L 10 U 5600/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4370/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5600/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.07.2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Atemwegerkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.

Die am 1956 geborene Klägerin nahm im Juli 1999 eine Tätigkeit als Bäckereihilfe auf. Von Oktober 2001 bis Juli 2003 absolvierte sie sodann erfolgreich eine Ausbildung zur Bäckerin und war anschließend in diesem Beruf tätig. Am 08.06.2004 bescheinigte der Dermatologe Dr. P. wegen einer allergischen Kontaktdermatitis Arbeitsunfähigkeit, die mehrmals verlängert wurde. In Folge wurde das Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig zum 01.09.2004 beendet. Seit April 2005 ist die Klägerin im Golfclub G. beschäftigt, wo ihr Reinigungsarbeiten sowie die Organisation und Ausgabe von Getränken übertragen sind.

Im Juli 2004 erstattete die A die Anzeige einer BK; als Diagnose nannte sie eine Allergie. In dem gleichzeitig vorgelegten und von der Klägerin ausgefüllten Vordruck gab diese Hautveränderungen seit Dezember 2002 an, derentwegen sie seit Juni 2004 in ärztlicher Behandlung stehe. Die Hautveränderungen führte sie auf berufliche Belastungen durch Mehlstaub, Hefe, Dampf, Milben, Roggenmehl und Weizenmehl zurück. Im September 2004 zeigte auch Dr. H. , Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde/Allergologie, den Verdacht auf eine BK an, wobei er ein Bäckerasthma in Betracht zog. Er verwies auf seinen beigefügten Arztbrief, in dem er als Diagnosen eine schwere bronchiale Hyperreagibilität (nachgewiesen im Carbacholtest) sowie eine Allergie gegen Weizen-, Roggen- und Hafermehl sowie Bäckerhefe aufführte. Auf eine Allergiediagnostik habe er im Hinblick auf die von Dr. P. gegen diese Stoffe festgestellte Allergie verzichtet. Im Oktober 2004 zeigte auch die Inhaberin der Bäckerei, in der die Klägerin zuletzt als Bäckerin beschäftigt war, S M , den Verdacht einer BK an, wobei sie ausführte, die Klägerin leide nach ihren Angaben unter Atemnot sowie Schmerzen in den Gelenken und vermute als Auslöser Mehlstaub und Gummihandschuhe. Die Beklagte holte die Auskunft des Dr. P. ein, der von Hautveränderungen am linken Unterarm berichtete, die er nicht als typisch berufsbedingte Erkrankung einordne, sondern eher als kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem mit Verschlechterung durch Hitze in der Backstube. Es bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und geschilderten Gelenksbeschwerden im Handgelenk und Daumenbereich. Da zudem erhöhte RAST-Werte u.a. auf Weizenmehl und Bäckerhefe nachgewiesen worden seien, glaube er, dass bei der Klägerin eine berufsbedingte, letztlich allergische Erkrankung vorliege, die jedoch nicht unmittelbar sein Fachgebiet betreffe. Wegen eines Asthma, das ebenfalls in der Backstube vermehrt auftrete, habe er die Klägerin zum Lungenfacharzt überwiesen. Auf die Anfrage der Beklagten gab die Klägerin zu ihren Erkrankungen an, an einem Asthma bronchiale sowie an einer Allergie (Nahrungsmittel) zu leiden; Beschwerden (Augenbrennen, Niesen, gelegentlich Atemnot, Husten, Hustenattacken) träten während der Arbeit in der Backstube und im Verkaufsraum der Bäckerei auf. Die Beklagte zog von der A das Vorerkrankungsverzeichnis bei und veranlasste das pneumologische Gutachten des Dr. Ri. aufgrund Untersuchung der Klägerin am 22.12.2004. Dieser konnte keine Atopie und keine spezifische IgE-vermittelte Sensibilisierung auf berufliche Allergene nachweisen und diagnostizierte eine ausgeprägte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität, wobei dadurch eventuell auftretende asthmatische Beschwerden seines Erachtens als sog. intrinsisches, also nichtallergisches Asthma bronchiale angesehen werden müssten, weil eine allergische Disposition nicht nachweisbar sei. Demnach müsse die Erkrankung als beruflich unabhängig angesehen werden. Nachdem der Staatliche Gewerbearzt Dr. Ho. die Anerkennung einer BK nach Nr. 4301 nicht zur Anerkennung vorschlug, weil die haftungsausfüllende Kausalität nicht wahrscheinlich gemacht werden könne, lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als BK mit Bescheid vom 12.07.2005 ab. Der Widerspruch der Klägerin, den sie damit begründete, dass sie allergisch auf Mehl- und Getreidestaub reagiere und es sich um das typische Bäckerasthma handele, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005).

