Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 3110/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 5236/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Auf den Erstantrag vom 06.07.2001 des 1947 geborenen kroatischen Kläger, der im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung ist, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.07.2002 den Grad der Behinderung (GdB) seit Antragstellung mit 20 fest. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auf den Neufeststellungs-Antrag des Klägers vom 04.07.2003 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2003 den GdB seit Antragstellung mit 40 fest unter Zugrundelegung eines Teil-GdB von 30 für Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose), Bandscheibenschaden, eines Teil-GdB von 20 für eine Depression und eines Teil-GdB von jeweils 10 für Bluthochdruck und Krampfaderleiden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003).
Am 22.06.2004 stellte der Kläger einen weiteren Neufeststellungsantrag. Der medizinische Dienst des Beklagten gelangte nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen zu der Beurteilung, abweichend von der bisherigen Beurteilung sei die Depression mit einem Teil-GdB von 30 und eine neu festgestellte Hochtonschwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Gleichwohl verbleibe es bei einem Gesamt-GdB von 40. Hierauf gestützt lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2004 den Antrag ab.
Am 16.11.2005 beantragte der Kläger, rückwirkend ab 01.01.2005 einen höheren GdB festzustellen. Nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen, auf die Bezug genommen wird, traf der Medizinische Dienst des Beklagten in der gutachtlichen Stellungnahme vom 01.02.2006 die Beurteilung, es sei keine wesentliche Änderung ersichtlich. Der GdB betrage insgesamt 40. Die darüber hinaus vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in Form einer Sehminderung, Harnwegsinfekten und einer Nierenzyste bedingten keinen GdB von wenigstens 10.
Mit Bescheid vom 06.02.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, es seien zwar gegenüber den Verhältnissen, die der letzten maßgeblichen Feststellung zugrunde gelegen hätten, weitere Funktionsbeeinträchtigungen hinzugekommen, die sich jedoch auf den festgestellten GdB nicht auswirkten. Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, die Osteoporose sei so weit fortgeschritten, dass bereits Spontanfrakturen entstanden seien, die Sehminderung bedinge einen Einzel-GdB von wenigstens 10, da wegen eines Glaukoms bereits eine Operation erfolgt sei, schließlich sei auch die Schilddrüsenerkrankung überhaupt nicht berücksichtigt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 02.05.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Haupterkrankung sei eine schwere psychische Störung in Verbindung mit einer Schmerzproblematik. Zudem leide er an einer schwerwiegenden Augenerkrankung mit Einschränkung des Gesichtsfeldes, einer Hörminderung und Schwindel.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. hat unter dem 07.09.2006 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die er mit einem GdB von 30 bis 40 einstufe. Der Augenarzt Dr. B. hat angegeben, der Visus betrage rechts 0,5 und links 0,9. Ein mittelgradiger rechtsseitiger Cataract könne durch eine Operation beseitigt werden. Ein Glaukomschaden beidseits sei dauerhaft, durch drucksenkende Medikation könne ein weiterer Sehnervenschaden links verhindert werden. Ein Papillenschaden habe zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Gesichtsfeldausfälle zur Folge. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 08.09.2006 angegeben, beim Kläger bestehe eine schwere Osteoporose, es lägen bereits zwei Wirbel-Spontanfrakturen vor. Darüber hinaus bestehe eine ausgeprägte Varikosis. Der Orthopäde Dr. I. hat unter dem 22.08.2006 die Diagnosen einer ausgeprägten progredienten Osteoporose mit multiplen Spontanfrakturen der Wirbelkörper, eine Osteochondrose C5-7, eine degenerative Diskopathie der LWS mit Protrusionen L2-5 und Varikosis genannt. Er halte einen GdB von 50 für die Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet für gerechtfertigt. Der HNO-Arzt Dr. A. hat angegeben, beim Kläger liege eine Innenohrhörstörung vor. Eine Aussage zum Schweregrad der Behinderung könne er im Rahmen einer sachverständigen Zeugenaussage nicht machen.
