Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 3022/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 5754/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 6. November 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für eine beidseitige Mammareduktionsplastik.
Die 1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.
Sie beantragte am 26. Oktober 2005 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine operative Brustverkleinerung beidseits unter Vorlage eines Befundberichts des Orthopäden Dr. St. vom 29.11.2004, der die Mammareduktionsplastik zur Reduzierung der Überlastungsschmerzen im WS-Bereich als indiziert ansah, und des Chefarztes der Frauenklinik im Krankenhaus F. Dr. M. Sch.-T. vom 20.10.2005, der die Diagnose Makromastie beidseits Mastoptose III Grades nach Regnault mit konsekutivem HWS-BWS-Syndrom mitteilte.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den MDK. Dr. B. kam nach Untersuchung der Klägerin am 18.11.2005 zu dem Ergebnis, dass eine Hypertrophie der Mamma beidseits ohne Krankheitswert sowie ein HWS- und BWS-Syndrom vorliege. Eine Operation sei aus medizinischer Sicht nicht erforderlich. Aufgrund der hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin holte die Beklagte vom MDK eine zusätzliche sozialmedizinische Stellungnahme ein. In dieser teilte Dr. Schi. unter dem 17.2.2006 mit, es bestehe eine mäßige Mammahypertrophie, somit eine Normvariante der Natur und kein regelwidriger Körperzustand; eine operative Behandlung sei nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 15.3.2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die beabsichtigte Operation ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.4.2006 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass neben den rein körperlichen Beschwerden, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule, die Größe ihrer Brüste bei ihr auch Beschwerden psychischer Natur verursache sowie das Verhältnis zu ihrem Partner belaste. Die Beklagte forderte daraufhin vom MDK eine weitere Stellungnahme an, in der Dr. Schi. unter dem 2.5.2006 mitteilte, dass auch unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung eine Befürwortung der Kostenübernahme für die gewünschte brustverkleinernde Operation nicht in Betracht komme. Aus einer Abfrage zu Heilmittelverordnungen seit dem 1.1.2004 ergab sich, dass die Klägerin in der Zeit vom 22.4.2004 bis 11.5.2004 sechs Wärmeanwendungen und Massagen, in der Zeit vom 13.4.2005 bis zum 24.5.2005 sechs Mal Krankengymnastik und in der Zeit vom 4.11.2005 bis zum 9.12.2005 sechs Mal manuelle Therapie zu Lasten der Beklagten in Anspruch genommen hatte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung liege nach den schlüssigen sozialmedizinischen Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 18.11.2005 an den Brüsten der Klägerin nicht vor. Aber auch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Brustgewicht und den geklagten Rückenbeschwerden habe der Gutachter nicht feststellen können. Stattdessen habe er als Hauptursache für jene Beschwerden auf den Beckenschiefstand sowie die Fehlhaltungen verwiesen. Soweit die Klägerin vortrage, dass sie durch die Größe ihrer Brüste psychisch sehr belastet sei und sich deshalb sogar Sorgen um den Bestand ihrer Ehe mache, könne dies auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. In seiner ständigen Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht festgestellt, dass bei Vorliegen einer psychischen Störung ausschließlich eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie in Betracht komme. Die Leistungspflicht der Krankenkasse umfasse dann nur diese Maßnahme, nicht jedoch die Kostenübernahme für einen operativen Eingriff in einen regelgerechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern. Etwas anderes ergebe sich nicht aufgrund der vorgetragenen Rückenbeschwerden. Wie das BSG in seinem vorgenannten Urteil vom 19.10.2004 ausgeführt habe, seien brustverkleinernde Operationen nur ganz ausnahmsweise und nur als Ultima ratio zur Linderung oder Heilung von Rückenbeschwerden zulässig. Hierfür sei es erforderlich, dass ein völlig unzweifelhafter Ursachenzusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und dem Brustgewicht nachgewiesen sei. Dies sei hier gerade nicht gegeben. Der MDK habe in seinen Gutachten vom 18.11.2005 und 17.02.2006 nachvollziehbar dargelegt, dass die Rückenbeschwerden ihre Hauptursache in dem Beckenschiefstand sowie in den durch Fehlhaltungen bedingten Verspannungen der Schulter-Rückenmuskulatur hätten. Dies werde auch durch die Widerspruchsbegründung bestätigt. Dort führe die Klägerin aus, dass sie rückenentlastende therapeutische Maßnahmen durchgeführt habe, welche auch einen - wenn auch nur vorübergehenden - Erfolg gezeitigt hätten. Damit ist jedoch nachgewiesen, dass entsprechende Maßnahmen wirksam zur Anwendung kommen könnten. Hierfür sei aber erforderlich, dass die Klägerin diese Maßnahmen auch mit der gebotenen Konsequenz durchführe und nicht mit dem Argument, hierfür keine Zeit zu haben, vorzeitig abbreche.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 17.8.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, es hätten im Laufe der Jahre zwar zahllose therapeutische Maßnahmen stattgefunden, um den Rücken zu kräftigen und so brustgewichtsbedingte Haltungsschäden auszugleichen, jedoch mit nur sehr mäßigem Erfolg; sie betreibe auch Sport, soweit dies im Hinblick auf das Brustgewicht möglich sei. Dass es aufgrund des Verhaltens Dritter ("männliche Gaffer") letztlich zu psychischen Beschwerden und insbesondere Problemen bei der Akzeptanz des eigenen Körpers komme, verwundere nicht. Einschlägige Untersuchungen bestätigten nicht nur den Zusammenhang zwischen Brustgewicht und Problemen im Wirbelsäulenbereich bereits bei mäßig übergroßer Brust, sondern auch den Zusammenhang zwischen psychischen Problemen der betroffenen Frauen in Abhängigkeit von der Brustgröße. Sie sei auch nicht stark übergewichtig (85 kg bei 180 cm Größe) und die Brüste hätten sich als "abnahmeresistent" gezeigt. Das Gewicht und die Größe der Brust hätten bei ihr zu Schädigungen an der Wirbelsäule und der Haut sowie an der Psyche geführt; eine Verkleinerung sei daher dringend indiziert.
