Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1971/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2231/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.3.2008 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2006 dazu verurteilt wurde, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 zu gewähren. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung von Erwerbsminderungsrente auf Zeit.
Der 1949 geborene Kläger absolvierte vom 1.4.1965 bis 12.9.1968 eine Ausbildung zum Mechaniker. In diesem Beruf arbeitete er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch (nicht auf gesundheitlichen Gründen beruhende) Kündigung (etwa) im Jahr 1970. In der Folgezeit war er als Maschinenführer versicherungspflichtig beschäftigt. Nach der Arbeitgeberauskunft der Firma Drescher, Druck und Dienstleistung, vom 14.12.2005 (Verwaltungsakte S. M4) arbeitete der Kläger vom 3.11.1969 bis 30.11.1998 als Maschinenführer; dabei handelte es sich um eine ungelernte Arbeit (bis zu drei Monaten Anlernzeit), die in Lohngruppe 3 des seinerzeit maßgeblichen Manteltarifvertrages der Druckindustrie eingruppiert war. Auch dieses Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung. Danach war der Kläger arbeitslos.
Am 8.9.2005 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, er halte sich wegen einer Multiple-Sklerose-Erkrankung für erwerbsunfähig. Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten Dr. G. vom 19.10.2005. Der Gutachter fand eine nicht eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit und diagnostizierte Multiple Sklerose (MS) mit leichter Bewegungseinschränkung am rechten Bein sowie einen Verdacht auf Äthanolkonsum. Die MS-Erkrankung verlaufe in Schüben. Derzeit sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen: überwiegend im Sitzen, keine Zugluft, Kälte oder Nässe, Arbeit in geschlossenen Räumen) noch vollschichtig zu verrichten.
Mit Bescheid vom 27.10.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab; der Kläger erfülle zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung, sei aber weder teilweise noch voll erwerbsgemindert (Kontospiegel Verwaltungsakte S. 12). Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2006 zurückgewiesen.
Am 22.3.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart; sein Gesundheitszustand verschlechtere sich immer mehr, weshalb er nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten könne.
Das Sozialgericht befragte den behandelnden Neurologen Dr. Oe. (Bericht vom 19.6.2006: nur noch halbschichtige Leistungsfähigkeit, SG-Akte S. 16) und erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters (SG-Akte S. 45) Dr. V. vom 7.11.2006 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. vom 16.10.2006 (keine dem Vollbild der MS-Erkrankung entsprechenden kognitiven Leistungseinschränkungen) und ergänzenden Stellungnahmen vom 28.6.2007 und 30.9.2007. Die Beklagte legte beratungsärztliche Stellungnahmen vor.
Dr. V. führte im Hinblick auf das Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. aus, in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, selektive und geteilte Aufmerksamkeit, Reaktionstempo und figurale Gedächtnisleistung hätten sich weitgehend normgerechte Ergebnisse gezeigt. Die subjektiven Aufmerksamkeits- und Gedächtnisdefizite erschienen nicht als so schwerwiegend, dass sie eine selbstständige Bewältigung der Alltagsanforderungen oder eine Erwerbstätigkeit wesentlich beeinträchtigten. Psychopathologisch hätten sich allerdings eine Antriebsschwäche und eine eingeschränkte Befindlichkeit, was auf eine affektive Störung depressiver Färbung hinweise, ergeben.
Der Gutachter eruierte den Tagesablauf des Klägers (Aufstehen gegen 7:30 Uhr und Frühstück mit der Mutter - bei der der ledige Kläger lebt -, vormittags Beschäftigung mit dem Computer, bei gutem Wetter kleinere Radtouren, nachmittags Fernsehen, am Samstagnachmittag zum Fußballspiel, dort Tätigkeit als Kassierer; dienstags und donnerstags Kartenspiel; leichte Hausarbeit übernehme die Mutter, schwerere Aufgaben übernehme der Kläger) und stellte eine gedrückte Stimmung fest; die Schwingungsfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Es liege eine deutliche Antriebsstörung vor. Dr. V. diagnostizierte eine leichte bis mittelschwere depressive Episode, Encephalomyelitis disseminata (MS), bisher schubförmiger Verlauf bei Betaferon-Therapie, ein grenzwertiges sensibles Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits sowie eine Polyneuropathie unklarer Genese. Seit der Diagnose der MS-Erkrankung im Januar 2005 habe sich ein erneuter Schub wohl nicht zugetragen. Eine kognitive Leistungseinschränkung bestehe nicht. Der psychische Befund lege die Diagnose einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode nahe. Der Kläger selbst habe die Veränderung nicht als solche wahrgenommen und auch nicht geklagt; er habe vor allem vegetative Symptome sowie über eine Kraft- und Energielosigkeit berichtet. Die Polyneuropathie verursache nur leichte Ausfälle und habe keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Die depressive Symptomatik bedinge jedoch quantitative wie qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten; die zeitliche Einschränkung ergebe sich aus der depressiven Störung. Als Mechaniker könne der Kläger nicht mehr arbeiten.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 5.2.2007 vor (SG-Akte S. 61). Darin ist ausgeführt, die von Dr. V. angenommene zeitliche Leistungseinschränkung sei nicht nachvollziehbar begründet. Gerade die Feststellungen zum Tagesablauf rechtfertigten quantitative Leistungseinschränkungen nicht. Der Gutachter habe auch nicht berücksichtigt, dass eine adäquate, antidepressive Behandlung bislang weder durchgeführt noch erwogen worden sei. Die vom Gutachter beschriebene leichte bis mittelschwere depressive Episode sei einer adäquaten Therapie in der Regel gut zugänglich, wobei mit einer deutlichen Besserung innerhalb weniger Wochen zu rechnen sei.
Das Sozialgericht erhob daraufhin den ergänzenden Bericht des (behandelnden Neurologen) Dr. Oe. vom 26.3.2007 (SG-Akte S. 68). Dr. Oe. führte aus, entgegen der Einschätzung des Dr. V. liege beim Kläger keine depressive Episode vor. Ursächlich für die deutliche Leistungseinschränkung sei weiterhin das hirnorganische Psychosyndrom infolge der MS-Erkrankung. In mehreren Gesprächen mit dem Kläger hätten sich keine Hinweise auf eine depressive Symptomatik gezeigt. Deswegen sei eine entsprechende medikamentöse Behandlung auch nicht erforderlich.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 25.5.2007 vor (SG-Akte S. 72). Darin ist ausgeführt, die Einschätzung des Dr. Oe., wonach ein für deutliche kognitive Leistungseinschränkungen ursächliches hirnorganisches Psychosyndrom vorliege, werde in keiner Weise begründet, insbesondere nicht durch Vorlage entsprechender ausführlicher klinischer Untersuchungen und Tests. Auf Grund des Gutachtens des Dr. V. und des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl. Psych. H. erscheine ein hirnorganisches Psychosyndrom mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Dr. V. habe hinsichtlich des kognitiven Leistungsvermögens keine wesentlichen Defizite gefunden. Die Meinungsverschiedenheit zwischen Dr. V. und Dr. Oe. hinsichtlich des Bestehens einer depressiven Episode sei am ehesten dadurch zu erklären, dass - entgegen der Auffassung des Dr. V. - nur eine (sehr) leichte depressive Episode vorliege, die der behandelnde Nervenarzt offensichtlich (noch) nicht als solche habe erkennen können. Quantitative Leistungseinschränkungen folgten daraus nicht.
Dr. V. führte hierzu in der ergänzenden Stellungnahme vom 28.6.2007 (SG-Akte S. 77) aus, divergierende Auffassungen bestünden hinsichtlich des Vorliegens eines hirnorganischen Psychosyndroms bzw. einer depressiven Störung. Dabei sei die neuropsychologische Testung als das am besten geeignete Instrumentarium anzusehen, um eine entsprechende Diagnose zu stellen bzw. auszuschließen. Die Sicherheit der Befundung gehe auf Grund der umfangreichen Testung weit über den Eindruck eines persönlichen Gesprächs oder auch einer differenzierteren nervenärztlichen Befragung hinaus. Die vorliegenden Ergebnisse erschienen eindeutig; er schließe sich der Meinung des Dipl.-Psych. H. an, wonach ein hirnorganisches Psychosyndrom nicht vorliege. Im Übrigen sprächen der kernspintomographische und der körperliche Befund für das frühe Stadium einer MS-Erkrankung, in dem üblicherweise hirnorganische Psychosyndrome noch nicht aufträten. Im psychischen Befund des Klägers habe er deutliche Symptome einer depressiven Störung festgestellt. Beim Kläger hätten als Kernsymptome eine gedrückte Stimmung und ein verminderter Antrieb bestanden. Als weitere Symptome fänden sich Interessenverlust, Schlafstörungen und ein verminderter Appetit; hinsichtlich des Selbstvertrauens und der Freudlosigkeit sei die Befragung wenig ergiebig gewesen, da der Kläger die Symptome erst auf Nachfrage und dann auch nicht eindeutig geäußert habe. Das Kontaktverhalten habe eine entsprechende Störung als möglich erscheinen lassen. In der Schilderung des Tagesablaufs seien nur kurzzeitige Tätigkeiten berichtet worden. Bei der Beschreibung der Tätigkeit als Kassierer bei lokalen Fußballspielen sei davon auszugehen, dass der Kläger diese Aufgabe nicht mehr wie früher bewältigt habe, da er "aus der Ruhe" komme. Daraus ergäben sich Hinweise für eine Einschränkung der Dauerbelastbarkeit. Auf Grund der zurückhaltenden Äußerungen des Klägers sei die Einschätzung des Schweregrades der depressiven Episode schwierig; es werde durchaus auch eine mittelgradige depressive Episode für möglich gehalten, während eine "sehr leichte" Störung nicht vorliege. Die Erfolgsaussichten einer antidepressiven Therapie seien zwar im Allgemeinen gut, allerdings gelte dies in weit geringerem Umfang für an MS erkrankte Patienten. Bei ihnen fänden sich wesentlich häufiger depressive Störungen als in der Normalbevölkerung. Auch die Behandlung sei weniger erfolgreich, da häufig eine Anpassungsstörung i. S. einer psychischen Reaktion auf die körperliche Erkrankung und ihre Folgen vorliege. Insgesamt werde daran festgehalten, dass der Kläger im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung leichte Tätigkeiten nur drei bis sechs Stunden täglich habe verrichten können.
