S 12 KA 223/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 223/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 1/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einer Verlegung des Vertragsarztsitzes (hier: Psychologische Psychotherapeutin) in einen stärker überversorgten Teilbereich des Planungsbereichs stehen Versorgungsgründe entgegen.
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschuss
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Verlegung des Vertragsarztsitzes von C-Stadt nach A Stadt.

Die Klägerin ist Kinder- und Jugendlichen- und Psychologische Psychotherapeutin. Sie wurde zunächst als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit Praxissitz in C-Stadt, C-Straße im Wege der Sonderbedarfszulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen (Beschluss des Beklagten vom 22.10.2008 aufgrund des Widerspruch der Klägerin gegen den ablehnenden Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen vom 13.09.2007). Sie besitzt die Anerkennung für das Richtlinienverfahren Verhaltenstherapie. Den Sitz verlegte sie nach A-Stadt, A-Straße (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14.06.2012). In der Antragsbegründung zur Praxisverlegung hatte sie darauf hingewiesen, sie habe nunmehr Räumlichkeiten auf dem eigenen Grundstück zur Verfügung. Der Zulassungsausschuss Psychotherapie ließ sie mit Beschluss vom 18.06.2015 im Wege der Nachfolgezulassung als Psychologische Psychotherapeutin für den Praxissitz C-Stadt, D-Straße mit hälftigem Versorgungsauftrag zu, worauf die Klägerin auf einen hälftigen Versorgungsauftrag als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit Praxissitz in A-Stadt verzichtete. Den Sitz verlegte sie innerhalb C-Stadts in die A-Straße, C-Stadt.

Die Klägerin beantragte am 09.01.2015 die Verlegung des Vertragspsychotherapeutensitzes mit hälftigem Versorgungsauftrag als Psychologische Psychotherapeutin von C-Stadt nach A-Stadt.

Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen empfahl unter Datum vom 11.06.2015, den Antrag abzulehnen. Beide Standorte seien ca. 19 km entfernt. Der Planungsbereich A-Kreis sei mit 323,78 % überversorgt. Im Planungsbereich A-Kreis mit 229.XXX Einwohnern seien 127 Psychotherapeuten mit 97,3 Versorgungsaufträgen zugelassen. Es handele sich um 18 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, 87 Psychologische Psychotherapeuten, fünf Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, zehn psychotherapeutisch tätige Ärzte und sieben Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin. Die psychotherapeutischen Praxen konzentrierten sich überwiegend auf den Vordertaunus mit den Städten A-Stadt, D-Stadt, E-Stadt, F-Stadt und G-Stadt. In C-Stadt selbst seien derzeit - einschl. der Klägerin - zwei Psychologische Psychotherapeuten und ein Facharzt für Psychosomatische Medizin mit insgesamt 2,5 Versorgungsaufträgen niedergelassen. Eine Patientenanalyse der Praxis der Klägerin im Quartal III/14 habe ergeben, dass der Hauptteil der Patienten - ca. 63 % - aus C-Stadt und weiteren Orten aus dem A-Gebiet (H-Stadt, I-Stadt, J-Stadt und K-Stadt) stammten, ca. 11 % stammten aus dem Bereich B-Gebiet, weitere ca. 11 % aus B-Stadt und L Stadt. Alle 16 im A-Gebiet tätigen Psychotherapeuten würden insgesamt mit 127 % überdurchschnittlich abrechnen. Vor dem Hintergrund der ländlichen Struktur im Norden des Planungsbereiches werde die Verschärfung mittels einer faktischen Überprüfung der Einwohnerzahlen im nördlichen und südlichen Bereich des A-Kreises und der für diese Einwohner zur Verfügung stehenden Psychotherapeuten nochmals verdeutlicht. Im Norden kämen 3.XXX Einwohner auf einen Psychotherapeuten, im Süden 2.XXX Einwohner. Der Gesetzgeber habe mit dem Versorgungsstrukturgesetz insb. die Stärkung der Versorgung im ländlichen Raum bezweckt. Psychotherapeuten gehörten zur allgemeinen fachlichen und damit der wohnortnahen Versorgung. Die Konzentration auf den südlichen Teil des A-Kreises stehe einem flächendeckenden Versorgungsangebot grundsätzlich entgegen.