Das SG hat daraufhin Dr. Benda-Schäfer mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 11.05.2007 hat diese folgende Diagnosen genannt: 1. Rezidivierende Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule bei osteoporotischen Veränderungen, Zustand nach LWK1-Fraktur, osteoporotische degenerative Veränderungen im Bereich des 3. und 5. Lendenwirbelkörpers ohne Nervenwurzelreizsymptome und ohne Funktionseinschränkung, Schweregrad mittelschwer. 2. Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule bei geringen osteoporotischen Veränderungen im Sinne einer Knochendichteminderung ohne Hinweis auf stattgehabte Fraktur, ohne Funktionseinschränkung und ohne Nervenwurzelreizsymptome, Schweregrad leicht. 3. Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen ohne Nervenwurzelreizsymptome, Schweregrad mittelschwer. 4. Schmerzen im Bereich beider Kniegelenke bei klinisch unauffälligem Befund und radiologisch unauffälligem Befund, Schweregrad geringfügig. 5. Nächtliche Steifigkeit im Bereich der Hände ohne Funktionseinschränkung.
Die Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten seien mit einem GdB von 30 einzustufen. Die Kniegelenksbeschwerden bei klinisch und radiologisch unauffälligem Befund ergäben keinen GdB. Die Beurteilung von Dr. I. sei nur insoweit nachvollziehbar, als die Osteochondrose C5-C7 als mittelschwer einzustufen sei. Insgesamt sei der Grad der Behinderung mit 40 seit Juni 2005 weiterhin ausreichend.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Facharzt für Orthopädie Dr. K. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 12.12.2007 hat dieser die Beweisfrage Nr. 1: Welche Gesundheitsstörungen (Befunde und Diagnosen) liegen beim Kläger auf Ihrem Fachgebiet vor? wie folgt beantwortet:
Ausgeprägte progredient verlaufende Osteoporose mit multiplen Spontanfrakturen der Wirbelkörper überwiegend im Lendenwirbelsäulenbereich, Osteoporose im fortgeschrittenen Stadium, Ileosakralblockaden, reaktive lumbosakrale Myotendinosen gesamte Rumpfmuskulatur, Cervicobrachialsyndrom, Periarthropathia humeroscapularis, Osteochondrose der HWS mit ausgeprägter degenerativer Diskopathie mit nachfolgenden schweren Schmerzzuständen im gesamten Bewegungsapparat, Schulter-Arm-Syndrom, Hypertonie, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, Depressionen mit deutlichen Funktionseinschränkungen, Neurose, schwere Schlafstörungen, Koordinationsstörungen, chronische Angsterkrankung, Panikattacken, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Schilddrüsenerkrankung, chronische Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, diverse schwerwiegende Augenerkrankungen, Grüner Star, Glaucoma, Gesichtsfeldausfälle, Zustand nach mehreren Augen-OP, Hörminderung.
Dr. K. ist zu der Beurteilung gelangt, der GdB für die Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet betrage 50, der Gesamt-GdB 70.
Dieser Beurteilung ist der Beklagte unter Bezugnahme auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 07.05.2008 entgegengetreten.
Nachdem der Kläger weitere ärztliche Befundberichte von Dr. E., Dr.L., Dr. Breitfeder und Dr. B. vorgelegt hatte, auf die Bezug genommen wird, hat das SG die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. mit der Erstellung eines nervenfachärztlichen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 10.09.2008 hat diese die Diagnose einer Dysthymie im Sinne einer neurotischen Depression mittelschweren Grades gestellt. Diese bedinge einen Teil-GdB von 30. Unter Zugrundelegung eines Teil-GdB von 30 für die orthopädischen Beschwerden und eines Teil-GdB von jeweils 10 für den Bluthochdruck, das Krampfaderleiden, die Hochtonschwerhörigkeit und die Sehminderung halte sie einen Gesamt-GdB von 40 für zutreffend. Eine für die Erhöhung des GdB auf 50 vorliegende Erkrankung, wie z.B. Einschränkungen wie bei einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung, habe sie nicht feststellen können.