Die Beklagte legte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 7.9.2007 vor (SG-Akte S. 87). Dieser führte im Hinblick auf das Vorliegen einer depressiven Erkrankung aus, bislang sei auch nicht ansatzweise der Versuch einer antidepressiven Behandlung des Klägers unternommen worden. Deshalb könne man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass eine adäquate Therapie ohne nennenswerte Wirkung wäre. Der Annahme des Dr. V., im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung sei das Leistungsvermögen des Klägers auch quantitativ eingeschränkt gewesen, könne mit Einschränkungen gefolgt werden. Die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung zum Untersuchungszeitpunkt rechtfertige aber noch nicht die Annahme einer länger dauernden quantitativen Leistungsminderung, zumal hinsichtlich des für die Leistungseinschätzung maßgeblichen Leidens bislang gar keine Therapie stattgefunden habe.
Auf Nachfrage des Sozialgerichts führte Dr. V. in der (weiteren) ergänzenden Stellungnahme vom 30.9.2007 (SG-Akte S. 91) aus, zur Dauerhaftigkeit der Leistungseinschränkung könne keine eindeutige Aussage gemacht werden. Falls der Kläger auf eine antidepressive Therapie (medikamentöse Behandlung oder Psychotherapie) ansprechen sollte, wäre durchaus denkbar, dass die Symptome innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise zurückgingen. Ein guter Verlauf sei möglich, könne keinesfalls aber auch so erwartet werden, da die depressive Störung häufig i. S. einer Anpassungsstörung mit psychischen Reaktionen auf die körperliche Erkrankung weiterbestehe. Die Wahrscheinlichkeit einer Besserung beim Kläger sei geringer als bei depressiven Störungen innerhalb der Normalbevölkerung. Der zeitliche Verlauf und das Ausmaß der Heilung seien nicht prognostizierbar.
Die Beklagte legte die abschließende beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 5.12.2007 (SG-Akte S. 95) vor. Danach sei auch im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme des Dr. V. vom 30.9.2007 weder wahrscheinlich gemacht noch belegt, dass die depressive Störung des Klägers nicht innerhalb eines halben Jahres gebessert werden könne. Die bisherige Leistungseinschätzung werde aufrecht erhalten.
Mit Urteil vom 11.3.2008 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2006, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 zu gewähren; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich sei der Kläger teilweise erwerbsgemindert. Das ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. V ... Dieser habe schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger wegen einer depressiven Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Auch wenn der Tagesablauf des Klägers eine Struktur erkennen lasse, gerate der Kläger selbst bei leichtesten Tätigkeiten auf Dauer aus der Ruhe. Entscheidend sei, dass Dr. V. den Kläger persönlich untersucht und sich von ihm ein Bild gemacht habe; bei depressiven Erkrankungen sei dies ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zudem habe der Dipl.-Psych. H. psychopathologisch eine Antriebschwäche und eine eingeschränkte Befindlichkeit gefunden und dies als deutlichen Hinweis für eine affektive Störung depressiver Färbung gewertet. Der abweichenden Auffassung des behandelnden Arztes Dr. Oe. müsse nicht weiter nachgegangen werden, da auch dieser von einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers ausgehe; die dem zu Grunde liegende Diagnose (Depression oder hirnorganisches Psychosyndrom) sei unerheblich. Die Leistungseinschränkung des Klägers sei auch dauerhaft. Die Erwartung, eine (bislang nicht stattfindende) antidepressive medikamentöse Behandlung könne zu einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustandes führen, genüge nicht, um eine dauerhafte Leistungseinschränkung auszuschließen. Die bloße Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten könne sich das Leistungsvermögen verbessern, stehe der Gewährung von Erwerbsminderungsrente nicht entgegen. Insoweit habe Dr. V. darauf hingewiesen, wegen der MS-Erkrankung des Klägers könne das Ansprechen auf eine medikamentöse Depressionsbehandlung eingeschränkt sein. Dem Kläger stehe Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, da ihm mit dem auf drei bis unter sechs Stunden täglich verminderten Leistungsvermögen der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen sei. Die Rente werde gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) befristet. Damit werde auch berücksichtigt, dass eine antidepressive medikamentöse Behandlung des Klägers bislang nicht stattfinde und die Beklagte das Recht haben müsse, die Weitergewährung der Rente in angemessen kurzer Zeit zu überprüfen. Angemessen sei die Rentengewährung für 1 ½ Jahre.
Auf das ihr am 15.4.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9.5.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 6.5.2008 (LSG-Akte S. 7) vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dem Sozialgericht sei insoweit zuzustimmen, als es irrelevant sei, ob der zu wertenden psychischen Störung eine überwiegend hirnorganische oder erlebnisreaktive Komponente beizumessen sei. Für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung psychischer Störungen, auch hirnorganischer Psychosyndrome, stünden die dadurch verursachten funktionellen Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltagsleben im Vordergrund. Im Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. finde sich die klare Aussage, dass hinsichtlich des Leistungsprofils, welches auch Merkmale einer depressiven Störung beinhalte, eindeutig keine wesentlichen Beeinträchtigungen erkennbar seien und die beschriebenen subjektiven Defizite die selbstständige Bewältigung von Alltagsanforderungen oder einer Erwerbstätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigten. Auch der psychopathologische Befund des Dr. V. beziehe sich hinsichtlich Antrieb und verminderter Belastbarkeit ausschließlich auf die subjektiven Angaben des Klägers, wogegen ausdrücklich Hinweise für Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen verneint worden seien. Wie der Gutachter sodann lediglich aus der gedrückten Stimmungslage eine mittelschwere depressive Episode ableite, sei in keiner Weise nachvollziehbar. Demgegenüber liege beim Kläger ein gut strukturierter Tagesablauf vor. Allein die dabei geschilderten Aktivitäten sprächen gegen eine schwergradige Beeinträchtigung durch eine depressive Symptomatik und bestätigten letztendlich auch die Aussagen des neuropsychologischen Befundes. Insgesamt könne das Gutachten des Dr. V. nicht überzeugen. Anhand der aufgezeichneten Befunde sei weder eine schwergradige depressive noch hirnorganische Störung mit entsprechenden Beeinträchtigungen im Alltagsleben festzustellen. Die vorliegenden Beschwerden seien anhand ihrer Schilderung allenfalls i. S. einer (bei der Grunderkrankung nachvollziehbaren) Anpassungsstörung zu bewerten, die bereits in ambulantem Rahmen therapeutisch günstig zu beeinflussen wäre. Eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung lasse sich hieraus nicht ableiten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.3.2008 insoweit aufzuheben, als sie unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2006 verurteilt wurde, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 zu gewähren, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch über den 31.12.2008 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zugewähren.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit seiner Klage stattgegeben wurde.
Der Senat hat das Gutachten des Prof. Dr. T. (Direktor des Zentrums für seelische Gesundheit am Bürgerhospital Stuttgart, Institut für psychiatrische Begutachtung) vom 3.10.2008 (LSG-Akte S. 26) sowie das Gutachten des Prof. Dr. W. (ärztlicher Direktor der neurologischen Klinik des Bürgerhospitals Stuttgart) vom 16.4.2009 (LSG-Akte S. 61) erhoben.
Bei der Exploration durch Prof. Dr. T. hat der Kläger angegeben, es gehe ihm immer gleich schlecht; er habe Probleme mit dem Wetter und dem rechten Bein. Auch in seelischer Hinsicht gehe es ihm praktisch immer gleich. Angesprochen auf seine Stimmung habe der Kläger (unter Auflachen) angegeben, er habe keine Depressionen; seine Laune schwanke etwas, da er sich ja jeden zweiten Tag Betaferon spritzen müsse.
Prof. Dr. T. hat den Tagesablauf des Klägers eruiert (Aufstehen 7:00 Uhr, dann zum Bäcker und Frühstück, danach Einkaufen oder Skat spielen gegen den Computer, Fußballklub im Heimatverein als Hobby, dort manchmal an der Kasse, gelegentlich auch Fahrt zu Auswärtsspielen, eigenes Auto, damit auch Fahrt zum Einkaufen, u.U. Spaziergänge etwa eine Viertelstunde, Fernsehen, alle 15 Minuten Aufstehen und Umherlaufen wegen Rückenschmerzen). Befragt danach ob er traurig sei, habe der Kläger angegeben, er könne jeden Tag wegen dem Geld traurig sein. Bei Mitteilung der Diagnose seiner MS-Erkrankung sei ihm dies schon nahe gegangen, mittlerweile habe er sich aber damit abgefunden. Er hadere nicht und denke, dass es so weitergehen werde, wie jetzt; er wohne bei seiner Mutter in einem Einfamilienhaus.
Der Gutachter fand den Affekt des Klägers verflacht, die Schwingungsfähigkeit reduziert. Der Kläger habe jegliche depressive Affektlage verneint. Auch der objektive Eindruck habe hinsichtlich Mimik, Gestik, Verhalten oder Sprechweise keinen Anhalt für eine depressive Stimmungslage ergeben. Der Eindruck einer Auffassungsstörung habe sich indessen bestätigt; dabei handele es sich um ein Symptom, das im Laufe der hirnorganischen Veränderungen im Verlauf der MS-Erkrankung vorkomme. Inwieweit dies schon vor der Erkrankung bestanden habe, könne jedoch nicht sicher festgestellt werden; die soziobiografische Anamnese lasse Raum für diese Vermutung. Insgesamt lägen die Schwerpunkte der Beschwerden, die für das Rentenbegehren relevant seien, klar im neurologischen Bereich. Im Falle einer (reaktiven) depressiven Symptomatik bei MS, die im Verlauf der Erkrankung durchaus auftreten könne, seien medikamentöse Therapieoptionen oder auch psychotherapeutische Behandlungen möglich, wobei das Ansprechen hierauf angesichts der Grunderkrankung schlechter sei als bei endogenen Depressionen.
