S 12 KA 775/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 775/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 29/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Parallelverfahren zu SG Marburg, Urt. v. 31.05.2017 - S 12 KA 648/16 -.
Bemerkung
Parallelverfahren zu S 12 KA 648/16
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Neufeststellung der Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten für die 18 Quartale I/11 bis II/12 und III/12 bis II/15 nach § 44 SGB X. Es handelt sich um eine von zwei bei der Kammer anhängigen Musterklagen.

Der Kläger war zur vertragsärztlichen Versorgung in Hessen zugelassen. Als solcher unterlag er den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten. Er nimmt seit 01.12.2010 an der EHV teil. Die Beklagte hat einen Anspruch an der EHV mit dem Höchstsatz von 18,0 % anerkannt.

Die Beklagte setzte jeweils mit Bescheid den EHV-Anspruch des Klägers für die Quartale I/11 bis II/12 wie folgt fest:

Quartal Bescheid vom Bl. Durchschnittshonorar in EUR Bruttohonorar in EUR Quote in % Nettohonorar in EUR
I/11 07.03.2012 10 47.374,21 8.527,36 77,3964 6.599,87
II/11 22.06.2012 07.05.2012 13 12 46.254,46 46.254,46 8.407,49 8.325,80 77,0578 77,0578 6.425,23 6.415,68
III/11 27.08.2012 14 46.708,30 8.407,49 76,4227 6.425,23
IV/11 31.10.2012 15 47.916,25 8.624,93 80,0000 6.899,94
I/12 21.01.2013 16 48.037,21 8.646,70 80,0000 6.917,36
II/12 10.04.2013 17 46.865,12 8.435,72 80,0000 6.748,58

Die Beklagte wandelte mit Bescheid vom 29.06.2012 aufgrund der Neuregelung der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung den Anspruchssatz von 18 % mit dem Umrechnungsfaktor 666,666 in einen EHV-Anspruch in Höhe von 12.000 Punkten zum 01.07.2012 um. Ferner setzte sie die monatliche EHV-Zahlung bei einem Auszahlungspunktwert von 0,1867 EUR für ein Jahr ab 01.07.2012 auf 2.240,40 EUR brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 27.06.2013 den Auszahlungspunktwert auf 0,1917 EUR und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2013 für ein Jahr auf 2.300,40 EUR brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 26.06.2014 den Auszahlungspunktwert auf 0,1966 EUR und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2014 für ein Jahr auf 2.359,20 EUR brutto fest.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 29.06.2015 die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2015 für ein Jahr auf 2.752,80 EUR brutto fest. Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 27.06.2016 die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2016 auf 2.809,20 EUR brutto fest, wobei zum 01.01.2017 der Punktwert nach den dann geltenden Grundsätzen der EHV neu berechnet werde. Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 20.12.2016 die monatliche EHV-Zahlung ab 01.01.2017 für ein Jahr auf 2.780,40 EUR fest. Gegen diese drei Bescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein, worüber gesonderte Widerspruchsverfahren geführt werden.

Der Kläger beantragte am 30.12.2015 die Neufeststellung seiner Leistungen aus der EHV ab dem Jahr 2011.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29.07.2016 den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Bescheide bzgl. der Quartale I/11 bis II/15 seien bestandskräftig geworden. Bei der EHV handele es sich nicht um eine Sozialleistung, die Bezüge seien Honoraren gleichzusetzen, so dass nur § 44 Abs. 2 SGB X in Betracht komme. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Hierbei müsse festgestellt werden, dass sie, stimme sie einer Rückabwicklung im Falle des Klägers zu, nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehalten wäre, auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Widerspruchsbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen führen, dass damit ein dramatischer Punktewertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wäre. Nach buchhalterischen Grundsätzen sei sie lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, um in diesen Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert worden. Das Bundessozialgericht habe bereits mit Urteil vom 18.03.1998 - B 6 KA 69/97 R - entschieden, dass kein Anspruch auf Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide bestehe. Das Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R - seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt. Danach sei es auch nicht von Belang, ob bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt worden sei, der sich als unrichtig erwiesen habe.

