr. H., dass die im Operationsbericht beschriebene Massenruptur der Rotatorenmanschette auf Grund ihrer Ausdehnung ebenfalls für degenerative Schädigungen spreche. Die vorbestehende AC-Gelenksarthrose und das Impingementsyndrom stellten als Schadensanlage die rechtlich wesentliche Ursache der Gesundheitsstörungen dar. Soweit Dr. Sch. zum Ergebnis gelange, die Rotatorenmanschettenruptur sei auf das Ereignis vom 25.6.2002 zurückzuführen, folge das SG der Bewertung nicht. Das Unfallereignis sei auch nicht geeignet gewesen, die Rotatorenmanschettenruptur herbeizuführen. Die Bizepssehnenluxation, die Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem und die Gelenksteife seien ebenfalls nicht wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 16.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.1.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, der Unfallhergang sei geeignet gewesen, eine Rotatorenmanschettenruptur zu verursachen. Professor Dr. I. gehe in seinem Zwischenbericht vom 15.4.2003 von einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur aus. Des weiteren trägt er vor, er habe sich im Juli 2002 einer ausgedehnten Zahnbehandlung unterzogen und habe nach drei Tagen Arbeitsunfähigkeit eine Woche Urlaub genommen. Wegen der starken Schmerzen habe er in vermehrtem Umfang Alkohol zu sich genommen, weshalb nach einigen Tagen der Verdacht auf eine Magenblutung bestanden habe und eine stationäre Krankenhausaufnahme erfolgt sei. Nach der Entlassung sei er bei einem Arzt in Behandlung gewesen, der seit 4 Jahren nicht mehr praktiziere, im Anschluss daran bei dem Orthopäden Dr. von C ...
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Dezember 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2004 aufzuheben, festzustellen, dass die Rotatorenmanschettenruptur rechts, die Bizepssehnenluxation und die Humeruskopfkontusion mit Knochenmarksödem rechts, die posttraumatische Gelenksteife, die Nervus-axillaris-Läsion und die Musculus Deltoideusparese Folgen des Arbeitsunfalls vom 25. Juni 2002 sind und die Beklagte zu verurteilen, ihm einer Rente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, sie gehe weiterhin von einer unfallunabhängigen Schädigung der Rotatorenmanschette aus. Der Unfallhergang sei auch nicht als geeignet anzusehen, da der Kläger nach vorne mit angewinkeltem rechten Arm mit dem Ellenbogenköpfchen auf den harten Boden aufgekommen sei, und nicht mit nach hinten ausgestrecktem Arm.
Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, Unterlagen über die stationären Behandlungen des Klägers im Krankenhaus Bietigheim - Klinik für Innere Medizin - vom 18.4. bis 25.4.2002 und vom 28.7. bis 7.8.2002 einschließlich Röntgenbilder der rechten Schulter beigezogen und ein Gutachten nach Aktenlage nebst ergänzenden Stellungnahmen eingeholt.
Dr. B. hat am 20.6.2006 mitgeteilt, der Kläger habe ihn nach dem 25.6.2002 lediglich am 26.6. und 27.6.2002 aufgesucht. Er habe eine mäßige Schwellung am Unterarm und der Schulter rechts, einen Druckschmerz am Schultergelenk lateral und ventral, eine deutliche Bewegungseinschränkung der rechten Schulter in allen Richtungen sowie eine Hautabschürfung mit Hämatom an der Streckseite des rechten Ellenbogens festgestellt und Arbeitsunfähigkeit vom 26.6. bis 28.6.2006 bescheinigt.
Der Allgemeinarzt Dr. S. hat erklärt, er habe den Kläger seit 16.12.2002 bis 5.4.2004 behandelt. Der Kläger habe über bewegungsabhängige Schmerzen der rechten Schulter und erhebliche Bewegungseinschränkungen geklagt; ein Anheben der Schulter über die Horizontale sei nicht möglich gewesen. Es sei eine Rotatorenmanschettenruptur rechts diagnostiziert worden.
