L 8 SB 1552/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 3968/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1552/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. März 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

Bei der 1957 geborenen Klägerin stellte das Versorgungsamt Heilbronn mit Bescheid vom 28.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1996 wegen degenerativer Wirbelsäulenveränderungen und einem Schulter-Arm-Syndrom erstmals den GdB mit 20 fest. Neufeststellungsanträge der Klägerin blieben durch Bescheide vom 06.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.06.2002 und vom 09.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2004 erfolglos.

Am 25.09.2004 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Erhöhung des GdB. Diesem Antrag wurde vom Landratsamt Hohenlohekreis - Versorgungsamt - (VA) unter Berücksichtigung degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), einem Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 10) und einer Mittelnervendruckschädigung beidseits - Carpaltunnelsyndrom - (Teil-GdB 10) mit Bescheid vom 24.03.2005 nicht entsprochen.

Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 23.04.2005 Widerspruch ein. Sie machte geltend, dass die bei ihr neu hinzugetretenen Gesundheitsstörungen nicht in ausreichendem Umfang berücksichtigt worden seien. Weiter leide sie ständig an Schmerzen im Schulterbereich, den Oberarmen sowie im Rücken. Das VA holte den ärztlichen Befundschein des Dr. H.-C. vom 05.07.2005 ein und ließ diesen versorgungsärztlich auswerten (gutachtliche Stellungnahme vom 25.10.2005). Mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den dem Bescheid vom 28.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1996 zugrundeliegenden Verhältnissen sei eine wesentliche Änderung nicht eingetreten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 02.12.2005 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Sie machte zur Begründung geltend, wegen einer Inkontinenz habe die Beklagte den Sachverhalt noch nicht ausermittelt. Mit der vorliegenden Inkontinenz und der fortschreitenden Problematik in der Wirbelsäule sei ein Gesamt-GdB von 40 realistisch. Die Klägerin benannte die sie behandelnden Ärzte.

Das SG hörte den Frauenarzt D., den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H.-C., den Orthopäden Dr. M., den Frauenarzt Dr. T. und den Nervenarzt Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Arzt D. teilte in seiner Stellungnahme vom 20.04.2006 den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit. Er vertrat die Auffassung, bei der Klägerin seien die Behinderungen vollständig erfasst. Ein Gesamt-GdB von 20 erscheine angemessen. Ein Teil-GdB von 10 wegen chronischer Miktionsbeschwerden und einer Inkontinenz mit einer Erhöhung des Gesamt-GdB auf 30 wäre zu diskutieren. Dr. H.-C. teilte in seiner Stellungnahme vom 20.04.2006 unter Vorlage von Befundberichten den Behandlungsverlauf und die Diagnosen mit. Dr. M. hielt in seiner Stellungnahme vom 27.04.2006 unter Vorlage von Befundberichten die Einschätzung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20 für richtig. Er teilte weiter mit, über ein Schulter-Arm-Syndrom sowie den Zustand nach Operation eines Carpaltunnelsyndroms beidseits habe die Klägerin nie geklagt. Eine nicht aufgenommene Retropatellararthrose rechts sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Den Gesamt-GdB schätzte er auf 20. Dr. T. teilte in seiner Stellungnahme vom 04.05.2006 mit, der Verlust der Gebärmutter begründe keinen GdB. Er stimme mit den Feststellungen des Beklagten überein. Dr. B. äußerte sich mit Stellungnahme vom 19.06.2006.

Die Klägerin nahm zu den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen Stellung und machte wegen Schulterbeschwerden, einer Retropatellararthrose sowie einer psychischen Erkrankung einen GdB von 50 geltend.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Wolf vom 21.08.2006, in der wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), einem Schulter-Arm-Syndrom, einer Mittelnervendruckschädigung beidseitig operiert (Teil-GdB 10), einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB 10) und einer Harninkontinenz (Teil-GdB 10) bei der Klägerin weiterhin einen GdB von 20 angenommen wurde, der Klage entgegen.