Der Gutachter diagnostizierte eine chronisch entzündliche ZNS-Erkrankung i. S. einer Multiplen Sklerose, schubförmiger Verlauf und ein Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits. Einen Anhalt für eine depressive Störung fand er nicht. Auf psychiatrischem Fachgebiet habe sich eine Diagnose nicht ergeben. Die durch die MS-Erkrankung verursachten Leistungseinschränkungen sollten in einem neurologischen Gutachten geklärt werden. Im Gegensatz zum Gutachter Dr. V. habe eine depressive Symptomatik nicht festgestellt werden können. Die von Dr. V. gefundene Auffassungserschwernis sei mit Sicherheit vorhanden. Sie reiche als alleinige Grundlage für die Diagnose einer depressiven Störung jedoch nicht aus; andere Symptome seien mit Ausnahme einer Schlafstörung nicht zu eruieren gewesen. Das Fehlen einer Depressionserkrankung folge insbesondere daraus, dass der Kläger selbst eine Depression verneint habe, obwohl ihm mehrfach Gelegenheit zur Äußerung entsprechender Beschwerden gegeben worden sei.
Prof. Dr. W. hat den Kläger ebenfalls nach seinen Beschwerden befragt. Dieser hat (u.a.) wetter- und belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des rechten Handgelenks seit einer Handgelenksoperation 1999 angegeben. Leichte Sachen könne er noch tragen, bei Lasten über 5 kg bekomme er ziehende Beschwerden im Handgelenk; seit einem Arbeitsunfall 1996 sei der rechte Zeigefinger steif (dazu Gutachten Prof. Dr. T. S. 15: Fingerendglied D2 rechts kann nicht gebeugt werden). Außerdem habe der Kläger Gefühlsstörungen im Bereich des rechten mittleren Unterarms bis zum Daumen und Zeigefinger berichtet; auch im Bereich des rechten Oberschenkels bis etwa zum Knie habe er ein Taubheitsgefühl. Im Bereich beider Füße gebe es unangenehme Missempfindungen, die bei längerem Gehen allmählich zunähmen. Beim Gehen, vor allem beim Treppabwärtsgehen sei er unsicher. Gehe er über 50 m, würden die Füße schwer wie Blei; andererseits habe der Kläger berichtet, am Untersuchungstag die vom Bahnhof bis zur Klinik leicht ansteigende Gehstrecke von 1,5 km in 40 Minuten zu Fuß zurückgelegt zu haben; beim zweiten Untersuchungstermin habe er die Strecke (auch den Rückweg) in 35 Minuten bewältigt. Bei längerem Zeitunglesen trete - so der Kläger - ein komisches Gefühl im Kopf auf. Kreuzschmerzen habe der Kläger bei schnellen Bewegungen geklagt. Die Beschwerdeschilderung habe er auf Nachfrage als vollständig bezeichnet.
Der Gutachter eruierte den Tagesablauf des Klägers (Aufwachen gegen 6.30 Uhr, Waschen und Nachrichten anschauen, um 8:00 Uhr zum Bäcker und Tageszeitung holen, Frühstück und Zeitunglesen bis 8.30 Uhr, dann lasse er "den Tag sein"; einmal wöchentlich am Freitag für die Mutter Besorgungen mit dem Auto, ansonsten Besorgungen zu Fuß, Mittagessen zwischen 11.30 Uhr und 12:00 Uhr, dann Dösen vor dem Fernseher, wenn nichts zu erledigen sei; Haushalt durch die Mutter, wobei er Arbeiten erledige, die sie nicht mehr bewältige, wie Vorhänge auf- und abhängen, Fenster putzen, Mülltonne rausstellen, Rasenmähen und Besorgungen; Abendessen und Fernsehen, zu Bett zwischen 23:00 Uhr und 23.30 Uhr; schlechter Schlaf; gelegentlich Treffen mit Bekannten auf dem Fußballplatz und Anschauen eines Fußballspiels, selten Besuch).
Der Gutachter diagnostizierte eine Encephalomyelitis disseminata (MS), EDSS 1,5, eine leichtgradige sensible Polyneuropathie mit distal symmetrischem Verteilungstyp unklarer Ursache, ein dezentes Sulcus-ulnaris-Syndrom links mit leichter Kraftminderung der Fingerspreizer links, Handgelenksarthrose rechts, skapholunäre Dissoziation rechts, z. n. Handgelenksdenervierung nach Wilhelm rechts 4/1999, einen Arbeitsunfall des rechten Zeigefingers 1996 sowie Hypercholesterinämie.
Hinsichtlich einer etwaigen Auffassungsstörung lasse sich nicht überprüfen, inwieweit die Auffassungsgabe des Klägers in früherer Zeit entwickelt gewesen sei. Bei jahrelanger Arbeitslosigkeit (seit 1998), geringen sozialen Kontakten sowie der bestehenden Abhängigkeit von der (84-jährigen) Mutter und dem infolge ihres Älterwerdens drohenden Versorgungsproblem lasse sich die soziobiografische Entwicklung nicht durch die leichtgradigen neurologischen Defizite im Rahmen der MS-Erkrankung erklären. Viele Patienten mit vergleichbaren Defiziten stünden aktiv im Berufsleben oder versorgten einen Familienhaushalt. Es lasse sich nicht feststellen, ob eine Auffassungsstörung oder eine von vornherein bestehende primär eingeschränkte Auffassungsgabe vorliege. Auf Grund des kernspintomographischen Befundes könne die Auffassungsstörung, die dann Teil eines hirnorganischen Psychosyndroms wäre, nicht begründet werden. Andere psychopathologische Befunde, die für ein hirnorganisches Psychosyndrom sprechen könnten, lägen nicht vor. Eine Fatigue-Symptomatik werde bislang nicht diskutiert und vom Kläger auch nicht geschildert. Mit dem Vorgutachten des Prof. Dr. T. bestehe Übereinstimmung; eine relevante depressive Störung liege nicht vor. Hinsichtlich der MS-Erkrankung handele es sich nicht eindeutig um einen schubförmigen Verlauf. Schübe seien nicht klar abgrenzbar. Infolge der nach der Diagnose der MS-Erkrankung angewendeten hochdosierten Cortisonbehandlung hätten sich die Sensibilitätsstörungen an den unteren Extremitäten gebessert; danach hätten sich die Beschwerden nicht wesentlich verändert und bis heute würden kein abgegrenzter Schub und keine weitere Cortisonbehandlung berichtet.
Dr. V. habe in seinem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten die Annahme einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode nicht ausreichend erklärt und belegt. Außerdem würden die therapeutischen Möglichkeiten zur Besserung der angenommenen depressiven Verstimmung nicht diskutiert. Schließlich hätte das Beschwerdebild, nachdem ein hirnorganisches Psychosyndrom gutachterlich ausgeschlossen gewesen sei, hinterfragt werden müssen; eingeschränkte Belastbarkeit und Schlafstörungen, Interessenverlust und Antriebsarmut könnten unterschiedliche Ursachen haben.
Die aktuelle Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit durch Erkrankungen des neurologischen Fachgebiets betrage 25 v.H. Eine Erwerbsunfähigkeit liege definitiv nicht vor. Die ganz im Vordergrund stehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit liege an der persönlichen Strukturierung des Klägers und seinen Fähigkeiten, dem physisch-psychischen Trainingszustand und dem Alter von 60 Jahren. Grundsätzlich kämen Tätigkeiten mit einfachem Anforderungsprofil (keine komplexen Zusammenhänge, keine besondere Beanspruchung der Gedächtnisleistung, Konzentration und Aufmerksamkeit, kein Zeitdruck, kein Akkord, keine selbstständige Tätigkeit mit Problemlösungen, keine Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Ausdrucksweise und Wiedergabe von Sachverhalten, wie Kundenkontakt u.ä.) unter Aufsicht und Anleitung in Frage. Eine 75-prozentige Teilzeitarbeit an fünf Tagen pro Woche sei möglich; das entspreche sechs Arbeitsstunden pro Tag. Schichtbetrieb sei ungünstig, Nachtschicht nicht möglich. Hinzukämen die (ggf. unfallchirurgisch zu beurteilende) Einschränkung der Funktion der rechten Hand und die Leistungseinschränkungen durch die allgemeine körperliche Verfassung und den Trainingszustand; letzteres betreffe die Bedingungen für das Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten. Der Kläger könne bei Berücksichtigung der dargestellten Einschränkungen grundsätzlich als Maschinenbediener arbeiten und etwa auch Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- oder Etikettiertätigkeiten verrichten; auch die Arbeit als Spielhallenaufsicht oder Registraturhilfskraft sei möglich. Besondere Pausen seien nicht notwendig. Der Kläger sei wegefähig. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungsminderung könne eine eindeutige Verschlimmerung der MS-Erkrankung seit Diagnosestellung im Januar 2005 nicht angenommen werden. Der Verlauf der MS-Erkrankung sei seit Diagnosestellung unter Betaferonbehandlung stabil ohne erkennbare Verschlechterung. Hinsichtlich der allgemeinen Leistungsfähigkeit hänge ein etwaiges Besserungspotenzial auch von der Willensanspannung und der Motivation des Klägers ab; denkbar wären etwa Fitnesstraining oder eine Ergotherapie.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht Erwerbsminderungsrente weder für die streitige Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 noch darüber hinaus zu; das Sozialgericht hätte die Klage insgesamt abweisen müssen.
Versicherte, die in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts täglich mindestens sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) bzw. mindestens drei Stunden (volle Erwerbsminderung) erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilig Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Vor dem 2.1.1961 geborene Versicherte haben ggf. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie - nach näherer Maßgabe des § 240 Abs. 2 SGB VI - berufsunfähig sind (zum Berufsschutz sowie zur Verweisbarkeit der Versicherten KassKomm-Niesel, SGB VI § 240 Rdnr. 9 ff, 82 ff. m N. zur Rspr.).