Der Orthopäde Dr. von C. hat angegeben, er habe den Kläger am 26.6.2004 wegen Schmerzen nach Sprunggelenksverstauchung behandelt.
Aus den Arztbriefen von Professor Dr. W., Chefarzt der Inneren Medizin I des Krankenhauses Bietigheim vom 3.5. und 13.8.2002 nach stationärer Behandlung des Klägers vom 18.4. bis 25.4.2002 und vom 28.7. bis 7.8.2002 geht hervor, dass der Kläger wegen einer Alkoholkrankheit (erneute stationäre Entgiftung) behandelt worden war. Im Arztbrief vom 13.8.2002 wird ausgeführt, der Kläger klage nach Sturz auf die rechte Schulter vor vier Wochen über Schmerzen im rechten Schultergelenk, eine Elevation des rechten Arms sei aktiv nicht möglich gewesen. Nach Ausschluss einer Fraktur sei sonographisch der Verdacht auf degenerative Veränderungen der Rotatoren gestellt worden, ein kompletter Riss sei nicht festgestellt worden. Es seien Krankengymnastik und eine Schmerztherapie begonnen worden.
Die AOK Ludwigsburg-Rems-Murr hat am 20.6.2008 mitgeteilt, beim Kläger seien vom 23.9. bis 9.10.2002 Massagen, Krankengymnastik und Packungen durchgeführt worden
Der Orthopäde PD Dr. S. hat im Gutachten vom 12.12.2006 ausgeführt, eine sichere Rekonstruktion des Unfallhergangs sei nach Aktenlage kaum möglich. Eine traumatische Zerreißung der Rotatorenmanschette im vorderen und oberen Anteil sei bei seitlich abgespreizten und nach hinten gewendeten Arm bei älteren Menschen durchaus möglich. Das Unfallereignis schließe damit ein traumatisches Zerreißen der Rotatorensehne nicht aus. Der Kläger habe noch am Unfalltag ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Die Weiterbehandlung sei lückenlos durch den Hausarzt und Chirurgen erfolgt. Bei persistierenden Beschwerden sei schließlich die Vorstellung in der Orthopädischen Klinik M. nach Durchführung einer Kernspintomografie am 23.12.2002 erfolgt. Somit sei eine lückenlose Brückensymptomatik bis zum Operationszeitpunkt aktenkundig. Im Kernspintomogramm vom Dezember 2002 finde sich eine Rotatorenmanschettenläsion im Supraspinatussehnenbereich, wobei nach dem vorliegenden Bildmaterial nicht zwischen rein degenerativer Verursachung dieser Läsion und traumatischer Verursachung unterschieden werden könne. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen habe vor dem Unfall keine behandlungsbedürftige Erkrankung im Bereich der rechten Schulter bestanden und der Kläger sei in der Lage gewesen, zumindest mittelschwere körperliche Tätigkeiten auszuführen. Radiologische und kernspintomographische degenerative Veränderungen im Bereich des rechten Schultergelenks und des Schultereckgelenks seien aktenkundig. Der Unfall habe mit Wahrscheinlichkeit zum Riss der Rotatorensehne mit klinischer Symptomatik und nachfolgender Operation geführt. Als Unfallfolgen lägen eine Einschränkung der aktiven Beweglichkeit der rechten Schulter nach operativer Versorgung eines traumatischen Risses der Rotatorensehne und eine Luxation der Bizepssehne vor. Nach dem letzten klinische Befund von Dr. Sch. betrage die MdE 20 vH. Ab 19.5.2003 sei eine Arbeitserprobung durchgeführt worden. Für die Zeit vom 19.5. bis 30.6.2003 schlage er eine MdE um 50 vH und danach um 20 vH vor.