Das SG holte von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. P. , B. W., vom 08.01.2007 ein. Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin auf orthopädischem Gebiet eine rechtskonvexe idiopathische Thorakalskoliose, links lumbal funktionelle Gegenkrümmung, ein degeneratives Pseudoradikulärsyndrom rechts (Teil-GdB 20), ein Schulter-Arm-Syndrom rechts - anamnestisch, eine Kompression des Nervus medianus bds., Karpalspaltung links 4/05, rechts 12/05 mit funktionellen Restbeschwerden (Teil-GdB 10), eine Retropatellararthrose bds. sowie eine chronische Bursitis präpatellaris bds. (Teil-GdB 10; auf orthopädischem Gebiet Teil-GdB 20) und auf nichtorthopädischem Gebiet eine Stressharninkontinenz 1. Grades mit sensibler Urge-Komponente (Teil-GdB 10), eine Gebärmutterentfernung, eine Hyperthyreose und eine Depression / Anpassungenstörung. Zu den funktionellen Auswirkungen einer Schilddrüsenfunktionsstörung sowie insbesondere der Depression / Anpassungsstörung könne aus orthopädischer Sicht keine Stellungnahme gegeben werden. Die Klägerin wandte sich gegen das Gutachten des Dr. P ...

Das SG beauftragte außerdem den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W., H., von Amts wegen mit der Erstattung eines Gutachtens. Diesen Gutachtensauftrag hob das SG auf, nachdem die Klägerin mehrere Untersuchungstermine nicht wahrgenommen hatte. Hiergegen erhob die Klägerin Einwendungen und beantragte, dass sie vom Gutachter untersucht und ihre gesamten Krankheiten und gesundheitlichen Einschränkungen, die sie auflistete, berücksichtigt würden.

Die Klägerin stellte im Verlauf des Klageverfahrens beim VA am 16.08.2006, 14.11.2006 und 11.05.2007 weitere Änderungsanträge auf Erhöhung des GdB sowie am 16.08.2006 und 14.11.2006 gleichzeitig auf Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches Merkzeichen "G", über die noch nicht entschieden wurde.

Mit Urteil vom 04.03.2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien weiter mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die Behinderung degenerative Veränderungen der Wirbelsäule sei unter Berücksichtigung der AHP mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend bewertet. Ein Schulter-Arm-Syndrom erreiche unter Mitberücksichtigung einer Mittelnervendruckschädigung (Carpaltunnelsyndrom) einen Einzel-GdB von 10. Die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks und die vorliegende Stressinkontinenz Grad I hätten ebenfalls jeweils einen Einzel-GdB von 10 zur Folge. Der Verlust der Gebärmutter erreiche keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Ein gesicherter Befund auf psychiatrischem Fachgebiet, der eine zuverlässige Einschätzung erlaube, habe sich im Verfahren nicht gewinnen lassen. Die sonst von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden gingen nicht mit Funktionsbeeinträchtigungen einher, die jeweils einen GdB von wenigstens 10 rechtfertigen. Der Gesamt-GdB betrage weiterhin 20.

Gegen das der Klägerin am 19.03.2008 zugestellte Urteil hat sie am 01.04.2008 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, das Gericht habe ihren gesundheitlichen Gesamtzustand nicht richtig bewertet, sodass ihr auf jeden Fall ein höherer GdB als 20 zustehe. Das SG habe sich im Termin mit ihren Einwendungen nicht auseinandergesetzt und im Urteil nicht berücksichtigt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 4. März 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 25. September 2004 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat u.a. den Arzt D., Dr. H.-C. und Dr. S. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. S. hat in seiner Stellungnahme vom 08.09.2008 mitgeteilt, im Hinblick auf den Behandlungsverlauf könne zum aktuellen Zeitpunkt keine objektive Beurteilung bezüglich der Einschränkung der Leistungsfähigkeit oder im Sinne der Funktionsbehinderung abgegeben werden. Dr. H.-C. teilte in seiner Stellungnahme vom 15.08.2008 unter Vorlage von Befundberichten mit, seit der letzten Stellungnahme sei eine Besserung hinsichtlich des Nervenleidens sowie der davon schwer abgrenzbaren Schilddrüsenerkrankung eingetreten. Aus hausärztlicher Sicht sei der zuerkannte GdB von 20 ausreichend. Der Arzt D. hat in seiner Stellungnahme vom 23.09.2008 mitgeteilt, die Miktionsbeschwerden hätten deutlich zugenommen. Weiter bestehe eine verstärkte Stressharninkontinenz I. - (II) Grades mit Drangkomponente sowie häufiges Wasserlassen im Sinne einer Reizblase, die einen Teil-GdB von 10 rechtfertigten. Der Senat hat außerdem die Nervenärzte Dr. B. und Dr. O., die sich unter dem 15.08.2008 bzw. 14.10.2008 geäußert haben, schriftlich angehört. Die Klägerin hat zu den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen Stellung genommen und hält die Einholung eines orthopädischen Gutachtens für notwendig.

