Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 P 62/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 P 15/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 P 27/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Geldleistungen für Zeiträume der Verhinderungspflege.
Die Klägerin war die Lebensgefährtin des 1961 geborenen und 2015 verstorbenen B. B. Mit zwei Anträgen vom 07.09.2015 (Blatt 4-6 und 7-9 Verwaltungsakte) beantragte sie bei der Beklagten Leistungen bei Verhinderung einer Pflegeperson wegen Urlaubs vom 01.10. bis 12.10.2014 und 08.12. bis 19.12.2014 (Blatt 7 VA), sowie für zahlreiche Tage im Jahr 2015 (Blatt 4 VA), an denen Herr D. D. während der Abwesenheit der Klägerin sich um die pflegebedürftige Person kümmerte.
Mit Bescheid vom 23.11.2015 (Blatt 12 VA) lehnte die Beklagte die Anträge ab. Zur Begründung führte sie aus, um Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung zu erhalten, sei ein Antrag notwendig. Anträge könnten der versicherte Pflegebedürftige oder ein von dieser Person Bevollmächtigter stellen. Grundsätzlich würden dann die Leistungen der Pflegeversicherung ab Antragstellung erbracht. Da der vorliegende Antrag erst nach dem Tod des Versicherten gestellt worden sei, sei eine Leistungsübernahme, auch bei vorliegender Vollmacht, nicht möglich.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.12.2015 (Blatt 13 VA) Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug (Schreiben vom 22.03.2016, Blatt 24 VA), es sei ihr nicht mehr möglich gewesen, Herrn B. wegen seiner schweren immer weiter fortschreitenden Krankheit alleine zu pflegen. Mit diesem Schreiben legte sie einen Vermerk des Amtsgerichts Kassel, Zweigstelle Hofgeismar vom 01.03.2016 (Blatt 23 VA) vor, nach dessen Inhalt Herr C. B. als Bruder des verstorbenen B. B., die Erbschaft ausgeschlagen hat. In der Verwaltungsakte findet sich weiter ein Schreiben des Amtsgerichts Kassel, Zweigstelle Hofgeismar vom 02.11.2015 (Blatt 3 VA), aus dem zu entnehmen ist, dass als mögliche Erben der erwähnte C. B., sowie Herr E. E. (beides Brüder des verstorbenen B. B.) als Erben in Betracht kommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2016 (Blatt 32-35 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 07.07.2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben (Blatt 1 d.A.). Zur Begründung trägt sie vor, Herr D. habe die Geldleistungen von ihr erhalten. Der Antrag für die Verhinderungspflege sei schon im Juli 2015 fertig gewesen, dann sei die plötzlich sehr schwere Krankheit des Herrn B. B. dazugekommen, so dass sie die Anträge erst am 07.09.2015 an die Beklagte geschickt bzw. abgegeben habe. In den Richtlinien der Pflege heiße es, Anträge könnten auch im Nachhinein gestellt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2016 aufzuheben und die Beklage zu verurteilen, die Geldleistungen für die Verhinderungspflege in den Jahren 2014 und 2015 (aufgelistet in den beiden Anträgen vom 07.09.2015, Blatt 4-9 Verwaltungsakte) zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre im Vorverfahren getroffenen Feststellungen.
Das Gericht hat der Klägerin mit Verfügung vom 04.01.2017 (Blatt 11 d.A.) die Rechtslage erläutert.
Die Verwaltungsakte der Beklagten ist von dem Gericht zu dem Rechtsstreit beigezogen worden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig und unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr an Herrn D. ausgezahlten Geldleistungen für die von ihm geleistete Verhinderungspflege in den Jahren 2014 und 2015. Der mit vorliegender Klage angefochtene Bescheid vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2016 hat sich nach Überprüfung durch das Gericht als rechtmäßig erwiesen.