Das SG hat die behandelnden Ärzte Frauenarzt Dr. Z. und Dr. Sch.-T. sowie den behandelnden Orthopäden Dr. St. als sachverständige Zeugen befragt und von Dr. H., Ärztlicher Leiter der Klinik für Orthopädie des Universitätsklinikums Fr. ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 10.8.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass angesichts der gynäkologischerseits dokumentierten Makromastie davon auszugehen sei, dass die überentwickelten Brüste die Beschwerdesymptomatik im Bereich des Bewegungsapparats, wo sich objektive Schädigungen sowohl im Bereich der HWS wie auch der LWS bei der Klägerin gefunden hätten, akzentuierten und verstärkten.
Ausweislich des OP-Berichts und Entlassungsbriefs von Dr. Sch.-T. vom 14.3.2008 wurde die beidseitige Mamma-Reduktion im Rahmen einer dortigen stationären Behandlung vom 11.3. bis 18.3.2008 durchgeführt und dabei rechtsseitig 751 Gramm und linksseitig 570 Gramm Brustdrüsengewebe entfernt. Dafür wurden der Klägerin mit Rechnungen vom 19.3.2008 und 20.3.2008 Kosten in Höhe von 3657,90 (vgl. Bl. 34-36 SG-Akte ) in Rechnung gestellt.
Das SG hat die nun auf Kostenerstattung gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 6.11.2008 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setze nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V eine behandlungsbedürftige und –fähige "Krankheit" voraus. Nach Überzeugung des Gerichts sei die bei der Klägerin festgestellte Mammahypertrophie bds. mit Ptose nicht als behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen. Wie in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits wiederholt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2002 -LK 4 KR 4692/01 -, vom 5.4.2006 -L 4 KR 5466/04 -; vom 23.1.2004 - L 4 KR 1609/02 - und vom 20.4.2004 - L 11 KR 1886/03 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.6.2003 - L 5 KR 93/02 -; LSG München, Urteil vom 19.01.2006 - L 4 KR 235/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen (NRW), Urteil vom 14.7.2005 - L 16 KR 164/03 -; LSG Sachsen, Urteil vom 3.2.1999 - L 1 KR 31/98 -; ebenso zuletzt BSG mit Urteilen vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, 23/03 R und 9/04 R -) festgestellt worden sei, gebe es bei der weiblichen Brust von Natur aus völlig unterschiedliche Entwicklungsumfänge und Formen; ein sehr kleiner Brustumfang entspricht dabei ebenso wie ein sehr großer Brustumfang dem Leitbild einer gesunden Frau. Insoweit verbiete es sich, für die weibliche Brustgröße einen Normbereich festzulegen und davon abweichende Erscheinungsbilder als krankhaft zu bewerten. Nach den in den vorliegenden Befundberichten und im MDK-Gutachten beschriebenen Befunden handele es sich vorliegend um eine annähernd seitengleich und mäßig ausgeprägte Mamma-Hypertrophie mit einem geschätzten Brustgewicht von rechts wie links ca. 1.100 bis 1.200 Gramm mit ausgeprägter Ptose bei ansonsten unauffälligem Befund; hierbei könne bei Anlegung eines objektivierenden Maßstabs mit Sicherheit auch nicht von einer (behandlungsbedürftigen) körperlichen Entstellung ausgegangen werden, zumal bei dieser Beurteilung auch die Relation zum übrigen Körperbau (Körpergewicht von ca. 85 kg bei einer Körpergröße von 1,80 m) zu berücksichtigen sei. Der Sachverständige habe einen "normal proportionierten Körper mit (nur) leichter Übertonung der Brüste" beschrieben. Auch die Klägerin mache eine Entstellung unter den Bedingungen des Alltags in bekleidetem Zustand nicht geltend. Eine Krankheit liege auch nicht aufgrund der gleichzeitig bestehenden Mastoptose vor. Diesbezüglich seien weder in dem MDK-Gutachten noch von den behandelnden Ärzten auffällige Phänomene an der Haut im Übergang von der Brust zur vorderen Thoraxwand bzw. zum oberen Bauch oder gar intertriginäse Hautekzeme beschrieben oder sonst von der Klägerin geltend gemacht worden, dass deswegen etwa hautärztliche Behandlung erforderlich gewesen sei. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Operation ergebe sich auch nicht daraus, dass hierdurch psychische und orthopädische Beschwerden beseitigt bzw. gelindert werden sollten. Zunächst sei die Krankenkasse nicht verpflichtet, die Operation eines für sich genommen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustandes zu bezahlen, um eine psychische Störung zu lindern oder zu beheben (vgl. BSGE 72, 96, 98 ff.; 82, 158, 163 f.; LSG Baden-Württemberg L 4 KR 4680/98 -; ebenso zuletzt BSG mit Urteilen vom 19.10.2004: "Eine psychische Belastung rechtfertigt keinen Eingriff in den gesunden Körper", selbst wenn in mittelbarer Folge positive Auswirkungen auf den Seelenzustand zu erwarten sind). Eine Leistungspflicht für einen operativen Eingriff sei insoweit selbst dann ausgeschlossen, wenn diese etwa wegen einer krankheitsbedingten Ablehnung einer Psychotherapie durch den Versicherten die einzige Möglichkeit darstelle, die (postulierte) psychische Fehlhaltung zu beheben. Schließlich sei die operative Brustverkleinerung auch nicht notwendig gewesen, um die bei der Klägerin diagnostizierten chronisch-degenerativen WS-Beschwerden bei Beckentiefstand links mit links-konvexer Verbiegung der Lendenwirbelsäule und mäßig- bis mittelgradigen degenerativen Veränderungen der LWS und HWS günstig zu beeinflussen und den diesbezüglichen Beschwerden und einer künftigen Verschlimmerung entgegenzuwirken. Denn der postulierte therapeutische Nutzen dieser Operation sei nicht ausreichend gesichert. Wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 28 Abs. 1 SGB V ergebe, könne der Versicherte nur solche Leistungen beanspruchen, die für den angestrebten Behandlungserfolg nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig seien. Dabei setze die Zweckmäßigkeit einer Behandlung voraus, dass über ihre Qualität und Wirksamkeit zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten. Es fehle aber bisher an wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken, die eine hinreichende Wirksamkeit einer Mammareduktionsplastik zur Beschwerdeverbesserung bei Rücken-Beschwerden (hier insbesondere HWS-Syndrom) belegen könnten; dies ergebe sich auch aus dem Abschlussbericht der bundesweiten Projektgruppe P 29 a des MDK "Plastische Chirurgie - Operationen der Brust und abdominaler Fettschürzen" vom 8.5.2002. Die einschlägige Literatur (und auch vom Sachverständigen Dr. H. - kritiklos - referierte, vorwiegend im Übrigen auch durchaus ältere) Literatur beschreibe ausnahmslos subjektive Beschwerden der Patientinnen und eine Einschränkung der Lebensqualität, wobei jedoch in keiner einzigen Arbeit der Nachweis einer krankmachenden Auswirkung der Mamma-Hyperplasie auf das Skelett nachgewiesen oder überhaupt beschrieben werde; in der einschlägigen Literatur (überwiegend von operativ tätigen Chirurgen) würden nur Auswirkungen im Rahmen der subjektiven Wahrnehmung beschrieben ohne Nachweis einer manifesten Veränderung an der Wirbelsäule. Eine Besserung der subjektiven Beschwerden könne außer durch eine Minderbelastung der Muskulatur (nach Reduktionsoperation) auch durch die Beseitigung einer psychosomatischen Störung, ausgelöst durch die anhaltende Ablehnung der Mamma-Hyperplasie bei den untersuchten Frauen, bedingt sein. Auch das LSG Baden-Württemberg sei im Urteil vom 18. Oktober 2002 (a.a.O.), gestützt auf das in diesem Verfahren eingeholte umfangreiche fachorthopädische Gutachten des Dr. Weyer-Storz, zu der - auch vorliegend entscheidenden - Feststellung gelangt, dass es bislang keine einzige wissenschaftliche Studie im Sinne der evidenzbasierten Medizin gebe, die einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden belege. Der abweichenden Zusammenhangs-Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. komme nach Auffassung des Gerichts kein besonderer Beweiswert zu. Seine Behauptung, angesichts der röntgenologisch festgestellten degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule seien die diesbezüglich von der Klägerin angegebenen (Überlastungs-)Beschwerden wesentlich auch auf die überschweren Brüste zurückzuführen, sei nicht schlüssig begründet. Hinsichtlich des von ihm postulierten Zusammenhangs zwischen Brustlast und der von der Klägerin geäußerten lumbalen und cervikalen Wirbelsäulenbeschwerden könne bei einem geschätzten Brustgewicht von je ca. 1.100 Gramm und einem geschätzten Reduktions-Gewicht von (nur) je ca. 600 Gramm ohnehin nicht davon ausgegangen werden, dass dies zu einer bedeutsamen Verminderung der "Brustlast" und damit "Entlastung" der Wirbelsäule führen könne. Desweiteren habe sich Dr. H. mit den hier offensichtlich vorrangig in Betracht zu ziehenden alternativen Ursachen der geklagten Beschwerden, nämlich einer Fehlstatik der Wirbelsäule bei Beckentiefstand links mit links-konvexer Verbiegung der LWS bei degenerativen Veränderungen vor allem an der unteren