L 10 U 3480/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1071/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3480/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.06.2007 sowie der Bescheid vom 23.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2006 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die durch eine Sehnennaht versorgte Quadrizepssehnenruptur rechts mit narbenbedingter Minderbelastbarkeit der Quadrizepssehne, zusätzlicher Lücke im Ansatzbereich des Musculus vastus lateralis rechts, erheblicher Minderung der groben Kraft und Koordinationsfähigkeit der Quadrizepsmuskulatur rechts sowie Neigung zur Gewebswassereinlagerung im Unterschenkel und Sprunggelenk rechts Folge des Arbeitsunfalls vom 12.07.2005 ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung von Unfallfolgen.

Der im Jahre 1946 geborene Kläger ging am 12.07.2005 gegen 9:45 Uhr im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Qualitätsprüfer der Fa. A. S. GmbH vom Konstruktionsbüro in den eine Etage darunter gelegenen Fertigungsbereich. Am Fuße der Treppe verlor er das Gleichgewicht und fing seinen Körper mit einem Gewicht von seinerzeit rund 135 kg mit dem rechten Bein ab. Hierbei riss die Quadrizepssehne im rechten Oberschenkel am oberen Rand der Patella, worauf der Kläger zu Boden stürzte.

Die Erstbehandlung der Sehnenruptur erfolgte noch am Vormittag des 12.07.2005 durch den Chefarzt der Unfallchirurgie der H.-Kliniken Priv.-Doz. Dr. P. , der in seinem Durchgangsarztbericht Zweifel am Vorliegen eines Arbeitsunfalles äußerte und eine Abklärung durch die Beklagte empfahl. Am 14.07.2005 wurde die Ruptur im genannten Klinikum durch eine Sehnennaht versorgt. Die anschließende pathologische Untersuchung entnommener Gewebeproben der Sehne durch Prof. Dr. F. erbrachte stark ausgefaserte rissartige Defekte mit frischen Fibrinauflagerungen sowie kleinen - nach Einschätzung des Pathologen ausgerissenen - Knochenanteilen mit der Diagnose einer mittel- bis hochgradigen degenerativen Tendopathie ohne Hinweis auf Malignität oder Granulombildung.

Nach Einholung beratungsärztlicher Stellungnahmen der Fachärztin für Chirurgie/Unfall-chirurgie Dr. K. lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 23.11.2005 ab. Unter Berücksichtigung des vom Kläger angegebenen Unfallherganges und der durchgeführten feingeweblichen Untersuchung der entnommenen Proben der gerissenen Sehne seien die Kriterien eines Arbeitsunfalles nicht erfüllt. Vielmehr stelle die Gewichtsverlagerung auf das rechte Bein nur eine rechtlich nicht wesentliche Ursache für die Ruptur der Quadrizepssehne dar, die bei jeder anderen plötzlichen Anspannung der Oberschenkelmuskulatur auch gerissen wäre.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2006 im Wesentlichen aus den Gründen der Ausgangsentscheidung zurück.