In der ergänzenden Stellungnahme vom 28.1.2008 hat PD Dr. S. ausgeführt, nach den Unterlagen bestehe tatsächlich eine Dokumentationslücke in der Zeit von Juni bis Dezember 2002. Allerdings finde sich im Nachschaubericht vom 13.1.2003 der Eintrag des D-Arztes Dr. W., dass sich der Kläger auf Veranlassung des Hausarztes vorgestellt habe und zwischenzeitlich die Beschwerden in der rechten Schulter nicht abgeklungen seien.
In einer weiteren Stellungnahme vom 16.4.2008 hat Professor Dr. S. dargelegt, im Arztbrief über den stationären Aufenthalt vom 28.7. bis 7.8.2002 finde sich die Dokumentation einer Brückensymptomatik vier Wochen nach dem Unfallereignis und eine Erklärung für die fehlenden Unterlagen über eine ambulante Behandlung, da der Kläger unfallunabhängig wegen seiner Alkoholerkrankung in Behandlung gewesen sei und diese im Vordergrund gestanden habe. Demgegenüber finde sich im vorangegangenen Brief keinerlei Hinweis auf eine Problematik im Bereich des rechten Schultergelenks. Er bleibe bei seiner Auffassung, dass die intraoperativ nachgewiesene Rotatorenmanschettenruptur unfallbedingt sei. Dies gelte insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt arbeitsfähig gewesen sei und der Arztbrief vom 13.8.2002 eine eindeutige und für eine frische Zerreißung der Rotatorenmanschette typische Symptomatik aktenkundig mache.
Die Beklagte ist dem unter Vorlage von Stellungnahmen von Dr. H. vom 21.2. und 3.6.2008 entgegengetreten.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist auch weitgehend begründet.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamt¬gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen be¬einträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Be¬rücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtspre¬chung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum heraus¬gearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Darüber hinaus hat ein Versicherter, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, wie oben dargelegt, auch einen Anspruch auf Feststellung der Unfallfolgen.
Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und auch ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).
Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).
Ausgehend hiervon ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die Rotatorenmanschettenruptur sowie die Bizepssehnenluxation und die dadurch bedingte Einschränkung der aktiven Beweglichkeit der rechten Schulter mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 25.6.2002 zurückzuführen sind. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Sachverständigengutachten von Dr. Sch. 15.3.2005 und PD Dr. S. vom 12.12.2006 nebst ergänzenden Stellungnahmen vom 28.1. und 16.4.2008 sowie unter Berücksichtigung des DA-Berichts von Dr. W. vom 25.6.2002, des Nachschauberichts von Dr. W. vom 13.1.2003, der Auskunft von Dr. B. vom 24.7.2002, der Arztbriefe des Krankenhauses B. vom 3.5. und 13.8.2002 sowie der Berichte der Orthopädischen Klinik M. vom 15.4. und 17.6.2003.
Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen und den Ausführungen von Dr. Sch. und PD Dr. S. sowie unter Berücksichtigung der unfallmedizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 509 ff., Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 4. Auflage, S. 337/338: Charakteristische Zeichen einer frischen traumatischen RM-Läsion)) sprechen folgende Umstände im Sinne einer Indizienkette für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 25.6.2002 und dem Rotatorenmanschettenschaden:
