L 5 R 5724/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 3354/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5724/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F. wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller macht mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines persönliche Budgets in Höhe von 1.250,- EUR monatlich geltend.

Dem 1981 geborenen Antragsteller wurde im Februar 2002 ein Hypophysenadenom operativ entfernt. Während der Operation kam es zu Komplikationen. Postoperativ traten eine linksseitige armbetonte Hemiparese, eine rechtsseitige komplette Okulomotoriusparese, eine linksseitige Hemianopsie nach lateral sowie neuropsychologische Einschränkungen im Rahmen eines hirnorganischen Psychosyndroms auf.

Ab dem 1. März 2006 wurde dem Antragsteller nach erfolgloser Durchführung eines neurologischen Rehabilitationsverfahren eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt. Er wohnt in einer Wohnung der D. Hausgemeinschaften e.V. in H. und nimmt dort an den tagesstrukturierenden Maßnahmen teil, deren Träger die N. H. gGmbH ist. Er ist insbesondere in einer Förder- und Betreuungsgruppe der N. H. gGmbH tätig. Diese ist nicht als Werkstatt für behinderte Menschen anerkannt. Die Kosten der Förder- und Betreuungsgruppe betragen monatlich ca. 1.600,- EUR, die der Antragsteller derzeit nicht zahlt.

Unter dem 15. Mai 2007, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 18. Mai 2007, übersandte die Betreuerin des Antragstellers einen ausgefüllten Rehabilitationsantrag (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) für diesen und bat um Prüfung, ob die tagesstrukturierenden Maßnahmen der D. Hausgemeinschaften e.V. H., an denen er schon seit längerer Zeit teilnehme, als Rehabilitationsmaßnahme gefördert werden könnten. Soweit dies nicht möglich sei, wurde um Prüfung gebeten, welche sonstige Maßnahme für den Antragsteller in Betracht komme.

Mit Bescheid vom 10. August 2007 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen dem Grunde nach. Unter dem 16. August 2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Teilnahme an der Tagesförderstätte der D. Hausgemeinschaft e.V. keine Maßnahme sei, die als Rehabilitationsmaßnahme durch sie gefördert werden könne.

Mit weiteren Bescheid vom 10. August 2007 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab, da die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers durch solche Leistungen nicht wesentlich gebessert oder wieder hergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden könne. Auf den beigefügten Bescheid über Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen wurde verwiesen. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 3. September 2007 Widerspruch ein und ließ vortragen, dass ihm die Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen zu eintönig sei. Die Teilnahme an den tagesstrukturierenden Maßnahmen in den Räumen der D. Hausgemeinschaften spreche ihn eher an. Träger dieser Maßnahme sei die N. GmbH in H ...

Nachdem die Antragsgegnerin unter dem 1. Oktober 2007 erklärt hatte, dass es sich bei der N. GmbH nicht um eine anerkannte Einrichtung handele sowie mitgeteilt werden solle, ob eine Vorlage an den Widerspruchsausschuss gewünscht sei, und der Antragsteller zur beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung der Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen mangels Interesses angehört worden war, teilte die Betreuerin des Antragstellers mit, dass dieser sich keine Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen vorstellen könne. Daraufhin widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15. Januar 2008 die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen.

Hiergegen legte der Antragsteller am 15. Februar 2008 Widerspruch ein mit der Begründung, dass er sich nun doch eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen vorstellen könne. Hieran anschließend wurden dem Antragsteller entsprechende Leistungen bewilligt und er in das Eingangsverfahren der Werkstatt für behinderte Menschen der Lebenshilfe ab dem 1. April 2008 für drei Monate aufgenommen. Nach Abschluss des Eingangsverfahrens wurde vermerkt, dass die Werkstatt für behinderte Menschen derzeit für den Antragsteller nicht die geeignete Einrichtung sei. Wenn der Antragsteller psychisch stabiler sei, komme eine Aufnahme in den Berufsbildungsbereich in Betracht. Derzeit sei die Belastbarkeit des Antragstellers für die Aufnahme in die Werkstatt für behinderte Menschen nicht ausreichend.