Am 19.04.2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Konstanz Klage erhoben. Das Sozialgericht hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Neurologen und Psychiaters Dr. A. (1995 Untersuchung einer gelegentlichen Quadrizepsschwäche rechts sowie eines Wurzelreizsyndroms S1 und Zurückführung derselben auf Wurzelkanalstenosen L3/4, L4/5 beidseits sowie einen medio-lateralen Bandscheibenvorfall, ferner Diagnose einer beidseitigen Hüftgelenksarthrose oder Coxitis; 2006 Bestätigung der Oberschenkelverletzung mit Quadrizepssehnenruptur rechts) und des Orthopäden Z. (Behandlung von September bis Oktober 2006 wegen chronischer Schleimhautentzündung des rechten Kniegelenkes mit Ergussbildung, athroskopische Diagnose eines alten vorderen Kreuzbandschadens, eines Innenmeniskusschadens und eines Knorpelschadens mediale Femurcondyle, von den Knieschäden unabhängige Quadrizepssehnenruptur rechts im Jahre 2005) eingeholt. Ferner hat der Orthopäde Dr. K. das vom Sozialgericht von Amts wegen in Auftrag gegebene schriftliche Sachverständigengutachten vom 04.01.2007 erstattet. Darin sind auf orthopädischem Fachgebiet die Diagnosen operativ behandelter Quadrizepssehnenriss rechter Oberschenkel, Gonarthrose Grad III und beginnende Coxarthrose beidseits sowie degeneratives LWS-Syndrom mit Spondylosis deformans Grad II bis III aufgeführt. Angesichts der Vorschädigung des Bandes und des nicht zu einer übermäßigen Beanspruchung und Bewegung führenden Schadensmechanismusses liege ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Quadrizepssehnenruptur nicht mit Wahrscheinlichkeit vor.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.06.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten von Dr. K. ausgeführt, das Ereignis vom 12.07.2005 sei nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Am 16.07.2007 hat der Kläger Berufung eingelegt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat das schriftliche Sachverständigengutachten des Leitenden Oberarztes der Allgemein- und Unfallchirurgie des Kreiskrankenhauses B. in H. , Dr. R. , vom 21.11.2007 eingeholt. Dieser hat Arthroskopieberichte von Dr. H. vom 15.05.2003 sowie von Dr. Z. vom 04.10.2006 beigezogen und auf unfallchirurgischem Fachgebiet die Diagnosen Zustand nach operativer Naht einer Quadrizepssehnenruptur rechts, Zustand nach Ruptur des vorderen Kreuzbandes rechtes Kniegelenk, Zustand nach athroskopischer Innenmeniskusresektion links [gemeint rechts] 2003, Zustand nach athroskopischer Gelenkkörperentfernung nebst Innenmeniskus- und Knorpelglättung rechtes Kniegelenk 9/2006 sowie Gonarthrose beidseits gestellt. Überragende wesentliche Teilursache für die Quadrizepssehnenruptur sei die Überbeanspruchung der vorgestreckten Sehne durch Zugbelastung infolge der unwillkürlichen und abrupten Beugung des rechten Beines. Schwergradige degenerative Veränderungen der Sehne ließen sich nicht nachweisen, so dass diesen Veränderungen keine überragende Bedeutung zukomme. Mit Wahrscheinlichkeit ebenfalls unfallbedingt sei die in der Vergangenheit übersehene Kreuzbandruptur. Als unfallbedingte Funktionsstörungen bestünden eine Narbe mit konsekutiver Minderbelastbarkeit der Quadrizepssehne und zusätzlicher Lücke im Ansatzbereich des Musculus vastus lateralis rechts, eine erhebliche Minderung der groben Kraft und Koordinationsfähigkeit der Quadrizepsmuskulatur rechts, eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes mit Instabilität und Schubladenphänomen rechtes Kniegelenk sowie eine Neigung zur Gewebswassereinlagerung im Unterschenkel und Sprunggelenk rechts mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v. H.

Der Kläger ist der Auffassung, die Ruptur seiner Quadrizepssehne sei unfallbedingt und trägt vor, er habe zwischenzeitlich aufgrund einer durch die Minderbelastbarkeit seines rechten Beines entwickelten Fehl- und Schonhaltung erhebliche Beschwerden im linken Knie und in beiden Hüftgelenken. Hierzu hat er einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. S. über eine am 11.07.2008 durchgeführte Magnetresonanztomografie des linken Knies (schwere degenerative Veränderungen im Bereich des medialen Kompartementes, Knorpelschaden und ausgeprägte Meniskopathie, ausgeprägte und zum Teil erhebliche Chondropathia patellae, Teilläsion vorderes Kreuzband) und ein von Dr. K. am 26.08.2008 im parallelen Schwerbehindertenverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz - S 6 SB 1746/07 - erstattetes Sachverständigengutachten (zusätzlich zu den im Gutachten vom 04.01.2007 angeführten Gesundheitsbeeinträchtigungen: mediale Meniskopathie links, degeneratives cervikales und thorakales Wirbelsäulensyndrom, Supra- und Infraspinatussehnentendinitis der Schultergelenke links mehr als rechts sowie Polyarthrose der rechten Hand) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27.06.2007 sowie den Bescheid vom 23.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2006 aufzuheben und festzustellen, dass seine Quadrizepssehnenruptur Folge des Arbeitsunfalls vom 12.07.2005 ist.

Die Beklagte verteidigt die angegriffenen Entscheidungen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter hat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 18.09.2008 die Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der aktenkundigen Angaben des Klägers zum Hergang des Ereignisses sowie der von Dr. R. angenommenen Gesundheits(-erst-)schäden (Quadrizepssehnenruptur und Kreuzbandruptur rechts) mit den Beteiligten erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Konstanz sowie die beigezogenen Unfallakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG ).

Die Berufung des Klägers ist zulässig und in der sich aus dem Tenor ergebenden (sachdienlichen) Fassung begründet.

Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung mit der Begründung ablehnt, es sei kein Versicherungsfall, hier kein Arbeitsunfall (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch SGB VII), eingetreten, ist die vom Kläger neben der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG mit dem Ziel der Aufhebung der ablehnenden - und auch einer zukünftigen Leistungsgewährung entgegenstehenden - Bescheide erhobene und auf gerichtliche Feststellung von Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen gerichtete Feststellungsklage gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft.