• Vor dem Arbeitsunfall hat der Kläger ausweislich des Vorerkrankungsregisters und des Arztbriefes des Krankhauses B. vom 3.5.2002 nicht unter Schulterbeschwerden gelitten und war in der Lage, seine körperlich zumindest mittelschwere Tätigkeit in der Produktion zu verrichten. • Der Unfallmechanismus, dem ebenfalls nur die Bedeutung eines Indizes zukommt, - Sturz von einem 80 cm hohen Podest und damit unter Einbeziehung der Körpergröße des Klägers insgesamt aus einer Höhe von ca. zwei Metern direkt auf den Ellenbogen - schließt eine ventrale Stauchung des Schultergelenks, die als geeignet gilt, eine Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen, nicht aus. • Der Kläger hat sofort nach dem Unfall am 25.6.2002 (11:30 Uhr) die Arbeit eingestellt und den D-Arzt Dr. W. (12:13 Uhr) aufgesucht. • Dr. W. hat unmittelbar nach dem Unfall einen Druckschmerz über dem vorderen und seitlichen Schultergelenk sowie eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter festgestellt und Arbeitsunfähigkeit über drei Tage hinaus angenommen. • Dr. B. hat am 26.6.2002 neben einer Schwellung des Unterarms auch eine Schwellung der Schulter rechts mit Bewegungsschmerzen der Schulter, des Ellenbogens und des Handgelenks erhoben (vgl. Rompe/Erlenkämper aaO S. 337: Primärbefund der Schulterweichteile). • Nach dem Arbeitsunfall hat der Kläger seine Tätigkeit in der Produktion für längere Zeit nicht wieder aufgenommen, da er nach der von Dr. Breitenbücher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ausweislich der Bescheinigung des Arbeitsgebers Urlaub genommen hatte, wegen einer Zahnbehandlung erneut arbeitsunfähig war und sodann vom 28.7. bis 7.8.2002 wegen einer Alkoholerkrankung stationär behandelt wurde. • Während des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 28.7. bis 7.8.2002 klagte der Kläger über seit dem Sturz - vor einem Monat - fortbestehende Schmerzen im rechten Schultergelenk; eine Elevation des rechten Armes war aktiv nicht möglich, was nach den Darlegungen von Prof. Dr. S. exakt dem klinischen Bild einer akuten Zerreißung der Rotatorensehne entspricht. Es wurde im Krankenhaus Krankengymnastik begonnen und eine Schmerztherapie durchgeführt sowie die Weiterführung der Krankengymnastik und der Schmerztherapie (ggf. Steigerung) empfohlen. • Eine Behandlung mit Massagen, Krankengymnastik und Packungen wurde nach Mitteilung der AOK vom 23.9. bis 9.10.2002 durchgeführt. • Die am 30.7.2002 im Krankenhaus B. gefertigten Röntgenaufnahmen zeigen keinen Hochstand des Humeruskopfes, welcher nach frischen Verletzungen erst nach 3 Monaten eintritt (vgl. Schönberg/Mehrtens/Valentin aaO S. 512). • Die Beschwerden in der rechten Schulter bestanden bis zum Tag der Nachuntersuchung durch Dr. W. am 13. Januar 2003 fort und führten inzwischen zu einer deutlichen Schultersteife. • Im Operations-Bericht vom 12.2.2003 sowie in den Berichten der Orthopädischen Klinik M. vom 15.4. und 17.6.2003 wird von einer traumatischen Rotatorenmanschettenruptur und Bizepssehnenluxation ausgegangen.
Die vorbestehenden degenerativen Veränderungen im Bereich des Schultergelenks mit Engpasssyndrom II bis III (Impingement-Syndrom) sowie eine Acromioclaviculargelenksarthrose, welche auf einen vor 35 Jahren erlittenen Schlüsselbeinbruch zurückzuführen ist, sprechen angesichts dieser Indizienkette nicht gegen einen Kausalzusammenhang, da sie bis zum Unfallereignis nicht zu behandlungsbedürftigen Beschwerden führten und der Kläger an der Ausübung seiner zumindest mittelschwere beruflichen Tätigkeit in der Produktion nicht gehindert war.
Die MdE für die Unfallfolgen beträgt (ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit zum 3.7.2003) 20 vH. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat auf Grund der Beurteilungen von Dr. Sch. und PD Dr. S., die aber die vom Kläger als weitere Unfallfolgen geltend gemachte Nervus-axillaris-Läsion und Musculus-detoideus-Parese aktuell nicht mehr bestätigten.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 25.6.2002 eine Rente nach einer MdE um 20 vH ab 3.7.2003 zu gewähren. Die Berufung war lediglich insoweit zurückzuweisen, als der
Kläger zusätzlich die Feststellung einer Nervus-axillaris-Läsion und Musculus-detoideus-Parese als weitere Unfallfolgen begehrte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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