Das SG hat daraufhin ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Dr. P. eingeholt. Im Gutachten vom 16.10.2008 hat dieser ausgeführt, beim Kläger bestehe eine chronische schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei Verformungen praktisch sämtlicher Lendenwirbelkörper durch Stauchungsbrüche im Rahmen einer fortgeschrittenen Osteoporose ohne neurologische Begleiterscheinungen sowie schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei altersüblichen fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen in den unteren Segmenten ohne neurologische Begleiterscheinungen. Die von Dr. H. geäußerte Vermutung, der Kläger könne bei Fortschreiten der Osteoporose im Rollstuhl landen, entbehre jeglicher Grundlage und diene allenfalls dazu, den Kläger zu verunsichern. Auch sei die Rumpfmuskulatur in entspannter Bauchlage nicht massiv verhärtet gewesen, wie es üblicherweise bei ausgeprägten Schmerzgeschehen der Fall sei. Der Kläger scheine auch keine Bedenken zu haben, zu körperlich belastenden Tätigkeiten in der Lage zu sein, da er ausweislich seiner Angaben gegenüber der Sachverständigen Dr. R. beabsichtige, als Rentner den elterlichen Bauernhof zu reaktivieren. Die Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet seien mit einem GdB von 30 und der Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2008, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den am 10.11.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.11.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Haupterkrankung sei eine schwere psychische Störung i.V.m. einer deutlichen Schmerzproblematik. Darüber hinaus leide er an einer schwerwiegenden Augenerkrankung nach zwei Augenoperationen mit dennoch verbliebenen deutlichen Sehstörungen und Schwindel. Er hat hierzu Arztbriefe des behandelnden Diplompsychologen D. vom 23.09.2008, des Augenarztes Dr. B. vom 17.07.2008, von Dr. H. vom 21.07.2008, von Dr. I. vom 21.07.2008 und Dr. L. vom 14.07.2008 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Dr. I. hat in der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage vom 03.02.2009 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine ausgeprägte progrediente Osteoporose, eine degenerative Diskopathie der LWS mit multietageren Protrusionen L2-L5, eine Protrusio C5/6 sowie C7/TH1 bei Osteochondrose C5-7 und Varikosis. Die Osteoporose habe den Schweregrad schwer bis sehr schwer; bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sei ein Teil-GdB von 40 gerechtfertigt. Die Varikosis erscheine hingegen für die Gesamtsituation nicht relevant.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. November 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit wenigstens 50 ab dem 01. Januar 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Maßgeblich für die Beurteilung des GdB ist die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008, welche die im Wesentlichen gleichlautenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ersetzt haben.
Der Kläger leidet an einer Dysthymie mit psychosomatischen Beschwerden. Diese erreicht jedoch nicht den Ausprägungsgrad einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung. Bei der über mehr als drei Stunden erfolgenden Begutachtung durch die Sachverständige Dr. R. hat der Kläger keinerlei Antriebsstörungen, keine psychotische Symptomatik und keine mnestischen Störungen gezeigt. Auch waren Konzentration und Aufmerksamkeit während der gesamten Begutachtung voll erhalten. Der Senat macht sich insoweit die Beurteilung der Sachverständigen zu eigen, dass die psychosomatischen Beschwerden i.V.m. den funktionellen Organbeschwerden und Kopfschmerzen, die als Ausgestaltung der Dysthymie einzuordnen sind, einen GdB von 30 bedingen. Ein höherer GdB, wie vom behandelnden Nervenarzt vorgeschlagen, lässt sich nicht begründen, da beim Kläger insbesondere keine Einschränkung der sozialen Aktivitäten festgestellt werden kann. Auch spricht das therapeutische Vorgehen - die durchgehende gleich dosierte Behandlung mit Fluoxetin - gegen die genannten hochpathologischen Befunde.
Nach Teil B Nr. 3.7 der VMG sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Zur Überzeugung des Senats ist die Dysthymie des Klägers mit einem GdB von 30 jedenfalls zutreffend bewertet.
Auf orthopädischem Gebiet bestehen eine chronische schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei Verformungen praktisch sämtlicher Lendenwirbelkörper durch Stauchungsbrüche im Rahmen einer fortgeschrittenen Osteoporose ohne neurologische Begleiterscheinungen sowie schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei altersüblichen fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen in den unteren Segmenten ohne neurologische Begleiterscheinungen.
