L 8 U 2892/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1456/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2892/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger weitere Unfallfolgen aus dem Arbeitsunfall vom 03.06.1987 vorliegen und ihm deswegen zeitlich befristete Verletztenrente zusteht.

Der 1948 geborene Kläger erlitt während seiner Tätigkeit als Tischlermeister am 03.06.1987 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Distorsion des linken oberen Sprunggelenkes mit massiver Schwellung zuzog (Durchgangsarztbericht - DAB - von Dr. M.-K. vom 03.06.1987). Nach zunächst ambulanter Behandlung bei Arbeitsunfähigkeit wurde der Kläger vom 10.06. bis 18.06.1987 stationär im Kreiskrankenhaus B. behandelt (Entlassungsbericht Kreiskrankenhaus B. vom 25.06.1987). Vom 24.06. bis 07.07.1987 wurde er erneut stationär im Kreiskrankenhaus B. behandelt unter den Diagnosen: Zustand nach Lungenembolie am 25.06.1987 bei Vena tibialis anterior-Thrombose, Begleitpleuritis bei Lungeninfarktpneumonie, Zustand nach Distorsion des linken oberen Sprunggelenkes, Zustand nach Splenektomie (Milzentfernung) 1958 wegen Sichelzell-Anämie (Entlassungsbericht Kreiskrankenhaus B. vom 10.07.1987). Auf der Grundlage des chirurgischen Gutachtens von Dr. M.-K. vom 19.08.1987 und des internistischen Gutachtens von Dr. W. vom 20.10.1987, in denen ein Zusammenhang zwischen dem Distorsionstrauma vom 03.06.1987 und der nachfolgenden Thrombose der Vena fibularis links und der Lungenembolie mit Rippenfellentzündung und Lungeninfarktpneumonie bejaht wurde, gewährte die Beklagte dem Kläger eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. ab 30.07.1987 (Bescheid vom 16.12.1987). Zur Entscheidung über die Dauerrente veranlasste die Beklagte das angiologische Gutachten von Privatdozent (PD) Dr. V. vom 31.01.1989, in dem eine intakte Venengruppe der Tibialis anterior und posterior bei phlebographisch festgestelltem vollkommen kompensiertem Verschluss beschrieben wurde. Ein primäres Venenleiden in Gestalt einer tiefen venösen Insuffizienz im Bereich der Unterschenkelvenen beidseits sei unfallunabhängig. Mit Bescheid vom 09.03.1989 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Dauerrente ab und entzog die vorläufige Rente mit Ablauf von April 1989.

Mit DAB vom 08.01.1996 zeigte Dr. K. der Beklagten die Wiedererkrankung des Klägers unter der Diagnose eines postthrombotischen Syndroms am linken Unterschenkel bei Ausschluss einer frischen tiefen Bein- und Beckenvenenthrombose an. Die Beklagte gewährte Heilbehandlung bei fortbestehender Arbeitsfähigkeit des Klägers.

Auf telefonische Mitteilung von Dr. L. am 14.02.2007 über eine Behandlung des Klägers wegen einer Lungenembolie forderte die Beklagte den Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B. vom 27.02.2007 an. Der Kläger war stationär vom 08.02. bis 21.02.2007 wegen einer zentralen Lungenembolie rechts bei frischer Embolie der Oberlappenarterie links und beider Unterlappenarterien, Thrombophlebitis des linken Unterschenkels, hämolytischer Anämie mit Zustand nach Milzexstirpation im 13. Lebensjahr und arterieller Hypertonie behandelt worden. Vom 22.02. bis 29.03.2007 befand sich der Kläger in Anschlussheilbehandlung der Fachklinik Sonnenhof (Entlassungsbericht vom 18.04.2007), aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. Arbeitsunfähigkeit bestand ab 08.02.2007. Am 12.06.2007 nahm der Kläger eine vollschichtige Tätigkeit als Schreinermeister bei einem anderen Arbeitgeber auf.