Durch Bescheid vom 10. März 2008 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Aufnahme in den Berufsbildungsbereich der H. Werkstätten als Werkstatt für behinderte Menschen für die Dauer von 12 Monaten.

Am 20. Januar 2009 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines persönlichen Budgets. Am 17. März 2009 fand ein runder Tisch statt. Die N. GmbH erklärte sich mit einem reduzierten Betreuungsentgelt in Höhe von 1.100,- EUR für die Tätigkeit in der Förder- und Betreuungsgruppe einverstanden. Dies entsprach dem Betrag, der für den Besuch der H. Werkstätten hätte aufgewendet werden müssen. (vgl. hierzu Protokoll des Bevollmächtigten des Antragstellers zum "Runden Tisch" vom 17.03.2009, SG-Akte S.21). Die Antragsgegnerin wollte nun bewirken, dass über die H. Werkstätten ein Außenarbeitsplatz für den Antragsteller bei der von ihm gewünschten N. GmbH in H. ab Mai 2009 eingerichtet wird. Sie übersandte dem Antragsteller unter dem 4. Mai 2009 eine entsprechende Einverständniserklärung, die auch die Rücknahme des Antrags auf die Gewährung eines persönlichen Budgets vorsah. Diese sandte der Antragsteller jedoch nicht zurück. Vielmehr mahnte er unter dem 12. Mai 2009, nunmehr vertreten durch seinen Bevollmächtigten, eine Entscheidung über die Bewilligung des persönlichen Budgets an.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2009 wurde dem Antragsteller eine Zielvereinbarung nach § 4 Budgetverordnung für ein persönliches Budget übersandt, in der die Gewährung eines persönlichen Budgets für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen im Berufsbildungsbereich in Höhe von 1.121,40 EUR monatlich für die Dauer von 12 Monaten vorgesehen war. Der anwaltlich vertretene Antragsteller wandte sich gegen die Festlegung der Höhe des Budgets in der Vereinbarung und vertrat die Ansicht, dass die Höhe des persönlichen Budgets durch Verwaltungsakt zu bestimmen sei. Weiterhin forderte er die Streichung der Beschränkung auf die Inanspruchnahme eines zugelassenen Bildungsträgers. Stattdessen schlug er eine Regelung vor, wonach eine fachlich geeignete Einrichtung mit der Durchführung der Maßnahme zu beauftragen sei. Nachdem eine Einigung über den Inhalt der Zielvereinbarung nicht zustande gekommen war, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf die Gewährung eines persönlichen Budgets mit Bescheid vom 11. August 2009 ab. Zur Begründung wird ausgeführt, es habe kein Konsens für eine Zielvereinbarung erzielt werden können, da kein anerkannter Leistungserbringer gefunden worden sei und auch die Höhe der monatlichen Leistung nicht im Einvernehmen habe definiert werden können.

Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 14. September 2009 Widerspruch ein und trug vor, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht tragfähig sei. Der Abschluss einer Zielvereinbarung sei davon abhängig gemacht worden, dass der Antragsteller exklusiv Leistungen einer Einrichtung in Anspruch nehme, mit der die Antragsgegnerin vertragliche Regelungen hinsichtlich Leistungsumfang und Kosten abgeschlossen hätte. Dies sei unzulässig.