Das auch im Übrigen zulässige, die erst 14 Monate nach dem Unfallereignis durch den Orthopäden Z. diagnostizierte Kreuzbandruptur rechts nach dem Ergebnis der nichtöffentlichen Sitzung vom 18.09.2008 nicht (mehr) umfassende Klagebegehren hat in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Denn er hat Anspruch auf Feststellung der operativ behandelten Quadrizepssehnenruptur rechts sowie der hierauf beruhenden weiteren Gesundheitsstörungen als Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.07.2005 (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 11/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr.14), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu¬rechnen ist (innerer bzw. sach¬licher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten ver¬ursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfall¬folgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Vor¬aussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die vom Kläger am 12.07.2005 im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten Berufstätigkeit erlittene Quadrizepssehnenruptur rechts als Primärschaden eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII anzusehen.

Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kläger am 12.07.2005 beim Treppabgehen am Fuße der Treppe wegen einer verrutschten Fußmatte mit dem linken Fuß keinen Halt fand, seinen rund 135 kg schweren Körper mit dem rechten Bein abfing, hierbei die Quadrizepssehne im rechten Oberschenkel am oberen Rand der Patella riss und er zu Boden stürzte. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben des Klägers in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.04.2006 und vom 19.03.2007 sowie gegenüber den gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. und Dr. R. im Rahmen der Begutachtungen am 19.12.2006 und am 15.11.2007.

Die Glaubhaftigkeit dieser übereinstimmenden Schilderungen des angeführten Geschehensablaufs wird zunächst nicht durch die Ausführungen in der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 19.07.2005, der Kläger habe die letzte Stufe übersehen und sei zu Boden gestürzt, in Frage gestellt. Denn diese erst eine Woche nach dem Ereignis von am Geschehen nicht beteiligten Dritten und zudem nur kursorisch gefertigte Mitteilung des Sachverhalts bietet schon für sich allein keine Gewähr für die inhaltliche Richtigkeit der Angabe zum Grund des Sturzes oder für entsprechende Angaben des Klägers. Insbesondere Letzteres ist angesichts der vom Kläger bereits rund eine Stunde nach dem Unfall gegenüber dem Durchgangsarzt gemachten Angabe, er sei auf der gewünschten Etage angekommen an der Kante einer Gummimatte ruckartig ausgerutscht, im rechten Knie weggeknickt und auf die rechte Seite gestürzt (vgl. hierzu den Durchgangsatzbericht von Priv.-Doz. Dr. P. vom 12.07.2005) im Gegenteil auszuschließen.

Im Ergebnis nichts anderes gilt insoweit, als die Schilderung gegenüber dem Durchgangsarzt sowie die damit im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben im vom Kläger am 10.08.2005 ausgefüllten Fragebogen (Umknicken auf der letzten Treppenstufe aufgrund einer schief stehenden Fußmatte am Treppenende, dadurch Wegsacken des rechten Fußes, der das ganze Gewicht tragen musste, und folgender Sturz) sowie im auf Anforderung der Beklagten gefertigten Bericht der Arbeitgeberin des Klägers vom 06.09.2005 (Ausrutschen auf der vor der Treppe liegenden ca. 2,5 cm dicken und verrutschten Gummimatte im Erdgeschoss, beim Auftreten mit dem gesamten Körpergewicht auf den rechten Fuß starkes Schmerzempfinden im rechten Oberschenkel und Zusammensacken) eine Beteiligung des linken Fußes am Unfallereignis nicht ausdrücklich erwähnen. Denn diese im Verwaltungsverfahren dokumentierten und erkennbar summarischen Angaben schließen die besagte Beteiligung des linken Fußes nicht nur nicht aus. Vielmehr ergibt sich aus diesen Angaben ohne Weiteres eine von der Beklagten im Ausgangsbescheid vom 23.11.2005 auch angenommene Gewichtsverlagerung auf das rechte Bein, als deren Ursache zuvörderst der vom Kläger in der Folgezeit auch ausdrücklich angeführte Verlust des Halts des linken Fußes in Betracht kommt.

