L 1 U 3855/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1774/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3855/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente wegen der als Berufskrankheit (BK) anerkannten, durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura (Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung [BKV]).

Der 1936 geborene Kläger war ab 1950 als Bauarbeiter, Einschaler und Bauschreiner beruflich tätig.

Mit Arztbrief vom 13. Dezember 2001 teilten die Fachärzte für Innere Medizin Dres. R./T./R. der Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft, einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (künftig: die Beklagte) mit, der Kläger stehe seit 1989 wegen cardialer Erkrankungen in ihrer Behandlung. Auffällig sei eine seit Jahren fortschreitende röntgenologische Verdickung der rechten Thoraxwand, anamnestisch habe möglicherweise Asbestbelastung bestanden. Auch im Rahmen einer geplanten Re-Operation (erneuter Aortenklappenersatz) sei der Verdacht auf Asbestschädigung der Lunge geäußert worden.

Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen auf. Der Kläger legte u.a. einen Beschäftigungsverlauf vor sowie eine Bescheinigung eines ehemaligen Arbeitgebers, wonach er u.a. auch mit Asbest gearbeitet habe. Die Beklagte zog weiter das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse bei sowie Unterlagen (Röntgenaufnahmen, Arztbriefe etc.) des Herz-Zentrums B. K. bei. Darin sind als Befund eines im Dezember 2001 durchgeführten Thorax-CT Pleuropulmonalschwielen in der Oberlappenbasis, rechts mehr als links, ohne entzündliche Infiltrate und pleurale Plaques nach beruflicher Asbestexposition aufgeführt. Im histologischen Gutachten vom 1. Februar 2002 wurden als Befunde eine Kondensatpneumopathie und eine parietale rechtsseitige Pleuraplaque mitgeteilt. Im Untersuchungsgut (2,9 x 2 x 0,8 cm großes Lungenresektat) hätten sich keine Asbestkörperchenablagerungen gefunden. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten nahm im Mai bzw. Juni 2002 eine Gefährdungsanalyse vor.

In dem im Auftrag der Beklagten erstellten pneumologisch-allergologischen Gutachten des Dr. U., A. S. Klinik, K., vom 8. September 2002 führte dieser zum Ergebnis der röntgenologischen Untersuchung aus, der Befund sei gut vereinbar mit einer rechtsbetonten, aber beidseitigen asbestassoziierten Plaquebildung mit diskreter Kalkeinlagerung rechts. Daneben bestehe eine diskrete unspezifische Lungenzeichnungsvermehrung beidseits mit feinfleckigen Einlagerungen, die sich besonders gut im linken Mittel-Oberfeld darstellten. Diese könnten im Prinzip durch eine beginnende Lungenasbestose verursacht sein, aber auch einer anderen interstitiellen Lungenerkrankung oder einer alters- und zigarettenrauchbedingten "schmutzigen Luftzeichnung" entsprechen, seien also nicht unmittelbar einer pulmonalen Asbestose zuzuordnen. Das Ergebnis des Aortenklappenersatzes sei als sehr zufriedenstellend zu bewerten. Es fänden sich keinerlei Zeichen einer Herzschwäche oder pulmonalen Stauung mehr. Als abschließende Diagnosen formulierte Dr. U. ein histologisch typisches hyalin-kollagen-faseriges Pleuragewebe ohne klinisch, histologisch oder röntgenologisch darstellbare pulmonale Asbestfibrose und bislang ohne wesentliche funktionelle Auswirkungen, eine anerkennungsfähige BK nach Nr. 4103 sowie ein mittelschweres kombiniertes Aortenklappenvitium, ein nicht-allergisches, intrinsic Asthma bronchiale, eine Kondensat-Pneumopathie ("RBILD"), arterielle Hypertonie, Hypernephrom 1992 und Lendenwirbelsäulensyndrom mit rezidivierender Lumbo-Ischialgie rechts. Die unzweifelhaft vorliegende Pleura-Asbestose sei allerdings mit der hier vorliegenden Ausdehnung der Plaques nicht geeignet, bereits eine relevante Lungenfunktionseinschränkung hervorzurufen oder zu Luftnotbeschwerden zu führen. Entscheidende Frage sei daher, inwiefern die starken Luftnotbeschwerden und die nach der Aortenklappenoperation wie auch bei der gutachterlichen Untersuchung festzustellende restriktive Ventilationsstörung Folge der Asbestose auch der Lunge ("Asbest-Fibrose") seien. Dabei sei zu beachten, dass beim Kläger zwar eine pulmonale Diffusionsstörung für Sauerstoff, eine mittelschwere pulmonale Diffusionsstörung für Kohlenmonoxid sowie im konventionellen Röntgenbild zumindest eine leichtgradige interstitielle Lungenzeichnungsvermehrung vorliege. Dies würde bei einem ansonsten gesunden Menschen genügen, eine Lungenasbestose anzunehmen.