Wirbelsäule, Verschleißerscheinungen im Bereich der HWS und insbesondere LWS und einer offenkundigen muskulären Insuffizienz und einer (der Klägerin auch selbst bewussten) rezidivierenden Fehlhaltung (Hohlrundrückeneinstellung) nicht ausreichend auseinander gesetzt, obwohl damit die Beschwerdesymptomatik der Klägerin bereits durchaus schlüssig zu begründen sei. Zu Recht werde vom MDK darauf hingewiesen, dass hier ein intensives Training ansetzen müsse, um die entsprechenden Muskelpartien im Rückenbereich zu stärken. Dass ein solches effektives Rückentraining in der dem vorliegenden Leistungsantrag vorangegangenen Zeit tatsächlich mit ausreichender Konsequenz stattgefunden habe, ergebe sich weder aus dem Zeugnis und den Berichten behandelnder Ärzte noch aus dem Gerichtsgutachten noch aus den Unterlagen der Beklagten. Auch die in letzter Zeit zur Frage der Kostenübernahme für eine operative Brustverkleinerung bekannt gewordenen weiteren obergerichtlichen Urteile (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 11.6.2008 - L 9 KR 62/06 und L 9 KR 589107 - , Urteile des Bayerischen LSG vom 15.11.2007 - L 4 KR 16/06 - und vorn 31.7.2007 - L 5 KR 191/06 -, Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21.11.2007 - L 5 KR 80/06 - und Urteile des LSG NRW vom 10.5.2007 - L 5 KR 118/04 - und vorn 26.4.2006 - L 11 KR 24/05 -) bestätigten das Gericht in der Überzeugung, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass behandlungsbedürftige Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule ursächlich wesentlich von einer dafür angeschuldigten "Brustlast" hervorgerufen würden und diesbezüglich eine Behandlung nur in Form einer Mammareduktionsplastik möglich sei. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob der strittige Kostenerstattungsanspruch nicht auch bereits daran scheitere, dass bislang eine vertragsärztliche Verordnung bzw. Krankenhauseinweisung bezüglich der strittigen stationären Behandlung der Klägerin im März 2008 ebenso wenig vorliege wie ein Nachweis darüber, dass die Klägerin auch tatsächlich die Kosten der durchgeführten Mammareduktionsplastik getragen habe.
Gegen diesen der Klägerin am 12.11.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.12.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Es sei zwar zutreffend, dass es in Deutschland bislang keine groß angelegte Studie zwischen Rückenschmerzen und übergroßer Brustlast gegeben habe, es bestünden jedoch beachtliche Stimmen in der Ärzteschaft, die diese Zusammenhänge bejahen. Auch der Sachverständige Dr. H. habe diesen Zusammenhang für möglich gehalten, seine Ausführungen habe das SG aber nur in sehr unzureichendem Maße berücksichtigt. Dass es in der Medizin ständig Fortschritte gebe, habe das SG nicht bedacht. Die Reduzierung des Brustgewichts vermindere die Belastung auf den gesamten Stützapparat. Der stattgefundene Eingriff habe ihre erheblichen Probleme im Bereich der Wirbelsäule beseitigt und weitere Behandlungskosten erspart.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 6.11.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 15.3.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die stationäre Behandlung zur Mammareduktion und die damit verbundenen Folgekosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihren Bescheid für rechtmäßig. Der Auffassung des Sachverständigen Dr. H. über einen Zusammenhang zwischen Brustgewicht und Rückenproblemen könne nicht gefolgt werden. Bisher sei noch kein wissenschaftlich anerkannter Nachweis über den Ursachenzusammenhang zwischen Brustgröße/Brustgewicht und Wirbelsäulenbeschwerden erbracht worden. Eine Ausnahmekonstellation liege bei der Klägerin nicht vor.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) zu gewähren bzw. die dafür entstehenden Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
Als Rechtsgrundlage des nach erfolgter Operation als Erstattungsanspruch weiterverfolgten Freistellungsanspruchs kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten für (notwendige) selbst beschaffte Leistungen zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V). Beides ist hier nicht der Fall. Um eine unaufschiebbare Leistung geht es vorliegend nicht. Die Krankenkasse hat auch die Übernahme der Kosten für die brustverkleinernde Operation zu Recht abgelehnt. Ihr Bescheid vom 15.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 ist nicht zu beanstanden.
Sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit als auch der Anspruch auf Versorgung oder Kostenfreistellung für die Zukunft reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BSG vom 6. 11. 2008 - B 1 KR 6 /08 R m.w.N.). Einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit einer chirurgischen Mammareduktion wegen geklagter Rückenprobleme hatte die Klägerin jedoch nicht.
Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Allerdings stellt nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit eine Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. (zu alledem näher: Senatsurteile vom 5.4.2006 – L 5 KR 3888/05 –, vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – und vom 10.12.2008 - L 5 KR 2638/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R – "Mammareduktionsplastik").
Die begehrte Krankenbehandlung muss außerdem notwendig sein. Hierzu bestimmt die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergänzend und präzisierend, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R –; BSGE 85, 86). Im Hinblick darauf sind Operationen am gesunden Körper (wie hier: Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 5.4.2006 – L 5 KR 3888/05 – und vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Brustverkleinerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass die Größe der Brüste der Klägerin vor der Operation weder eine "Krankheit" darstellte noch entstellend wirkte und weder zur Behandlung der angegebenen psychischen Störungen noch zur Behandlung der Rückenbeschwerden gerechtfertigt gewesen sei. Ebenso zutreffend hat es ausgeführt, dass Krankheiten i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Gestalt von Veränderungen des Skelett- und Muskelapparats bei der Klägerin zwar vorliegen, der postulierte therapeutische Nutzen dieser Operation lediglich erhofft, nicht aber ausreichend gesichert war und die hinreichende Wirksamkeit einer Mammareduktionsplastik zur Verminderung von Rückenbeschwerden wissenschaftlich nicht belegt sei, weswegen es nicht festgestellt werden könne, dass die Brustverkleinerungsoperation zur Heilung dieser Krankheiten bzw. zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung von Krankheitsbeschwerden gem. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V notwendig und zweckmäßig sei. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug, sieht von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung zurück.
Hervorzuheben ist lediglich, dass unabhängig von der Frage eines hinreichend sicher feststellbaren therapeutischen Nutzens der Brustverkleinerungsoperation für die Beseitigung oder Linderung orthopädischer Krankheitsbeschwerden im Hinblick auf den Eingriff in ein gesundes Organ mit den damit verbundenen Risiken auch in Bezug auf Folgeerkrankungen die unmittelbar an der behandlungsbedürftigen Krankheit ansetzenden Therapien in der Regel zunächst auszuschöpfen sind. Insoweit genügt es nicht, dass die Klägerin die genehmigten physiotherapeutischen Maßnahmen in Anspruch genommen hat. Insbesondere kann durch Massagen und manuelle Therapie keine Muskulatur aufgebaut und Haltungsfehler korrigiert werden. Dies kann in erster Linie durch Wirbelsäulengymnastik erreicht werden, die jedoch auch nach ihren Angaben im November 2005 Dr. B. gegenüber von der Klägerin nicht konsequent durchgeführt wurde, obwohl entsprechende therapeutische Maßnahmen jeweils zur Besserung der Beschwerdesymptomatik geführt hatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der Kosten für eine beidseitige Mammareduktionsplastik.
Die 1966 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.