Die Beklagte veranlasste das gefäßchirurgische Gutachten vom 03.07.2007 mit Ergänzung vom 09.08.2007. Dr. H. erhob als Befund einer Duplexsonographie beider Beine eine links allenfalls distal betonte Insuffizienz der Stammvene, ansonsten ein unauffälliges tiefes Venensystem beidseits ohne Hinweis auf frische oder älterer Beinvenenthrombosen. Zeichen einer abgelaufenen Thrombophlebitis der Stammvenen seien nicht zu erkennen. Beim Kläger bestünden mehrere Gründe für das Auftreten einer Beinvenenthrombose mit nachfolgender Lungenembolie, nämlich die Thrombozytose bei Zustand nach Splenomegalie als Kind, was zu einer erhöhten Thrombozytenzahl führe, und eine noch nicht sicher ausgeschlossene genetische Disposition sowie ein Zustand nach alter tiefer Beinvenenthrombose im Venen-fibularis-Segment links, was ein um den 3-4fachen Wahrscheinlichkeitsfaktor erhöhtes Risiko darstelle. Der Arbeitsunfall von 1987 mit partieller Unterschenkelvenenthrombose stelle einen Risikofaktor von mehreren dar. Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Wiedererkrankung sei teilweise auf den Unfall zurückzuführen, die unfallbedingte MdE betrage 10 v.H.

In der hierzu eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.09.2007 kam Dr. M. zu dem Schluss, dass die jetzige Thrombose teilweise als Unfallfolge anzusehen sei, denn wahrscheinlich seien Unfall und schicksalhafte Bedingungen als Ursachen nicht zu trennen. Die Thrombozytose nach Milzentfernung stelle erst ab einer Thrombozytenzahl von mehr als 1.000.000/ml ein signifikant relevantes Risiko dar. Eine dermaßen erhöhte Thrombozytenzahl sei den Akten nicht zu entnehmen. Auch die Varikose sei allein nicht ausschlaggebend für die Entwicklung einer Thrombose, solange die tiefen Beinvenen und die Venenklappen intakt seien. Aufgrund der vorhandenen Duplexsonographie sei dies der Fall. Unklar sei, ob es sich um eine primäre Unterschenkelvarikose handele oder diese Teil eines postthrombotisches Syndroms sei. Eindeutige Befunde für ein postthrombotisches Syndroms seien den Akten nicht zu entnehmen.

Die Beklagte führte ergänzende Ermittlungen durch und holte u.a. den Befundbericht von Dr. G. vom 10.01.1996 über eine Ablaufphlebographie am linken Bein und die Stellungnahme von Dr. P. vom 15.10.2007, wonach die Diagnose eines postthrombotischen Syndroms seit 03.06.1987 bestehe, ein. Sie veranlasste außerdem die ergänzende Stellungnahme von Dr. M. vom 22.10.2007, der ein postthrombotisches Syndrom bejahte, und die arbeitsmedizinische beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom 13.11.2007.

Nach Dr. L. sei ein postthrombotisches Syndrom leichteren Ausmaßes auf der linken Unterschenkelseite nachweisbar, das sich jedoch klinisch in den allermeisten Fällen kompensiert zeige. Damit sei aber nicht gesichert, dass die Lungenembolie auch ihren Ursprungsort in den Unterschenkelvenen links habe. Hierfür bedürfe es des Nachweises einer Emboliequelle, auf die nur verzichtet werden könne, wenn von einem ausgeprägten postthrombotischen Syndrom und gleichzeitiger Abwesenheit konkurrierender Ursachen ausgegangen werden könne. Eine Emboliequelle sei aber während des stationären Aufenthalts im Februar 2007 mittels der Dopplersonografie nicht gefunden worden. Eine erhöhte Risikolage für die Lungenembolie ergebe sich auch aus dem Zustand nach der Milzentfernung sowie aus der allgemeinen Varikosis. Die Thrombophlebitis habe aufgrund der posttraumatischen Varikose links bessere Bedingungen für eine äußere Venenentzündung vorgefunden und könne daher als Unfallfolge gelten. Sie sei aber folgenlos ausgeheilt, die unfallbedingte MdE sei hierdurch nicht verändert.

Mit Bescheid vom 13.12.2007 stellte die Beklagte als weitere Unfallfolge ein leichtes postthrombotisches Syndrom am linken Unterschenkel fest. Die Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente wurde abgelehnt. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und verwies auf das vorgelegte Attest von Dr. P. vom 10.01.2008. Da bereits 1987 die Lungenembolie entschädigungspflichtige Folge des Arbeitsunfalls gewesen sei, müsse dies auch auf die Lungenembolie im Februar 2007 zutreffen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger erhob am 03.04.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe mit dem Begehren, die Unterschenkelvarikosis beidseits und die im Februar 2007 aufgetretene Lungenembolie mit Embolie der Oberlappenarterie links und der Unterlappenarterien beidseits als weitere Unfallfolgen festzustellen sowie ab Februar 2007 Verletztenrente zu gewähren.