Nach § 16 Abs. 1 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Diese Vorschrift, die in erster Linie das Verwaltungsverfahren betrifft, soll als Einweisungsvorschrift dem Bürger den Weg weisen, auf dem er zu den ihm zustehenden Sozialleistungen gelangt und leitet damit von der Information zur Realisation der Ansprüche über. Zugleich trägt sie dafür Sorge, dass dem Bürger dieser Weg nicht durch formale Hindernisse versperrt wird. Durch Begründung umfassender behördlicher Verpflichtungen für die Stellung, Vervollständigung, Annahme und Weiterleitung von Anträgen auf Sozialleistungen (Hinwirkungspflichten und Empfangskompetenzen) soll sie sicherstellen, dass der Bürger die ihm zustehenden Sozialleistungen beantragt und mit seinem Begehren nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen scheitert (vgl. Lilge, Kommentar zum SGB I, 2. Aufl. 2009, § 16 Anm. 5).
Aus § 16 Abs. 1 SGB I ergibt sich, dass nur der leistungsberechtigte Versicherte oder eine von ihm beauftragte bzw. bevollmächtigte Person einen solchen Antrag stellen kann. Vorliegend sind die beiden Anträge vom 07.09.2015 nicht von dem leistungsberechtigten B. B., sondern ausweislich der Unterschrift, von der Klägerin gestellt worden. Die Klägerin war zwar die langjährige Lebensgefährtin des Verstorbenen B. B., sie ist jedoch nach seinem Tod nicht dessen Rechtsnachfolgerin geworden. Rechtsnachfolger/Erben waren seine Brüder E. E. und C. B. (Auskunft des Amtsgerichts Kassel, Zweigstelle Hofgeismar vom 02.11.2015, Blatt 3 VA). Die Klägerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren eine Vollmacht oder eine Beauftragung von B. B. vorgelegt, die sie berechtigt hätte, den vorliegenden Antrag zu stellen. Weil sie nicht antragsberechtigt gewesen ist, ist die vorliegende Klage unzulässig.
Darüber hinaus ist die Klage auch unbegründet.
Nach § 59 SGB I erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Der Normzweck des § 59 SGB I besteht darin, verbindlich diejenigen sozialrechtlichen Ansprüche im Sinne des § 11 SGB I zu regeln, die von Todes wegen übertragen werden können. Das ist im Gesetzestext nicht positiv formuliert worden, sondern negativ so, dass gesagt wird, welche Ansprüche mit dem Tod des Berechtigten erlöschen, alle übrigen bleibenden Ansprüche können vererbt werden. Soweit § 59 SGB I das Erlöschen von Ansprüchen anordnet, hat er materiell-rechtliche Wirkung. Diese Vorschrift gilt sowohl für die Sonderrechtsnachfolge des § 56 SGB I als auch für die Vererbung nach § 58 SGB I. Das Erlöschen von Ansprüchen setzt denknotwendig voraus, dass sie zu Lebzeiten des Berechtigten im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB I entstanden sind, so dass z.B. ein materiell-rechtlich erforderlicher Antrag gestellt worden sein muss (vgl. Lilge, a.a.O. § 59 Anmerkungen 2 u. 3).