Nach Teil B Nr. 18.1 der VMG ist der GdB bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten wie z.B. Osteoporose vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bedingen gem. Teil B Nr. 18.8 VMG einen GdB von 30, Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Erst Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen wie z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule bedingen einen GdB von 50 bis 70.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist ein GdB von 30 für die Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet angemessen und ausreichend. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. P. im Gutachten vom 16.10.2008. Diesem Gutachten entnimmt der Senat auch, dass entgegen der Aussage des behandelnden Arztes Dr. H. keine Anzeichen eines beginnenden postthrombotischen Syndroms und keine Hinweise auf eine tiefe Beinvenenthrombose vorliegen. Soweit demgegenüber Dr. I. und der nach § 109 SGG als Sachverständiger gehörte Dr. K. die Auffassung vertreten haben, allein aufgrund der Osteoporose mit Verformungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sei ein Einzel-GdB von 50 gerechtfertigt, lässt sich dies unter Zugrundelegung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht rechtfertigen. Denn danach ist bei einer Osteoporose der GdB-Grad vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei seit dem Jahr 2002 im Wesentlichen gleichbleibendem Befund zunächst noch gearbeitet hat, ohne dass wesentliche Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten sind. Auch hält sich der Kläger noch in der Lage, landwirtschaftliche Tätigkeiten auszuführen, wie seinen Ausführungen gegenüber der Sacherständigen Dr. R. entnommen werden kann. Die durch die lumbal betonte Osteoporose bedingten belastungsabhängigen lokalen Schmerzen sind mit einem Teil-GdB von 30 somit hinreichend gewürdigt.
Die weiter vorliegenden Erkrankungen, nämlich der Bluthochdruck, das Krampfaderleiden, die Hochtonschwerhörigkeit und die Sehminderung rechts sind jeweils mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.
Insgesamt hat der Beklagte den GdB des Klägers deshalb mit 40 zutreffend festgestellt. Nach Teil A Nr. 3 a) der VMG dürfen bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen dabei zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Gesamt-GdB des Klägers mit 40 zutreffend bewertet.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Orthopäden Dr. I. vom 03.02.2009, der im Wesentlichen die gleichen Befunde wie Dr. P. geschildert hat. Insbesondere ist dem Umstand, dass zwei Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind, bereits durch die Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 Rechnung getragen ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Auf den Erstantrag vom 06.07.2001 des 1947 geborenen kroatischen Kläger, der im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung ist, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.07.2002 den Grad der Behinderung (GdB) seit Antragstellung mit 20 fest. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Auf den Neufeststellungs-Antrag des Klägers vom 04.07.2003 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 04.09.2003 den GdB seit Antragstellung mit 40 fest unter Zugrundelegung eines Teil-GdB von 30 für Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule und Kalksalzminderung des Knochens (Osteoporose), Bandscheibenschaden, eines Teil-GdB von 20 für eine Depression und eines Teil-GdB von jeweils 10 für Bluthochdruck und Krampfaderleiden. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26.11.2003).
Am 22.06.2004 stellte der Kläger einen weiteren Neufeststellungsantrag. Der medizinische Dienst des Beklagten gelangte nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen zu der Beurteilung, abweichend von der bisherigen Beurteilung sei die Depression mit einem Teil-GdB von 30 und eine neu festgestellte Hochtonschwerhörigkeit mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Gleichwohl verbleibe es bei einem Gesamt-GdB von 40. Hierauf gestützt lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2004 den Antrag ab.
Am 16.11.2005 beantragte der Kläger, rückwirkend ab 01.01.2005 einen höheren GdB festzustellen. Nach Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen, auf die Bezug genommen wird, traf der Medizinische Dienst des Beklagten in der gutachtlichen Stellungnahme vom 01.02.2006 die Beurteilung, es sei keine wesentliche Änderung ersichtlich. Der GdB betrage insgesamt 40. Die darüber hinaus vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in Form einer Sehminderung, Harnwegsinfekten und einer Nierenzyste bedingten keinen GdB von wenigstens 10.