Am 18.10.2005 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, sie leide seit Juni 2004 unter Hautveränderungen und Hautreizungen; hiernach seien verstärkte Atemprobleme aufgetreten, begleitet von Druck auf der Brust und einem ständigen Hustenreiz. Da diese Erscheinungen immer nur dann aufträten, wenn sie mit Mehlstaub in Kontakt komme, sei davon auszugehen, dass sie hierauf allergisch reagiere, weshalb eine BK nach Nr. 4301 vorliege.

Das SG hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser hat ausgeführt, seine BK-Anzeige stütze sich auf die Angaben der Klägerin und die Feststellungen des Dr. P. , der im Rahmen seiner Untersuchungen positive Reaktionen im RAST auf Weizen-, Roggen- und Hafermehl sowie Bäckerhefe gefunden habe. Er habe diese Untersuchungen nicht noch einmal wiederholt, sondern die nachweisbare bronchiale Hyperreagibilität mit den nachweisbaren Sensibilisierungen gegen Berufsallergene zusammengeführt. Im Hinblick auf die Diskrepanz zu den von Dr. Ri. erhobenen Befunden, was erheblich differente Schlussfolgerungen rechtfertige, hat er die Einholung eines allergologischen Gutachtens vorgeschlagen. Das SG hat sodann das internistisch-lungenfachärztliche Gutachten des Dr. Ra., Innere Medizin/Pneumologie, aufgrund Untersuchungen der Klägerin am 13. und 14.06.2006 eingeholt, der eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität diagnostiziert hat und von einem exogen allergischen Asthma bei Typ I-Sensibilisierung gegen Bäckereiallergene ausgegangen ist (anamnestisch). Durch seine Untersuchungen hat er weder eine Hautsensibilisierung noch serologisch spezifische IgE-Antikörper nachweisen können. Der Umstand, dass Dr. P. sowohl 2004 als auch zuletzt im Februar 2006 spezifische Antikörper habe nachweisen können, sei möglicherweise damit zu erklären, dass zum Zeitpunkt der stärksten Beschwerden die auslösende Tätigkeit beendet wurde; bei Allergenkarenz könne es nämlich durchaus zu einer Besserung der entsprechenden allergologischen Testergebnisse kommen. Zudem lasse sich jetzt im bronchialen Reiztest durch Inhalation von Weizenmehl eine eindeutige klinische und messtechnische Reaktion auslösen. Im Ergebnis hat der Sachverständige die Mehlstäube und die Bäckerhefe, denen die Klägerin während ihrer beruflichen Tätigkeit als Bäckerin ausgesetzt war, als Ursache ihrer Atemwegsprobleme angesehen und das Vorliegen der Voraussetzungen der BK Nr. 4301 bejaht.

Gegen diese Einschätzung hat sich die Beklagte unter Vorlage der Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. B. gewandt, der das Vorliegen einer berufsbedingten allergischen Atemwegserkrankung im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse des Dr. Ri. und des Dr. Ra. nicht für hinreichend wahrscheinlich erachtet hat. Der Sachverständige habe seine gegenteilige Auffassung im Wesentlichen auf die anamnestischen Angaben der Klägerin und den serologischen Untersuchungsbefund vom Juni 2004 gestützt und den mit besonderem Beweiswert behafteten arbeitsplatzbezogenen Provokationen mit Roggenmehl (völlig negativ) und mit Weizenmehl (messtechnisch ebenfalls negativ/- Interpretation von klinisch wahrnehmbarer Dispnoe und Husten als positiver Untersuchungsbefund) keine hinreichende Beachtung geschenkt.