Sie beantragte am 26. Oktober 2005 bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine operative Brustverkleinerung beidseits unter Vorlage eines Befundberichts des Orthopäden Dr. St. vom 29.11.2004, der die Mammareduktionsplastik zur Reduzierung der Überlastungsschmerzen im WS-Bereich als indiziert ansah, und des Chefarztes der Frauenklinik im Krankenhaus F. Dr. M. Sch.-T. vom 20.10.2005, der die Diagnose Makromastie beidseits Mastoptose III Grades nach Regnault mit konsekutivem HWS-BWS-Syndrom mitteilte.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den MDK. Dr. B. kam nach Untersuchung der Klägerin am 18.11.2005 zu dem Ergebnis, dass eine Hypertrophie der Mamma beidseits ohne Krankheitswert sowie ein HWS- und BWS-Syndrom vorliege. Eine Operation sei aus medizinischer Sicht nicht erforderlich. Aufgrund der hiergegen vorgebrachten Einwände der Klägerin holte die Beklagte vom MDK eine zusätzliche sozialmedizinische Stellungnahme ein. In dieser teilte Dr. Schi. unter dem 17.2.2006 mit, es bestehe eine mäßige Mammahypertrophie, somit eine Normvariante der Natur und kein regelwidriger Körperzustand; eine operative Behandlung sei nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 15.3.2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die beabsichtigte Operation ab. Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.4.2006 Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass neben den rein körperlichen Beschwerden, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule, die Größe ihrer Brüste bei ihr auch Beschwerden psychischer Natur verursache sowie das Verhältnis zu ihrem Partner belaste. Die Beklagte forderte daraufhin vom MDK eine weitere Stellungnahme an, in der Dr. Schi. unter dem 2.5.2006 mitteilte, dass auch unter Berücksichtigung der Widerspruchsbegründung eine Befürwortung der Kostenübernahme für die gewünschte brustverkleinernde Operation nicht in Betracht komme. Aus einer Abfrage zu Heilmittelverordnungen seit dem 1.1.2004 ergab sich, dass die Klägerin in der Zeit vom 22.4.2004 bis 11.5.2004 sechs Wärmeanwendungen und Massagen, in der Zeit vom 13.4.2005 bis zum 24.5.2005 sechs Mal Krankengymnastik und in der Zeit vom 4.11.2005 bis zum 9.12.2005 sechs Mal manuelle Therapie zu Lasten der Beklagten in Anspruch genommen hatte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung liege nach den schlüssigen sozialmedizinischen Feststellungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 18.11.2005 an den Brüsten der Klägerin nicht vor. Aber auch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Brustgewicht und den geklagten Rückenbeschwerden habe der Gutachter nicht feststellen können. Stattdessen habe er als Hauptursache für jene Beschwerden auf den Beckenschiefstand sowie die Fehlhaltungen verwiesen. Soweit die Klägerin vortrage, dass sie durch die Größe ihrer Brüste psychisch sehr belastet sei und sich deshalb sogar Sorgen um den Bestand ihrer Ehe mache, könne dies auf die Entscheidung keinen Einfluss haben. In seiner ständigen Rechtsprechung habe das Bundessozialgericht festgestellt, dass bei Vorliegen einer psychischen Störung ausschließlich eine Behandlung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie in Betracht komme. Die Leistungspflicht der Krankenkasse umfasse dann nur diese Maßnahme, nicht jedoch die Kostenübernahme für einen operativen Eingriff in einen regelgerechten Körperzustand, um auf diesem Wege eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern. Etwas anderes ergebe sich nicht aufgrund der vorgetragenen Rückenbeschwerden. Wie das BSG in seinem vorgenannten Urteil vom 19.10.2004 ausgeführt habe, seien brustverkleinernde Operationen nur ganz ausnahmsweise und nur als Ultima ratio zur Linderung oder Heilung von Rückenbeschwerden zulässig. Hierfür sei es erforderlich, dass ein völlig unzweifelhafter Ursachenzusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und dem Brustgewicht nachgewiesen sei. Dies sei hier gerade nicht gegeben. Der MDK habe in seinen Gutachten vom 18.11.2005 und 17.02.2006 nachvollziehbar dargelegt, dass die Rückenbeschwerden ihre Hauptursache in dem Beckenschiefstand sowie in den durch Fehlhaltungen bedingten Verspannungen der Schulter-Rückenmuskulatur hätten. Dies werde auch durch die Widerspruchsbegründung bestätigt. Dort führe die Klägerin aus, dass sie rückenentlastende therapeutische Maßnahmen durchgeführt habe, welche auch einen - wenn auch nur vorübergehenden - Erfolg gezeitigt hätten. Damit ist jedoch nachgewiesen, dass entsprechende Maßnahmen wirksam zur Anwendung kommen könnten. Hierfür sei aber erforderlich, dass die Klägerin diese Maßnahmen auch mit der gebotenen Konsequenz durchführe und nicht mit dem Argument, hierfür keine Zeit zu haben, vorzeitig abbreche.
Die Klägerin hat ihr Begehren weiterverfolgt, am 17.8.2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, es hätten im Laufe der Jahre zwar zahllose therapeutische Maßnahmen stattgefunden, um den Rücken zu kräftigen und so brustgewichtsbedingte Haltungsschäden auszugleichen, jedoch mit nur sehr mäßigem Erfolg; sie betreibe auch Sport, soweit dies im Hinblick auf das Brustgewicht möglich sei. Dass es aufgrund des Verhaltens Dritter ("männliche Gaffer") letztlich zu psychischen Beschwerden und insbesondere Problemen bei der Akzeptanz des eigenen Körpers komme, verwundere nicht. Einschlägige Untersuchungen bestätigten nicht nur den Zusammenhang zwischen Brustgewicht und Problemen im Wirbelsäulenbereich bereits bei mäßig übergroßer Brust, sondern auch den Zusammenhang zwischen psychischen Problemen der betroffenen Frauen in Abhängigkeit von der Brustgröße. Sie sei auch nicht stark übergewichtig (85 kg bei 180 cm Größe) und die Brüste hätten sich als "abnahmeresistent" gezeigt. Das Gewicht und die Größe der Brust hätten bei ihr zu Schädigungen an der Wirbelsäule und der Haut sowie an der Psyche geführt; eine Verkleinerung sei daher dringend indiziert.