Hiergegen hat der Kläger am 11.08.2016 Widerspruch erhoben. Er trägt vor, bei der EHV handele es sich nicht um kassenärztliches Honorar, sondern um die Erweiterte Honorarverteilung mit dem ausschließlichen Zweck einer Versorgung im Alter und bei Invalidität. Diese Zweckbindung folge auch daraus, dass die Vertragsärzte an das Versorgungswerk nur einen halben Beitrag zahlten im Hinblick auf die Leistungen der EHV. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betreffe die Rückabwicklung bestandskräftiger Honorarbescheide. Hier gehe es nicht um das Honorar als Gegenleistung für die quartalweise erbrachten vertragsärztlichen Leistungen, sondern um Leistungen der Versorgung, die zudem nach Art. 14 GG als Eigentum geschützt seien. Seitens der Beklagten sei von Anfang an bekannt gewesen, dass der von der Vertreterversammlung verabschiedete Nachhaltigkeitsfaktor Wirksamkeit ab dem Jahr 2006 einer juristischen Überprüfung unterzogen werden müsse. Die Vertreterversammlung habe sich insoweit nicht auf gesetzliche Regelungen berufen, oder z. B. auf Vorarbeiten seitens des Bewertungsausschusses oder der Vertragspartner des Bundesmantelvertrages. Es sei Aufgabe der Beklagten, im Hinblick auf diese Verfahren Rückstellungen zu bilden, aus denen dann auch an die Mitglieder Nachzahlungen geleistet werden könnten, die nach § 44 SGB X eine Neufeststellung beantragten. § 44 SGB X begrenze die Nachzahlungspflicht auf einen 4-Jahres-Zeitraum. Mit dem Hinweis auf eine Gleichbehandlung könne diese Nachzahlung nicht verweigert werden.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2016 den Widerspruch als unbegründet zurück. Darin führte sie aus, das Hessische Landessozialgericht habe mit rechtskräftigen Urteilen vom 14.12.2005 sowie 15.03.2006 festgestellt, dass die "weitere Teilnahme" der inaktiven Vertragsärzte an der hessischen EHV einer Sozialleistung ähnele, in ihrem Rechtscharakter jedoch Honorarverteilung bleibe. Danach gehöre sie nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 SGB I und Honoraransprüche der Vertragsärzte dienten nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I. Es bleibe damit bei der Rechtsgrundlage nach § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X. Eine Rückabwicklung der bestandskräftigen und auch rechtswidrigen Bescheide stehe in ihrem Ermessen. Sowohl die Vertragsärzte, als auch die die Gesamtvergütung entrichtenden Krankenkassen hätten einen Rechtsanspruch darauf, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Die Rechtswidrigkeit der Bescheide resultiere nicht aus Fehlern in der Rechtsanwendung, sondern darauf, dass sich die den Bescheiden zu Grunde liegenden Bestimmungen der Grundsätze der EHV als fehlerhaft erwiesen hätten. Alle Bescheide über das EHV-Honorar seien daher seit dem Quartal III/06 rechtswidrig, soweit die EHV-Honorare unter Berücksichtigung des sog. Nachhaltigkeitsfaktors ausgezahlt worden seien. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass auch zahlreiche EHV-Empfänger entsprechende Anträge stellen würden. Unter Wiederholung ihrer Ausführungen im angefochtenen Ausgangsbescheid legte sie nochmals dar, dass der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre und eine Rückabwicklung zu finanziellen Belastungen führen würde, die mit einem dramatischen Honorarverlust in den aktuellen Quartalen verbunden wären.