Die Klägerin trug unter Datum vom 17.06.2015 vor, in A-Stadt seien derzeit nur zwei Psychotherapeuten mit Zulassung für Erwachsene niedergelassen. In welchem Umfang sei ihr nicht bekannt. C-Stadt liege nur wenige Kilometer (Bahnhof zu Bahnhof 13,5 km, Stadtgrenzen 8,5 km) von A-Stadt entfernt und es befänden sich lediglich 2 Bahnhaltestellen dazwischen. Die von der Beigeladenen zu 1) angegebene Strecke von 19 Kilometern resultiere daraus, dass ihre Praxisvorgängerin in C-Stadt die Praxis in einem recht abgelegenen Teil von C-Stadt gehabt habe, die darüber hinaus in Bezug auf öffentliche Verkehrsmittel nur mit einem Bus zu erreichen sei. Ihre Praxis in A-Stadt befinde sich in 10 bzw. 2 Gehminuten von den nächsten Bahnhaltestellen der Bahnlinie S-x bzw. X-Bahn. Diese verlaufe über C-Stadt, I-Stadt, K-Stadt bis M-Stadt. Außerdem befinde sich die Umgehungsstraße ganz in ihrer Nähe. Verkehrstechnisch liege ihre Praxis ideal. Ihre Patienten (Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche) stammten überwiegend aus A-Stadt und weiteren noch ländlicheren Gemeinden, was sie im Einzelnen weiter ausführte.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 18.06.2015, ausgefertigt am 12.11.2015, den Antrag ab. Zur Begründung griff er im Wesentlichen die Ausführungen der Beigeladenen zu 1) in deren Stellungnahme auf.

Hiergegen legte die Klägerin am 01.12.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, C-Stadt habe mit 9.XXX Einwohnern aktuell 2,5 Psychotherapeutensitze für Erwachsene, während A-Stadt mit 25.XXX Einwohnern nur 2 Psychotherapeutensitze habe. D-Stadt habe mit 51.XXX Einwohnern 57 Psychotherapeutensitze, E-Stadt habe mit 43.XXX Einwohnern 16, I-Stadt mit 15.XXX Einwohnern 5, K-Stadt mit 13.XXX Einwohnern 5, C-Stadt mit 9.XXX Einwohnern 2,5 und J-Stadt mit 8.XXX Einwohnern 2 Psychotherapeutensitze. Damit sei A-Stadt mit Therapieplätzen für Erwachsene wesentlich geringer versorgt als z.B. K-Stadt. In E-Stadt, D-Stadt und A Stadt seien hunderte von Flüchtlingen aufgenommen worden. Die Therapieplätze für Erwachsene in C-Stadt seien nicht völlig ausgeschöpft. Bei den beiden Kolleginnen bestehe nur eine Auslastung von 80 % bzw. 88 %. Der Praxissitz in C-Stadt sei praktisch nur mit einem PKW oder Taxi zu erreichen. Ihre Praxis in A-Stadt sei verkehrstechnisch wesentlich besser angebunden. Das GKV-VSG sei erst zum 01.08.2015 in Kraft getreten und gelte für sie nicht, da sie en Antrag bereits im Januar 2015 gestellt habe.