Davon ausgehend steht dem Kläger während der streitigen Zeit Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu, weil er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann bzw. verrichten konnte (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das hat die Beweiserhebung im Berufungsverfahren ergeben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist auch mit dem im sozialgerichtlichen Verfahren erhobenen Gutachten des Dr. V. eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht überzeugend dargetan; der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts daher nicht. Die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt nicht in Betracht, weil der Kläger sich breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen muss. Aus dem erlernten Beruf als Mechaniker kann er Berufsschutz nicht herleiten, da dieser Beruf nicht den bisherigen Beruf i. S. d. § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI darstellt. Der Kläger hat als Mechaniker nur bis etwa 1970 gearbeitet und diese Tätigkeit auch nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Danach war er (von 1969 bis 1998) bei der Firma Drescher als ungelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt; Berufsschutz vermittelt diese Tätigkeit nicht (KassKomm-Niesel, SGB VI § 240 Rdnr. 42).
Prof. Dr. T. hat eine psychiatrische Erkrankung des Klägers nicht finden können; auf diesem Fachgebiet hat sich keine Diagnose ergeben. Insbesondere liegt eine (hinreichend gewichtige) depressive Störung nicht vor. Der Kläger selbst hat (auf mehrfache gezielte Nachfrage) eine Depressionserkrankung verneint und lediglich auf seine "schwankende Laune" verwiesen. Mit der MS-Erkrankung hat er sich nach eigenen Angaben mittlerweile abgefunden, ohne weiter damit zu hadern. Dementsprechend hat der Gutachter bei der Exploration des Klägers zwar eine reduzierte Schwingungsfähigkeit festgestellt, eine Erkrankung des depressiven Formenkreises allerdings überzeugend verneint. Objektiviert wird diese Einschätzung durch die bei der Befragung des Klägers gewonnenen Erkenntnisse zu Mimik, Gestik, Verhalten und Sprechweise, die allesamt keinen Anhalt für eine depressive Stimmungslage ergeben haben. Auch der im Wesentlichen gut strukturierte Tagesablauf des Klägers gibt keine Hinweise auf ein depressives Krankheitsgeschehen und die damit verbundenen Einschränkungen des Alltagslebens.
Prof. Dr. W. hat (wie bereits Dr. G. im Verwaltungsgutachten vom 19.10.2005: uneingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit) die Einschätzung des Prof. Dr. T. hinsichtlich des Fehlens einer relevanten depressiven Störung bestätigt. Auf neurologischem Fachgebiet hat er eine rentenberechtigende Leistungsminderung ebenfalls überzeugend ausgeschlossen und den Kläger für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) sechs Stunden täglich zu leisten. Die Folgen der MS-Erkrankung stehen dem nicht entgegen. Diese ist seit der Diagnosestellung im Januar 2005 bislang offenbar nicht schubförmig verlaufen. Die zunächst aufgetretenen und zur Krankheitsdiagnose führenden Sensibilitätsstörungen an den unteren Extremitäten haben sich unter hochdosierter Cortisonbehandlung ersichtlich gebessert. Seitdem haben sich die Beschwerden – so der Gutachter – nicht wesentlich verändert und bis zum Zeitpunkt der Untersuchung ist kein abgegrenzter Krankheitsschub aufgetreten; Dr. V. hat dies in seinem Gutachten bestätigt. Die Krankheit verläuft seit der Diagnosestellung unter Betaferonbehandlung stabil ohne erkennbare Verschlechterung. Eine Fatigue-Symptomatik liegt nicht vor und ist vom Kläger auch nicht geschildert worden.
Aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. geht damit klar hervor, dass aus der für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung im Vordergrund stehenden neurologischen Erkrankung des Klägers (MS) rentenberechtigende Leistungsminderungen weder für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 noch danach herzuleiten sind. Unterstrichen wird dies durch die Erkenntnisse des Dipl.-Psych. H. (Zusatzgutachten vom 16.10.2006), der keine, dem Vollbild der MS-Erkrankung entsprechenden kognitiven Leistungseinschränkungen feststellen konnte. Dr. V. hat in seinem Gutachten hinsichtlich Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung ebenfalls keine Defizite gefunden, die eine Erwerbstätigkeit wesentlich beeinträchtigen könnten. Ein hirnorganisches Psychosyndrom ist mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen worden; das hat Dr. Bu. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.5.2007 unter Hinweis auf die Gutachten des Dr. V. und des Dipl.-Psych. H. schlüssig dargelegt. Dr. V. hat diese Einschätzung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.6.2007 ausdrücklich bestätigt. Eine etwaige, u. U. schon vor der MS-Erkrankung bestehende und in das Erwerbsleben eingebrachte Auffassungsstörung kann qualitative Leistungseinschränkungen notwendig machen. Dass deswegen auch das quantitative Leistungsvermögen des Klägers beeinträchtigt wäre, haben die Gutachter (insbesondere Prof. Dr. W.) indessen nicht angenommen.
Auch hinsichtlich etwaiger Erkrankungen des psychiatrischen Fachgebiets ist eine rentenberechtigende Leistungsminderung während der streitigen Zeit nicht nachgewiesen. Wie schon Dr. G. (Verwaltungsgutachten vom 19.10.2005) haben auch Prof. Dr. T. und Prof. Dr. W. hierfür keinen hinreichenden Anhalt gefunden. Die gegenteilige Einschätzung des Dr. V., auf die das Sozialgericht sein Urteil gestützt hat, kann demgegenüber nicht überzeugen.
Dr. V. hat lediglich eine gedrückte Stimmung und eine zwar eingeschränkte, aber nicht aufgehobene Schwingungsfähigkeit des Klägers eruiert; die Annahme einer deutlichen Antriebsstörung lässt sich mit dem weitgehend unbeeinträchtigten Tagesablauf des Klägers nicht vereinbaren. Hierauf hat Dr. Bu. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5.2.2007 mit Recht hingewiesen und die von Dr. V. postulierte quantitative Leistungseinschränkung mit Recht als nicht nachvollziehbar begründet angesehen. Dr. V. hat zudem bestätigt, dass der Kläger die (vom Gutachter angenommene) depressive Veränderung als solche selbst nicht wahrgenommen und nicht geklagt hat. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des Prof. Dr. W., der der Auffassung des Dr. V. deswegen entgegen getreten ist; auch bei der Begutachtung durch Prof. Dr. W. hat der Kläger selbst das Vorliegen einer depressiven Erkrankung verneint. Die Richtigkeit dessen wird weiter bestätigt durch die Einschätzung des behandelnden Neurologen Dr. Oe ... Dieser ist der Meinung des Dr. V. im Bericht vom 26.3.2007 ebenfalls entgegen getreten. Er hat eine depressive Episode klar verneint; in den Gesprächen mit dem Kläger hat er Hinweise auf eine depressive Symptomatik nicht finden können und eine antidepressive Behandlung demzufolge für nicht indiziert erachtet. Dr. V. hat die depressive Störung in dem von ihm angenommenen Schweregrad schließlich im Kern nur für möglich erachtet und sich hierfür auf die – so Dr. V. – wenig ergiebige Befragung des Klägers gestützt, der Symptome hinsichtlich Selbstvertrauen und Freudlosigkeit erst auf Nachfrage und dann auch nicht eindeutig geäußert habe. Insoweit hat Prof. Dr. T. überzeugend darauf verwiesen, dass eine Auffassungserschwernis als Grundlage für die Diagnose einer depressiven Störung nicht ausreichen kann. Auch Prof. Dr. W. hat die Annahme einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode durch Dr. V. als nicht ausreichend erklärt und belegt angesehen. Schließlich sind dem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. hinsichtlich des Leistungsprofils des Klägers ebenfalls keine wesentlichen Beeinträchtigungen zu entnehmen, die die selbständige Bewältigung von Alltagsanforderungen oder von Anforderungen einer Erwerbstätigkeit wesentlich beeinträchtigen würden. Auch dies steht dem Vorliegen einer sozialmedizinisch beachtlichen depressiven Erkrankung entgegen, worauf Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 6.5.2008 zu Recht hingewiesen hat. Im Übrigen hat eine antidepressive Behandlung (ersichtlich mangels Notwendigkeit) bislang auch nicht ansatzweise stattgefunden; ein Therapieversuch wäre aber vor der Berentung in jedem Fall zu unternehmen und dürfte nicht unter Hinweis auf eingeschränkte Erfolgsaussichten von vornherein unterbleiben. Insgesamt mag beim Kläger eine Anpassungsstörung vorliegen (so Dr. G. a. a. O.), eine rentenberechtigende (quantitative) Leistungsminderung folgt daraus freilich nicht.
Erkrankungen auf anderen Fachgebieten, die sozialmedizinisch (rentenrechtlich) von Belang wären, sind nicht ersichtlich. Wetter- und belastungsabhängige Schmerzen im rechten Handgelenk genügen dafür nicht, zumal der Kläger Lasten bis 5 kg nach eigenen Angaben noch tragen kann, was die Verrichtung leichter Tätigkeiten erlaubt. Gleiches gilt für – bei schnellen Bewegungen – geklagte Kreuzschmerzen oder die fehlende Beugefähigkeit des Fingerendglieds D2 rechts. Der (vollschichtigen) Verrichtung der im Gutachten des Prof. Dr. W. beispielhaft genannten leichten Tätigkeiten (etwa Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- oder Etikettiertätigkeiten) steht dies, wie Prof. Dr. W. mit Recht angenommen hat, nicht entgegen. Prof. Dr. W. hat den Kläger, gestützt nicht zuletzt auf dessen eigene Angaben zur Bewältigung bspw. von Wegstrecken zum Begutachtungsort, auch überzeugend für wegefähig erachtet.
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf.
Das Sozialgericht hätte der Klage daher nicht teilweise stattgeben dürfen, weshalb die Berufung der Beklagten Erfolg hat. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung von Erwerbsminderungsrente auf Zeit.