Hiergegen hat der Kläger am 14.12.2016 die Klage erhoben. Er trägt vor, er habe zunächst keine Widersprüche eingelegt. Erst im Jahre 2015 habe er durch ein Rundschreiben erfahren, dass es rückwirkend zu Neuregelungen gekommen sei. Er habe dann die Neufeststellung beantragt. Im Übrigen ist er weiterhin der Auffassung, es handele sich bei der EHV um eine Sozialleistung, sodass § 44 Abs. 1 SGB X anzuwenden sei. Bei der EHV handele es sich um eine Versorgungsleistung, wie das Bundessozialgericht wiederholt herausgearbeitet habe. Anders als bei einem Honorar handele es sich um eine Sozialleistung. Eine Befreiung von der Umlagepflicht gebe es nicht. § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung habe die Beklagte insoweit zu einem "Sozialleistungsträger" gemacht. Selbst wenn man mit der Beklagten von der Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB X ausgehe, bedürfe es hier einer differenzierten Ermessensentscheidung. Der Beklagten sei bereits im Jahr 2006 bekannt gewesen, dass der sog. Nachhaltigkeitsfaktor umstritten sei, weshalb sie Rückstellungen hätte bilden müssen. Die Rückwirkung sei auch nach § 44 Abs. 4 SGB X begrenzt. Der Verwaltungsaufwand sei gering.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, gem. § 44 SGB X
den Bescheid vom 07.03.2012 (I/11),
den Bescheid vom 07.05.2012 (II/11),
den Bescheid vom 22.06.2012 (II/11),
den Bescheid vom 27.08.2012 (III/11),
den Bescheid vom 31.10.2012 (IV/11),
den Bescheid vom 21.01.2013 (I/12),
den Bescheid vom 10.04.2013 (II/12),
den Bescheid vom 29.06.2012 (EHV 01.07.2012 bis 30.06.2013),
den Bescheid vom 27.06.2013 (EHV 01.07.2013 bis 30.06.2014),
und den Bescheid vom 26.06.2014 (EHV 01.07.2014 bis 30.06.2015)
aufzuheben und ihn über seinen EHV-Anspruch unter Anwendung der geänderten Satzungsbestimmungen neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Klage sei im Hinblick auf den Zeitraum ab dem Quartal III/15 unzulässig. Im Übrigen sei sie unbegründet. Sie ist weiterhin der Auffassung, bei den EHV-Leistungen handele es sich nicht um Sozialleistungen, was das Hessische Landessozialgericht wiederholt festgestellt habe. Das Bundessozialgericht habe nicht festgestellt, dass die EHV-Zahlungen als Sozialleistungen i. S. d. § 11 SGB I anzusehen seien. Das Bundessozialgericht gehe von einer besonderen Form der Honorarverteilung aus. Sie habe ausreichend Ermessen ausgeübt. Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen bestehe nicht schon deshalb, weil sich im Rahmen der Anfechtung eines Honorarbescheids herausstellen könnte, eine Vorschrift des Honorarverteilungsmaßstabs sei unwirksam. Bei der Vielzahl der Anfechtungen müsste sie einen erheblichen Teil der Gesamtvergütung zurückhalten. Sie könne ihre Verpflichtungen gegenüber den inaktiven Ärzten nur aus den Vorwegabzügen von der ihr für jedes Quartal zufließenden Gesamtvergütung erfüllen, weil die EHV als reines Umlageverfahren ohne Kapitaldeckungselemente organisiert sei. Unanfechtbare Verwaltungsakte hätten auch dann Bestand, wenn sie auf unwirksamen Rechtsgrundlagen beruhten. Im Übrigen verweist sie auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2016 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Bescheide über das EHV-Honorar für die Quartale I/11 bis II/15 und auf Neufestsetzung seines EHV-Anspruchs. Die Klage war abzuweisen.

Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide über das EHV-Honorar für die Quartale I/12 bis II/15 kommt ausschließlich Absatz 2, nicht Absatz 1 des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Betracht.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt damit voraus, dass es sich um Sozialleistungen handelt. Ebenso wie vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung ist (vgl. BSG, Urt. v. 18.03.1998 - B 6 KA 16/97 R - BSGE 82, 50 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 23, juris Rdnr. 13 ff.; BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr. 6, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 07.02.2007 - B 6 KA 6/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 31 = BSGE 98, 89, juris Rdnr. 16), handelt es sich auch bei Ansprüchen aus der EHV nicht um eine Sozialleistung i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung hat, gehört eine Kassenärztliche Vereinigung nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) und dienen die Honoraransprüche der Kassen- bzw. Vertragsärzte nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I. Vielmehr handelt es sich insoweit um Vergütungsansprüche für erbrachte Leistungen. Dies gilt auch für Ansprüche ausgeschiedener Vertragsärzte auf Teilnahme an der EHV, bei denen es sich ebf. um Honoraransprüche und nicht um Sozialleistungen im Sinne des § 11 SGB I handelt. Das auf mitgliedschaftlicher Beziehung beruhende Verhältnis des Vertragsarztes zu seiner Kassenärztlichen Vereinigung unterscheidet sich wesentlich von dem Rechtsverhältnis eines möglichen Leistungsempfängers gegenüber einem Sozialleistungsträger i. S. des § 12 SGB I (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 14.12.2005 - L 4 KA 41/05 - juris Rdnr. 20; im Anschluss hieran SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 403/11 - juris Rdnr. 24; SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 397/11 - juris Rdnr. 24; SG Marburg, Urt. v. 07.03.2007 - S 12 KA 36/06 - juris Rdnr. 20). Dies gilt im Grundsatz auch für das Verhältnis zwischen der geschiedenen Ehefrau eines Vertragsarztes, deren Anspruch auf Teilnahme an der EHV auf einem durchgeführten Versorgungsausgleich beruht. Die Leistungen aus der EHV werden damit nicht zu einer Sozialleistung im Sinne von § 11 SGB I und die Kassenärztliche Vereinigung nicht zu einem Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.06.2012 - L 4 KA 63/11 - juris Rdnr. 18, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. v. 29.01.2013 - B 6 KA 33/12 B -). Von daher scheidet auch Kostenfreiheit im sozialgerichtlichen Verfahren aus, da es sich bei der EHV um keine Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer (Schutz-)Funktion wie bei echten Sozialleistungen i. S. des § 11 SGB I handelt (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 27.06.2012 - L 4 KA 63/11 - juris Rdnr. 26). Die sog. weitere Teilnahme der inaktiven Vertragsärzte an der EHV ähnelt zwar einer Sozialleistung zur Alterssicherung, in ihrem Rechtscharakter bleibt sie jedoch Honorarverteilung. Anders als bei üblichen Versicherungen, bei denen personenbezogen eine Anwartschaft durch eine Kapitaldeckung abgesichert wird und anders als bei der durch Beiträge – und öffentliche Leistungen – finanzierten Sozialversicherung ist die EHV umlagefinanziert. Sie ist in der Höhe variabel, weil sie abhängig ist von der Höhe der jeweiligen Gesamtvergütung und damit dem Umfang des von allen hessischen Vertragsärzten erwirtschafteten Gesamthonorars. Die Höhe des jeweiligen individuellen EHV-Betrages richtet sich nicht nach der Höhe geleisteter Beiträge, sondern ist zum einen abhängig von dem Verhältnis des zu aktiven Zeiten erwirtschafteten Honorars zu dem Durchschnittshonorar und zum anderen von der Höhe des jeweiligen Durchschnittshonorars der aktiven Vertragsärzte. Somit ist sowohl die Quotierung der Punktwerte der aktiven Ärzte zur Finanzierung der EHV als auch die Berechnung der individuellen Höhe der ausgeschütteten EHV-Beträge untrennbar mit der allgemeinen Honorarverteilung verbunden (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 15.03.2006 - L 4 KA 8/05 - juris Rdnr. 20). Entsprechend hat die Kammer zuletzt entschieden, dass es sich bei der EHV nicht um eine Sozialleistung handelt, wenn auch die Ausgestaltung und die Funktion der Ansprüche eine sozialleistungsähnliche Funktion haben. Unter Berücksichtigung der Unterschiede können daher Verwaltungskosten weiterhin abgezogen werden (vgl. SG Marburg, Urt. v. 05.11.2014 - S 12 KA 84/13 - juris Rdnr. 49, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 85/14 -; SG Marburg, Urt. v. 05.11.2014 - S 12 KA 331/13 - juris Rdnr. 48, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 87/14 -; SG Marburg, Urt. v. 05.11.2014 - S 12 KA 83/13 - juris Rdnr. 48, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 82/14 -; SG Marburg, Urt. v. 21.12.2011 - S 12 KA 172/11 - juris Rdnr. 25).

§ 8 KVHG in der Fassung des hessischen Landesgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Hessen vom 14.12.2009, GVBl. 2009, Teil I, 662, in Kraft getreten am 23.12.2009, hat hieran nichts geändert. Danach sorgt die Kassenärztliche Vereinigung Hessen zunächst wie bisher im Rahmen ihrer Satzung für eine wirtschaftliche Sicherung der invaliden und alten Vertragsärztinnen oder Vertragsärzte und der Hinterbliebenen von Vertragsärztinnen oder Vertragsärzten. Diese Sicherung kann auch durch besondere Honorarverteilungsgrundsätze geregelt werden (Abs. 1). Zur Sicherung der nach Abs. 1 errichteten Erweiterten Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen werden neben der Gesamtvergütung sämtliche Vergütungen für Leistungen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung, die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte an gesetzlich krankenversicherten Patienten erbringen und die nicht unmittelbar über die Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ausgezahlt werden, der Erweiterten Honorarverteilung unterworfen. Dies gilt unabhängig von der Rechtsgrundlage der Vergütung auch für die Vergütung aus Direktverträgen zwischen den Vertragsärztinnen und Vertragsärzten und den gesetzlichen Krankenkassen oder aus Verträgen zur Integrierten Versorgung (Abs. 2). Die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sind verpflichtet, den Umsatz, den sie aufgrund der Abrechnung für Leistungen nach Abs. 2 erhalten, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen offenzulegen. Sofern sie dieser Verpflichtung nicht innerhalb von drei Monaten nachkommen, ist die Kassenärztliche Vereinigung Hessen befugt, die Vergütung für Leistungen aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung, die die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt an gesetzlich krankenversicherten Patienten erbracht hat und die nicht unmittelbar über die Gesamtvergütung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen ausgezahlt wurden, zu schätzen. Gegen diese Verfügung ist binnen eines Monats gegen über der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen Widerspruch unter Vorlage der vollständigen Unterlagen zulässig. Die Vollständigkeit ist an Eides statt zu erklären (Abs. 3). Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen ist berechtigt, durch Satzung die Einbeziehung der Umsätze für Leistungen nach Abs. 2 zu regeln. Durch Satzung werden auch die Anforderungen an Form und Inhalt der Offenlegung nach Abs. 3 geregelt (Abs. 4).