Mit Bescheid vom 06.02.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, es seien zwar gegenüber den Verhältnissen, die der letzten maßgeblichen Feststellung zugrunde gelegen hätten, weitere Funktionsbeeinträchtigungen hinzugekommen, die sich jedoch auf den festgestellten GdB nicht auswirkten. Den hiergegen mit der Begründung eingelegten Widerspruch, die Osteoporose sei so weit fortgeschritten, dass bereits Spontanfrakturen entstanden seien, die Sehminderung bedinge einen Einzel-GdB von wenigstens 10, da wegen eines Glaukoms bereits eine Operation erfolgt sei, schließlich sei auch die Schilddrüsenerkrankung überhaupt nicht berücksichtigt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 02.05.2006 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Haupterkrankung sei eine schwere psychische Störung in Verbindung mit einer Schmerzproblematik. Zudem leide er an einer schwerwiegenden Augenerkrankung mit Einschränkung des Gesichtsfeldes, einer Hörminderung und Schwindel.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. hat unter dem 07.09.2006 mitgeteilt, beim Kläger bestehe eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung mit wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die er mit einem GdB von 30 bis 40 einstufe. Der Augenarzt Dr. B. hat angegeben, der Visus betrage rechts 0,5 und links 0,9. Ein mittelgradiger rechtsseitiger Cataract könne durch eine Operation beseitigt werden. Ein Glaukomschaden beidseits sei dauerhaft, durch drucksenkende Medikation könne ein weiterer Sehnervenschaden links verhindert werden. Ein Papillenschaden habe zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Gesichtsfeldausfälle zur Folge. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H. hat in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 08.09.2006 angegeben, beim Kläger bestehe eine schwere Osteoporose, es lägen bereits zwei Wirbel-Spontanfrakturen vor. Darüber hinaus bestehe eine ausgeprägte Varikosis. Der Orthopäde Dr. I. hat unter dem 22.08.2006 die Diagnosen einer ausgeprägten progredienten Osteoporose mit multiplen Spontanfrakturen der Wirbelkörper, eine Osteochondrose C5-7, eine degenerative Diskopathie der LWS mit Protrusionen L2-5 und Varikosis genannt. Er halte einen GdB von 50 für die Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet für gerechtfertigt. Der HNO-Arzt Dr. A. hat angegeben, beim Kläger liege eine Innenohrhörstörung vor. Eine Aussage zum Schweregrad der Behinderung könne er im Rahmen einer sachverständigen Zeugenaussage nicht machen.
Das SG hat daraufhin Dr. Benda-Schäfer mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 11.05.2007 hat diese folgende Diagnosen genannt: 1. Rezidivierende Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule bei osteoporotischen Veränderungen, Zustand nach LWK1-Fraktur, osteoporotische degenerative Veränderungen im Bereich des 3. und 5. Lendenwirbelkörpers ohne Nervenwurzelreizsymptome und ohne Funktionseinschränkung, Schweregrad mittelschwer. 2. Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule bei geringen osteoporotischen Veränderungen im Sinne einer Knochendichteminderung ohne Hinweis auf stattgehabte Fraktur, ohne Funktionseinschränkung und ohne Nervenwurzelreizsymptome, Schweregrad leicht. 3. Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule bei degenerativen Veränderungen ohne Nervenwurzelreizsymptome, Schweregrad mittelschwer. 4. Schmerzen im Bereich beider Kniegelenke bei klinisch unauffälligem Befund und radiologisch unauffälligem Befund, Schweregrad geringfügig. 5. Nächtliche Steifigkeit im Bereich der Hände ohne Funktionseinschränkung.
Die Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten seien mit einem GdB von 30 einzustufen. Die Kniegelenksbeschwerden bei klinisch und radiologisch unauffälligem Befund ergäben keinen GdB. Die Beurteilung von Dr. I. sei nur insoweit nachvollziehbar, als die Osteochondrose C5-C7 als mittelschwer einzustufen sei. Insgesamt sei der Grad der Behinderung mit 40 seit Juni 2005 weiterhin ausreichend.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Facharzt für Orthopädie Dr. K. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 12.12.2007 hat dieser die Beweisfrage Nr. 1: Welche Gesundheitsstörungen (Befunde und Diagnosen) liegen beim Kläger auf Ihrem Fachgebiet vor? wie folgt beantwortet:
Ausgeprägte progredient verlaufende Osteoporose mit multiplen Spontanfrakturen der Wirbelkörper überwiegend im Lendenwirbelsäulenbereich, Osteoporose im fortgeschrittenen Stadium, Ileosakralblockaden, reaktive lumbosakrale Myotendinosen gesamte Rumpfmuskulatur, Cervicobrachialsyndrom, Periarthropathia humeroscapularis, Osteochondrose der HWS mit ausgeprägter degenerativer Diskopathie mit nachfolgenden schweren Schmerzzuständen im gesamten Bewegungsapparat, Schulter-Arm-Syndrom, Hypertonie, psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, Depressionen mit deutlichen Funktionseinschränkungen, Neurose, schwere Schlafstörungen, Koordinationsstörungen, chronische Angsterkrankung, Panikattacken, Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Schilddrüsenerkrankung, chronische Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, diverse schwerwiegende Augenerkrankungen, Grüner Star, Glaucoma, Gesichtsfeldausfälle, Zustand nach mehreren Augen-OP, Hörminderung.