Hieran scheitert das Klagebegehren der Klägerin, denn unstreitig sind die beiden Anträge am 07.09.2015 gestellt worden, Herr B. B. ist aber am xx.xx.2015 verstorben. Zu keinem anderen Ergebnis kann der Vortrag der Klägerin führen, dass die Anträge schon im Juli 2015 fertig gewesen seien, Herr B. aber plötzlich am xx.xx.2015 verstorben sei. Es mag zwar zutreffen, dass der Tod des Leistungsberechtigten 2015 "plötzlich" eingetreten ist, er war jedoch nach dem Vortrag der Klägerin seit Monaten – und wahrscheinlich schon seit Jahren – pflegebedürftig mit zunehmender Tendenz. Der Antrag für die Erstattung der Geldleistungen in Bezug auf die Verhinderungspflege für die Zeiträume 01.10. bis 12.10.2014 und 08.12. bis 19.12.2014 hätte sehr leicht vor dem Tode des Herrn B. gestellt werden können. Hierzu war rund 8 Monate Zeit. Die für diese Fälle zuständigen Anträge sind ausweislich der in der Verwaltungsakte vorhandenen (und von der Klägerin ausgefüllten) Vordrucke (Blatt 8-9 VA) nicht sehr umfänglich und daher auch nicht besonders arbeitsaufwendig. Es sind lediglich die Namen der pflegebedürftigen Person und der Pflegeperson (vorliegend der Klägerin) sowie der Person einzutragen, welche die Verhinderungspflege leistet und noch drei Fragen durch Ankreuzen zu beantworten. Es war der Klägerin zuzumuten, insbesondere diesen Antrag rechtzeitig vor dem Tode des leistungsberechtigten B. B. zu stellen. Gleiches gilt auch für die Anträge für die Verhinderungspflegeleistung im Jahr 2015 (Blatt 4-6 VA). Wenn die Anträge bereits im Juli 2015 fertig gewesen sind, so hätten sie nur per Briefpost an die Beklagte geschickt werden müssen. Das Gericht berücksichtigt durchaus die Belastungen, der eine berufstätige Pflegeperson wie die Klägerin ausgesetzt ist, wenn der Pflegebedarf aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Pflegebedürftigen kontinuierlich zunimmt. Das Absenden bereits fertiger Leistungsanträge ist jedoch auch in dieser Situation zumutbar.
Weil die Anträge erst 5 Wochen nach dem Tode des Leistungsberechtigten gestellt worden sind, ist der Anspruch auf die vorliegend geltend gemachten Pflegeleistungen gemäß § 59 SGB I erloschen. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGB, die Rechtsmittelbelehrung auf §§ 143, 144 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Geldleistungen für Zeiträume der Verhinderungspflege.
Die Klägerin war die Lebensgefährtin des 1961 geborenen und 2015 verstorbenen B. B. Mit zwei Anträgen vom 07.09.2015 (Blatt 4-6 und 7-9 Verwaltungsakte) beantragte sie bei der Beklagten Leistungen bei Verhinderung einer Pflegeperson wegen Urlaubs vom 01.10. bis 12.10.2014 und 08.12. bis 19.12.2014 (Blatt 7 VA), sowie für zahlreiche Tage im Jahr 2015 (Blatt 4 VA), an denen Herr D. D. während der Abwesenheit der Klägerin sich um die pflegebedürftige Person kümmerte.
Mit Bescheid vom 23.11.2015 (Blatt 12 VA) lehnte die Beklagte die Anträge ab. Zur Begründung führte sie aus, um Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung zu erhalten, sei ein Antrag notwendig. Anträge könnten der versicherte Pflegebedürftige oder ein von dieser Person Bevollmächtigter stellen. Grundsätzlich würden dann die Leistungen der Pflegeversicherung ab Antragstellung erbracht. Da der vorliegende Antrag erst nach dem Tod des Versicherten gestellt worden sei, sei eine Leistungsübernahme, auch bei vorliegender Vollmacht, nicht möglich.