Der 1949 geborene Kläger absolvierte vom 1.4.1965 bis 12.9.1968 eine Ausbildung zum Mechaniker. In diesem Beruf arbeitete er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch (nicht auf gesundheitlichen Gründen beruhende) Kündigung (etwa) im Jahr 1970. In der Folgezeit war er als Maschinenführer versicherungspflichtig beschäftigt. Nach der Arbeitgeberauskunft der Firma Drescher, Druck und Dienstleistung, vom 14.12.2005 (Verwaltungsakte S. M4) arbeitete der Kläger vom 3.11.1969 bis 30.11.1998 als Maschinenführer; dabei handelte es sich um eine ungelernte Arbeit (bis zu drei Monaten Anlernzeit), die in Lohngruppe 3 des seinerzeit maßgeblichen Manteltarifvertrages der Druckindustrie eingruppiert war. Auch dieses Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung. Danach war der Kläger arbeitslos.
Am 8.9.2005 beantragte der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, er halte sich wegen einer Multiple-Sklerose-Erkrankung für erwerbsunfähig. Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten Dr. G. vom 19.10.2005. Der Gutachter fand eine nicht eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit und diagnostizierte Multiple Sklerose (MS) mit leichter Bewegungseinschränkung am rechten Bein sowie einen Verdacht auf Äthanolkonsum. Die MS-Erkrankung verlaufe in Schüben. Derzeit sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen: überwiegend im Sitzen, keine Zugluft, Kälte oder Nässe, Arbeit in geschlossenen Räumen) noch vollschichtig zu verrichten.
Mit Bescheid vom 27.10.2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab; der Kläger erfülle zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung, sei aber weder teilweise noch voll erwerbsgemindert (Kontospiegel Verwaltungsakte S. 12). Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2006 zurückgewiesen.
Am 22.3.2006 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart; sein Gesundheitszustand verschlechtere sich immer mehr, weshalb er nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten könne.
Das Sozialgericht befragte den behandelnden Neurologen Dr. Oe. (Bericht vom 19.6.2006: nur noch halbschichtige Leistungsfähigkeit, SG-Akte S. 16) und erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters (SG-Akte S. 45) Dr. V. vom 7.11.2006 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. vom 16.10.2006 (keine dem Vollbild der MS-Erkrankung entsprechenden kognitiven Leistungseinschränkungen) und ergänzenden Stellungnahmen vom 28.6.2007 und 30.9.2007. Die Beklagte legte beratungsärztliche Stellungnahmen vor.
Dr. V. führte im Hinblick auf das Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. aus, in den Bereichen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, selektive und geteilte Aufmerksamkeit, Reaktionstempo und figurale Gedächtnisleistung hätten sich weitgehend normgerechte Ergebnisse gezeigt. Die subjektiven Aufmerksamkeits- und Gedächtnisdefizite erschienen nicht als so schwerwiegend, dass sie eine selbstständige Bewältigung der Alltagsanforderungen oder eine Erwerbstätigkeit wesentlich beeinträchtigten. Psychopathologisch hätten sich allerdings eine Antriebsschwäche und eine eingeschränkte Befindlichkeit, was auf eine affektive Störung depressiver Färbung hinweise, ergeben.
Der Gutachter eruierte den Tagesablauf des Klägers (Aufstehen gegen 7:30 Uhr und Frühstück mit der Mutter - bei der der ledige Kläger lebt -, vormittags Beschäftigung mit dem Computer, bei gutem Wetter kleinere Radtouren, nachmittags Fernsehen, am Samstagnachmittag zum Fußballspiel, dort Tätigkeit als Kassierer; dienstags und donnerstags Kartenspiel; leichte Hausarbeit übernehme die Mutter, schwerere Aufgaben übernehme der Kläger) und stellte eine gedrückte Stimmung fest; die Schwingungsfähigkeit des Klägers sei eingeschränkt, jedoch nicht aufgehoben. Es liege eine deutliche Antriebsstörung vor. Dr. V. diagnostizierte eine leichte bis mittelschwere depressive Episode, Encephalomyelitis disseminata (MS), bisher schubförmiger Verlauf bei Betaferon-Therapie, ein grenzwertiges sensibles Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits sowie eine Polyneuropathie unklarer Genese. Seit der Diagnose der MS-Erkrankung im Januar 2005 habe sich ein erneuter Schub wohl nicht zugetragen. Eine kognitive Leistungseinschränkung bestehe nicht. Der psychische Befund lege die Diagnose einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode nahe. Der Kläger selbst habe die Veränderung nicht als solche wahrgenommen und auch nicht geklagt; er habe vor allem vegetative Symptome sowie über eine Kraft- und Energielosigkeit berichtet. Die Polyneuropathie verursache nur leichte Ausfälle und habe keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Die depressive Symptomatik bedinge jedoch quantitative wie qualitative Leistungseinschränkungen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten; die zeitliche Einschränkung ergebe sich aus der depressiven Störung. Als Mechaniker könne der Kläger nicht mehr arbeiten.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 5.2.2007 vor (SG-Akte S. 61). Darin ist ausgeführt, die von Dr. V. angenommene zeitliche Leistungseinschränkung sei nicht nachvollziehbar begründet. Gerade die Feststellungen zum Tagesablauf rechtfertigten quantitative Leistungseinschränkungen nicht. Der Gutachter habe auch nicht berücksichtigt, dass eine adäquate, antidepressive Behandlung bislang weder durchgeführt noch erwogen worden sei. Die vom Gutachter beschriebene leichte bis mittelschwere depressive Episode sei einer adäquaten Therapie in der Regel gut zugänglich, wobei mit einer deutlichen Besserung innerhalb weniger Wochen zu rechnen sei.
Das Sozialgericht erhob daraufhin den ergänzenden Bericht des (behandelnden Neurologen) Dr. Oe. vom 26.3.2007 (SG-Akte S. 68). Dr. Oe. führte aus, entgegen der Einschätzung des Dr. V. liege beim Kläger keine depressive Episode vor. Ursächlich für die deutliche Leistungseinschränkung sei weiterhin das hirnorganische Psychosyndrom infolge der MS-Erkrankung. In mehreren Gesprächen mit dem Kläger hätten sich keine Hinweise auf eine depressive Symptomatik gezeigt. Deswegen sei eine entsprechende medikamentöse Behandlung auch nicht erforderlich.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 25.5.2007 vor (SG-Akte S. 72). Darin ist ausgeführt, die Einschätzung des Dr. Oe., wonach ein für deutliche kognitive Leistungseinschränkungen ursächliches hirnorganisches Psychosyndrom vorliege, werde in keiner Weise begründet, insbesondere nicht durch Vorlage entsprechender ausführlicher klinischer Untersuchungen und Tests. Auf Grund des Gutachtens des Dr. V. und des neuropsychologischen Zusatzgutachtens des Dipl. Psych. H. erscheine ein hirnorganisches Psychosyndrom mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Dr. V. habe hinsichtlich des kognitiven Leistungsvermögens keine wesentlichen Defizite gefunden. Die Meinungsverschiedenheit zwischen Dr. V. und Dr. Oe. hinsichtlich des Bestehens einer depressiven Episode sei am ehesten dadurch zu erklären, dass - entgegen der Auffassung des Dr. V. - nur eine (sehr) leichte depressive Episode vorliege, die der behandelnde Nervenarzt offensichtlich (noch) nicht als solche habe erkennen können. Quantitative Leistungseinschränkungen folgten daraus nicht.
Dr. V. führte hierzu in der ergänzenden Stellungnahme vom 28.6.2007 (SG-Akte S. 77) aus, divergierende Auffassungen bestünden hinsichtlich des Vorliegens eines hirnorganischen Psychosyndroms bzw. einer depressiven Störung. Dabei sei die neuropsychologische Testung als das am besten geeignete Instrumentarium anzusehen, um eine entsprechende Diagnose zu stellen bzw. auszuschließen. Die Sicherheit der Befundung gehe auf Grund der umfangreichen Testung weit über den Eindruck eines persönlichen Gesprächs oder auch einer differenzierteren nervenärztlichen Befragung hinaus. Die vorliegenden Ergebnisse erschienen eindeutig; er schließe sich der Meinung des Dipl.-Psych. H. an, wonach ein hirnorganisches Psychosyndrom nicht vorliege. Im Übrigen sprächen der kernspintomographische und der körperliche Befund für das frühe Stadium einer MS-Erkrankung, in dem üblicherweise hirnorganische Psychosyndrome noch nicht aufträten. Im psychischen Befund des Klägers habe er deutliche Symptome einer depressiven Störung festgestellt. Beim Kläger hätten als Kernsymptome eine gedrückte Stimmung und ein verminderter Antrieb bestanden. Als weitere Symptome fänden sich Interessenverlust, Schlafstörungen und ein verminderter Appetit; hinsichtlich des Selbstvertrauens und der Freudlosigkeit sei die Befragung wenig ergiebig gewesen, da der Kläger die Symptome erst auf Nachfrage und dann auch nicht eindeutig geäußert habe. Das Kontaktverhalten habe eine entsprechende Störung als möglich erscheinen lassen. In der Schilderung des Tagesablaufs seien nur kurzzeitige Tätigkeiten berichtet worden. Bei der Beschreibung der Tätigkeit als Kassierer bei lokalen Fußballspielen sei davon auszugehen, dass der Kläger diese Aufgabe nicht mehr wie früher bewältigt habe, da er "aus der Ruhe" komme. Daraus ergäben sich Hinweise für eine Einschränkung der Dauerbelastbarkeit. Auf Grund der zurückhaltenden Äußerungen des Klägers sei die Einschätzung des Schweregrades der depressiven Episode schwierig; es werde durchaus auch eine mittelgradige depressive Episode für möglich gehalten, während eine "sehr leichte" Störung nicht vorliege. Die Erfolgsaussichten einer antidepressiven Therapie seien zwar im Allgemeinen gut, allerdings gelte dies in weit geringerem Umfang für an MS erkrankte Patienten. Bei ihnen fänden sich wesentlich häufiger depressive Störungen als in der Normalbevölkerung. Auch die Behandlung sei weniger erfolgreich, da häufig eine Anpassungsstörung i. S. einer psychischen Reaktion auf die körperliche Erkrankung und ihre Folgen vorliege. Insgesamt werde daran festgehalten, dass der Kläger im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung leichte Tätigkeiten nur drei bis sechs Stunden täglich habe verrichten können.