Im Rahmen seiner auf Veranlassung des SG hierzu abgegebenen ergänzenden Stellungnahme hat Dr. Ra. ausgeführt, es sei insgesamt schwer abzuschätzen, ob die erforderliche Wahrscheinlichkeit für eine BK in dem geforderten Ausmaß vorhanden sei, da einerseits ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der beruflichen Belastung und entsprechenden Atemwegsbeschwerden bestehe und zum Zeitpunkt der beruflichen Tätigkeit mit den üblichen Testmethoden eine Sensibilisierung gegen Bäckereiallergene nachgewiesen worden sei, andererseits diese Sensibilisierung zum jetzigen Zeitpunkt im Hauttest und serologisch nicht mehr nachweisbar sei, wenn auch ein leichtgradig positiver spezifischer inhalativer Reiztest mit Weizenmehl vorhanden sei.

Mit Urteil vom 24.07.2007 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Atemwegserkrankung der Klägerin als BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen. Es hat sich dabei auf das Gutachten des Dr. Ra. gestützt und ist insbesondere dessen Auffassung gefolgt, dass der Verlauf der allergologischen Befunde damit erklärt werden könne, dass zum Zeitpunkt der stärksten Beschwerden die auslösende Tätigkeit bereits beendet wurde und es bei Allergenkarenz zu einer Besserung der Testergebnisse kommen könne.

Gegen das ihr am 29.10.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.11.2007 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, die diagnostizierte unspezifische bronchiale Hyperreagibilität der Klägerin lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die Einwirkung allergisierender Berufsstoffe zurückführen. Eine entsprechende Sensibilisierung habe sich weder durch die Untersuchung des Dr. Ri. noch durch die Testung bei Dr. Ra. nachweisen lassen. Die Einschätzung des Dr. Ra. sei entgegen der vom SG vertretenen Ansicht nicht plausibel und nachvollziehbar. Bei seinem Erklärungsversuch, wonach das Verschwinden der Hautreaktionen und der Antikörper möglicherweise damit erklärt werden könne, dass zum Zeitpunkt der stärksten Beschwerden die auslösende Tätigkeit beendet wurde und es bei Allergenkarenz zu einer Besserung kommen könne, lasse der Sachverständige unberücksichtigt, dass sich kutane Reaktionen aus allergologischer Sicht nach Aufgabe bzw. Beendigung einer Exposition nicht verlören, sondern weiterhin erfassbar seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 24.07.2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat auf den in der Ärztezeitung vom 26.05.2006 veröffentlichten Artikel "Bäckerasthma auch ohne spezifische Sensibilisierung" hingewiesen, der für die Richtigkeit der Auffassung des Sachverständigen Dr. Ra. spreche.

Der Senat hat Dr. P. schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört, der über das Ergebnis der im Jahr 2004 und 2006 durchgeführten Testungen berichtet und die entsprechenden Laborberichte vorgelegt hat.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig; die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das SG hätte die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 12.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2005 nicht verurteilen dürfen, bei der Klägerin eine BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und diese zu entschädigen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Erkrankung der Klägerin ist keine BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer der den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Erkrankungen als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. BK) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Nach Überzeugung des Senats leidet die Klägerin an einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität, wie dies von dem behandelnden Arzt Dr. H. und dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. Ra. mittels Carbacholtest und von dem im Verwaltungsverfahren von der Beklagten hinzugezogenen Gutachter Dr. Ri. im Methacholintest nachgewiesen wurde. Die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität ist Variante einer normalen Eigenschaft der Bronchialschleimhaut, die eine physiologische Funktion beinhaltet, nämlich die Fähigkeit des Bronchialsystems zur spontanen Verengung seines Innendurchmessers einem vorgeschalteten Überwachungssystem mit Schutzfunktion vergleichbar. Die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität bedeutet eine Übersteigerung der "Normreagibilität". Die Fähigkeit zur Engstellung des Bronchialsystems ist überwiegend nervlich gesteuert und hat Reflexbahnen, die es zu unmittelbarer Engstellung der tieferen Atemwege bei Reizung befähigt. Bei einem Bronchialgesunden dient es einer prompten Abwehr von Schäden jeglicher, d.h. unspezifischer Natur, die Atemwege treffend und die Lungenfunktion bedrohend. Eine Schutzfunktion ist gegeben. Die Inaktivierung dieser Funktion bietet andererseits die gegenregulatorische Weitstellung der Atemwege. Die unspezifische bronchiale Reagibilität ist daher auch normalerweise Teil eines Regelmechanismus, der die muskuläre Wandspannung des Bronchialsystems, den sog. Tonus, in wichtigem Umfang bestimmt. Die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität stellt hiernach eine Übersteigerung der Auslösbarkeit von Abwehr- und Schutzfunktionsmechanismen des Bronchialsystems dar und kann so die vitalen Funktionen der Lunge durch "Überreaktion" beeinträchtigen und gefährden. Insoweit ist diese Eigenschaft des Bronchialsystems eine Normabweichung ihres Regelmechanismus, der zu Störungen des Bronchialtonus mit seinen funktionellen Folgen für die Atmung disponiert. Die Entwicklung dieser Störung kann auf unterschiedliche Faktoren zurückgehen, welche ihre Manifestation ermöglichen. Grundlage ist die genetische Disposition. Sie verwirklicht sich spontan bei 15-20% der Normalbevölkerung. Symptomatischen Ausdruck findet sie in erhöhter Bereitschaft zu unspezifischen - weil nicht gegen einen bestimmten Einfluss gerichteten - bronchialen Reizerscheinungen, wie trockenen Husten und Beklemmungsempfindungen, namentlich bei Einatmung von Luftschadstoffen und nach Atemwegsbesiedelung mit vermehrungsfähigen Krankheitserregern und verursachten Entzündungsreaktionen der Schleimhaut (Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2009, S. 1061f; Mehrtens, Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 4301 Rdnr. 5).