Das Sozialgericht holte von Dr. Sch. das lungenfachärztliche Gutachten vom 10.09.2008 ein. Darin wertete der Sachverständige die Lungenembolie im Februar 2007 als indirekte Unfallfolge. Beim Kläger liege infolge einer Gen-Mutation eine Homozysteinämie, die mit einem um den Faktor 2,5 erhöhten Risiko für Thrombusbildung verbunden sei, sowie eine chronisch venöse Insuffizienz des rechten und linken Unterschenkels, Varikosis, vor. Vorliegend seien für die Entstehung einer venösen Thrombose mit sekundärer Lungenembolie prinzipiell drei Risikogruppen zu unterscheiden. Hierzu gehörten Veränderungen der Blutzusammensetzung, Veränderung der Blutflussgeschwindigkeit und Erkrankungen der Veneninnenwand. Die Thrombozytose nach Milzentfernung führe zwar zu einer Änderung der Blutzusammensetzung, jedoch sei die Anzahl von 700/nl nie überschritten worden. In dieser Größenordnung stelle eine Thrombozytose kein Risiko für die Entstehung venöser Thromben dar. Hinsichtlich der Risikogruppen der geänderten Blutflussgeschwindigkeit und der Erkrankung der Veneninnenwand müsse von einer primären Varikosis beidseits ausgegangen werden. Ein Übergang der linksseitigen Varikosis in ein postthrombotisches Syndrom habe sich bei der Untersuchung durch Dr. H. nicht nachweisen lassen. Sicher sei jedoch, dass eine Unterschenkelthrombose mit einem erhöhten Risiko für eine erneute Thrombose einhergehe. Nach Studien betrage das Risiko das 7,9 fache bzw. ein 30%- Wiederholungsrisiko bis 8 Jahre nach dem Erstereignis. Angaben zu einer erneuten Thrombose ca. 20 Jahre nach dem Erstereignis fänden sich in der Fachliteratur jedoch nicht. Es müsse prinzipiell auch nach dieser Zeit noch von einem unfallbedingt erhöhten Rezidivthromboserisiko ausgegangen werden. Der fehlende Nachweis eines Thrombus im linken Unterschenkel im Februar 2007 könne seine Erklärung darin haben, dass der Thrombus vollständig aufgelöst gewesen sei und sich als Lungenembolie in Teile des pulmonalen Gefäßsystems verlegt habe. Anhaltende Folgen der Lungenembolie vom Februar 2007 seien bei einem freien pulmonalen Gefäßsystems und echokardiographisch nicht erhöhtem pulmonalen-arteriellen Druck nicht zu erheben gewesen. Wann es zu einer Besserung der Belastbarkeit nach Ende der Rehabilitationsmaßnahme gekommen sei, lasse sich nicht exakt bestimmen. Die unfallbedingte MdE betrage 20 v.H. bis zum 22.07.2008, dem Untersuchungstag durch den Sachverständigen.

Außerdem zog das Sozialgericht das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 17.06.2008 bei. Die Gutachterin Dr ... R.-W. verneinte darin eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit ab 08.02.2007, denn unfallunabhängig bestehe ein erhöhtes Risiko für eine Thrombose durch den Status nach Splenektomie und der diagnostizierten allgemeinen Varikosis. Der Ursprungsort der Lungenembolie sei nicht gesichert. Der Nachweis einer tiefen Beinvenenthrombose haben nicht erbracht werden können.