Am 22. September 2009 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Mannheim (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ab sofort laufende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines persönlichen Budgets in Höhe von 1.250,- EUR monatlich zu bewilligen. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist durch Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. September 2009 an das zuständige Sozialgericht Mannheim (SG) verwiesen worden. Unter dem 9. Oktober 2009 hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass sie weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sehe. Unter Übersendung der Antragserwiderung hat das SG den Antragsteller mit Verfügung vom 12. Oktober 2009 zu substantiiertem Vortrag zum Anordnungsgrund und -anspruch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragsgegnerin und um Mitteilung gebeten, ob das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes fortgeführt werden soll. Nachdem keine Reaktion des Antragstellers erfolgt war, hat das SG den Antrag mit Beschluss vom 23. Oktober 2009 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass jedenfalls kein Anordnungsgrund vorliege. Denn zum einen sei hierzu trotz ausdrücklichem Hinweis des Gerichts keinerlei Vortrag erfolgt. Zum anderen sei dem Gericht aus den Akten ersichtlich, dass der Antragsteller bereits derzeit in der von ihm gewünschten Einrichtung der N. GmbH in H. untergebracht sei. Gestritten werde lediglich um die Frage, ob ihm diesbezüglich ein persönliches Budget seitens der Antragsgegnerin zu bewilligen sei. Inwiefern diese Entscheidung eilbedürftig sein könnte, sei dem Gericht nicht ersichtlich. Wesentliche Nachteile des Antragstellers für den Fall, dass das Hauptsacheverfahren zur Entscheidung über die Bewilligung des persönlichen Budgets abgewartet werde, seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen seinem Bevollmächtigten am 27. Oktober 2009 zugestellten Beschluss hat er am 27. November 2009 beim SG Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, es habe sich im Eingangsverfahren herausgestellt, dass die Maßnahme, die die H. Werkstätten anbieten könne, für ihn nicht geeignet sei. Er habe aber bereits zuvor und auch nach Abschluss des Eingangsverfahrens den Arbeitsbereich der N. gGmbH besucht. Diese Maßnahme sei für ihn geeignet. Auch diesbezüglich bestehe Konsens mit der Antragsgegnerin. Dessen ungeachtet vertrete diese die Auffassung, dass sie Leistungen für die Maßnahme bei der N. gGmbH nicht bewilligen könne, weil diese Einrichtung bislang keinen Versorgungsvertrag mit der Deutschen Rentenversicherung geschlossen habe. Weiterhin vertrete diese hinsichtlich des persönlichen Budgets ausdrücklich die Auffassung, dass Leistungen in Form des persönlichen Budgets nur für Einrichtungen bewilligt werden könnten, für deren Besuch auch nach dem Sachleistungsprinzip Leistungen zur Teilhabe gewährt werden können. Diese Rechtsauffassung stehe jedoch in offenem Widerspruch zu § 17 SGB IX. Zwischen den Beteiligten sei dagegen unstreitig, dass die Maßnahme, die die einzige Einrichtung, die mit der Antragsgegnerin vertraglich verbunden und für den Antragsteller räumlich erreichbar sei, nicht geeignet sei. Die Antragsgegnerin sei auch bereit gewesen, die derzeitige Maßnahme als Sachleistung zu bewilligen. Sie habe allerdings darauf bestanden, dass ein Teil der Sachleistung nicht der N. gGmbH zufließe, sondern den H. Werkstätten, die mit ihr vertraglich verbunden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dieselbe Maßnahme dann, wenn ein Teil des Betrages, den die Antragsgegnerin für dieselbe Rehabilitationsleistung aufwenden wolle, nicht an die N. gGmbH, sondern an die H. Werkstätten gezahlt werde, geeignet sein solle, während diese Eignung nicht mehr vorliegen solle, wenn die N. gGmbH die volle Vergütung für die Leistung erhalte.

Der Anordnungsgrund ergebe sich zwanglos aus der Tatsache, dass der Antragsteller seit Anfang des Jahres 2006 die Maßnahme der N. gGmbH absolviere, ohne dafür bis zum heutigen Tage eine Vergütung zu zahlen. Die Einrichtung sei damit in erheblichem Maße in Vorleistung getreten. Der Einrichtung sei es nicht zumutbar, weiterhin in Vorleistung zu treten. Es sei jederzeit damit zu rechnen, dass die Einrichtung die fristlose Kündigung ausspreche oder androhe. Schließlich sei die Situation auch für den Antragsteller selbst in hohem Maße belastend, denn ihm sei sehr wohl bewusst, dass die Teilhabeleistung jederzeit von heute auf morgen entfallen könne, weil der Einrichtungsträger bis heute keine Vergütung erhalten habe. Allein aus der Tatsache, dass der Antragsteller seit nahezu vier Jahren in einem "Schwebezustand" zu verharren gezwungen sei, ohne zu wissen, ob die Teilhabemaßnahme, die nach Auffassung aller Beteiligten geeignet sei, auch weiter besucht werden könne, rechtfertige den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Antragsteller beantragt,