Schließlich kommt es darauf, ob der Kläger mit dem linken Bein den Halt verlor, weil er wegen der verrutschten Fußmatte ausrutschte (vgl. hierzu den Durchgangsatzbericht von Priv.-Doz. Dr. P. vom 12.07.2005, den Bericht der Arbeitgeberin des Klägers vom 06.09.2005 und die Klagebegründung vom 12.04.2006 sowie den Schriftsatz vom 19.03.2007) oder umknickte (vgl. den vom Kläger am 10.08.2005 ausgefüllten Fragebogen) bzw. sich in dieser verfing (vgl. das Gutachten von Dr. K. vom 04.01.2007) oder sie verfehlte (vgl. das Gutachten von Dr. R. vom 21.11.2007) ebenso wenig an, wie auf den Grund der Unachtsamkeit ("möglicherweise" wegen des Blicks auf einen Plan [vgl. das Gutachten von Dr. K. vom 04.01.2007] bzw. wegen Problemen beim Aufsetzen eines Sicherheitshelms [vgl. das Gutachten von Dr. R. vom 21.11.2007]). Dass die in Rede stehenden Angaben des Klägers nicht gänzlich in Übereinstimmung zu bringen sind, ist mit Blick auf die Frage, auf welche Weise er mit seinem linken Fuß den Halt verlor, nicht nur darauf zurückzuführen, dass sich das gesamte Geschehen innerhalb eines äußerst kurzen Zeitraums abspielte und es daher für den Unfallverletzten kaum in seinen sämtlichen Einzelheiten zu rekonstruieren ist (so i.Ü. auch Dr. R. im Gutachten vom 21.11.2007). Vielmehr ist es darüber hinaus dem Zeitablauf sowie dem Umstand zuzuschreiben, dass der Kläger dem Grund für den Gleichgewichtsverlust als Nebenaspekt ersichtlich keine besondere Bedeutung zugemessen hat. Gleiches gilt für die angeführten Angaben zur Frage des Grundes der Unachtsamkeit.

Greifen nach alledem die von der Beklagten in der nichtöffentlichen Sitzung vom 18.09.2008 geltend gemachten Bedenken an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zum (maßgeblichen) Hergang des Unfallereignisses nicht durch und hegt der Senat auch im Übrigen keinen Zweifel an der zutreffenden Schilderung des (maßgeblichen) Sachverhalts durch den Kläger, so ist der rechtlichen Beurteilung der oben angeführte Geschehensablauf zu Grunde zu legen.

Hiervon ausgehend wurde die Ruptur der rechten Quadrizepssehne des Klägers zunächst durch den Versuch, seinen aus dem Gleichgewicht geratenen Körper mit dem rechten Bein abzufangen, verursacht.

Hierzu hat der gerichtliche Sachverständige Dr. R. schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass schon die unter Berücksichtigung des Körpergewichts des Klägers von seinerzeit 135 kg aus der Bewegung heraus abzubremsende kinetische Energie eine erhebliche Erhöhung der auf die Sehne einwirkenden Kräfte zur Folge hatte. Hinzu kam, dass das muskulär festgestellte Gelenk nicht koordiniert und willentlich, sondern unwillkürlich und abrupt in die Beugung gezwungen wurde, was zu einer plötzlichen Spitzenbelastung und Überbeanspruchung der vorgestreckten Sehne durch Zugbelastung führte, weshalb sie zerriss. Die von Dr. R. dargelegte Überschreitung der Belastungsgrenze wird durch die pathologische Begutachtung von Prof. Dr. F. vom 15.07.2005 bestätigt. Denn dabei fanden sich an den im Rahmen der Operation des Klägers entnommenen Gewebeproben nicht nur Zeichen einer frischen Ruptur wie stark ausgefaserte rissartige Defekte mit frischen Fibrinauflagerungen, sondern auch kleine, nach Einschätzung des Pathologen ausgerissene Knochenanteile als Zeichen einer hohen Zugbelastung der gerissenen Sehne.

Die mithin überzeugende Einschätzung des Sachverständigen Dr. R. wird durch die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. und das Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 04.01.2007 im Ergebnis nicht in Frage gestellt. Denn Dr. K. und Dr. K. gehen ebenso wie Dr. R. davon aus, dass ein Abfangen des Körpergewichts mit einem Bein zu einem Riss der Quadrizepssehne zu führen vermag, verneinen aber unzutreffend einen solchen Sachverhalt (Dr. K.) oder ohne weitere Begründung eine übermäßige Beanspruchung und Bewegung (Dr. K.).