Allerdings lägen beim Kläger noch drei weitere Diagnosen vor, die ebenfalls in der Lage seien, Luftnotbeschwerden bei körperlicher Belastung zu verursachen. Schon 1983 sei eine Schädigung der Herzklappenmuskulatur in Folge eines wohl anlagebedingten Herzfehlers festgestellt worden. Auch leide der Kläger unter Asthma bronchiale, das nach den durchgeführten Tests als wesentliche Ursache der Luftnotbeschwerden angesehen werden müsse. Auch habe man bei der histologischen Untersuchung keine Einlagerung von Asbestkörperchen festgestellt, obwohl ein repräsentatives Stück des Lungengewebes entnommen worden sei. Daher zeige sich nicht das typische Bild einer Asbest-Fibrose, sondern das Bild einer Kondensat-Pneumopathie bzw. einer Respiratory Bronchiolitis Interstitial Lung Disease ("RBILD"). Aufgrund des jahrzehntelangen Zigarettenkonsums des Klägers, wenn auch nur nach seinen Angaben in recht geringen Mengen täglich, komme eine ausreichende Menge an Zigaretten zusammen, um das Krankheitsbild zu erklären. Die Raucher-Pneumopathie sei sicherlich Teil-Ursache der leichten interstitiellen Lungenzeichnungsvermehrung. Gegen eine relevante Asbest-Fibrose spreche im Übrigen auch die normale Lungendehnbarkeit sowie der fehlende klinische Befund (inspiratorische Knittergeräusche) als typisches Abhörphänomen bei einer Asbestfibrose. Entschädigungsansprüche wegen der Berufskrankheit seien nicht zu begründen.

Nach Beteiligung des Staatlichen Gewerbearztes (Stellungnahme vom 6. November 2002) anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2002 das Vorliegen einer BK nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV, lehnte allerdings die Gewährung einer Rente ab, da die geringgradigen Veränderungen der Pleura keine leistungsmindernde Funktionsbeeinträchtigung von Atmung, Herz und Kreislauf bedingten.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, er leide unter zu niedrigem Blutdruck und habe schon 1988 wegen fehlender Leistungsfähigkeit in Rente gehen müssen, so dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit zweifelsfrei vorliege. Den Widerspruch nahm der Kläger im Januar 2003 zurück.

Im Juni 2006 machte der Kläger eine Verschlimmerung seiner Erkrankung geltend. Er leide schon bei leichtester körperlicher Arbeit unter zunehmenden Luftnotanfällen. Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen auf und befragte die behandelnden Internisten Dres. R./T./R ... Diese führten aus, beim Kläger bestehe Multimorbidität. In den vergangenen zwei Jahren sei es zu einer deutlich verminderten Belastbarkeit gekommen, auch zusätzlich zu Beschwerden im orthopädischen Bereich. Hinsichtlich der pulmonalen Belastbarkeit sei eine Zunahme der Dyspnoe festzustellen. Beigefügt waren zahlreiche Arztbriefe.