Das Gesetz geht zurück auf einen Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vom 09.06.2009 (LTag-Drs. 18/767; zu den eingegangene Stellungnahmen zu der schriftlichen Anhörung s. Ausschussvorlage AFG 18/6, Teil 1 und Teil 2 mit Stand: 26.08.2009, abrufbar über die Parlamentsdatenbank unter http://starweb.hessen.de/starweb/LIS/Pd Eingang.htm), nachdem ein erster Entwurf vom 06.07.2004 (LTag-Drs. 16/2469) im Landtag nach dem Ablehnungsvorschlag des Sozialpolitischen Ausschusses (LTag-Drs. 16/3200) von der Regierungsfraktion CDU abgelehnt worden war (PlPr 16/53 v. 26.11.2004, S. 3621-3626; zur ersten Lesung s. PlPr 16/42 v. 14.07.2004, S. 2786-2789). Im Gesetzentwurf vom 09.06.2009 weist die SPD-Fraktion auf die Verpflichtung zum Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V bis zum 30.06.2009 durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008, BGBl. I, S. 2426 hin. Hierdurch würden Leistungen, die bisher von zugelassenen Vertragsärzten im System der gesetzlichen Krankenversicherung für die Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten erbracht worden sind und über die Kassenärztliche Vereinigung Hessen als Gesamtvergütung abgerechnet wurden, aus diesem Abrechnungskreislauf ausgegliedert werden. Dies führe zu dem Problem, dass aus der Gesamtvergütung herausgebrochene Teile auch nicht ohne weiteres in die Berechnung der Umlage für die EHV zur Deckung der bereits erworbenen Ansprüche und Anwartschaften der Altersversorgung einbezogen werden könnten. Im Ergebnis werde die Bemessungsgrundlage für die EHV deutlich verringert. Deshalb sei eine Änderung des § 8 KVHG dringend erforderlich. Im Hinblick auf die, auch durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Juli 2008 (- B 6 KA 38/07 R - BSGE 101, 106 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 43 = USK 2008-65) erforderlich gewordene, anstehende Gesamtdiskussion über die Zukunft der EHV stelle die vorgeschlagene Änderung des § 8 KVHG eine Zwischenlösung dar. Die Entscheidung hierüber sollte aber der Gesamtdiskussion vorangestellt werden, da ansonsten eine Erfüllung der bereits erworbenen Ansprüche und Anwartschaften voraussichtlich bereits im Quartal III/09 nicht mehr gewährleistet werden könne. Die Änderung sei auch erforderlich, da das BSG in seinem bereits erwähnten Urteil eine Regelungspflicht des Landesgesetzgebers für die Anpassung der EHV an Änderungen der Vertragslandschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erkannt habe. Gegenüber dem Entwurf wurde in Abs. 2 der Verweis auf Verträge insb. nach §§ 73b und 73c SGB V herausgenommen und es bei der Bezugnahme auf die Vergütung aus Direktverträgen belassen und es wurden ausdrücklich auch Verträge zur Integrierten Versorgung aufgenommen. Die Entwurfsfassung sah in Abs. 3 zunächst neben der Offenlegungspflicht des Arztes einen Auskunftsanspruch der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gegenüber den Krankenkassen über die Vergütungshöhe des einzelnen Arztes vor, was dann durch die Ermächtigung zur Schätzung nach Abs. 3 Satz 2 bis 4 ersetzt wurde. Die Endfassung geht zunächst weitgehend auf den nicht weiter begründeten Änderungsantrag der SPD-Fraktion vom 16.09.2009 (LTag-Drs. 18/1104; zu den eingegangene Stellungnahmen zu der schriftlichen Anhörung s. Ausschussvorlage AFG 18/6, Teil 1 mit Stand: 11.11.2009) zurück. Der Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit empfahl dann dem Plenum mit den Stimmen der Fraktion der SPD bei Enthaltung der übrigen Fraktionen, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Änderungsantrags in zweiter Lesung anzunehmen (LTagDrs. 18/1610 v. 27.11.2009). In einem weiteren, ebf. nicht begründeten Änderungsantrag vom 08.12.2009 (LTag-Drs. 18/1682) schlug die SPD-Fraktion dann die verabschiedete Fassung vor (zur parlamentarischen Beratung s. PlPr 18/14 v. 17.06.2009, S.874-879; 18/29 v. 09.12.2009, S.2085-2087).