Die Beklagte legte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 7.9.2007 vor (SG-Akte S. 87). Dieser führte im Hinblick auf das Vorliegen einer depressiven Erkrankung aus, bislang sei auch nicht ansatzweise der Versuch einer antidepressiven Behandlung des Klägers unternommen worden. Deshalb könne man nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass eine adäquate Therapie ohne nennenswerte Wirkung wäre. Der Annahme des Dr. V., im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung sei das Leistungsvermögen des Klägers auch quantitativ eingeschränkt gewesen, könne mit Einschränkungen gefolgt werden. Die Annahme einer quantitativen Leistungseinschränkung zum Untersuchungszeitpunkt rechtfertige aber noch nicht die Annahme einer länger dauernden quantitativen Leistungsminderung, zumal hinsichtlich des für die Leistungseinschätzung maßgeblichen Leidens bislang gar keine Therapie stattgefunden habe.
Auf Nachfrage des Sozialgerichts führte Dr. V. in der (weiteren) ergänzenden Stellungnahme vom 30.9.2007 (SG-Akte S. 91) aus, zur Dauerhaftigkeit der Leistungseinschränkung könne keine eindeutige Aussage gemacht werden. Falls der Kläger auf eine antidepressive Therapie (medikamentöse Behandlung oder Psychotherapie) ansprechen sollte, wäre durchaus denkbar, dass die Symptome innerhalb eines halben Jahres ganz oder teilweise zurückgingen. Ein guter Verlauf sei möglich, könne keinesfalls aber auch so erwartet werden, da die depressive Störung häufig i. S. einer Anpassungsstörung mit psychischen Reaktionen auf die körperliche Erkrankung weiterbestehe. Die Wahrscheinlichkeit einer Besserung beim Kläger sei geringer als bei depressiven Störungen innerhalb der Normalbevölkerung. Der zeitliche Verlauf und das Ausmaß der Heilung seien nicht prognostizierbar.
Die Beklagte legte die abschließende beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Bu. vom 5.12.2007 (SG-Akte S. 95) vor. Danach sei auch im Hinblick auf die ergänzende Stellungnahme des Dr. V. vom 30.9.2007 weder wahrscheinlich gemacht noch belegt, dass die depressive Störung des Klägers nicht innerhalb eines halben Jahres gebessert werden könne. Die bisherige Leistungseinschätzung werde aufrecht erhalten.
Mit Urteil vom 11.3.2008 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2006, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 zu gewähren; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich sei der Kläger teilweise erwerbsgemindert. Das ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. V ... Dieser habe schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kläger wegen einer depressiven Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, sechs Stunden täglich zu arbeiten. Auch wenn der Tagesablauf des Klägers eine Struktur erkennen lasse, gerate der Kläger selbst bei leichtesten Tätigkeiten auf Dauer aus der Ruhe. Entscheidend sei, dass Dr. V. den Kläger persönlich untersucht und sich von ihm ein Bild gemacht habe; bei depressiven Erkrankungen sei dies ein nicht zu unterschätzender Faktor. Zudem habe der Dipl.-Psych. H. psychopathologisch eine Antriebschwäche und eine eingeschränkte Befindlichkeit gefunden und dies als deutlichen Hinweis für eine affektive Störung depressiver Färbung gewertet. Der abweichenden Auffassung des behandelnden Arztes Dr. Oe. müsse nicht weiter nachgegangen werden, da auch dieser von einem zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers ausgehe; die dem zu Grunde liegende Diagnose (Depression oder hirnorganisches Psychosyndrom) sei unerheblich. Die Leistungseinschränkung des Klägers sei auch dauerhaft. Die Erwartung, eine (bislang nicht stattfindende) antidepressive medikamentöse Behandlung könne zu einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustandes führen, genüge nicht, um eine dauerhafte Leistungseinschränkung auszuschließen. Die bloße Möglichkeit, innerhalb von sechs Monaten könne sich das Leistungsvermögen verbessern, stehe der Gewährung von Erwerbsminderungsrente nicht entgegen. Insoweit habe Dr. V. darauf hingewiesen, wegen der MS-Erkrankung des Klägers könne das Ansprechen auf eine medikamentöse Depressionsbehandlung eingeschränkt sein. Dem Kläger stehe Rente wegen voller Erwerbsminderung zu, da ihm mit dem auf drei bis unter sechs Stunden täglich verminderten Leistungsvermögen der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen sei. Die Rente werde gem. § 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) befristet. Damit werde auch berücksichtigt, dass eine antidepressive medikamentöse Behandlung des Klägers bislang nicht stattfinde und die Beklagte das Recht haben müsse, die Weitergewährung der Rente in angemessen kurzer Zeit zu überprüfen. Angemessen sei die Rentengewährung für 1 ½ Jahre.
Auf das ihr am 15.4.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9.5.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. G. vom 6.5.2008 (LSG-Akte S. 7) vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dem Sozialgericht sei insoweit zuzustimmen, als es irrelevant sei, ob der zu wertenden psychischen Störung eine überwiegend hirnorganische oder erlebnisreaktive Komponente beizumessen sei. Für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung psychischer Störungen, auch hirnorganischer Psychosyndrome, stünden die dadurch verursachten funktionellen Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltagsleben im Vordergrund. Im Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. finde sich die klare Aussage, dass hinsichtlich des Leistungsprofils, welches auch Merkmale einer depressiven Störung beinhalte, eindeutig keine wesentlichen Beeinträchtigungen erkennbar seien und die beschriebenen subjektiven Defizite die selbstständige Bewältigung von Alltagsanforderungen oder einer Erwerbstätigkeit nicht wesentlich beeinträchtigten. Auch der psychopathologische Befund des Dr. V. beziehe sich hinsichtlich Antrieb und verminderter Belastbarkeit ausschließlich auf die subjektiven Angaben des Klägers, wogegen ausdrücklich Hinweise für Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen verneint worden seien. Wie der Gutachter sodann lediglich aus der gedrückten Stimmungslage eine mittelschwere depressive Episode ableite, sei in keiner Weise nachvollziehbar. Demgegenüber liege beim Kläger ein gut strukturierter Tagesablauf vor. Allein die dabei geschilderten Aktivitäten sprächen gegen eine schwergradige Beeinträchtigung durch eine depressive Symptomatik und bestätigten letztendlich auch die Aussagen des neuropsychologischen Befundes. Insgesamt könne das Gutachten des Dr. V. nicht überzeugen. Anhand der aufgezeichneten Befunde sei weder eine schwergradige depressive noch hirnorganische Störung mit entsprechenden Beeinträchtigungen im Alltagsleben festzustellen. Die vorliegenden Beschwerden seien anhand ihrer Schilderung allenfalls i. S. einer (bei der Grunderkrankung nachvollziehbaren) Anpassungsstörung zu bewerten, die bereits in ambulantem Rahmen therapeutisch günstig zu beeinflussen wäre. Eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung lasse sich hieraus nicht ableiten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11.3.2008 insoweit aufzuheben, als sie unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.3.2006 verurteilt wurde, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 zu gewähren, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, ihm auch über den 31.12.2008 hinaus Rente wegen voller Erwerbsminderung zugewähren.
Er verteidigt das angefochtene Urteil, soweit seiner Klage stattgegeben wurde.
Der Senat hat das Gutachten des Prof. Dr. T. (Direktor des Zentrums für seelische Gesundheit am Bürgerhospital Stuttgart, Institut für psychiatrische Begutachtung) vom 3.10.2008 (LSG-Akte S. 26) sowie das Gutachten des Prof. Dr. W. (ärztlicher Direktor der neurologischen Klinik des Bürgerhospitals Stuttgart) vom 16.4.2009 (LSG-Akte S. 61) erhoben.
Bei der Exploration durch Prof. Dr. T. hat der Kläger angegeben, es gehe ihm immer gleich schlecht; er habe Probleme mit dem Wetter und dem rechten Bein. Auch in seelischer Hinsicht gehe es ihm praktisch immer gleich. Angesprochen auf seine Stimmung habe der Kläger (unter Auflachen) angegeben, er habe keine Depressionen; seine Laune schwanke etwas, da er sich ja jeden zweiten Tag Betaferon spritzen müsse.
Prof. Dr. T. hat den Tagesablauf des Klägers eruiert (Aufstehen 7:00 Uhr, dann zum Bäcker und Frühstück, danach Einkaufen oder Skat spielen gegen den Computer, Fußballklub im Heimatverein als Hobby, dort manchmal an der Kasse, gelegentlich auch Fahrt zu Auswärtsspielen, eigenes Auto, damit auch Fahrt zum Einkaufen, u.U. Spaziergänge etwa eine Viertelstunde, Fernsehen, alle 15 Minuten Aufstehen und Umherlaufen wegen Rückenschmerzen). Befragt danach ob er traurig sei, habe der Kläger angegeben, er könne jeden Tag wegen dem Geld traurig sein. Bei Mitteilung der Diagnose seiner MS-Erkrankung sei ihm dies schon nahe gegangen, mittlerweile habe er sich aber damit abgefunden. Er hadere nicht und denke, dass es so weitergehen werde, wie jetzt; er wohne bei seiner Mutter in einem Einfamilienhaus.
Der Gutachter fand den Affekt des Klägers verflacht, die Schwingungsfähigkeit reduziert. Der Kläger habe jegliche depressive Affektlage verneint. Auch der objektive Eindruck habe hinsichtlich Mimik, Gestik, Verhalten oder Sprechweise keinen Anhalt für eine depressive Stimmungslage ergeben. Der Eindruck einer Auffassungsstörung habe sich indessen bestätigt; dabei handele es sich um ein Symptom, das im Laufe der hirnorganischen Veränderungen im Verlauf der MS-Erkrankung vorkomme. Inwieweit dies schon vor der Erkrankung bestanden habe, könne jedoch nicht sicher festgestellt werden; die soziobiografische Anamnese lasse Raum für diese Vermutung. Insgesamt lägen die Schwerpunkte der Beschwerden, die für das Rentenbegehren relevant seien, klar im neurologischen Bereich. Im Falle einer (reaktiven) depressiven Symptomatik bei MS, die im Verlauf der Erkrankung durchaus auftreten könne, seien medikamentöse Therapieoptionen oder auch psychotherapeutische Behandlungen möglich, wobei das Ansprechen hierauf angesichts der Grunderkrankung schlechter sei als bei endogenen Depressionen.