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.12.2015 (Blatt 13 VA) Widerspruch, zu dessen Begründung sie vortrug (Schreiben vom 22.03.2016, Blatt 24 VA), es sei ihr nicht mehr möglich gewesen, Herrn B. wegen seiner schweren immer weiter fortschreitenden Krankheit alleine zu pflegen. Mit diesem Schreiben legte sie einen Vermerk des Amtsgerichts Kassel, Zweigstelle Hofgeismar vom 01.03.2016 (Blatt 23 VA) vor, nach dessen Inhalt Herr C. B. als Bruder des verstorbenen B. B., die Erbschaft ausgeschlagen hat. In der Verwaltungsakte findet sich weiter ein Schreiben des Amtsgerichts Kassel, Zweigstelle Hofgeismar vom 02.11.2015 (Blatt 3 VA), aus dem zu entnehmen ist, dass als mögliche Erben der erwähnte C. B., sowie Herr E. E. (beides Brüder des verstorbenen B. B.) als Erben in Betracht kommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2016 (Blatt 32-35 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 07.07.2016 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben (Blatt 1 d.A.). Zur Begründung trägt sie vor, Herr D. habe die Geldleistungen von ihr erhalten. Der Antrag für die Verhinderungspflege sei schon im Juli 2015 fertig gewesen, dann sei die plötzlich sehr schwere Krankheit des Herrn B. B. dazugekommen, so dass sie die Anträge erst am 07.09.2015 an die Beklagte geschickt bzw. abgegeben habe. In den Richtlinien der Pflege heiße es, Anträge könnten auch im Nachhinein gestellt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2016 aufzuheben und die Beklage zu verurteilen, die Geldleistungen für die Verhinderungspflege in den Jahren 2014 und 2015 (aufgelistet in den beiden Anträgen vom 07.09.2015, Blatt 4-9 Verwaltungsakte) zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre im Vorverfahren getroffenen Feststellungen.
Das Gericht hat der Klägerin mit Verfügung vom 04.01.2017 (Blatt 11 d.A.) die Rechtslage erläutert.
Die Verwaltungsakte der Beklagten ist von dem Gericht zu dem Rechtsstreit beigezogen worden.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zu dem Vorbringen der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unzulässig und unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr an Herrn D. ausgezahlten Geldleistungen für die von ihm geleistete Verhinderungspflege in den Jahren 2014 und 2015. Der mit vorliegender Klage angefochtene Bescheid vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2016 hat sich nach Überprüfung durch das Gericht als rechtmäßig erwiesen.
Nach § 16 Abs. 1 SGB I sind Anträge auf Sozialleistungen beim zuständigen Leistungsträger zu stellen. Diese Vorschrift, die in erster Linie das Verwaltungsverfahren betrifft, soll als Einweisungsvorschrift dem Bürger den Weg weisen, auf dem er zu den ihm zustehenden Sozialleistungen gelangt und leitet damit von der Information zur Realisation der Ansprüche über. Zugleich trägt sie dafür Sorge, dass dem Bürger dieser Weg nicht durch formale Hindernisse versperrt wird. Durch Begründung umfassender behördlicher Verpflichtungen für die Stellung, Vervollständigung, Annahme und Weiterleitung von Anträgen auf Sozialleistungen (Hinwirkungspflichten und Empfangskompetenzen) soll sie sicherstellen, dass der Bürger die ihm zustehenden Sozialleistungen beantragt und mit seinem Begehren nicht an Zuständigkeitsabgrenzungen scheitert (vgl. Lilge, Kommentar zum SGB I, 2. Aufl. 2009, § 16 Anm. 5).
Aus § 16 Abs. 1 SGB I ergibt sich, dass nur der leistungsberechtigte Versicherte oder eine von ihm beauftragte bzw. bevollmächtigte Person einen solchen Antrag stellen kann. Vorliegend sind die beiden Anträge vom 07.09.2015 nicht von dem leistungsberechtigten B. B., sondern ausweislich der Unterschrift, von der Klägerin gestellt worden. Die Klägerin war zwar die langjährige Lebensgefährtin des Verstorbenen B. B., sie ist jedoch nach seinem Tod nicht dessen Rechtsnachfolgerin geworden. Rechtsnachfolger/Erben waren seine Brüder E. E. und C. B. (Auskunft des Amtsgerichts Kassel, Zweigstelle Hofgeismar vom 02.11.2015, Blatt 3 VA). Die Klägerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren eine Vollmacht oder eine Beauftragung von B. B. vorgelegt, die sie berechtigt hätte, den vorliegenden Antrag zu stellen. Weil sie nicht antragsberechtigt gewesen ist, ist die vorliegende Klage unzulässig.