Die Beigeladene zu 1) wies in ihrer Stellungnahme vom 07.03.2016 auf eine Entscheidung des LSG Hessen vom 16.05.2014 – L 4 KA 25/14 B ER - hin und führte weiter aus, an den in C-Stadt tätigen psychotherapeutischen Versorgungsaufträgen hätten sich nach ihrer letzten Stellungnahme keine Veränderungen ergeben. Eine aktuelle Patientenwohnortanalyse der Klägerin aus dem Quartal III/15 der Praxis in C Stadt verdeutliche, dass 33 % der Patienten aus D-STadt, 27 % aus A-Stadt, jeweils 10 % aus E-Stadt und aus N-Stadt stammten. Darüber hinaus kämen einzelne Patienten aus O-Stadt, K-Stadt, P-Stadt, Q-Stadt und B-Stadt. Vergleiche man die Patientenanzahl der Patienten aus dem B- bzw. A-Gebiet, so zeige sich, dass die überwiegende Anzahl der Patienten aus dem B-Gebiet stamme. Hinsichtlich der Verteilung der Psychotherapeuten verweise sie auf ihre vorherige Stellungnahme. Die Abrechnungsanalyse der Vorgängerin der Klägerin verdeutliche zudem, dass diese überwiegend Patienten aus dem A-Gebiet behandelt habe. Auffallend sei, dass die Patienten aus dem A-Gebiet nunmehr anderweitig in eine Therapie hätten aufgenommen werden müssen.

Die Klägerin erwiderte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2016, in der Niederlassungsberatung der Beigeladenen zu 1), die sie vor Sitzübernahme aufgesucht habe, habe man keine Probleme für eine Praxisverlegung gesehen. Sie müsse die Praxisräume in C-Stadt verlassen. Es handele sich um das Privathaus der abgebenden Ärztin. Diese habe ihre ärztliche Tätigkeit mittlerweile gänzlich eingestellt, sodass eine Nutzung von Praxisräumen in diesem Privathaus nicht mehr in Betracht kommt. Sie müsse den halben Vertragsarztsitz verlegen. Die Voraussetzungen für die gleichzeitige Genehmigung einer Zweigpraxis lägen nicht vor. Ferner wies sie erneut auf die unterschiedliche verkehrstechnische Anbindung beider Standorte, die Herkunft ihrer Patienten und die Verteilung der Psychotherapeutensitze hin.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 23.03.2016, ausgefertigt am 25.04.2016 den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei Inhaberin von zwei unterschiedlichen vertragspsychotherapeutischen Zulassungen. Beide Zulassungen seien unabhängig voneinander zu betrachten. Bei der Frage, ob die Verlegung eines dieser beiden Sitze möglich sei, sei der jeweils betroffene Sitz für sich zu betrachten. Aus der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) gehe eindeutig hervor, dass im gesamten Bereich des A-Kreises zwar eine erhebliche Überversorgung bestehe, innerhalb dieses Planungsbereichs aber ein starkes Missverhältnis der Versorgung im südlichen Bereich des Vordertaunus zur Versorgungslage im nördlichen Bereich, dem A Gebiet festzustellen sei. Eine Verschlechterung der Versorgung trete dann ein, wenn sich der Status quo zum schlechteren hin verändere. Durch die Verlegung des Psychotherapeutensitzes von C-Stadt nach A-Stadt würde eine weitere Konzentration der im Planungsbereich vorhandenen Praxissitze im südlichen Bereich des Planungsbereichs eintreten und damit eine Perpetuierung des bereits vorhandenen Missverhältnisses. Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen sei eine solche Verlegung generell nicht genehmigungsfähig. Trotz der von der Klägerin geschilderten verkehrstechnischen Anbindung zeige der Umstand, dass die Praxisvorgängerin der Klägerin überwiegend auch Patienten aus dem A-Gebiet behandelt habe, dass der Sitz einen Beitrag zu der psychotherapeutischen Versorgung im Bereich des A-Gebiet darstelle. Eine Verlegung des Praxissitzes innerhalb C-Stadts könne grundsätzlich genehmigt werden. Ein Abwägungsspielraum komme ihm eben nicht zu. Eine bessere verkehrliche Infrastruktur am neuen Praxisort könne daher nicht als Argument für eine Verlegung dienen, wenn festgestellt werden müsse, dass durch die Verlegung der bestehenden Missverhältnisse der Verteilung von Vertragspsychotherapeutensitzen innerhalb eines Planungsbereiches perpetuiert werde.

Hiergegen hat die Klägerin am 24.05.2016 die Klage erhoben.