Der Gutachter diagnostizierte eine chronisch entzündliche ZNS-Erkrankung i. S. einer Multiplen Sklerose, schubförmiger Verlauf und ein Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits. Einen Anhalt für eine depressive Störung fand er nicht. Auf psychiatrischem Fachgebiet habe sich eine Diagnose nicht ergeben. Die durch die MS-Erkrankung verursachten Leistungseinschränkungen sollten in einem neurologischen Gutachten geklärt werden. Im Gegensatz zum Gutachter Dr. V. habe eine depressive Symptomatik nicht festgestellt werden können. Die von Dr. V. gefundene Auffassungserschwernis sei mit Sicherheit vorhanden. Sie reiche als alleinige Grundlage für die Diagnose einer depressiven Störung jedoch nicht aus; andere Symptome seien mit Ausnahme einer Schlafstörung nicht zu eruieren gewesen. Das Fehlen einer Depressionserkrankung folge insbesondere daraus, dass der Kläger selbst eine Depression verneint habe, obwohl ihm mehrfach Gelegenheit zur Äußerung entsprechender Beschwerden gegeben worden sei.
Prof. Dr. W. hat den Kläger ebenfalls nach seinen Beschwerden befragt. Dieser hat (u.a.) wetter- und belastungsabhängige Schmerzen im Bereich des rechten Handgelenks seit einer Handgelenksoperation 1999 angegeben. Leichte Sachen könne er noch tragen, bei Lasten über 5 kg bekomme er ziehende Beschwerden im Handgelenk; seit einem Arbeitsunfall 1996 sei der rechte Zeigefinger steif (dazu Gutachten Prof. Dr. T. S. 15: Fingerendglied D2 rechts kann nicht gebeugt werden). Außerdem habe der Kläger Gefühlsstörungen im Bereich des rechten mittleren Unterarms bis zum Daumen und Zeigefinger berichtet; auch im Bereich des rechten Oberschenkels bis etwa zum Knie habe er ein Taubheitsgefühl. Im Bereich beider Füße gebe es unangenehme Missempfindungen, die bei längerem Gehen allmählich zunähmen. Beim Gehen, vor allem beim Treppabwärtsgehen sei er unsicher. Gehe er über 50 m, würden die Füße schwer wie Blei; andererseits habe der Kläger berichtet, am Untersuchungstag die vom Bahnhof bis zur Klinik leicht ansteigende Gehstrecke von 1,5 km in 40 Minuten zu Fuß zurückgelegt zu haben; beim zweiten Untersuchungstermin habe er die Strecke (auch den Rückweg) in 35 Minuten bewältigt. Bei längerem Zeitunglesen trete - so der Kläger - ein komisches Gefühl im Kopf auf. Kreuzschmerzen habe der Kläger bei schnellen Bewegungen geklagt. Die Beschwerdeschilderung habe er auf Nachfrage als vollständig bezeichnet.
Der Gutachter eruierte den Tagesablauf des Klägers (Aufwachen gegen 6.30 Uhr, Waschen und Nachrichten anschauen, um 8:00 Uhr zum Bäcker und Tageszeitung holen, Frühstück und Zeitunglesen bis 8.30 Uhr, dann lasse er "den Tag sein"; einmal wöchentlich am Freitag für die Mutter Besorgungen mit dem Auto, ansonsten Besorgungen zu Fuß, Mittagessen zwischen 11.30 Uhr und 12:00 Uhr, dann Dösen vor dem Fernseher, wenn nichts zu erledigen sei; Haushalt durch die Mutter, wobei er Arbeiten erledige, die sie nicht mehr bewältige, wie Vorhänge auf- und abhängen, Fenster putzen, Mülltonne rausstellen, Rasenmähen und Besorgungen; Abendessen und Fernsehen, zu Bett zwischen 23:00 Uhr und 23.30 Uhr; schlechter Schlaf; gelegentlich Treffen mit Bekannten auf dem Fußballplatz und Anschauen eines Fußballspiels, selten Besuch).
Der Gutachter diagnostizierte eine Encephalomyelitis disseminata (MS), EDSS 1,5, eine leichtgradige sensible Polyneuropathie mit distal symmetrischem Verteilungstyp unklarer Ursache, ein dezentes Sulcus-ulnaris-Syndrom links mit leichter Kraftminderung der Fingerspreizer links, Handgelenksarthrose rechts, skapholunäre Dissoziation rechts, z. n. Handgelenksdenervierung nach Wilhelm rechts 4/1999, einen Arbeitsunfall des rechten Zeigefingers 1996 sowie Hypercholesterinämie.
Hinsichtlich einer etwaigen Auffassungsstörung lasse sich nicht überprüfen, inwieweit die Auffassungsgabe des Klägers in früherer Zeit entwickelt gewesen sei. Bei jahrelanger Arbeitslosigkeit (seit 1998), geringen sozialen Kontakten sowie der bestehenden Abhängigkeit von der (84-jährigen) Mutter und dem infolge ihres Älterwerdens drohenden Versorgungsproblem lasse sich die soziobiografische Entwicklung nicht durch die leichtgradigen neurologischen Defizite im Rahmen der MS-Erkrankung erklären. Viele Patienten mit vergleichbaren Defiziten stünden aktiv im Berufsleben oder versorgten einen Familienhaushalt. Es lasse sich nicht feststellen, ob eine Auffassungsstörung oder eine von vornherein bestehende primär eingeschränkte Auffassungsgabe vorliege. Auf Grund des kernspintomographischen Befundes könne die Auffassungsstörung, die dann Teil eines hirnorganischen Psychosyndroms wäre, nicht begründet werden. Andere psychopathologische Befunde, die für ein hirnorganisches Psychosyndrom sprechen könnten, lägen nicht vor. Eine Fatigue-Symptomatik werde bislang nicht diskutiert und vom Kläger auch nicht geschildert. Mit dem Vorgutachten des Prof. Dr. T. bestehe Übereinstimmung; eine relevante depressive Störung liege nicht vor. Hinsichtlich der MS-Erkrankung handele es sich nicht eindeutig um einen schubförmigen Verlauf. Schübe seien nicht klar abgrenzbar. Infolge der nach der Diagnose der MS-Erkrankung angewendeten hochdosierten Cortisonbehandlung hätten sich die Sensibilitätsstörungen an den unteren Extremitäten gebessert; danach hätten sich die Beschwerden nicht wesentlich verändert und bis heute würden kein abgegrenzter Schub und keine weitere Cortisonbehandlung berichtet.
Dr. V. habe in seinem für das Sozialgericht erstatteten Gutachten die Annahme einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode nicht ausreichend erklärt und belegt. Außerdem würden die therapeutischen Möglichkeiten zur Besserung der angenommenen depressiven Verstimmung nicht diskutiert. Schließlich hätte das Beschwerdebild, nachdem ein hirnorganisches Psychosyndrom gutachterlich ausgeschlossen gewesen sei, hinterfragt werden müssen; eingeschränkte Belastbarkeit und Schlafstörungen, Interessenverlust und Antriebsarmut könnten unterschiedliche Ursachen haben.
Die aktuelle Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit durch Erkrankungen des neurologischen Fachgebiets betrage 25 v.H. Eine Erwerbsunfähigkeit liege definitiv nicht vor. Die ganz im Vordergrund stehende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit liege an der persönlichen Strukturierung des Klägers und seinen Fähigkeiten, dem physisch-psychischen Trainingszustand und dem Alter von 60 Jahren. Grundsätzlich kämen Tätigkeiten mit einfachem Anforderungsprofil (keine komplexen Zusammenhänge, keine besondere Beanspruchung der Gedächtnisleistung, Konzentration und Aufmerksamkeit, kein Zeitdruck, kein Akkord, keine selbstständige Tätigkeit mit Problemlösungen, keine Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die Ausdrucksweise und Wiedergabe von Sachverhalten, wie Kundenkontakt u.ä.) unter Aufsicht und Anleitung in Frage. Eine 75-prozentige Teilzeitarbeit an fünf Tagen pro Woche sei möglich; das entspreche sechs Arbeitsstunden pro Tag. Schichtbetrieb sei ungünstig, Nachtschicht nicht möglich. Hinzukämen die (ggf. unfallchirurgisch zu beurteilende) Einschränkung der Funktion der rechten Hand und die Leistungseinschränkungen durch die allgemeine körperliche Verfassung und den Trainingszustand; letzteres betreffe die Bedingungen für das Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten. Der Kläger könne bei Berücksichtigung der dargestellten Einschränkungen grundsätzlich als Maschinenbediener arbeiten und etwa auch Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- oder Etikettiertätigkeiten verrichten; auch die Arbeit als Spielhallenaufsicht oder Registraturhilfskraft sei möglich. Besondere Pausen seien nicht notwendig. Der Kläger sei wegefähig. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Leistungsminderung könne eine eindeutige Verschlimmerung der MS-Erkrankung seit Diagnosestellung im Januar 2005 nicht angenommen werden. Der Verlauf der MS-Erkrankung sei seit Diagnosestellung unter Betaferonbehandlung stabil ohne erkennbare Verschlechterung. Hinsichtlich der allgemeinen Leistungsfähigkeit hänge ein etwaiges Besserungspotenzial auch von der Willensanspannung und der Motivation des Klägers ab; denkbar wären etwa Fitnesstraining oder eine Ergotherapie.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht Erwerbsminderungsrente weder für die streitige Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 noch darüber hinaus zu; das Sozialgericht hätte die Klage insgesamt abweisen müssen.
Versicherte, die in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts täglich mindestens sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) bzw. mindestens drei Stunden (volle Erwerbsminderung) erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilig Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Vor dem 2.1.1961 geborene Versicherte haben ggf. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie - nach näherer Maßgabe des § 240 Abs. 2 SGB VI - berufsunfähig sind (zum Berufsschutz sowie zur Verweisbarkeit der Versicherten KassKomm-Niesel, SGB VI § 240 Rdnr. 9 ff, 82 ff. m N. zur Rspr.).