Daneben besteht - so der gerichtliche Sachverständige - eine obstruktive Ventilationsstörung. Damit ist das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im Sinne der BK Nr. 4301 zu bejahen.

Demgegenüber ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass diese Erkrankung bei der Klägerin im Sinne der in Rede stehenden BK auch durch allergisierende Berufsstoffe verursacht ist. Zwar sprechen die anamnestischen Angaben der Klägerin, wonach es erst während ihrer beruflichen Tätigkeit in der Backstube bei inhalativem Kontakt zu Mehlstäuben zu einem Druckgefühl im Brustkorb und zu Husten und Atembeschwerden gekommen sei, für einen ursächlichen Zusammenhang, jedoch haben weder der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten hinzugezogene Gutachter Dr. Ri. noch der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. Ra. anlässlich ihrer jeweiligen Untersuchungen eine spezifische Sensibilisierung gegen Berufsstoffe der Klägerin nachweisen können. So ließ sich anhand der jeweils durchgeführten Untersuchungen weder im Hauttest eine Sensibilisierung gegen Bäckerallergene objekivieren noch waren serologisch spezifische IgE-Antikörper nachzuweisen. Da eine allergische Disposition auf berufliche Allergene damit nicht nachweisbar ist, ist auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass allergisierende berufliche Stoffe ursächlich für das Entstehen der Atemwegserkrankung der Klägerin sind.