Auf schriftliche Anfragen des Berichterstatters vom 11.08. und 19.08.2008, verbindlich zu erklären, ob Bereitschaft zu einer nervenärztlichen/psychiatrischen Untersuchung im Rahmen einer Begutachtung besteht, hat die Klägerin eine eindeutige Erklärung nicht abgegeben. Am 19.11.2008 hat die Klägerin mit Schreiben vom 01.11.2008 ihre Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hinsichtlich Dr. O., Dr. Sch., Dr. B. und dem Krankenhaus S. H. mit sofortiger Wirkung widerrufen. Ein außerdem gegen den Berichterstatter gerichteter Befangenheitsantrag der Klägerin ist durch Beschluss des Senats vom 04.11.2008 abgelehnt worden. Ein weiterer Befangenheitsantrag der Klägerin gegen die an dem Beschluss vom 04.11.2008 mitwirkenden Richter ist mit Beschluss vom 20.11.2008 abgelehnt worden. Einen erneuten Befangenheitsantrag der Klägerin gegen den Berichterstatter vom 14.12.2008, eingegangen am 19.12.2008, hat der Senat in der öffentlichen Sitzung am 19.12.2008 abgelehnt.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten, insbesondere der Klägerin, wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat trotz Ausbleibens der Klägerin entscheiden können, denn in der den Beteiligten ordnungsgemäß zugegangenen Ladung zum Termin war auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Der Senat hat sich auch nicht veranlasst gesehen, aufgrund der Anrufe der Klägerin den Termin zu verlegen bzw. wegen des am 19.12.2008 eingegangenen Schreibens den Verhandlungstermin zu vertagen. Hinreichende Hinderungsgründe für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Die Verlegung des Sitzungstermins auf einen anderen Wochentag, um dem Arbeitgeber den Rechtsstreit um die GdB-Feststellung nicht offenbaren zu müssen, stellt für den Senat keinen überzeugenden Hinderungsgrund dar, u. a. auch deshalb, weil die Klägerin den Rechtsstreit gerade deshalb führt, um den Kündigungsschutz einer Schwerbe-hinderten zu erhalten, was sie dem Arbeitgeber aber sowieso offen legen müsste. Eine krankheitsbedingte Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit hat die Klägerin nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Abgesehen davon, dass eine Erkrankung nach dem Telefonvermerk der Geschäftsstelle vom 27.11.2008 erst nach Versagung des auf die vorgenannten Gründe gestützten Verlegungsantrages benannt wurde, weshalb der Senat die Glaubhaftmachung dieses gewissen Zweifeln unterliegenden Hinderungsgrundes durch Vorlage eines ärztlichen Attestes verlangen konnte, ist von der Klägerin die von ihr angekündigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihres Arztes oder das im Telefonat mit dem Vorsitzende am 18.12.2008 verlangte ärztliche Attest nicht vorgelegt worden. Der Klägerin ist durchgehend mitgeteilt worden, dass die mündliche Verhandlung stattfindet, es sei denn, ein ärztliches Attest geht bei Gericht ein. In dem Telefonat mit dem Vorsitzenden am 18.12.2008 hat sie die Möglichkeit der Terminswahrnehmung am Folgetag nicht ausgeschlossen, weshalb der Senat auch deshalb keine Veranlassung zur Terminsverlegung hatte.

Die Durchsetzung des angeordneten persönlichen Erscheinens der Klägerin hat der Senat für nicht mehr geboten erachtet, nachdem die Klägerin im Telefonat mit dem Vorsitzenden am 18.12.2008 zu erkennen gegeben hat, sich nicht einer nervenärztlichen Untersuchung unterziehen zu wollen. Ein weiterer Aufklärungsbedarf durch Anhörung der Klägerin und eine damit verbundene Notwendigkeit der Vertagung des Termins bestand daher nicht mehr.

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Kläger hat keinen Anspruch auf Neufeststellung eines höheren GdB als den zuerkannten von 20.

Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz - VRG -) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.

Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites sind die im Klageverfahren gestellten Neufeststellungsanträge der Klägerin, jedenfalls soweit sie die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Merkmale für den Nachteilsausgleich "G" beantragt hat. Hierüber hat der Beklagte wie auch das SG im angefochtenen Urteil nicht entschieden. Dem entspricht auch der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung beim SG gestellte Klageantrag.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).

Auf Antrag des Behinderten stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die AHP heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).

Hiervon ausgehend kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben. Bei ihr ist eine rechtlich relevante Veränderung der gesundheitlichen Verhältnisse, die dem Bescheid des Beklagten vom 28.02.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.1996 zugrunde gelegen haben, nicht festzustellen. Vielmehr ist der GdB bei der Klägerin nach wie vor mit 20 zu bewerten.

Bei der Klägerin steht - auf orthopädischem Fachgebiet - eine Funktionsbehinderungen der Lendenwirbelsäule im Vordergrund, wie Dr. P. in seinem Gutachten vom 08.01.2007 überzeugend ausgeführt hat. Nach den von ihm erhobenen Wirbelsäulenbefunden ist bei der Klägerin von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt auszugehen, die nach den AHP Nr. 26.18 Seite 116 einen Teil-GdB von 20 rechtfertigen. Ein höherer Teil-GdB wegen Wirbelsäulenschäden kommt dagegen bei der Klägerin nicht in Betracht. Ein höherer Teil-GdB ist nach den AHP erst gerechtfertigt bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Teil-GdB 30) oder bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Teil-GdB 30 bis 40), die bei der Klägerin nicht vorliegen. Auch Dr. M. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 27.04.2006 für das Wirbelsäulenleiden der Klägerin einen Teil-GdB von 20 für angemessen angesehen.

Sonstige Funktionsbehinderungen auf orthopädischem Gebiet, die bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen sind, liegen bei der Klägerin nicht vor. Bei der Untersuchung der Klägerin im Rahmen der Begutachtung durch Dr. P. bestanden an den oberen Extremitäten keine Funktionseinschränkungen, die nach den AHP einen bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigenden Teil-GdB rechtfertigen. So waren bei der Klägerin die Schultergelenke, die Ellenbogengelenke, die Unterarmdrehung und die Handgelenke in ihrer Beweglichkeit frei bzw. nicht so erheblich eingeschränkt, dass nach den AHP von einem Teil-GdB von 10 oder höher auszugehen ist. Belastungsbedingte Schulter-Arm-Schmerzen (nach Angaben der Klägerin auftretend zum Beispiel nach drei bis vier Stunden Fenster putzen) sowie eine verminderte Greiffunktion beider Hände, die aufgrund des operierten Carpaltunnelsyndroms eine Funktionsbehinderung bei Belastung erklären, sind nach der überzeugenden Bewertung von Dr. P. mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten und nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht GdB erhöhend zu berücksichtigen. Klinisch konnte bei der Klägerin im Bereich beider Schulter-, Ellenbogen- als auch Handgelenke sonst keine wegweisende Pathologie diagnostiziert werden. Die grobe Kraftentfaltung beider Hände war regelgerecht, weshalb auch der Senat in Übereinstimmung mit dem Beklagten und dem SG einen höheren Teil-GdB als 10 für Funktionsbehinderungen der oberen Extremitäten nicht für gerechtfertigt hält. Dies gilt auch für eine Funktionsbehinderung der Kniegelenke der Klägerin, die ihre Ursache in einer beginnenden Patellararthrose beidseits hat. Hierdurch ist bei der Klägerin beidseits jedoch keine Bewegungseinschränkung verbunden, die nach den AHP Nr. 26.18 Seite 126 einen GdB von wenigstens 20 rechtfertigt. Mit Dr. P. hält deswegen auch der Senat in der Gesamtbewertung der Funktionseinschränkung beider Kniegelenke einen Teil-GdB von 10 für gerechtfertigt. Damit besteht bei der Klägerin - auf orthopädischem Gebiet - nach wie vor ein GdB von 20, wie Dr. P. in seinem Gutachten überzeugend angenommen hat. Dem entspricht auch die Ansicht des Orthopäden Dr. M., der in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen an das SG vom 27.04.2006 auf orthopädischem Gebiet den Gesamt-GdB mit 20 eingeschätzt hat.