Die Beklagte gab eine weitere Begutachtung in Auftrag. In seinem Gutachten vom 15. Januar 2007 führte der Internist und Lungenarzt Dr. N. aus, ein Vergleich des Röntgen-Thorax Bildes mit dem Vorbefund vom August 2001 (Dres. R.) ergebe ein unverändertes Ausmaß der pleuralen Veränderungen in kraniokaudaler Richtung sowie in der Dicke der lateralen Pleuraplaques. Auch radiologisch fänden sich keine bedeutsamen Änderungen im pulmonalen und pleuralen Befund. Vielmehr stellten sich die interstitiellen Veränderungen geringer dar. Zusammenfassend führte er aus, dass eine asbestinduzierte Lungen- und Pleuraerkrankung vorliege. Davon unabhängig bestehe auch eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ohne funktionelle Überblähung der Lunge; radiologisch fänden sich vereinzelte Emphysem-Bullae. Lungenfunktionell resultiere eine mittelschwere fixierte Obstruktion mit Erschlaffungsobstruktion in den kleinen Atemwegen. Es bestehe weiter eine Linksherzinsuffizienz auf dem Boden einer beginnend schweren linksventrikulären systolischen Funktionsstörung bei Verdacht auf koronare Herzerkrankung und Zustand nach Aortenklappenersatz mit funktionell leichtgradiger Aortenklappenstenose. Es sei davon auszugehen, das die asbestinduzierte Pleura- und Lungenerkrankung, die mit radiologischen Veränderungen von beiderseitigen Pleuraplaques und subpleuralen pulmonalen fibrösen Veränderungen einhergehe, zu einer restriktiven Funktionseinschränkung und gegebenenfalls Diffusionsstörung der Lunge führe. Die MdE belaufe sich auf 30 v.H.

Der um Stellungnahme gebetene Beratungsarzt Dr. F. führte unter dem 31. Januar 2007 aus, den Ausführungen von Dr. N. könne nicht gefolgt werden, da eine Lungenasbestose nicht ausreichend sicher belegt und eine MdE um 30 v.H. deshalb nicht zu begründen sei. Dies ergebe sich schlüssig aus dem Gutachten von Dr. U ... Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Aufnahmen und Untersuchungsergebnisse liege eine nur geringfügige Pleuraasbestose ohne lungenfunktionelle Einbußen vor. Die übrigen Pleuraveränderungen und die Einschränkungen der kardialen und pulmonalen Leistungsfähigkeit seien BK-unabhängig.

Mit Bescheid vom 21. März 2007 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung wegen der BK ab, da eine Lungenfibrose gerade nicht vorliege und die durch die Asbesteinwirkung verursachten Pleuraveränderungen Leistungseinschränkungen in nicht rentenberechtigendem Ausmaß bedingten. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 25. Juni 2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass in dem radiologischen Gutachten vom November 2006 (Dr. S.), erstellt im Zusammenhang mit der Begutachtung durch Dr. N., gegenüber der Voruntersuchung im Jahr 1993 eine erhebliche Zunahme der asbestspezifischen Pleura beidseits, insbesondere links lateral bestätigt werde. Zusätzlich hätten sich narbige Umbauten mit Befundzunahme auf der rechten Seite gezeigt. Daher sei eine Verschlimmerung, wie von Dr. N. festgestellt, eingetreten und eine MdE um 30 v.H. gerechtfertigt.

Das SG hat die behandelnden Fachärzte für Innere Medizin Dres. R./R./M. schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen (Stellungnahme vom 12. September 2007). Diese führten u.a. aus, dem Kläger gehe es aktuell von Seiten des Herzens gut. Es bestehe eine leichtgradige Ruhedyspnoe und eine mittelgradige Belastungsdyspnoe. Über die nebenbefundlich bestehende Asbestose lägen keine Unterlagen vor.