Mit Urteil vom 28.05.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte das Sozialgericht aus, nach Dr. Sch. und PD Dr. H. sei ein unfallbedingter Übergang der linksseitigen venösen Insuffizienz in ein postthrombotisches Syndrom nicht erwiesen, da die 2007 durchgeführte Duplexsonographie beider Beine jeweils keinen Anhalt für eine frische oder ältere Beinvenenthrombose ergeben habe. 1996 habe entgegen dem damaligen Arztbrief von Dr. G. kein eindeutiges postthrombotisches Syndrom vorgelegen, wie der Nachbefundung von Dr. G. im Oktober 2007 zu entnehmen sei. Das von der Beklagten anerkannte "leichte postthrombotische Syndrom" resultiere aus einem Stauungssyndrom als Folge der Thrombose im Juni 1987, nicht jedoch aus der anlagebedingten Krampfadererkrankung. Die Lungenembolie mit Embolie der Lungenlappenarterien 2007 sei keine Unfallfolge. Aufgrund des Gesamtergebnisses sei wegen einer Erkrankung der Veneninnenwand im Bereich des linken Unterschenkels ein Zusammenhang der Lungenembolie mit dem Arbeitsunfall von 1987 nicht erwiesen. Zwar führe eine tiefe Beinvenenthrombose häufig zu einer Risikoerhöhung für eine erneute Thrombose um das 7,9 fache. Auch wenn mit dem Sachverständigen selbst 20 Jahre nach dem ersten Ereignis prinzipiell von einem unfallbedingt erhöhten Rezidivthromboserisiko ausgegangen werden könne, verdichte sich diese Möglichkeiten vorliegend aber nicht zur Wahrscheinlichkeit. Eine Thrombose des linken Unterschenkels sei im Februar 2007 weder klinisch noch duplexsonographisch objektiviert. Die Annahme von Dr. Sch., selbst wenn keine lückenlose Kausalkette hergestellt werden könne, spreche bei fehlenden eindeutigen hereditären Risikofaktoren mehr für eine Rezidivthrombose des linken Unterschenkels, sei für das Gericht, das durch die Stellungnahme von Dr. L. und durch das MDK-Gutachten von Dr. R.-W. bestätigt werde, nicht überzeugend gewesen.

Der Kläger hat am 26.06.2009 Berufung gegen das Urteil eingelegt und führt zur Begründung aus, das Sozialgericht habe prozessordnungswidrig den gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sch. nicht zur Erläuterung seines Gutachtens geladen. Obwohl der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten wörtlich festgestellt habe, dass eine durchgemachte tiefe Beinvenenthrombose ein signifikantes Risiko für eine Rezidivthrombose darstelle und man davon ausgehen könne, dass eine solche Ursache für die Lungenembolie im Februar 2007 verantwortlich sei und weiter die unfallbedingte MdE 20 v.H. nach Ende der Rekonvaleszens betrage, habe sich das Gericht über diese Feststellungen und Erkenntnisse des gerichtlichen Sachverständigen hinweggesetzt und seine eigene vermeintliche Sachkunde über die des Sachverständigen gesetzt. Dem Sachverständigen sei keine Gelegenheit gegeben worden, sich mit den Einwendungen des Gerichts auseinanderzusetzen. Soweit davon auszugehen sei, dass die in der Literatur angegebene Thrombozytenzahl, ab der mit einer Thrombose zu rechnen sei, nicht erreicht worden sei, folge hieraus, dass eine Unfallfolge vorliege. Soweit vom Sozialgericht darauf verwiesen werden, dass es keine Untersuchungen zur Thrombosehäufigkeit 20 Jahre nach abgelaufener Thrombose gebe, könne das Fehlen von Langzeituntersuchungen nicht ihm angelastet werden. Auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - werde verwiesen. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens werde beantragt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.05.2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 13.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.03.2008 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, eine zentrale Lungenembolie rechts, eine frische Embolie der Oberlappenarterie links und der Unterlappenarterien beidseits als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 03.06.1987 festzustellen und ihm ab Februar 2007 bis 22.07.2008 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, ein Fragerecht an den Sachverständigen bestehe nicht und zwar unabhängig von der Frage, ob ein schuldhaft verspäteter Antrag vorliege, weil dieser grundsätzlich nur innerhalb des Rechtszugs, in dem das Gutachten eingeholt worden ist, gelte. Erläuterungsbedürftige Punkte seien nicht hinreichend bezeichnet worden. Entgegen der Auffassung des Klägers habe das Sozialgericht sich nicht über medizinische Fragen hinweggesetzt. Die Frage, ob die von Dr. Sch. dargelegte Kausalreihe den maßgeblichen Beweisanforderungen genüge, stelle keine ausschließlich medizinischen Fragen dar. Auch Dr. Sch. habe in seinem Gutachten darauf hingewiesen, dass ein definitiver Beweis für den Kausalzusammenhang nicht zu erbringen sei. Bloße Hypothesen oder Möglichkeiten begründeten keinen Nachweis eines Kausalzusammenhangs. Die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen durch einen bisher nicht befassten Spezialisten sei nicht dargetan.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die beim Senat angefallene Akte wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörung als Unfallfolge und auf Gewährung einer Verletztenrente.

Im vorliegenden Fall sind nicht die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII - BGBl. I 1996 S. 1254) anzuwenden, denn Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch auf Feststellung und Leistungsgewährung aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall (Juni 1987). Die erstmals festgesetzte Verletztenrente als vorläufige Entschädigung wurde auch vor diesem Zeitpunkt gewährt (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII), weshalb allein die bis zum 31.12.1996 geltenden Rechtsvorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung finden.

Gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO wird eine Verletztenrente gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl Zwanzig, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall, Verletztenrente zu gewähren. Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern (§ 581 Abs. 3 Satz 1 und 2 RVO).

Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R., veröffentlicht in juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen hat das Sozialgericht zutreffend die Kausalität des Unfalls für die im Februar 2007 diagnostizierte zentrale Lungenembolie und frische Embolien der Lungenlappenarterien verneint. Zur Überzeugung des Senat sind diese Gesundheitsstörungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit dem anerkannten Arbeitsunfall von 1987 zuzurechnen. Diesbezüglich ist die haftungsausfüllende Kausalität für die nach dem Gesundheitserstschaden erst im Jahre 2007 aufgetretenen Gesundheitsstörungen mangels hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt.

Beim Kläger liegen nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. mehrere Bedingungen vor, die jede für sich geeignet ist, die Entwicklung eines Thrombus zu verursachen.

Entgegen der geäußerten Auffassungen von Dr. L., Dr ... R.-W. und PD Dr. H. gehört die Thrombozytose nach Milzentfernung nicht zu diesen konkurrierenden Ursachen. Der aufgrund der Milzentfernung eingeschränkte Abbau der Thrombozyten führt nach Dr. Sch. zu einer Erhöhung der Thrombozytenzahl im Blut des Klägers, die jedoch nach den dokumentierten Laborbefunden nie eine kritische Größenordnung, bei der mit der Gefahr einer venösen Thrombusentstehung zu rechnen ist, erreichte, was mit der Bewertung von Dr. M. übereinstimmt. Darüber hinaus ist eine genetisch bedingte hämatologische Erkrankung als Ursache der gesicherten Thrombozytose nicht gesichert. Ein hieraus abzuleitendes erhöhtes Thromboserisiko ist nicht nachgewiesen. Insoweit haben die von Dr. Sch. durchgeführten genetischen Tests, die keine einschlägige JAK2-Mutation ergeben haben, keinen auffälligen Befund erbracht.

Dagegen liegt aber nach Dr. Sch. beim Kläger einer Homozysteinämie vor, die als konkurrierende Bedingung einer Thrombose anzusehen ist. Der aus der Gerinnungsdiagnostik erhaltene pathologische Laborwert spricht für eine homozygote Mutation des MTHFR-Gens, was nach der auf Literaturangaben gestützten Einschätzung von Dr. Sch. mit einer Risikoerhöhung um den Faktor 2,5 einhergeht. Eine unfallunabhängige (Risiko-)Bedingung ist damit nachgewiesen.

Zu den geeigneten möglichen Ursachen einer Thrombose zählt vorliegend auch die von anderen Ärzten beschriebene primäre Varikosis beidseits, die nach Auffassung von Dr. L. und Dr. Sch. zu einer - nach letzterem nur leichten (vgl. Seite 16 seines Gutachtens) - erhöhten diesbezüglichen Risikolage führt. Diese nach übereinstimmender ärztlicher Auffassung bereits vor dem Arbeitsunfall 1987 vorliegende Erkrankung stellt ebenso einen unfallunabhängigen Ursachenbeitrag einer Risikoerhöhung dar.