Zu einer erneuten Begutachtung der Klägerin auf orthopädischem Gebiet besteht kein Anlass. Dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin zwischenzeitlich dauerhaft verschlimmert hat, ist nicht ersichtlich. Eine dauerhafte Verschlimmerung, die auch nicht substantiiert vorgetragen worden ist, kann insbesondere nicht der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage des Orthopäden Dr. S. vom 08.09.2008 entnommen werden, bei dem sich die Klägerin nach den Angaben des Dr. S. seit September 2007 nicht mehr in der Sprechstunde vorgestellt hat. Er hat keine von früheren Befunden abweichende Diagnosen mitgeteilt. Allein wegen einer hypothetischen Möglichkeit einer Verschlimmerung, die in der Stellungnahme des Dr. S. anklingt, sieht sich der Senat zur Einholung eines weiteren Gutachtens, wie von der Klägerin gefordert, nicht gedrängt. Auch der die Klägerin behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H.-C. hat in seiner vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage vom 15.08.2008 über eine dauerhafte Verschlimmerung des Gesundheitszustandes der Klägerin nicht berichtet.

Auch sonst liegen bei der Klägerin keine Gesundheitsstörungen vor, die Behinderungen hervorrufen, die bei der Bildung des Gesamt-GdB nach den AHP erhöhend zu berücksichtigen sind. Die nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Arztes für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe D. vom 23.09.2008 deutlich zugenommenen Miktionsbeschwerden und eine verstärkte Stressharninkontinenz der Klägerin sind nach Auffassung des Arztes D. mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Diese Bewertung steht nach den von ihm mitgeteilten Befunden in Einklang mit den AHP (Nr. 26.12). Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser Bewertung des Teil-GdB abzuweichen. Bei der Klägerin besteht weiter auch keine bei der Bildung des Gesamt-GdB erhöhend zu berücksichtigende Schilddrüsenerkrankung. Nach den Mitteilungen des Dr. H.-C. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 15.08.2008 liegt bei der Klägerin unter korrekter Einnahme eines Hormonpräparates ein vollständiger Ausgleich der Schilddrüsenfunktion vor. Auch Dr. H.-C. hält - aus hausärztlicher Sicht - den bei der Klägerin zuerkannten GdB von 20 für ausreichend, wie er in seiner Stellungnahme vom 15.08.2008 außerdem mitgeteilt hat. Der Verlust der Gebärmutter begründet als solcher nach den AHP (Nr. 26.14, Seite 95) noch keinen Einzel-GdB von wenigstens 10. Dem entspricht auch die Bewertung des Dr. T. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 04.05.2006 an das SG.

Die von der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. P. sowie die eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Die Klägerin zeigt mit ihren Einwendungen keine objektivierbaren (medizinischen) Gesichtspunkte auf, die das Gutachten von Dr. P. oder die Angaben der sie behandelnden Ärzte in Zweifel ziehen können.

Ob bei der Klägerin Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehen, bedarf keiner Feststellung. Die Klägerin hat dadurch, dass sie auf Nachfrage des Berichterstatters eine eindeutige Erklärung dazu, ob sie sich einer Begutachtung auf diesem Fachgebiet unterzieht, nicht abgegeben und vielmehr im Telefongespräch mit dem Vorsitzenden am 18.12.2008 erneut ihre Ablehnung einer nervenärztlichen Untersuchung hat erkennen lassen, und zudem die von ihr erteilte Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht hinsichtlich der Ärztin für Nervenheilkunde Dr. O., der Ärztin für Neurologie Dr. Sch., des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. sowie dem Krankenhaus S. H. widerrufen hat, deutlich gemacht, dass sie Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet bei der Bewertung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen wünscht, d. h. ausnimmt. Eine im Rentenverfahren angeordnete Begutachtung im Psychiatriezentrum Weinsberg hat den Senat nicht veranlasst, das Ergebnis der Beweisaufnahme abzuwarten, um es evtl. beiziehen zu können. Die Klägerin hat ihre Mitwirkung an dieser Beweisaufnahme von der - offensichtlich nicht erfüllbaren - Bedingung abhängig gemacht, dass Fahrtkosten für den nicht wahrgenommenen Untersuchungstermin in H. bei Dr. W. (Schreiben der Klägerin vom 30.11.2008) bzw. für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Heilbronn (Telefonat am 18.12.2008) erstattet werden. Im Übrigen enthalten die vor der Widerrufserklärung eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. O. und Dr. B. keine Mitteilung von Befunden, die eine geeignete Grundlage für eine verlässliche Bewertung des Einzel-GdB bilden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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