Im Auftrag des SG hat unter dem 14. April 2008 Dr. S. ein internistisch-pneumologisches Gutachten erstellt. Darin sind als Diagnosen eine anerkannte asbestinduzierte Lungen- und Pleuraerkrankung mit geringgradiger restriktiver Ventilationsstörung und geringgradiger Gasaustauschstörung/, COPD Stadium III nach Gold, mit mittelgradiger respiratorischer Insuffizienz, Hinweise auf ein Lungenemphysem und Zustand nach Nikotinabusus, bronchiale Hyperreagibilität, Linksherzinsuffizienz Stadium II bis III nach NYHA, arterielle Hypertonie, Nierenzellkarzinom rechts 1992 mit Nephrektomie rechts, Hypercholesterinämie, Hyper-urikämie, pathologische Glukosetoleranz, unklare Hyperbilirubinämie, Innenohrschwerhörigkeit, Zustand nach Operation der Nebenhöhlen in den 70er Jahren, LWS-Syndrom und Unfall mit Quetsch-Schnittwunde des rechten Oberschenkels und Knies 1985 aufgeführt. Als berufsbedingte Gesundheitsstörung sei wahrscheinlich anzunehmen die radiologisch dokumentierte, im Verlauf zunehmende girlandenförmige Pleuraverbreiterung an der lateralen Thoraxwand beidseits, die sich computertomographisch als Pleuraplaques darstellen ließe. Diese Veränderungen seien eindeutige asbestinduzierte Veränderungen. Funktionell könnten diese Veränderungen allerdings nicht für die geringgradige restriktive Ventilationsstörung verantwortlich gemacht werden. Die wahrscheinlichste Ursache hierfür stellten die postoperativen Adhäsionen und Vernarbungen nach zwei medianen Thorakotomien dar. Unabhängig von den beruflichen Einflüssen bestehe eine chronische obstruktive Bronchitis im Stadium III nach GOLD, Hinweise auf ein Lungenemphysem, eine mittelgradige respiratorische Insuffizienz schon in Ruhe, unter Belastung zunehmend, für die als Ursache am ehesten der Nikotinabusus in Betracht komme. Da die lungenfunktionellen Defizite somit nicht auf die berufsbedingte Pleura-Asbestose zurückzuführen seien, liege eine MdE nicht vor.

Mit Urteil vom 17. Juli 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, im Wesentlichen gestützt auf die Gutachten von Dr. U. und Dr. S ...

Gegen das ihm am 28. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. August 2008 Berufung eingelegt. Er trägt zur Begründung vor, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb dem Gutachten von Dr. N. nicht gefolgt werde. Zumindest hätte eine ergänzende Stellungnahme von Dr. N. eingeholt werden müssen, nachdem das Gutachten von Dr. S. dessen Ausführungen nicht gefolgt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juli 2008 sowie den Bescheid vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der BK nach Nr. 4103 eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückzuweisen, weil es sie einstimmig für unbegründet erachtet (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entschieden werden konnte, da das Gericht sie einstimmig für unbegründet erachtet, ist unbegründet.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass beim Versicherten zum einen die sog. arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben sind, d.h. dass er im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen (haftungsbegründende Kausalität). Zum anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen. Es muss danach ein mit Vollbeweis gesichertes dieser BK entsprechendes Krankheitsbild vorliegen und dieses muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende Tätigkeit zurückgeführt werden können, wobei hinsichtlich des Kausalzusammenhangs eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gründe deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52; 30, 121; 43, 110; BSG vom 28.3.2003 – B 2 U 33/03 R).

Nach Maßgabe dieser Kriterien liegen beim Kläger, im Vollbeweis gesichert, durch Asbeststaub verursachte Veränderungen der Pleura vor, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Einwirkungen von Asbest bei der beruflichen Tätigkeit zurückgeführt werden können. Nicht dagegen ist im Vollbeweis eine asbestinduzierte Lungenfibrose nachgewiesen. Die bestehenden Einschränkungen der Lungenfunktion sind daher nicht beruflich bedingt und begründen somit auch keine Entschädigungsansprüche.

Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Gutachten von Dr. U. und Dr. S. fest, die – insoweit auch übereinstimmend mit Dr. N. – durch Asbeststaub verursachte Veränderungen der Pleura beschrieben haben, abweichend von Dr. N. allerdings das Krankheitsbild einer asbestbedingten Lungenfibrose nicht festgestellt haben.

Wie insbesondere Dr. U. in seinem Gutachten nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt hat, könnten einige Befunde, die im Rahmen seiner gutachterlichen Untersuchung erhoben worden sind, zwar grundsätzlich für eine Lungenfibrose sprechen. Allerdings spricht die überwiegende Zahl der ansonsten erhobenen Befunde gegen das Vorliegen dieser Erkrankung.

Für die Lungenfibrose könnte die pulmonale Diffusionsstörung für Sauerstoff sprechen, die sich bei einem PO2-Abfall signifikanten Ausmaßes in einem eindeutig pathologischen Befund zeigte, und zwar schon bei einer geringen Belastung mit 75 Watt. Darüber hinaus besteht beim Kläger auch eine mittelschwere pulmonale Diffusionsstörung für Kohlenmonoxid und eine im konventionellen Röntgenbild zumindest leichtgradige interstitielle Lungenzeichnungsvermehrung.