Darüber hinaus ist die Klage auch unbegründet.
Nach § 59 SGB I erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Der Normzweck des § 59 SGB I besteht darin, verbindlich diejenigen sozialrechtlichen Ansprüche im Sinne des § 11 SGB I zu regeln, die von Todes wegen übertragen werden können. Das ist im Gesetzestext nicht positiv formuliert worden, sondern negativ so, dass gesagt wird, welche Ansprüche mit dem Tod des Berechtigten erlöschen, alle übrigen bleibenden Ansprüche können vererbt werden. Soweit § 59 SGB I das Erlöschen von Ansprüchen anordnet, hat er materiell-rechtliche Wirkung. Diese Vorschrift gilt sowohl für die Sonderrechtsnachfolge des § 56 SGB I als auch für die Vererbung nach § 58 SGB I. Das Erlöschen von Ansprüchen setzt denknotwendig voraus, dass sie zu Lebzeiten des Berechtigten im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB I entstanden sind, so dass z.B. ein materiell-rechtlich erforderlicher Antrag gestellt worden sein muss (vgl. Lilge, a.a.O. § 59 Anmerkungen 2 u. 3).
Hieran scheitert das Klagebegehren der Klägerin, denn unstreitig sind die beiden Anträge am 07.09.2015 gestellt worden, Herr B. B. ist aber am xx.xx.2015 verstorben. Zu keinem anderen Ergebnis kann der Vortrag der Klägerin führen, dass die Anträge schon im Juli 2015 fertig gewesen seien, Herr B. aber plötzlich am xx.xx.2015 verstorben sei. Es mag zwar zutreffen, dass der Tod des Leistungsberechtigten 2015 "plötzlich" eingetreten ist, er war jedoch nach dem Vortrag der Klägerin seit Monaten – und wahrscheinlich schon seit Jahren – pflegebedürftig mit zunehmender Tendenz. Der Antrag für die Erstattung der Geldleistungen in Bezug auf die Verhinderungspflege für die Zeiträume 01.10. bis 12.10.2014 und 08.12. bis 19.12.2014 hätte sehr leicht vor dem Tode des Herrn B. gestellt werden können. Hierzu war rund 8 Monate Zeit. Die für diese Fälle zuständigen Anträge sind ausweislich der in der Verwaltungsakte vorhandenen (und von der Klägerin ausgefüllten) Vordrucke (Blatt 8-9 VA) nicht sehr umfänglich und daher auch nicht besonders arbeitsaufwendig. Es sind lediglich die Namen der pflegebedürftigen Person und der Pflegeperson (vorliegend der Klägerin) sowie der Person einzutragen, welche die Verhinderungspflege leistet und noch drei Fragen durch Ankreuzen zu beantworten. Es war der Klägerin zuzumuten, insbesondere diesen Antrag rechtzeitig vor dem Tode des leistungsberechtigten B. B. zu stellen. Gleiches gilt auch für die Anträge für die Verhinderungspflegeleistung im Jahr 2015 (Blatt 4-6 VA). Wenn die Anträge bereits im Juli 2015 fertig gewesen sind, so hätten sie nur per Briefpost an die Beklagte geschickt werden müssen. Das Gericht berücksichtigt durchaus die Belastungen, der eine berufstätige Pflegeperson wie die Klägerin ausgesetzt ist, wenn der Pflegebedarf aufgrund der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Pflegebedürftigen kontinuierlich zunimmt. Das Absenden bereits fertiger Leistungsanträge ist jedoch auch in dieser Situation zumutbar.
Weil die Anträge erst 5 Wochen nach dem Tode des Leistungsberechtigten gestellt worden sind, ist der Anspruch auf die vorliegend geltend gemachten Pflegeleistungen gemäß § 59 SGB I erloschen. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGB, die Rechtsmittelbelehrung auf §§ 143, 144 SGG.
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