Soweit der Sachverständige Dr. Ra. gleichwohl die Anerkennung einer BK Nr. 4301, also eine durch allergisierende Stoffe verursachte Atemwegserkrankung, vorgeschlagen hat, überzeugt dies den Senat nicht. Denn auch für ihn haben die dargelegten Gesichtspunkte gegen das Vorliegen einer durch allergisierende Stoffe verursachten Erkrankung gesprochen. Maßgeblich für seine dann gleichwohl vertretene gegenteilige Auffassung ist im Wesentlichen der Umstand, dass durch die von Dr. P. im Juni 2004 veranlasste Untersuchung Sensibilisierungen gegen Weizen-, Roggen- und Hafermehl sowie Bäckerhefe beschrieben wurden. Diesem in späteren Untersuchungen jedoch nicht reproduzierbaren Antikörpertiter kann jedoch nur ein eingeschränkter Beweiswert beigemessen werden. Zwar hat der Sachverständige Dr. Ra. eine Erklärungsmöglichkeit für die Widersprüchlichkeit in den Untersuchungsergebnissen, d.h. das Verschwinden der Hautreaktionen und der Antikörper, darin gesehen, dass zum Zeitpunkt der stärksten Beschwerden die auslösende Tätigkeit beendet wurde, weil es bei Allergenkarenz durchaus zu einer Besserung der entsprechenden allergologischen Testergebnisse kommen könne, jedoch reicht dieser Erklärungsversuch, den der Sachverständige selbst lediglich als Möglichkeit für eine Erklärung gesehen hat, nicht aus, die sich aus den negativen Untersuchungsergebnissen des Dr. Ra. und des Dr. Ri. ergebenden Zweifel an der allergischen Ursache der Atemwegserkrankung der Klägerin auszuräumen. Auch der Sachverständige selbst hat die Widersprüchlichkeit der Untersuchungsergebnisse im Rahmen seines Gutachtens als "erhebliche Problematik" bei der Einschätzung des Falles beurteilt und dies auch im Rahmen seiner ergänzenden Stellungnahme bekräftigt, indem er dargelegt hat, dass es schwer abschätzbar sei, ob die im Unfallversicherungsrecht erforderliche Wahrscheinlichkeit bejaht werden könne. In Bezug auf die Widersprüchlichkeit der Untersuchungsergebnisse ist nach Auffassung des Senats gerade auch der Einwand des Beratungsarztes der Beklagten Dr. B. nicht von der Hand zu weisen, der einem nicht reproduzierbaren Antikörpernachweis gerade auch deshalb einen nur fraglichen Beweiswert beimessen will, weil die Befunde von Labor zu Labor und von Untersuchungstag zu Untersuchungstag in Abhängigkeit vom Referenzsystem und der akribischen Verarbeitung des Analysematerials ohnehin eine gewisse Schwankungsbreite aufweisen und eine externe Qualitätskontrolle der Labortätigkeit nicht generell praktiziert werde. Der Senat erachtet es daher auch für möglich, die Widersprüchlichkeit der Untersuchungsergebnisse mit einer Fehlerhaftigkeit der der Dr. P. übermittelten RAST-Werte zu erklären, zumal die von Dr. P. dem Senat mit seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge vorgelegten Testergebnisse nicht einmal das die Auswertung durchführende Labor ausweisen und damit offen ist, ob diese durch ein zertifiziertes Labor erfolgt ist. Zweifel an der Richtigkeit des mitgeteilten RAST-Befundes ergeben sich aber auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass sich nach Mitteilung des Dr. P. in dem sehr sensiblen Intrakutantest - der gleichermaßen im Juli 2004 durchgeführt wurde - gerade keine Hautreaktionen auf die in Rede stehenden Berufsstoffe zeigten und ein erneuter von Dr. P. veranlasster serologischer Test im Februar 2006 wiederum für Roggen einen schwach positiven Befund gezeigt hat, obwohl die zuvor im Dezember 2004 und dann lediglich vier Monate später im Juni 2006 erfolgte Untersuchung jeweils negative Befunde erbracht haben. Der angesprochene positive Befund vom Februar 2006 spricht im Übrigen auch gegen die Richtigkeit des Erklärungsversuchs des Sachverständigen Dr. Ra. , der die negativen Befunde mit einer Allergenkarenz zum Zeitpunkt der stärksten Beschwerden erklärt hat, jedoch nicht zu erklären vermag, weshalb trotz Allergenkarenz und bereits eingetretener Besserung der Testergebnisse hin zu einem negativen Befund, in diesem wiederum einer Verschlechterung eintritt und dann erneut eine Besserung. Gerade für Roggenmehl hat Dr. Ra. aber auch mit seinem allergenspezifischen bronchialen Provokationstest gerade keine signifikanten Auffälligkeiten festgestellt, während er für die Weizenmehlprovokation eine positiven Befund - wenn auch nur leichtgradig - erhoben hat.

Da es angesichts der widersprüchlichen Befundsituation somit an dem Nachweis einer Sensibilisierung der Klägerin gegen berufliche Stoffe fehlt, ist nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen, dass die Atemwegserkrankung der Klägerin durch allergisierende berufsbedingte Stoffe verursacht wurde. Mithin ist kein Raum für die Feststellung einer BK nach Nr. 4301. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein Bäckerasthma nach Auffassung des Prof. Dr. M. , wie in dem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Artikel ausgeführt, auch ohne spezifische Sensibilisierung vorliegen kann. Denn Prof. Dr. M. beschreibt insoweit lediglich eine Möglichkeit der Verursachung, was im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung für eine Entschädigung als BK nicht ausreichend ist, da hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität - wie oben dargelegt - eine entsprechende Wahrscheinlichkeit gefordert wird.

Das angefochtene Urteil ist nach alledem aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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