War danach das über eine alltägliche Belastung hinausgehende Unfallereignis für den Riss der Quadrizepssehne des Klägers ursächlich, so ist es auch im Rechtssinne als wesentlich anzusehen. Denn konkurrierende Ursachen mit überragender Bedeutung liegen nicht vor. Dies gilt zum einen mit Blick auf die in der erstinstanzlich eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Psychiaters Dr. A. berichtete gelegentliche Quadrizepsschwäche rechts im Jahre 1995, die vom genannten Arzt nicht auf eine Sehnenschwäche, sondern auf im Zusammenhang mit Stenosen im Bereich der Lendenwirbelsäule stehende neurologische Ursachen zurückgeführt wurde. Es gilt aber auch und insbesondere in Bezug auf die im Unfallzeitpunkt bestehenden degenerativen Veränderungen der Sehne. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass auf Grund dieser Veränderungen eine Krankheitsanlage bestand, die so leicht ansprechbar war, dass bereits ein alltägliches Ereignis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Ruptur geführt hätte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine mittel- bis hochgradige degenerative Tendopathie vorlag (bejahend: die pathologische Begutachtung von Prof. Dr. F. vom 15.07.2005; verneinend das Gutachten von Dr. R. ). Denn der Umstand, dass der am oberen Rand der Patella erfolgte Abriss der Sehne - wie bereits oben ausgeführt - nicht nur mit Einblutungen, sondern nach der Beurteilung von Prof. Dr. F. darüber hinaus mit dem Ausriss von Knochenanteilen verbunden war, zeigt deren seinerzeit noch vorhandene Zugfestigkeit, die einen Riss nicht schon bei alltäglicher Belastung, wie z. B. dem vom Kläger bis unmittelbar vor dem Verlust des Gleichgewichts problemlos bewältigten Treppensteigen, befürchten ließ. Erforderlich war vielmehr eine darüber hinausgehende außergewöhnlich hohe Zugbelastung der gerissenen Sehne.

Als Folge des vom Kläger nach alledem am 12.07.2005 erlittenen Arbeitsunfalls sind die durch die mit einer Sehnennaht versorgten Quadrizepssehnenruptur verursachten Gesundheitsstörungen, nämlich eine narbenbedingte Minderbelastbarkeit der Quadrizepssehne, eine zusätzliche Lücke im Ansatzbereich des Musculus vastus lateralis rechts, eine erhebliche Minderung der groben Kraft und Koordinationsfähigkeit der Quadrizepsmuskulatur rechts sowie eine Neigung zur Gewebswassereinlagerung im Unterschenkel und Sprunggelenk rechts festzustellen. Auch insoweit folgt der Senat dem überzeugenden Gutachten von Dr. R ...

Die vom Kläger unter Hinweis auf eine durch die Minderbelastbarkeit seines rechten Beines entwickelte Fehl- und Schonhaltung darüber hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen im linken Knie und in beiden Hüftgelenken sind nicht als Unfallfolgen festzustellen. Insoweit ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die von Dr. K. im für das Sozialgericht erstatteten Sachverständigengutachten vom 04.01.2007 und im vom Kläger vorgelegten Sachverständigengutachten vom 26.08.2008 aus dem parallelen Schwerbehindertenverfahren vor dem Sozialgericht Konstanz - S 6 SB 1746/07 - übereinstimmend diagnostizierten beginnende Coxarthrose (Hüftgelenksarthrose) beidseits lag ausweislich der vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen und Psychiaters Dr. A. bereits im Jahre 1995 vor und ist mithin nicht auf den Unfall zurückzuführen.

Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der in den genannten Gutachten von Dr. K. ebenfalls übereinstimmend gestellten Diagnose Gonarthrose (Kniegelenksarthrose) Grad III beidseits. Nachdem sich diese Gesundheitsstörung während des zwischen den Untersuchungen durch den Sachverständigen verstrichenen Zeitraums von mehr als eineinhalb Jahren nicht verschlechtert hat und nicht nur am nach Angaben des Klägers unfallbedingt fehlbelasteten linken, sondern auch rechten Knie vorliegt, spricht nichts dafür, dass sie ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Demgemäß hat Dr. R. die auch von ihm diagnostizierte Gonarthrose beidseits zutreffend nicht als unfallbedingt eingestuft.

Was schließlich die von Dr. K. im Gutachten vom 26.08.2008 unter Berücksichtigung sowohl des Befundberichts des Neurologen und Psychiaters Dr. S. über die am 11.07.2008 durchgeführte Magnetresonanztomografie als auch der dabei gefertigten Aufnahmen angeführte mediale Meniskopathie links betrifft, ist angesichts des Umstandes, dass bereits vor dem Unfall degenerative Meniskusschädigungen auch am rechten Knie aufgetreten waren (vgl. hierzu den von Dr. R. beigezogenen Arthroskopiebericht von Dr. H. vom 15.05.2003) ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall nicht hinreichend wahrscheinlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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