Der Zulassungsausschuss hat mit Beschluss vom 15.09.2016 die Verlegung der Praxis von C-Stadt, D-Straße nach C-Stadt, E-Straße mit Wirkung zum 01.10.2016 genehmigt.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, folge man der Argumentation des Beklagten, würde jeder Sitzverlegung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung "entgegenstehen", wenn nicht zugleich ein anderer Leistungserbringer mit gleichem Versorgungsauftrag am gleichen Ort tätig werde. Zur Freiberuflichkeit müsse es auch gehören, dass der einzelne Leistungserbringer z.B. wirtschaftliche Erwägungen anstelle, an welchem Ort genau die Praxis geführt wird bzw. geführt werden solle. Mit dem Wort "entgegenstehen" könne also nur eine Verlegung gemeint sein, die insgesamt im Planungsbereich zu einem Ungleichgewicht führe. Auch im nördlichen Teil komme es nicht zu einer "Unterversorgung" mit der Folge der Prüfung, ob sogar ein Sonderbedarf bestehe. Als psychologische Psychotherapeutin könne sie automatisch auch Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie wahrnehmen, da sie die Fachkunde habe. Sie habe mittlerweile in C-Stadt Räume als Untermieterin angemietet und eine Sitzverlegung beantragt.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 23.03.2016 den Beklagten zu verurteilen, die Verlegung des Vertragspsychotherapeutensitzes von C-Stadt, E-Straße, nach A Stadt, A Straße zu genehmigen,
hilfsweise
den Beklagten zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV räume den Zulassungsgremien kein Ermessen des Inhalts ein, dass sie eine Abwägung der Vorteile des alten und des neuen intendierten Praxisortes gegeneinander vornehmen dürften. Vielmehr sei die beantragte Genehmigung zwingend zu versagen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstünden. Durch die Aufgabe des Praxissitzes sei eine Einbuße in der Versorgungsqualität zu gewärtigen. Die Klägerin könne zwar von ihrem Standort C-Stadt auch Kinder und Jugendliche behandeln, dies gelte jedoch nicht umgekehrt für den Standort A-Stadt, dort könne sie keine Erwachsenen behandeln, da sie im Wege der Sonderbedarfszulassung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zugelassen sei. Nach der Pressemitteilung des Bundessozialgerichts bestätige die Entscheidung vom 03.08.2016 - B 6 KA 31/15 R -, dass innerhalb eines insgesamt gut versorgten oder überversorgten Planungsbereichs dann keine Verlegungen statthaft seien, wenn hierdurch das relative Ungleichgewicht der Versorgung innerhalb des Gesamtplanungsbereichs weiter verstärkt werde. Dies wäre gerade vorliegend aber der Fall, wenn dem Begehren der Klägerin gefolgt würde.