Davon ausgehend steht dem Kläger während der streitigen Zeit Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht zu, weil er leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann bzw. verrichten konnte (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das hat die Beweiserhebung im Berufungsverfahren ergeben. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist auch mit dem im sozialgerichtlichen Verfahren erhobenen Gutachten des Dr. V. eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht überzeugend dargetan; der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts daher nicht. Die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) kommt nicht in Betracht, weil der Kläger sich breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen muss. Aus dem erlernten Beruf als Mechaniker kann er Berufsschutz nicht herleiten, da dieser Beruf nicht den bisherigen Beruf i. S. d. § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI darstellt. Der Kläger hat als Mechaniker nur bis etwa 1970 gearbeitet und diese Tätigkeit auch nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Danach war er (von 1969 bis 1998) bei der Firma Drescher als ungelernter Arbeiter versicherungspflichtig beschäftigt; Berufsschutz vermittelt diese Tätigkeit nicht (KassKomm-Niesel, SGB VI § 240 Rdnr. 42).
Prof. Dr. T. hat eine psychiatrische Erkrankung des Klägers nicht finden können; auf diesem Fachgebiet hat sich keine Diagnose ergeben. Insbesondere liegt eine (hinreichend gewichtige) depressive Störung nicht vor. Der Kläger selbst hat (auf mehrfache gezielte Nachfrage) eine Depressionserkrankung verneint und lediglich auf seine "schwankende Laune" verwiesen. Mit der MS-Erkrankung hat er sich nach eigenen Angaben mittlerweile abgefunden, ohne weiter damit zu hadern. Dementsprechend hat der Gutachter bei der Exploration des Klägers zwar eine reduzierte Schwingungsfähigkeit festgestellt, eine Erkrankung des depressiven Formenkreises allerdings überzeugend verneint. Objektiviert wird diese Einschätzung durch die bei der Befragung des Klägers gewonnenen Erkenntnisse zu Mimik, Gestik, Verhalten und Sprechweise, die allesamt keinen Anhalt für eine depressive Stimmungslage ergeben haben. Auch der im Wesentlichen gut strukturierte Tagesablauf des Klägers gibt keine Hinweise auf ein depressives Krankheitsgeschehen und die damit verbundenen Einschränkungen des Alltagslebens.
Prof. Dr. W. hat (wie bereits Dr. G. im Verwaltungsgutachten vom 19.10.2005: uneingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit) die Einschätzung des Prof. Dr. T. hinsichtlich des Fehlens einer relevanten depressiven Störung bestätigt. Auf neurologischem Fachgebiet hat er eine rentenberechtigende Leistungsminderung ebenfalls überzeugend ausgeschlossen und den Kläger für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) sechs Stunden täglich zu leisten. Die Folgen der MS-Erkrankung stehen dem nicht entgegen. Diese ist seit der Diagnosestellung im Januar 2005 bislang offenbar nicht schubförmig verlaufen. Die zunächst aufgetretenen und zur Krankheitsdiagnose führenden Sensibilitätsstörungen an den unteren Extremitäten haben sich unter hochdosierter Cortisonbehandlung ersichtlich gebessert. Seitdem haben sich die Beschwerden – so der Gutachter – nicht wesentlich verändert und bis zum Zeitpunkt der Untersuchung ist kein abgegrenzter Krankheitsschub aufgetreten; Dr. V. hat dies in seinem Gutachten bestätigt. Die Krankheit verläuft seit der Diagnosestellung unter Betaferonbehandlung stabil ohne erkennbare Verschlechterung. Eine Fatigue-Symptomatik liegt nicht vor und ist vom Kläger auch nicht geschildert worden.
Aus dem Gutachten des Prof. Dr. W. geht damit klar hervor, dass aus der für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung im Vordergrund stehenden neurologischen Erkrankung des Klägers (MS) rentenberechtigende Leistungsminderungen weder für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2008 noch danach herzuleiten sind. Unterstrichen wird dies durch die Erkenntnisse des Dipl.-Psych. H. (Zusatzgutachten vom 16.10.2006), der keine, dem Vollbild der MS-Erkrankung entsprechenden kognitiven Leistungseinschränkungen feststellen konnte. Dr. V. hat in seinem Gutachten hinsichtlich Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung ebenfalls keine Defizite gefunden, die eine Erwerbstätigkeit wesentlich beeinträchtigen könnten. Ein hirnorganisches Psychosyndrom ist mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen worden; das hat Dr. Bu. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 25.5.2007 unter Hinweis auf die Gutachten des Dr. V. und des Dipl.-Psych. H. schlüssig dargelegt. Dr. V. hat diese Einschätzung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28.6.2007 ausdrücklich bestätigt. Eine etwaige, u. U. schon vor der MS-Erkrankung bestehende und in das Erwerbsleben eingebrachte Auffassungsstörung kann qualitative Leistungseinschränkungen notwendig machen. Dass deswegen auch das quantitative Leistungsvermögen des Klägers beeinträchtigt wäre, haben die Gutachter (insbesondere Prof. Dr. W.) indessen nicht angenommen.
Auch hinsichtlich etwaiger Erkrankungen des psychiatrischen Fachgebiets ist eine rentenberechtigende Leistungsminderung während der streitigen Zeit nicht nachgewiesen. Wie schon Dr. G. (Verwaltungsgutachten vom 19.10.2005) haben auch Prof. Dr. T. und Prof. Dr. W. hierfür keinen hinreichenden Anhalt gefunden. Die gegenteilige Einschätzung des Dr. V., auf die das Sozialgericht sein Urteil gestützt hat, kann demgegenüber nicht überzeugen.
Dr. V. hat lediglich eine gedrückte Stimmung und eine zwar eingeschränkte, aber nicht aufgehobene Schwingungsfähigkeit des Klägers eruiert; die Annahme einer deutlichen Antriebsstörung lässt sich mit dem weitgehend unbeeinträchtigten Tagesablauf des Klägers nicht vereinbaren. Hierauf hat Dr. Bu. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5.2.2007 mit Recht hingewiesen und die von Dr. V. postulierte quantitative Leistungseinschränkung mit Recht als nicht nachvollziehbar begründet angesehen. Dr. V. hat zudem bestätigt, dass der Kläger die (vom Gutachter angenommene) depressive Veränderung als solche selbst nicht wahrgenommen und nicht geklagt hat. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen des Prof. Dr. W., der der Auffassung des Dr. V. deswegen entgegen getreten ist; auch bei der Begutachtung durch Prof. Dr. W. hat der Kläger selbst das Vorliegen einer depressiven Erkrankung verneint. Die Richtigkeit dessen wird weiter bestätigt durch die Einschätzung des behandelnden Neurologen Dr. Oe ... Dieser ist der Meinung des Dr. V. im Bericht vom 26.3.2007 ebenfalls entgegen getreten. Er hat eine depressive Episode klar verneint; in den Gesprächen mit dem Kläger hat er Hinweise auf eine depressive Symptomatik nicht finden können und eine antidepressive Behandlung demzufolge für nicht indiziert erachtet. Dr. V. hat die depressive Störung in dem von ihm angenommenen Schweregrad schließlich im Kern nur für möglich erachtet und sich hierfür auf die – so Dr. V. – wenig ergiebige Befragung des Klägers gestützt, der Symptome hinsichtlich Selbstvertrauen und Freudlosigkeit erst auf Nachfrage und dann auch nicht eindeutig geäußert habe. Insoweit hat Prof. Dr. T. überzeugend darauf verwiesen, dass eine Auffassungserschwernis als Grundlage für die Diagnose einer depressiven Störung nicht ausreichen kann. Auch Prof. Dr. W. hat die Annahme einer leichten bis mittelschweren depressiven Episode durch Dr. V. als nicht ausreichend erklärt und belegt angesehen. Schließlich sind dem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. H. hinsichtlich des Leistungsprofils des Klägers ebenfalls keine wesentlichen Beeinträchtigungen zu entnehmen, die die selbständige Bewältigung von Alltagsanforderungen oder von Anforderungen einer Erwerbstätigkeit wesentlich beeinträchtigen würden. Auch dies steht dem Vorliegen einer sozialmedizinisch beachtlichen depressiven Erkrankung entgegen, worauf Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 6.5.2008 zu Recht hingewiesen hat. Im Übrigen hat eine antidepressive Behandlung (ersichtlich mangels Notwendigkeit) bislang auch nicht ansatzweise stattgefunden; ein Therapieversuch wäre aber vor der Berentung in jedem Fall zu unternehmen und dürfte nicht unter Hinweis auf eingeschränkte Erfolgsaussichten von vornherein unterbleiben. Insgesamt mag beim Kläger eine Anpassungsstörung vorliegen (so Dr. G. a. a. O.), eine rentenberechtigende (quantitative) Leistungsminderung folgt daraus freilich nicht.
Erkrankungen auf anderen Fachgebieten, die sozialmedizinisch (rentenrechtlich) von Belang wären, sind nicht ersichtlich. Wetter- und belastungsabhängige Schmerzen im rechten Handgelenk genügen dafür nicht, zumal der Kläger Lasten bis 5 kg nach eigenen Angaben noch tragen kann, was die Verrichtung leichter Tätigkeiten erlaubt. Gleiches gilt für – bei schnellen Bewegungen – geklagte Kreuzschmerzen oder die fehlende Beugefähigkeit des Fingerendglieds D2 rechts. Der (vollschichtigen) Verrichtung der im Gutachten des Prof. Dr. W. beispielhaft genannten leichten Tätigkeiten (etwa Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- oder Etikettiertätigkeiten) steht dies, wie Prof. Dr. W. mit Recht angenommen hat, nicht entgegen. Prof. Dr. W. hat den Kläger, gestützt nicht zuletzt auf dessen eigene Angaben zur Bewältigung bspw. von Wegstrecken zum Begutachtungsort, auch überzeugend für wegefähig erachtet.
Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztberichte weitere Ermittlungen, etwa weitere Begutachtungen, nicht auf.
Das Sozialgericht hätte der Klage daher nicht teilweise stattgeben dürfen, weshalb die Berufung der Beklagten Erfolg hat. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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