Dass die linksseitige Varikosis zumindest anteilig unfallbedingt ist, ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Dass ein Übergang der beidseitigen venösen Insuffizienz zu dem Vollbild eines postthrombotischen Syndroms, das kennzeichnend für die Erhöhung des Risikos einer Thrombosebildung ist, so Dr. Sch. und Dr. L., im Februar 2007 vorgelegen hat, ist vorliegend nicht nachgewiesen. Nach Dr. Sch. war überhaupt kein postthrombotisches Syndrom weder bei seiner Untersuchung noch im Juni 2007 nachzuweisen, auch PD Dr. H. konnte bei seiner Untersuchung im Juni 2007 kein solches Syndrom erheben. Zwar ging Dr. L. davon aus, dass 1996 zumindest ein leichtes postthrombotisches Syndrom vorlag. Den damaligen Befunden entnahm er, dass zumindest intermittierend vermehrt Stauungszeichen im linken Unterschenkel auftraten, die im kompensierten Status der anzunehmenden thromboseinduzierten Schädigung der Unterschenkelvenen links, so auch Dr. Sch., nicht immer sichtbar waren. Dass im Februar 2007 aktuell typische Zeichen des Vollbildes eines postthrombotischen Syndroms mit Hautverfärbungen oder Ulcerationen vorlagen, wird von Dr. L. ausdrücklich verneint. Er verweist darauf, dass mit Annahme eines leichten postthrombotischen Syndroms nicht gleichsam gesichert ist, dass die Lungenembolie im Februar 2007 ihren Ursprungsort aus der linken Unterschenkelvene genommen hat. Hiervor kann nach seiner überzeugenden Auffassung nur ausgegangen werden, wenn klinisch ein sehr ausgeprägtes postthrombotisches Syndrom vorgelegen hatte bei gleichzeitiger Abwesenheit konkurrierender Krankheitsursachen. Entgegen der Einschätzung von Dr. P., insbesondere in seinem Schreiben vom 10.01.2008, ergibt sich aus dem von ihm geschilderten Unterschenkelbefund im Februar 2007 daher nicht zwingend, dass die Emboliequelle im Venensystem des linken Unterschenkels lag. Außerdem ergab sich aus der im Krankenhaus B. im Februar 2007 durchgeführten Dopplersonographie, welche nach Dr. L. und nach Dr. Sch. auch im Vergleich mit einer Phlebographie ein ausreichendes Diagnoseinstrument ist, kein Nachweis einer tiefen Beinvenenthrombose, obgleich die von Dr. P. beschriebenen Zeichen eines postthrombotischen Syndroms am linken Unterschenkel des Klägers vorlagen. Hierbei kann es sich nur um das von Dr. L. beschriebene, intermittierend auftretende leichte postthrombotische Syndrom gehandelt haben, das Zeichen einer vorübergehenden Stauungsproblematik des Blutflusses auch im peripheren Venensystem ist, aber keine Rückschlüsse auf einen Verschluss durch Thrombus bzw. die Thrombusbildung insgesamt zulässt, was Dr. L. überzeugend ausgeführt hat. Ein etwaiges postthrombotisches Syndrom war jedoch bis zur Untersuchung durch Dr. Hofmeister wieder abgeklungen, was die Einstufung als leichtes postthrombotisches Syndrom, das sich nur zeitweise manifestiert, bekräftigt. Auch die von Dr. Hofmeister im Juni 2007 durchgeführte Duplexsonographie ergab keinen Hinweis auf frische oder alte Beinvenenthrombosen. Die Bewertung von Dr. L. wird dadurch bestätigt, dass auch das 1996 am linken Unterschenkel aufgetretene - leichte - postthrombotische Syndrom ohne Thrombusbildung verlief, wie dem Arztbrief von Dr. G. vom 10.01.1996 zu entnehmen ist. Die damals durchgeführte Ablaufphlebographie am linken Bein ergab keinen Hinweis auf eine tiefe Bein- oder Beckenvenenthrombose.

Aus dem Umstand, dass durch die Dopplersonographie vom Februar 2007 die Vena tibialis posterior und bei der Dopplersonographie von Dr. Hofmeister im Juni 2007 die Vena fibularis-Gruppe nicht darstellbar war, ist ein Thrombusgeschehen nicht abzuleiten. Nach Dr. L. ist aus der fehlenden Darstellbarkeit der Vena tibialis posterior der Emboliennachweis nicht zu führen. Dies wird im Ergebnis auch von Dr. Sch. bestätigt, der darauf hinweist, dass der dokumentierte Verschluss der Vena tibialis posterior nicht mit dem im Vorbefund von 1987 erhobenen Verschluss der Vena tibialis anterior (Phlebographie vom 25.06.1987, Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B. vom 10.07.1987) übereinstimmt und auch zu dem Verschluss der Vena fibularis keine Stellung bezogen wird. Die Ausführungen von Dr. P. - auf den der Kläger erneut in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verwiesen hat - im Schreiben vom 10.01.2008 hat Dr. Sch. für den Senat nachvollziehbar als nicht zutreffend bewertet, soweit darin Dr. P. die Aussagekraft der Duplexsonographie kritisiert und die Notwendigkeit einer Marcumar-Behandlung betont. Eine Thrombusentstehung aufgrund eines von der Beklagten zu verantwortenden Behandlungsfehlers liegt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht vor.

Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass zwar ein leichtes postthrombotisches Syndrom am linken Unterschenkel mit dem Bescheid vom 13.12.2007 als weitere Unfallfolge festgestellt ist. Hieraus kann der Kläger jedoch aus den dargelegten Gründen nicht ableiten, dass sich die unfallunabhängige Venenerkrankung über die unfallbedingte Verschlimmerung zu dem postthrombotischem Syndrom auch aktuell im Februar 2007 in der Entstehung eines Thrombus realisierte.

Andererseits hat auch zur Überzeugung des Senats Dr. Sch. überzeugend dargelegt, dass die Frage, ob wirklich ein postthrombotisches Syndrom als Folge der unfallbedingten Unterschenkelvenenthrombose von 1987 vorliegt, unerheblich ist, da das Risiko für eine Rezidivthrombose allein schon aufgrund des Erstereignisses der Thrombose erhöht ist. Eine tiefe Beinvenenthrombosen, wie sie der Kläger 1987 erlitten hat, führt nach Dr. Sch. häufig durch Vernarbung von Venen, Destruktion der Venenklappen und Verschlechterung der Muskelpumpe zur Verlangsamung des Blutflusses in dem betroffenen Venenabschnitt und zu einer lokalen Reduktion der fibrinolytischen Aktivität. Dies erhöht generell das Risiko einer erneuten Thrombose, was vorliegend allein als unfallabhängige konkurrierende Bedingung in Betracht kommt. Nach der von Dr. Sch. angestellten Literaturrecherche beträgt das Risiko das 7,9 fache gegenüber einer gesunden Kontrollgruppe bzw. liegt ein 30 % - Wiederholungsrisiko bis 8 Jahre nach dem Erstereignis vor. In Übereinstimmung damit verweist Dr. L. darauf, dass nach der unfallmedizinischen Literatur in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit (vgl. jetzt 8. Aufl. 2010, Seite 658) ein symptomfreies Intervall bis zum Erscheinen von Sekundärvarizen und damit auch der Ausprägung eines postthrombotischen Syndroms bis zu 15 Jahren betragen kann. Zwar fehlen Angaben über das Risiko einer erneuten Thrombose ca. 20 Jahre nach dem Erstereignis, doch mit Dr. Sch. geht der Senat ebenso wie das Sozialgericht davon aus, dass auch nach dieser Zeit noch ein erhöhtes Rezidivthromboserisiko vorliegt. Der direkte Nachweis, dass 2007 eine (Rezidiv-)Thrombose in den Unterschenkelvenen links aufgetreten ist und sich somit das Rezidivthromboserisiko tatsächlich verwirklicht hat, ist auch nach Auffassung von Dr. Sch. nicht geführt. Entgegen seiner Auffassung sind die von ihm dargelegten Indizien zum Nachweis einer Rezidivthrombose nicht hinreichend deutlich, um zu einer sicheren Überzeugungsgewissheit zu gelangen. Zwar hat er durchaus überzeugend dargelegt, wie der fehlende klinische und duplexsonographische Nachweis eines Thrombus in der linken Unterschenkelvene erklärt werden kann (vollständige Auflösung und Verlagerung als Lungenembolie bis zum Zeitpunkt der Duplexsonographie) zumal nach seiner Darlegung eine druckschmerzhafte Rötung der Haut am linken Unterschenkel "überzufällig" häufig mit einer tiefen Beinvenenthrombose einhergehe. Doch damit ist der sichere Nachweis dafür, dass die Gesundheitsstörung eines Rezidivthrombus in der Unterschenkelvene vorlag, nicht geführt, sondern eine Rezidivthrombose ist damit gerade auch unter Berücksichtigung der oben dargelegten Umstände eines nur leichten postthrombotischen Syndroms zur Erklärung der Hautrötung als Thrombophlebitis und der anderen Konkurrenzursachen lediglich als Möglichkeit beschrieben.

Entgegen der Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Sch. hat aber der Senat ebenso wie das Sozialgericht bei dieser Ausgangslage nicht die erforderliche Überzeugungsgewissheit erlangt, dass die einzige nachgewiesene unfallbedingte (Risiko-)Bedingung, nämlich die erhöhte Gefahr einer Rezidivthrombose nach unfallbedingter Erstthrombose, wesentlich kausal für die im Februar 2007 aufgetretene Lungenembolie geworden ist. Dies ist vorliegend nicht allein eine medizinische Frage. Der medizinische Sachverhalt ist durch die überzeugenden Darlegungen von Dr. Sch. geklärt. Die Beurteilung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit für mehrere mögliche Kausalverläufe ist eine vorwiegend durch den Senat zu beantwortende Rechtsfrage.