1. den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Oktober 2009 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab dem 22. September 2009 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache laufende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines persönlichen Budgets in Höhe von 1.250,00 EUR monatlich zu bewilligen;

2. dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Fritz zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich eines Anordnungsgrundes habe der Kläger bis zum heutigen Tag noch nicht überzeugend vorgetragen, weshalb die begehrte einstweilige Anordnung geboten erscheinen solle. Welche wesentlichen Nachteile dem Kläger andernfalls drohen würden, sei weiterhin nicht ersichtlich. Eine Vereinbarung zum persönlichen Budget sei nicht zustande gekommen. Trotz aller vom klägerischen Bevollmächtigten für den Antragsteller eingereichten Schriftsätze erschließe sich nicht, wieso die angebotene Lösung in Form des Außenarbeitsplatzes der H. Werkstätten bei der N. gGmbh für den Antragsteller nicht akzeptabel sei. Es läge in seinem ureigenen Interesse diesen Weg erst einmal zu beschreiten und die angebotene Leistung in Anspruch zu nehmen und anschließend ggf. auf dem Rechtsweg zu versuchen, eine Finanzierung dieser Leistung in Gestalt eines persönlichen Budgets zu erwirken.

Der Antragsteller hat hierzu im Wesentlichen erwidert, der Anordnungsgrund ergebe sich daraus, dass ihm jeden Monat Schulden erwüchsen. Es bestehe die Gefahr, dass der Leistungserbringer die Maßnahme abbreche, da er bislang keine Vergütung erhalten habe. Schließlich bestehe jederzeit die Gefahr, dass der Leistungserbringer den Antragsteller verklage mit der Folge, dass Prozesskosten in nicht unerheblicher Höhe entstünden. Zu dem Angebot der Antragsgegnerin, das sie im Rahmen des Sachleistungsprinzips unterbreitet habe, sei zu sagen, dass die Firma N. gGmbH nicht bereit gewesen sei, sich auf dieses Angebot einzulassen. Das sei auch nachvollziehbar. Denn der Leistungserbringer hätte einen nicht unerheblichen Teil des Leistungsentgelts an einen anderen Leistungserbringer, nämlich die H. Werkstätten, abtreten müssen, ohne dass Letzterer an den Kosten der Maßnahme beteiligt worden wäre. Gesetzt den Fall, der Antragsteller hätte sich auf dieses Modell eingelassen und würde in Bezug auf seinen Antrag auf Leistungsbewilligung in Form des persönlichen Budgets auf dem Wege der regulären Klage etwa im Jahr 2013 Recht erhalten, dann wäre die "vorläufige" Leistungsbewilligung nach dem Sachleistungsprinzip nicht mehr rückabzuwickeln, denn es bestünde kein Kostenerstattungsanspruch gegen die H. Werkstätten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010 wurde der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 11. August 2009 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller beim SG Klage erhoben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Rehabilitationsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II. Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf einstweilige Anordnung ist zulässig; insbesondere ist sie gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG statthaft. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Für den im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruch, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein persönliches Budget in Höhe von 1.250 EUR monatlich zur Verfügung zu stellen, ist prozessuale Grundlage § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG (Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage) nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Voraussetzung ist neben einem Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Kläger im Hauptsacheverfahren geltend macht, ein Anordnungsgrund. Darunter ist die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung zu verstehen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss gerechtfertigt sein. Daher müssen Gründe vorliegen, aus denen sich ihre besondere Dringlichkeit ergibt. Bei Auslegung und Anwendung des § 86 b Abs. 2 SGG sind das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und die Pflicht zum Schutz betroffener Grundrechte zu beachten, namentlich dann, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes Grundrechte des Antragstellers erheblich, über den Randbereich hinaus und womöglich in nicht wieder gut zu machender Weise verletzten könnte. Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (zu alledem etwa Puttler, in NK-VwGO § 123 Rdnr. 97 ff.).

Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Das Bestehen eines solchen Anspruchs kann allenfalls als offen angesehen werden. Zunächst ist das persönliche Budget nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern lediglich eine Leistungsart. Zuständigkeit und Voraussetzungen richten sich dementsprechend nach den allgemeinen Regelungen zur Teilhabe des hierfür zuständigen Leistungsträgers, vgl. § 7 Satz 2 SGB IX, hier also nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V. m. SGB IX. Nur wenn hiernach bereits ein Anspruch dem Grunde nach auf die Leistungen besteht, die durch das begehrte persönliche Budget finanziert werden sollen, kann überhaupt eine Leistung zur Teilhabe in Form des persönlichen Budgets erbracht werden.

Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VI können Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Dabei unterliegt die Entscheidung über die Voraussetzungen, das "ob" der Leistung der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, während das "wie" der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht (vgl. BSGE 85, 298, 300 = SozR 3-2600 § 10 Nr. 2 S. 3 m.w.N.). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11 SGB VI dürften beim Antragsteller vorliegen, und ein Ausschlussgrund i.S. des § 12 SGB VI nicht verwirklicht sein; hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Allerdings erscheint zweifelhaft, ob der Antragsteller auch die persönlichen Voraussetzungen des § 10 SGB VI erfüllt. Nach § 10 Abs. 1 SGB VI erfüllen Versicherte die persönlichen Voraussetzungen, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann. Die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers ist aus den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI genannten Gründen gemindert. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI ist jedoch weiter maßgeblich, ob sich die Erwerbsfähigkeit des Versicherten nach seinen persönlichen Verhältnissen voraussichtlich durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich verbessern oder wiederherstellen läßt. Dabei ist zu fragen, ob es mit Rücksicht u.a. auf Motivation und Gesundheitszustand wahrscheinlich ist, dass durch geeignete Maßnahmen die Vermittlungschancen verbessert und somit Möglichkeiten eröffnet werden, wieder in vollem Umfang dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ob dies hier zu bejahen ist, lässt sich derzeit nicht entscheiden. Unterstellt man das Vorliegen der Förderungsfähigkeit in diesem Sinne bestünde ein Anspruch des Antragstellers, dass unter seiner Beteiligung und in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens aus dem Katalog von in Betracht kommenden Maßnahmen eine geeignete Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgewählt und gewährt wird.

Ob danach ggf. von der Antragsgegnerin zu erbringende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Antrag des Antragstellers in Form eines persönlichen Budgets zu erbringen sind, richtet sich nach § 17 Abs. 2 bis 4, § 159 Abs. 5 SGB IX, §§ 1 ff. BudgetV. Der Bewilligung eines persönlichen Budgets geht ein Bedarfsfeststellungsverfahren voraus (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB IX, § 3 Abs. 3 und 4 BudgetV). Sie hängt nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetV weiter davon ab, dass der Antragsteller mit der bewilligenden Behörde eine "Zielvereinbarung" schließt. Diese soll sicherstellen, dass der Antragsteller die ihm überlassenen Gelder zweckgerecht verwendet. Insbesondere muss sich der Antragsteller darin verpflichten, im gebotenen Umfang Nachweise über die Verwendung der Mittel und die Deckung seiner festgestellten Bedarfe zu erbringen (§ 4 BudgetV). Nach diesen Grundsätzen ist, auch wenn man zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass er gegen die Antragsgegnerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben hat, jedenfalls ein Anspruch auf die hier ausschließlich begehrte Erbringung der Leistung im Rahmen eines persönlichen Budgets nicht glaubhaft gemacht. Denn diese Form der Leistungserbringung (zum persönlichen Budget als alternative Leistungsform vgl. LSG [LSG] Baden-Württemberg, Beschluss des 7. Senats vom 18. Juni 2007 - L 7 SO 3329/09 ER-B) setzt, wie dargelegt, u.a. den Abschluss einer Zielvereinbarung voraus, die hier nicht zustande gekommen ist. Es kann im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes offenbleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Abschluss einer Zielvereinbarung bestehen kann. Allerdings dürfte ein solcher nur dann anzunehmen sein, wenn die Maßnahme, die mit dem Budget finanziert werden soll, im Rahmen einer Ermessensreduzierung als Sachleistung zu gewähren wäre. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dürfte es dabei regelmäßig an der Eilbedürftigkeit der begehrten Art der Leistungserbringung in Form eines persönlichen Budgets fehlen. So liegt es jedenfalls hier.