Dr. K. ist zu der Beurteilung gelangt, der GdB für die Erkrankungen auf orthopädischem Gebiet betrage 50, der Gesamt-GdB 70.
Dieser Beurteilung ist der Beklagte unter Bezugnahme auf die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 07.05.2008 entgegengetreten.
Nachdem der Kläger weitere ärztliche Befundberichte von Dr. E., Dr.L., Dr. Breitfeder und Dr. B. vorgelegt hatte, auf die Bezug genommen wird, hat das SG die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. R. mit der Erstellung eines nervenfachärztlichen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 10.09.2008 hat diese die Diagnose einer Dysthymie im Sinne einer neurotischen Depression mittelschweren Grades gestellt. Diese bedinge einen Teil-GdB von 30. Unter Zugrundelegung eines Teil-GdB von 30 für die orthopädischen Beschwerden und eines Teil-GdB von jeweils 10 für den Bluthochdruck, das Krampfaderleiden, die Hochtonschwerhörigkeit und die Sehminderung halte sie einen Gesamt-GdB von 40 für zutreffend. Eine für die Erhöhung des GdB auf 50 vorliegende Erkrankung, wie z.B. Einschränkungen wie bei einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung, habe sie nicht feststellen können.
Das SG hat daraufhin ein weiteres orthopädisches Gutachten bei Dr. P. eingeholt. Im Gutachten vom 16.10.2008 hat dieser ausgeführt, beim Kläger bestehe eine chronische schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei Verformungen praktisch sämtlicher Lendenwirbelkörper durch Stauchungsbrüche im Rahmen einer fortgeschrittenen Osteoporose ohne neurologische Begleiterscheinungen sowie schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei altersüblichen fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen in den unteren Segmenten ohne neurologische Begleiterscheinungen. Die von Dr. H. geäußerte Vermutung, der Kläger könne bei Fortschreiten der Osteoporose im Rollstuhl landen, entbehre jeglicher Grundlage und diene allenfalls dazu, den Kläger zu verunsichern. Auch sei die Rumpfmuskulatur in entspannter Bauchlage nicht massiv verhärtet gewesen, wie es üblicherweise bei ausgeprägten Schmerzgeschehen der Fall sei. Der Kläger scheine auch keine Bedenken zu haben, zu körperlich belastenden Tätigkeiten in der Lage zu sein, da er ausweislich seiner Angaben gegenüber der Sachverständigen Dr. R. beabsichtige, als Rentner den elterlichen Bauernhof zu reaktivieren. Die Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet seien mit einem GdB von 30 und der Gesamt-GdB mit 40 zu bewerten.
Mit Gerichtsbescheid vom 05.11.2008, auf den Bezug genommen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den am 10.11.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.11.2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Haupterkrankung sei eine schwere psychische Störung i.V.m. einer deutlichen Schmerzproblematik. Darüber hinaus leide er an einer schwerwiegenden Augenerkrankung nach zwei Augenoperationen mit dennoch verbliebenen deutlichen Sehstörungen und Schwindel. Er hat hierzu Arztbriefe des behandelnden Diplompsychologen D. vom 23.09.2008, des Augenarztes Dr. B. vom 17.07.2008, von Dr. H. vom 21.07.2008, von Dr. I. vom 21.07.2008 und Dr. L. vom 14.07.2008 vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Dr. I. hat in der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage vom 03.02.2009 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine ausgeprägte progrediente Osteoporose, eine degenerative Diskopathie der LWS mit multietageren Protrusionen L2-L5, eine Protrusio C5/6 sowie C7/TH1 bei Osteochondrose C5-7 und Varikosis. Die Osteoporose habe den Schweregrad schwer bis sehr schwer; bei schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten sei ein Teil-GdB von 40 gerechtfertigt. Die Varikosis erscheine hingegen für die Gesamtsituation nicht relevant.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 5. November 2008 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 6. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit wenigstens 50 ab dem 01. Januar 2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50.
Gemäß § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad einer Behinderung fest. Behindert sind Menschen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dann, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der Grad der Behinderung nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Als schwerbehinderter Mensch ist anzuerkennen, wer die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines GdB von wenigstens 50 erfüllt und seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des SGB IX hat.
Maßgeblich für die Beurteilung des GdB ist die zum 01.01.2009 in Kraft getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VMG) zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008, welche die im Wesentlichen gleichlautenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) ersetzt haben.