Die übrigen Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 25.05.2016 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG). Sie konnte dies trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 3) bis 7) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Ginge man von einer Erledigung des Rechtsstreits aufgrund des Umzugs der Klägerin mit ihrer Praxis innerhalb C-Stadts aus, dann wäre jedenfalls eine Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, da die Klägerin weiterhin die C Stadter Praxis nach A-Stadt verlegen will.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 23.03.2016 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verlegung des Vertragsarztsitzes von C-Stadt nach A-Stadt oder auf Neubescheidung ihres Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Anspruchsgrundlage für eine Verlegung des Vertragsarztsitzes ist § 24 Abs. 7 Satz 1 Ärzte-ZV in der seit dem 01.01.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl I 2983). Danach darf der Zulassungsausschuss den Antrag eines Vertragsarztes auf Verlegung seines Vertragsarztsitzes nur genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer keine Veranlassung hat, begründet die Vorschrift einen Anspruch des Vertragsarztes auf Genehmigung der Sitzverlegung, sofern Versorgungsgesichtspunkte nicht entgegenstehen. Bei der Sitzverlegung handelt es sich um ein generell zulässiges, dem grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG unterfallendes Verhalten, das lediglich im Hinblick auf übergeordnete schützenswerte Rechtspositionen einer präventiven Kontrolle unterzogen werden soll. Für Ermessenserwägungen ist hier, wie bei anderen statusrelevanten Entscheidungen, regelmäßig kein Raum. Bei dem Tatbestandsmerkmal der "Gründe der vertragsärztlichen Versorgung", bei dem den Zulassungsgremien ein der gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum zukommt, sind allein planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände zu prüfen. Bei Verlegungswünschen innerhalb eines Planungsbereichs kann dies zur Folge haben, dass ein Vertragsarzt seinen Vertragsarztsitz nicht gerade in einen schon gut versorgten Teil des Planungsbereichs verlegt. Zu fragen ist zum einen, ob die lokale Versorgung am bisherigen Vertragsarztsitz beeinträchtigt wird. Zum anderen ist auch die Versorgungslage am projektierten Sitz zu beurteilen. So scheidet etwa eine Verlegung aus, wenn der Vertragsarzt seine Praxis in das nahe seines bisherigen Praxisstandortes gelegene Werksgelände eines Unternehmens verlegen will und der freie Zugang aller Versicherten in die neue Praxis nicht gesichert ist. In den Blick zu nehmen ist auch, wie sich die Versorgungslage am bisherigen Vertragsarztsitz im Verhältnis zur Versorgungslage am projektierten Sitz darstellt. Bestehen deutliche Unterschiede, wird in der Regel die Verlegung des Sitzes an einen besser versorgten Standort nicht in Betracht kommen. Ein alleiniges Abstellen auf etwaige Versorgungsdefizite am bisherigen Sitz würde dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer regional bedarfsgerechten Versorgung und einer guten Erreichbarkeit von Ärzten und Psychotherapeuten im gesamten Planungsbereich nicht gerecht. Das Ziel einer langfristig flächendeckenden und wirtschaftlichen Versorgung rechtfertigt auch das Bestreben nach einer möglichst gleichmäßigen räumlichen Verteilung der Leistungserbringer innerhalb eines Planungsbereichs. Liegen nach der Einschätzung der Zulassungsgremien "entgegenstehende Gründe" vor, führt dies indes nicht per se zur Ablehnung einer Genehmigung, es sind vielmehr in einem zweiten Prüfungsschritt die Gründe des Arztes für den Verlegungswunsch zu betrachten. Diese sind gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar. Die Belange, die der Arzt für seinen Verlegungswunsch anführt, können ausnahmsweise solches Gewicht haben, dass im Ergebnis die versorgungsbezogenen Gründe zurückstehen müssen. Soweit im Einzelfall Versorgungsgesichtspunkte mit grundrechtlich geschützten Belangen kollidieren, ist daher eine Gewichtung vorzunehmen. Der Begriff "entgegenstehen" impliziert bereits, dass sich widerstreitende Interessen gegenüberstehen und sich bei einer wertenden Betrachtung das überwiegende Interesse durchsetzt. Die Wertung hat der Gesetzgeber hier dergestalt vorgegeben, dass Gesichtspunkte der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich vorrangig sind. Soweit Versorgungsgesichtspunkte gegen eine Verlegung sprechen, haben im Regelfall die individuellen Gründe für die Verlegung zurückzutreten. Daraus folgt, dass entgegenstehende Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nur durch schwerwiegende Gründe für die Verlegung überspielt werden können. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Arzt krankheitsbedingt seine Tätigkeit am bisherigen Standort nicht mehr fortsetzen kann oder nach Verlust der Praxisräume im Nahbereich keine geeigneten Räume zur Verfügung stehen. Nach der Begründung der Bundesregierung zur Neufassung des § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV sind die Entscheidungen über Sitzverlegungen an dem Ziel einer möglichst gleichmäßigen Versorgung (auch) in den sehr großen Planungsbereichen wie R-Stadt, S-Stadt und T-Stadt auszurichten. Als Beispiel für eine nicht zu genehmigende Verlegung ist ausdrücklich der Fall genannt, dass die Praxis innerhalb einer Stadt von einem schlechter versorgten in einen besser versorgten Stadtteil verlegt wird. Der Gesetzgeber hat zwar keine numerisch absolut gleichmäßige Versorgung in einer Stadt vorgeschrieben, er will aber, wie das in der Begründung aufgeführte Beispiel verdeutlicht, verhindern, dass innerhalb eines insgesamt überversorgten großen Planungsbereichs - wie etwa R-Stadt - Teilbereiche mit einem deutlich geringeren Versorgungsgrad oder sogar Unterversorgung entstehen. Bei ungleicher Verteilung im Planungsbereich könnten entgegenstehende Gründe allenfalls dadurch widerlegt werden, dass im unmittelbaren Einzugsbereich der Praxis eine signifikant andere Situation besteht. Eine gute Verkehrsanbindung des jeweiligen Standortes ist nicht geeignet, die Bedeutung von Ungleichgewichten im Versorgungsgrad zu relativieren. Für Versicherte mit beruflichen und familiären Verpflichtungen, die über mehr als ein Jahr wöchentlich eine psychotherapeutische Praxis aufsuchen, macht es einen Unterschied, ob die Praxis sich im unmittelbaren Wohnumfeld befindet oder längere Fahrzeiten anfallen. Von allenfalls untergeordneter Bedeutung ist die örtliche Herkunft der Patienten. Als Gründe für eine Sitzverlegung sind alle Gesichtspunkte, die dem Vertragsarzt bereits vor der Niederlassung bekannt waren, nicht berücksichtigungsfähig. Der Arzt, der sich an einem Standort niederlässt, der nicht seinen Präferenzen entspricht, kennt die Vor- und Nachteile seiner Entscheidung, an der er sich grundsätzlich festhalten lassen muss, solange dies unter Versorgungsaspekten erforderlich ist. Das gilt insbesondere in Fällen der Nachfolgezulassung, weil eine solche überhaupt nur in Betracht kommt, wenn der Nachfolger die Praxis des ausscheidenden Arztes fortführen will (vgl. BSG, Urt. v. 03.08.2016 - B 6 KA 31/15 R - BSGE (vorgesehen) = SozR 4 (vorgesehen), juris Rdnr. 13 ff.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte die Versorgungssituation hinreichend konkret und nachvollziehbar dargelegt. Er geht in nicht zu beanstandender Weise aufgrund der Analyse der Versorgungssituation davon aus, dass bei Verlegung des Vertragsarztsitzes in einem Teilbereich des Planungsbereichs eine Verschlechterung der Versorgung eintreten würde.

