L 3 SB 1246/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 3319/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1246/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob dem Kläger ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als von 70 und die Nachteilsausgleiche "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) zustehen.

Bei dem 1952 geborenen Kläger wurde mit Teilabhilfebescheid des Versorgungsamts F. vom 15.05.2003 ein GdB von 50 seit 01.01.2002 wegen eines Parkinsonsyndroms festgestellt. Die Zuerkennung von Nachteilsausgleichen wurde abgelehnt.

Am 14.01.2005 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag, mit dem er die Erhöhung des GdB und die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "G" und "aG" sowie am 28.05.2005 auch "RF" beantragte. Zur Unterstützung seines Begehrens legte er den Entlassungsbericht über die von ihm zwischen dem 12.10.2004 und 16.11.2004 durchgeführte Heilbehandlung in den Rulandkliniken in W. (Diagnose: Morbus Parkinson) vor. Nach Beiziehung und Auswertung medizinischer Unterlagen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W. lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.04.2005 eine Neufeststellung und die Zuerkennung der beantragten Nachteilsausgleiche ab.

Hiergegen legte der Kläger unter Vorlage einer von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. v. K. unter dem 30.08.2005 im Rentenverfahren abgegebenen sachverständigen Zeugenauskunft Widerspruch ein. Der Beklagte zog daraufhin noch einen aktuellen Befundbericht des Dr. B. v. K. vom 31.01.2006 bei (Parkinsonsyndrom im Stadium 2 nach Hoehn und Yahr, Verdacht auf leichte Hemispastik rechts, distale Polyneuropathie, rezidivierende Angststörung und Depression, Zustand nach einer Kniearthroskopie und Außenmeniskus-Vorderhorn-Resektion, zunehmende Adipositas). Nach Auswertung dieser Unterlagen durch die Prüfärzte des Beklagten Dr. K. und B., die die Funktionsbeeinträchtigung "Parkinsonsyndrom, depressive Verstimmung" mit einem Teil-GdB von 60 und die Funktionsbeeinträchtigung "Polyneuropathie" mit einem Teil-GdB von 20 bewerteten, einen Gesamt-GdB von 70 vorschlugen und die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "G" bejahten, half der Beklagte mit Teilabhilfebescheid vom 22.05.2006 dem Widerspruch des Klägers teilweise ab und stellte den GdB mit 70 und außerdem den Nachteilsausgleich "G" seit 28.01.2005 fest.

Der Kläger teilte hierauf mit, dass an der GdB-Festsetzung nichts zu bemängeln sei, er jedoch weiterhin die Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" begehre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" lasse sich nicht begründen.

Hiergegen hat der Kläger am 10.07.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass er nach einer halben Stunde Schwierigkeiten habe, einer Veranstaltung weiter zu folgen und maximal zehn Minuten gehen und dabei eine Wegstrecke von maximal 150 m zurücklegen könne, weshalb ihm die Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" und ein GdB von wenigstens 80 zustehe.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage von PD Dr. H., Facharzt für Neurologie, vom 10.04.2007. Dieser hat mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein rechtsbetonter Morbus Parkinson. Im Vordergrund der Beschwerden stehe ein verlangsamtes Gangbild, ein rechtsbetonter Rigor, eine rechtsbetonte Bewegungsverlangsamung der Extremitäten, ein kontinuierlicher Ruhetremor der rechten Hand verbunden mit einem leichten Haltetremor und eine schmerzhafte Flexionsdystonie von Dig. III und IV des rechten Fußes. Die vom Kläger angegebene maximale Gehstrecke von 100 bis 150 m erscheine ihm glaubhaft. Der Besuch öffentlicher Veranstaltungen erscheine ihm jedoch nicht allgemein und umfassend ausgeschlossen.

Mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 18.07.2007 hat sich Dr. W. hierzu dahingehend geäußert, dass sich aus der Auskunft von Dr. H. keine ausreichenden Gesichtspunkte für eine höhere GdB-Bewertung ergäben. Subjektive Angaben, wonach nach einer Gehstrecke von 100 bis 150 m eine Pause eingelegt werden müsse, könnten nicht als Nachweis einer außergewöhnlichen Gehbehinderung angesehen werden. Konkrete Gesichtspunkte für die Zuerkennung des begehrten Nachteilsausgleichs "RF" ergäben sich ebenfalls nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 09.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage im Hinblick auf die Feststellung eines höheren GdB bereits deshalb unbegründet sei, weil der Kläger seinen Widerspruch nach Feststellung des GdB von 70 nicht mehr weiterverfolgt habe und der Teilabhilfebescheid deshalb insoweit bestandskräftig und bindend geworden sei. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" erfülle der Kläger nicht. Er gehöre nicht zu dem in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) genannten Personenkreis und sei diesem Personenkreis auch nicht gleichzustellen. Beim Kläger lägen auch die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "RF" nicht vor. Unabhängig davon, dass bislang nur ein GdB von 70 bindend festgestellt worden sei, sei der Kläger gestützt auf die Aussage von Dr. H. aufgrund seiner Behinderung nicht ständig vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen.

Hiergegen hat der Kläger am 17.03.2009 Berufung eingelegt. Er trägt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen ergänzend vor, der GdB von 70 sei in keinster Weise bindend festgestellt. Die von ihm maximal zurückzulegende Wegstrecke von 100 bis 150 m sei als außergewöhnliche Gehbehinderung anzusehen und er sei nicht mehr in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, weil er aufgrund des Parkinsonsyndroms nach einiger Zeit unter drastischem Konzentrationsverfall leide.

Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger mitgeteilt, dass er bei der Pflegeversicherung noch keinen Antrag gestellt habe.

Der Senat hat von dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr.F., Leitender Arzt der Parkinson-Klinik W., ein Gutachten vom 12.04.2010 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Dr. F., der sich der Mithilfe von Dr. D. bedient hat, hat in seinem Gutachten als Diagnosen ein idiopathisches Parkinsonsyndrom vom Äquivalenztyp mit Rechtsbetonung, Stadium III nach Hoehn und Yahr und eine beginnende Polyneuropathie genannt. Das Behinderungsausmaß eines Parkinsonsyndroms im Stadium III nach Hoehn und Yahr entspreche einer mittelgradigen Behinderung und sei mit einem Teil-GdB von 60, die beginnende Polyneuropathie mit 20 angemessen bewertet. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 70. Der Kläger könne nach eigenen Angaben ohne Zwangspause 200 m auf ebener Strecke zu Fuß und noch kurze Strecken mit dem eigenen Kraftfahrzeug zurücklegen. Von nervenärztlicher Seite bestehe weder die Notwendigkeit für den Einsatz einer Gehhilfe noch für eine Fortbewegung mit dem Rollstuhl. Öffentliche Veranstaltungen könnten aus nervenärztlicher Sicht mit einer Begleitperson besucht werden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 9. März 2009 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 27. April 2005 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 22. Mai 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen GdB von wenigstens 80 und die Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Vorprozessakte L 3 R 1893/08 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat folgt nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage in vollem Umfang den Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid und schließt sich ausdrücklich dessen Bewertung der Sach- und Rechtslage an. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG kann der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit er den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und die Berufung als unbegründet zurückweist. Hiervon macht der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Gebrauch.

Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat der Auffassung ist, dass die Höhe des GdB mit 70 bindend festgestellt ist. Der Teilabhilfebescheid vom 22.05.2006 wurde bezüglich der Höhe des GdB nicht beanstandet. Ausdrücklich hat der Kläger im Schriftsatz vom 12.06.2006 insoweit vorgetragen, dass an der GdB-Festsetzung nichts zu bemängeln sei.

Im Hinblick auf die vom Senat getätigten Ermittlungen durch Einholung eines Gutachtens von Dr. F. und Dr. D. auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ist festzustellen, dass auch dieses Gutachten das Begehren des Klägers nicht stützt. Abgesehen davon, dass die Gutachter den Gesamt-GdB von 70 nicht beanstandet haben, haben auch sie die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" im Ergebnis verneint, nachdem der Kläger nach eigenen Angaben ohne Zwangspause 200 m auf ebener Strecke zu Fuß zurücklegen kann und weder die Notwendigkeit für den Einsatz einer Gehhilfe noch für eine Fortbewegung mit dem Rollstuhl besteht und öffentliche Veranstaltungen besucht werden können.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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