Der Kläger leidet an einer Dysthymie mit psychosomatischen Beschwerden. Diese erreicht jedoch nicht den Ausprägungsgrad einer mittelgradigen sozialen Anpassungsstörung. Bei der über mehr als drei Stunden erfolgenden Begutachtung durch die Sachverständige Dr. R. hat der Kläger keinerlei Antriebsstörungen, keine psychotische Symptomatik und keine mnestischen Störungen gezeigt. Auch waren Konzentration und Aufmerksamkeit während der gesamten Begutachtung voll erhalten. Der Senat macht sich insoweit die Beurteilung der Sachverständigen zu eigen, dass die psychosomatischen Beschwerden i.V.m. den funktionellen Organbeschwerden und Kopfschmerzen, die als Ausgestaltung der Dysthymie einzuordnen sind, einen GdB von 30 bedingen. Ein höherer GdB, wie vom behandelnden Nervenarzt vorgeschlagen, lässt sich nicht begründen, da beim Kläger insbesondere keine Einschränkung der sozialen Aktivitäten festgestellt werden kann. Auch spricht das therapeutische Vorgehen - die durchgehende gleich dosierte Behandlung mit Fluoxetin - gegen die genannten hochpathologischen Befunde.
Nach Teil B Nr. 3.7 der VMG sind Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen mit einem GdB von 0 bis 20 und stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Zur Überzeugung des Senats ist die Dysthymie des Klägers mit einem GdB von 30 jedenfalls zutreffend bewertet.
Auf orthopädischem Gebiet bestehen eine chronische schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule bei Verformungen praktisch sämtlicher Lendenwirbelkörper durch Stauchungsbrüche im Rahmen einer fortgeschrittenen Osteoporose ohne neurologische Begleiterscheinungen sowie schmerzhafte Funktionsstörungen der Halswirbelsäule bei altersüblichen fortgeschrittenen Verschleißerscheinungen in den unteren Segmenten ohne neurologische Begleiterscheinungen.
Nach Teil B Nr. 18.1 der VMG ist der GdB bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten wie z.B. Osteoporose vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdB. Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bedingen gem. Teil B Nr. 18.8 VMG einen GdB von 30, Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten einen GdB von 30 bis 40. Erst Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen wie z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule bedingen einen GdB von 50 bis 70.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist ein GdB von 30 für die Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet angemessen und ausreichend. Der Senat stützt sich hierbei auf die Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. P. im Gutachten vom 16.10.2008. Diesem Gutachten entnimmt der Senat auch, dass entgegen der Aussage des behandelnden Arztes Dr. H. keine Anzeichen eines beginnenden postthrombotischen Syndroms und keine Hinweise auf eine tiefe Beinvenenthrombose vorliegen. Soweit demgegenüber Dr. I. und der nach § 109 SGG als Sachverständiger gehörte Dr. K. die Auffassung vertreten haben, allein aufgrund der Osteoporose mit Verformungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sei ein Einzel-GdB von 50 gerechtfertigt, lässt sich dies unter Zugrundelegung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht rechtfertigen. Denn danach ist bei einer Osteoporose der GdB-Grad vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei seit dem Jahr 2002 im Wesentlichen gleichbleibendem Befund zunächst noch gearbeitet hat, ohne dass wesentliche Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten sind. Auch hält sich der Kläger noch in der Lage, landwirtschaftliche Tätigkeiten auszuführen, wie seinen Ausführungen gegenüber der Sacherständigen Dr. R. entnommen werden kann. Die durch die lumbal betonte Osteoporose bedingten belastungsabhängigen lokalen Schmerzen sind mit einem Teil-GdB von 30 somit hinreichend gewürdigt.
Die weiter vorliegenden Erkrankungen, nämlich der Bluthochdruck, das Krampfaderleiden, die Hochtonschwerhörigkeit und die Sehminderung rechts sind jeweils mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.
Insgesamt hat der Beklagte den GdB des Klägers deshalb mit 40 zutreffend festgestellt. Nach Teil A Nr. 3 a) der VMG dürfen bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen führen dabei zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Gesamt-GdB des Klägers mit 40 zutreffend bewertet.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Orthopäden Dr. I. vom 03.02.2009, der im Wesentlichen die gleichen Befunde wie Dr. P. geschildert hat. Insbesondere ist dem Umstand, dass zwei Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind, bereits durch die Berücksichtigung eines Teil-GdB von 30 Rechnung getragen ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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