Nachgewiesen sind neben der Möglichkeit einer unfallabhängigen Kausalität auch die oben genannten beiden Möglichkeiten der unfallunabhängigen Kausalitäten. Alle drei Varianten einer Kausalitätsentwicklung sind unabhängig voneinander geeignet, eine Thrombusbildung zu verursachen und damit auch alleinige Ursache der Lungenembolie und Arterienembolien im Februar 2007 zu sein.

Inwieweit im Zusammenwirken dieser Faktoren die eine oder andere der genannten Bedingungen verstärkt wurde oder eine Bedingung den Erfolg der Kausalitätsentwicklung nur unter Mitwirkung der einen oder anderen Bedingung in dieser Konsequenz auslöst, hat Dr. Sch. mangels gesicherter medizinischer Erkenntnisse nicht beschreiben können. Die Bedeutung der Homozysteinämie als Risiko-Kofaktor bei Immobilisation bzw. bereits stattgehabter Beinvenenthrombose ist völlig offen. Ob daher die Erst-Beinvenenthrombose auch nach 20 Jahren unter den - unterstellt mitwirkenden - Bedingungen der Homozysteinämie bzw. der Varikosis ein ungleich höheres Rezidivrisiko als die anderen genannten Risikofaktoren Varikosis und Homozysteinämie, so dass diese vernachlässigt werden können, darstellt, ist nach Dr. Sch. wissenschaftlich nicht belegt. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass ein notwendiges Zusammenwirken unfallbedingter und unfallunabhängiger Faktoren für den Eintritt der Embolien verantwortlich war, wobei die unfallbedingte Teilursache in ihrer Bedeutung nicht gänzlich hätte im Hintergrund stehen dürfen, um noch als wesentlicher Teilursache gelten zu können. Sind aber nur Anknüpfungstatsachen, hier Risikobedingungen, für mehrere isoliert denkbar mögliche Kausalverläufe als nachgewiesen anzusehen, die in der Unterschenkelvene links oder an einem anderen Ort eine Thrombusbildung verursachen konnten, spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass allein der unfallabhängige Kausalverlauf zur Embolie in der Lunge und in den Lungenarterien geführt hat. Der unfallbedingte Zusammenhang ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Der Senat sieht im Hinblick auf das insoweit überzeugende Gutachten von Dr. Sch. auch keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen.

Die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Im dort entschiedenen Fall war eine unfallunabhängige Konkurrenzursache nicht festgestellt worden, sondern nur als Möglichkeit einer Mitursache neben der festgestellten kausal gewordenen versicherten Ursache in die wertende Kausalitätsbetrachtung einbezogen worden. Im vorliegenden Fall stehen die konkurrierenden, aber voneinander unabhängigen Bedingungen für mögliche Kausalverläufe zur Überzeugung des Senats fest. Ein bestimmter Kausalverlauf ist dagegen nicht festgestellt.

Ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente ab Februar 2007 besteht nicht. Für die Zeit von Februar 2007 bis zum Tag vor dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 12.06.2007 folgt dies bereits aus § 622 Abs. 3 RVO, wonach die neue Feststellung der Verletztenrente nicht für die Zeit getroffen werden darf, in der Verletztengeld zu zahlen wäre. Zudem liegen nach den obigen Ausführungen auch die weiteren Voraussetzungen der Verletztenrente nicht vor. Fehlt es an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des unfallbedingten Zusammenhangs der streitigen Gesundheitsstörung im Februar 2007, unterfallen die hieraus resultierenden funktionellen Einschränkungen keiner unfallbedingten MdE. Nach Dr. Sch. liegen darüber hinaus auch keine sonstigen MdE-relevanten funktionellen Einschränkungen vor. Der vom Sachverständigen beschriebene chronische Verschluss der Vena fibularis am linken Unterschenkel als dauerhafte Unfallfolge bewirkt keine zusätzlich erfassbare Einschränkung über die bereits vorhandene unfallunabhängige chronische venöse Insuffizienz an beiden Unterschenkel hinaus. Dr. Sch. hat seine MdE-Einschätzung daher auch konsequent zu der von ihm vertretenen unfallbedingten Zusammenhangsfrage allein auf die nach der Lungenembolie 2007 entstandene cardiale-pulmonale Leistungseinschränkungen gestützt. Der von Dr. Sch. vorgenommenen Einschätzung der unfallbedingten MdE um 20 v.H. war daher nicht zu folgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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