Auch wenn man zugunsten des Antragstellers einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe und selbst eine Ermessensreduzierung hinsichtlich der bereits in Anspruch genommenen Maßnahme unterstellt, die die Antragsgegnerin nach § 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB IX dann als wohl erstangegangener Rehabilitationsträger auch im Falle ihrer Unzuständigkeit zu erbringen hätte (vgl. BSG, Urteil vom 21. August 2008, Az.: B 13 R 33/07 R, juris, Rn. 36), fehlt es am Anordnungsgrund hinsichtlich des hier ausschließlich begehrten persönlichen Budgets für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Insoweit ist der Antragsteller auf die gegenüber dem Eilverfahren vorrangige Selbsthilfe durch Inanspruchnahme einer Sachleistung, ggf. auch in Form des bereits vor einem Jahr angebotenen Außenarbeitsplatzes zu verweisen. Zwar legt der Bevollmächtigte des Antragstellers ausführlich dar, dass dieses Modell mit den Interessen der Fa. N. nicht zu vereinbaren sei, hieraus kann der Antragsteller jedoch einen Anordnungsgrund nicht ableiten. Festzuhalten ist, dass der Antragsteller der Lösung über einen Außenarbeitsplatz nicht näher treten wollte. Die erneute Durchführung dieser oder einer ähnlichen Maßnahme wird im vorliegenden Verfahren, das alleine auf die Gewährung eines bestimmten persönlichen Budgets gerichtet ist, nicht begehrt. Aber auch wenn im Rahmen einer Folgenabwägung ein - unterstellter - Sachleistungsanspruch mit zu berücksichtigen wäre, wären dem Antragsteller keine vorläufigen Leistungen zuzusprechen. Zunächst können auch im Rahmen einer solchen Folgenabwägung die wirtschaftlichen Interessen der Fa. N. keine Berücksichtigung finden. Weiterhin kann der Senat ebenso wie das SG nicht erkennen, dass die nachteiligen Folgen, die dem Antragsteller durch das Abwarten der Hauptsacheentscheidung drohen, schwerwiegender als die mit einer möglicherweise unberechtigten Leistungsgewährung verbundenen Belastungen für den Leistungsträger sind. In der Beschwerdebegründung vom 5. Februar 2010 wird ausgeführt, dass der Antragsteller seit nunmehr vier Jahren an der "streitgegenständlichen Maßnahme" teilnehme. Weder durch eine Vorfinanzierung entstandene Verbindlichkeiten noch die Gefahr des Abbruchs der Maßnahme sind glaubhaft gemacht oder auch nur substantiiert und überprüfbar dargelegt. Schließlich ist auch im Rahmen der Folgenabwägung zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin die Einrichtung eines Außenarbeitsplatzes der H. Werkstätten bei der N. GmbH bereits ab Mai 2009 angeboten hatte, und der Antragsteller hierauf zurückkommen kann bzw. hinsichtlich der begehrten Maßnahme - hilfsweise - einen Sachleistungsanspruch geltend machen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

III.

Aus den oben genannten Gründen war auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, weil die Beschwerde von vorneherein keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.

Diese Beschlüsse sind nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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