Der Landesgesetzgeber hat damit auf das sinkende Niveau der Bemessungsgrundlage und damit letztlich der Bezugsgröße für die EHV-Ansprüche verwiesen. Seine Reform reagiert auf die geänderten Verhältnisse, um den Bezug auf die Honorarentwicklung zu erhalten. Eine grundlegende Änderung des EHV-Systems oder die Einbeziehung der EHV in das Sozialleistungssystem des SGB war damit nicht beabsichtigt. Die EHV wurde damit nicht zur Sozialleistung und die Beklagte wurde nicht zum Sozialleistungsträger.

Nach § 44 Abs. 2 SGB X ist im Übrigen ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Die Rechtswidrigkeit der EHV-Bescheide ist zwischen den Beteiligten nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts zum sog. Nachhaltigkeitsfaktor nicht umstritten (vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2014 - B 6 KA 10/13 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 79).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der abzuweichen die Kammer hier keine Veranlassung sieht, ist die Entscheidung einer Kassenärztlichen Vereinigung, ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf. Nachvergütungen gewährt, von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen ist. Dabei hat es das Bundessozialgericht gebilligt, dass eine Kassenärztliche Vereinigung jeweils die finanziellen Auswirkungen im Falle einer gegenüber den betroffenen Ärzten positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigt und als ausschlaggebend ansieht. Bei einer auf generelle Erwägungen abstellenden Ermessensausübung ist eine Kassenärztliche Vereinigung nicht verpflichtet, als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche besondere individuelle Betroffenheit des Arztes zu berücksichtigen. Das Ermessen der Kassenärztlichen Vereinigung, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknimmt und Nachvergütungen leistet, ist nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf. einzustehen hat (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 21/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr. 6, juris Rdnr. 17, 19 und 21 ff.).

Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise ihr Ermessen ausgeübt. Sie hat auf vergleichbare Fälle und die damit einhergehenden finanziellen Belastungen hingewiesen. Wenn sie dies auch in allgemeiner Weise getan hat, so steht dies noch im Einklang mit der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das diesbezüglich keine allzu hohen Anforderungen aufgestellt hat. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine mögliche Nachvergütung weiterer Antragsteller einbezieht, da aufgrund des Verteilungsmechanismus immer Auswirkungen auf die Honorarverteilung insgesamt bestehen. Soweit diese nicht nachgeholt werden kann, ist die Nachvergütung aus eventuellen Rücklagen zu bilden oder aus der aktuellen Gesamtvergütung, so dass immer andere Arztgruppen oder Vertragsärzte tangiert werden. Nach der genannten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist auch nicht nach dem Grund für die Rechtswidrigkeit zu unterscheiden. Von daher kann es nicht darauf ankommen, ob nur eine Praxis, mehrere oder viele Praxen bzw. EHV-Bezieher von einem Abrechnungsfehler betroffen werden und in welchem Umfang eine Nachvergütung u. U. fällig wird. Dies wäre auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung problematisch, da der einzelne Vertragsarzt nicht auf den Umfang der Abrechnungsfehler oder einer eventuellen Nachvergütung Einfluss nehmen kann. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagte den Kläger von einer Widerspruchseinlegung abgehalten hätte. Vielmehr ist seit Jahren bekannt, dass die Rechtmäßigkeit der EHV umstritten ist und regelmäßig in Musterverfahren bis zum Bundessozialgericht überprüft wird. Von daher muss es sich der Kläger selbst zurechnen lassen, seinerzeit keinen Rechtsbehelf eingelegt zu haben.

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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