Der Beklagte hat, aufbauend auf der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1), auf die erhebliche ungleiche Verteilung zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Planungsbereichs hingewiesen. Dies korreliert mit der Struktur des Planungsbereichs, dessen südlicher Teil zum großstädtischen C-Gebiet zu rechnen ist, während der nördliche Teil im Gebiet des Taunus liegt und eher ländlich geprägt ist. Soweit die Klägerin auf die in fast allen Städten vorliegende Überversorgung hinweist, so trifft dies zu, ist aber in der Verteilung angesichts eines Versorgungsgrads von 323,78 % zu relativieren. Nach der Bedarfsplanungs-Richtlinie wird der Planungsbereich dem Kreistyp 2 mit 7.XXX Einwohnern pro Vertragsarztsitz in der Gruppe der Psychotherapeuten zugeordnet. Unter Berücksichtigung des Versorgungsgrads kommen 2.XXX Einwohner auf einen Vertragsarztsitz (97,3 Versorgungsverträge auf 233.XXX Einwohner) bei einer flächendeckend gleichen Verteilung. Unter Berücksichtigung der Einwohnerzahlen zum 31.12.XXXX (vgl. Wikipedia, A-Gebiet ( https://de.wikipedia.org/A-Gebiet)) und der von der Beigeladenen zu 1) genannten Versorgungssituation ergibt sich folgende Verteilung:

Stadt Einwohner Einwohner Vertragsarztsitze ist Vertragsarztsitze soll auf 2.XXX Einwohner
A-Stadt 25.XXX 5,00 10,XX
D-Stadt 53.XXX 38,95 22,XX
E-Stadt 45.XXX 15,00 19,XX
G-Stadt 16.XXX 10,00 6,XX
F-Stadt 18.XXX 11,35 7,XX
U-Stadt 10.XXX 0,50 4,XX
Zwischensumme 169.XXX 80,80 70,XX