Gegen das Bestehen einer Lungenfibrose spricht aber, worauf auch Dr. S. hingewiesen hat, insbesondere der fehlende Befund der histologischen Untersuchung eines ausreichend großen Gewebsstücks der Lunge, das keinen Nachweis von Asbestkörperchen erbrachte. Vielmehr zeigte sich das Bild einer Kondensat-Pneumopathie. Dieser Diagnose liegen engvolumige Bronchien vor dem Übergang in den Lungenalveolarraum zugrunde, was zum lungenfunktionsanalytischen Befund einer irreversiblen endexspiratorischen Atemflussbehinderung passt und durch den jahrzehntelangen Zigarettenkonsum des Klägers, auch bei nur geringer täglicher Menge, erklärt werden kann.

Des Weiteren ist beim Kläger schon seit 1983 eine schwere Herzerkrankung dokumentiert, die schon damals zu einem Austausch der Aortenklappe führte und 2001/2002 eine Re-Operation bedingte. Auch wenn die behandelnden Ärzte gegenüber dem SG ausführten, seitens der kardialen Erkrankungen sei der Zustand des Klägers stabil, kann die schwere Herzerkrankung, die jedenfalls in einer Röntgenaufnahme aus dem Jahr 1998 zu einer pulmonalen Stauung (Wassereinlagerung in der Lunge aufgrund einer Herzmuskelschwäche bzw. einer schweren Störung der Aortenklappe) führte, jedoch auch nach dem akuten Stadium der Erkrankung Zeichen einer chronischen Stauungslunge bedingte, zu leichten Diffusionsstörungen der Lunge oder einer Restriktion führen und damit einen Teil der funktionellen Einschränkungen des Klägers erklären. Dr. S. hat, auch insoweit übereinstimmend mit Dr. U., ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der Kläger zweimal einer Aortenklappenoperation zu unterziehen hatte und die postoperativen Adhäsionen und Vernarbungen nach zwei medianen Thorakotomien ebenfalls geeignet sind, eine restriktive Ventilationsstörung zu verursachen. Dafür spricht auch der Umstand, dass die lungenfunktionellen Marker der Restriktion im Lauf der Jahre von 2002 bis April 2008 relativ konstant geblieben sind, dem gegenüber die zentrale Obstruktion und die Lungenüberblähung zugenommen haben und hiermit auch die respiratorische Insuffizienz sowie die Belastungshypoxämie, so dass die chronische obstruktive Lungenerkrankung als wesentliche Ursache dieser Parameter am ehesten in Frage kommt. Darüber hinaus leidet der Kläger an Asthma bronchiale, das sich trotz der durchgeführten Corticoidtherapie als schwergradige bronchiale Hyperreagibilität zeigte und damit einen wesentlichen Teil der Atemnotbeschwerden des Klägers zu erklären in der Lage ist.

Zusammenfassend ist deshalb davon auszugehen, dass die nur wenig ausgedehnten Pleuraplaques nicht in der Lage sind, die bestehende Lungenfunktionseinschränkung des Klägers zu verursachen oder wesentlich mitzuverursachen. Vielmehr haben diese Beschwerden eine von der früheren beruflichen Tätigkeit des Klägers unabhängige Ursache.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die BK-Folgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen der BK beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Die durch die Asbestbelastung verursachten Pleuraplaques selbst besitzen keine limitierende Wirkung auf die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers und sind daher auch nicht geeignet, eine rentenberechtigende MdE zu begründen.

Der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. N. bedurfte es nicht. Dr. S. hat - insoweit mit der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. übereinstimmend - nachvollziehbar dargelegt, dass dem Gutachten von Dr. N. deshalb nicht zu folgen ist, weil er nicht zwischen den beruflich bedingten Veränderungen der Pleura und den sonstigen Erkrankungen des Klägers und ihrer Auswirkungen auf dessen Lungenfunktion differenziert und darüber hinaus das Ergebnis der histologischen Untersuchung bei seiner Beurteilung nicht berücksichtigt hat. Diese Differenzierung hatte darüber hinaus schon Dr. U. in seinem Gutachten vorgenommen, ohne dass Dr. N. Anlass gesehen hätte, sich mit dessen Beurteilung auseinander zu setzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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