V-Stadt 5.XXX 0,00 2,XX
C-Stadt 9.XXX 2,50 3, XX
I-Stadt 14.XXX 3,00 6, XX
J-Stadt 9. XXX 1,50 3, XX
K-Stadt 14. XXX 7,00 5, XX
X-Stadt 6. XXX 2,50 2, XX
H-Stadt 5. XXX 0,00 2, XX
Zwischensumme 64. XXX 16,50 26,XX

Gesamt 233.XXX 97,30 97,XX

Die Übersicht zeigt, dass sich aufgrund der Massierung in D-Stadt, aber auch in G-Stadt und F-Stadt in allen übrigen Gemeinden mit Ausnahme von K-Stadt eine geringere Versorgungsdichte als im Durchschnitt des Planungsbereichs feststellen lässt. Stellt man auf den südlichen Bereich mit den Gemeinden A-Stadt, D-Stadt, E-Stadt, G-Stadt, F Stadt und U-Stadt mit zusammen 169.XXX Einwohnern ab, so entfallen hierauf tatsächlich 80,80 Vertragsarztsitze, dürften aber bei gleichmäßiger Verteilung nur 70,54 Vertragsarztsitze entfallen. Stellt man auf den nördlichen Bereich mit den Gemeinden V-Stadt, C-Stadt, I-Stadt, J-Stadt, K-Stadt, X-Stadt und H-Stadt mit zusammen 64.XXX Einwohnern ab, so entfallen hierauf tatsächlich nur 16,50 Vertragsarztsitze, müssten aber bei gleichmäßiger Verteilung 26,76 Vertragsarztsitze entfallen. Von daher ist die Einschätzung des Beklagten, im südlichen Bereich des B-Gebiet sei zur Versorgungslage im nördlichen Bereich, dem A Gebiet, ein starkes Missverhältnis der Versorgung festzustellen, nicht zu beanstanden. Insofern ist auch kein Grund ersichtlich, inwieweit von D-Stadt und auch von G-Stadt und F-Stadt aus nicht eine zusätzliche Versorgung der Gemeinden, insb. auch im zu D-Stadt unmittelbar angrenzenden A-Stadt eher möglich sein sollte als für den nördlichen Bereich.

Besondere persönliche Gründe werden von der Klägerin nicht vorgetragen. Im Übrigen konnte sie bei Übernahme des hälftigen Vertragsarztsitzes in C-Stadt nicht davon ausgehen, dass sie den Vertragsarztsitz mit ihrer bisherigen Praxis in ihren Wohnräumen zusammenlegen konnte. Entsprechende wirtschaftliche Erwägungen lagen ebf. bereits bei Übernahme des hälftigen Vertragsarztsitzes in C-Stadt auf der Hand.

Nach allem war die Klage im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO). Von dieser Möglichkeit ist Gebrauch zu machen, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat, wenn er allein oder mit anderen Beteiligten gesiegt hat oder das Verfahren wesentlich gefördert hat (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 197a, Rdnr. 29). Zu berücksichtigen ist, ob der Beigeladene sich während des Verfahrens geäußert und auch Anträge gestellt hat (vgl. BSG, Urt. v. 14.11.2002 – B 13 RJ 19/01 R - SozR 3-5795 § 10d Nr. 1, juris Rdnr. 44).

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Berichtigungsbeschluss:

hat die 12. Kammer des Sozialgerichts Marburg am 2. Februar 2017 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht beschlossen:

Im Tatbestand wird auf Seite 3, 2. Absatz, letzte Zeile die Angabe "A-Straße" durch die Angabe "E-Straße" ersetzt.

Offensichtliche Unrichtigkeiten sind jederzeit von Amts wegen zu berichtigen (§ 138 SGG).

Bei der Angabe "A-Straße" handelt es sich um die Wohnadresse der Klägerin in A-Stadt. Die Praxis in C-Stadt befindet sich in der E-Straße.
Rechtskraft
Aus
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