Das SG hat die behandelnden Ärzte Frauenarzt Dr. Z. und Dr. Sch.-T. sowie den behandelnden Orthopäden Dr. St. als sachverständige Zeugen befragt und von Dr. H., Ärztlicher Leiter der Klinik für Orthopädie des Universitätsklinikums Fr. ein Sachverständigengutachten eingeholt. Dieser ist in seinem Gutachten vom 10.8.2007 zu dem Ergebnis gekommen, dass angesichts der gynäkologischerseits dokumentierten Makromastie davon auszugehen sei, dass die überentwickelten Brüste die Beschwerdesymptomatik im Bereich des Bewegungsapparats, wo sich objektive Schädigungen sowohl im Bereich der HWS wie auch der LWS bei der Klägerin gefunden hätten, akzentuierten und verstärkten.
Ausweislich des OP-Berichts und Entlassungsbriefs von Dr. Sch.-T. vom 14.3.2008 wurde die beidseitige Mamma-Reduktion im Rahmen einer dortigen stationären Behandlung vom 11.3. bis 18.3.2008 durchgeführt und dabei rechtsseitig 751 Gramm und linksseitig 570 Gramm Brustdrüsengewebe entfernt. Dafür wurden der Klägerin mit Rechnungen vom 19.3.2008 und 20.3.2008 Kosten in Höhe von 3657,90 (vgl. Bl. 34-36 SG-Akte ) in Rechnung gestellt.
Das SG hat die nun auf Kostenerstattung gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 6.11.2008 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung setze nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V eine behandlungsbedürftige und –fähige "Krankheit" voraus. Nach Überzeugung des Gerichts sei die bei der Klägerin festgestellte Mammahypertrophie bds. mit Ptose nicht als behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung anzusehen. Wie in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits wiederholt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2002 -LK 4 KR 4692/01 -, vom 5.4.2006 -L 4 KR 5466/04 -; vom 23.1.2004 - L 4 KR 1609/02 - und vom 20.4.2004 - L 11 KR 1886/03 -; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 5.6.2003 - L 5 KR 93/02 -; LSG München, Urteil vom 19.01.2006 - L 4 KR 235/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen (NRW), Urteil vom 14.7.2005 - L 16 KR 164/03 -; LSG Sachsen, Urteil vom 3.2.1999 - L 1 KR 31/98 -; ebenso zuletzt BSG mit Urteilen vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, 23/03 R und 9/04 R -) festgestellt worden sei, gebe es bei der weiblichen Brust von Natur aus völlig unterschiedliche Entwicklungsumfänge und Formen; ein sehr kleiner Brustumfang entspricht dabei ebenso wie ein sehr großer Brustumfang dem Leitbild einer gesunden Frau. Insoweit verbiete es sich, für die weibliche Brustgröße einen Normbereich festzulegen und davon abweichende Erscheinungsbilder als krankhaft zu bewerten. Nach den in den vorliegenden Befundberichten und im MDK-Gutachten beschriebenen Befunden handele es sich vorliegend um eine annähernd seitengleich und mäßig ausgeprägte Mamma-Hypertrophie mit einem geschätzten Brustgewicht von rechts wie links ca. 1.100 bis 1.200 Gramm mit ausgeprägter Ptose bei ansonsten unauffälligem Befund; hierbei könne bei Anlegung eines objektivierenden Maßstabs mit Sicherheit auch nicht von einer (behandlungsbedürftigen) körperlichen Entstellung ausgegangen werden, zumal bei dieser Beurteilung auch die Relation zum übrigen Körperbau (Körpergewicht von ca. 85 kg bei einer Körpergröße von 1,80 m) zu berücksichtigen sei. Der Sachverständige habe einen "normal proportionierten Körper mit (nur) leichter Übertonung der Brüste" beschrieben. Auch die Klägerin mache eine Entstellung unter den Bedingungen des Alltags in bekleidetem Zustand nicht geltend. Eine Krankheit liege auch nicht aufgrund der gleichzeitig bestehenden Mastoptose vor. Diesbezüglich seien weder in dem MDK-Gutachten noch von den behandelnden Ärzten auffällige Phänomene an der Haut im Übergang von der Brust zur vorderen Thoraxwand bzw. zum oberen Bauch oder gar intertriginäse Hautekzeme beschrieben oder sonst von der Klägerin geltend gemacht worden, dass deswegen etwa hautärztliche Behandlung erforderlich gewesen sei. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Operation ergebe sich auch nicht daraus, dass hierdurch psychische und orthopädische Beschwerden beseitigt bzw. gelindert werden sollten. Zunächst sei die Krankenkasse nicht verpflichtet, die Operation eines für sich genommen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustandes zu bezahlen, um eine psychische Störung zu lindern oder zu beheben (vgl. BSGE 72, 96, 98 ff.; 82, 158, 163 f.; LSG Baden-Württemberg L 4 KR 4680/98 -; ebenso zuletzt BSG mit Urteilen vom 19.10.2004: "Eine psychische Belastung rechtfertigt keinen Eingriff in den gesunden Körper", selbst wenn in mittelbarer Folge positive Auswirkungen auf den Seelenzustand zu erwarten sind). Eine Leistungspflicht für einen operativen Eingriff sei insoweit selbst dann ausgeschlossen, wenn diese etwa wegen einer krankheitsbedingten Ablehnung einer Psychotherapie durch den Versicherten die einzige Möglichkeit darstelle, die (postulierte) psychische Fehlhaltung zu beheben. Schließlich sei die operative Brustverkleinerung auch nicht notwendig gewesen, um die bei der Klägerin diagnostizierten chronisch-degenerativen WS-Beschwerden bei Beckentiefstand links mit links-konvexer Verbiegung der Lendenwirbelsäule und mäßig- bis mittelgradigen degenerativen Veränderungen der LWS und HWS günstig zu beeinflussen und den diesbezüglichen Beschwerden und einer künftigen Verschlimmerung entgegenzuwirken. Denn der postulierte therapeutische Nutzen dieser Operation sei nicht ausreichend gesichert. Wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 28 Abs. 1 SGB V ergebe, könne der Versicherte nur solche Leistungen beanspruchen, die für den angestrebten Behandlungserfolg nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig seien. Dabei setze die Zweckmäßigkeit einer Behandlung voraus, dass über ihre Qualität und Wirksamkeit zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten. Es fehle aber bisher an wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken, die eine hinreichende Wirksamkeit einer Mammareduktionsplastik zur Beschwerdeverbesserung bei Rücken-Beschwerden (hier insbesondere HWS-Syndrom) belegen könnten; dies ergebe sich auch aus dem Abschlussbericht der bundesweiten Projektgruppe P 29 a des MDK "Plastische Chirurgie - Operationen der Brust und abdominaler Fettschürzen" vom 8.5.2002. Die einschlägige Literatur (und auch vom Sachverständigen Dr. H. - kritiklos - referierte, vorwiegend im Übrigen auch durchaus ältere) Literatur beschreibe ausnahmslos subjektive Beschwerden der Patientinnen und eine Einschränkung der Lebensqualität, wobei jedoch in keiner einzigen Arbeit der Nachweis einer krankmachenden Auswirkung der Mamma-Hyperplasie auf das Skelett nachgewiesen oder überhaupt beschrieben werde; in der einschlägigen Literatur (überwiegend von operativ tätigen Chirurgen) würden nur Auswirkungen im Rahmen der subjektiven Wahrnehmung beschrieben ohne Nachweis einer manifesten Veränderung an der Wirbelsäule. Eine Besserung der subjektiven Beschwerden könne außer durch eine Minderbelastung der Muskulatur (nach Reduktionsoperation) auch durch die Beseitigung einer psychosomatischen Störung, ausgelöst durch die anhaltende Ablehnung der Mamma-Hyperplasie bei den untersuchten Frauen, bedingt sein. Auch das LSG Baden-Württemberg sei im Urteil vom 18. Oktober 2002 (a.a.O.), gestützt auf das in diesem Verfahren eingeholte umfangreiche fachorthopädische Gutachten des Dr. Weyer-Storz, zu der - auch vorliegend entscheidenden - Feststellung gelangt, dass es bislang keine einzige wissenschaftliche Studie im Sinne der evidenzbasierten Medizin gebe, die einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden belege. Der abweichenden Zusammenhangs-Beurteilung des Sachverständigen Dr. H. komme nach Auffassung des Gerichts kein besonderer Beweiswert zu. Seine Behauptung, angesichts der röntgenologisch festgestellten degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule seien die diesbezüglich von der Klägerin angegebenen (Überlastungs-)Beschwerden wesentlich auch auf die überschweren Brüste zurückzuführen, sei nicht schlüssig begründet. Hinsichtlich des von ihm postulierten Zusammenhangs zwischen Brustlast und der von der Klägerin geäußerten lumbalen und cervikalen Wirbelsäulenbeschwerden könne bei einem geschätzten Brustgewicht von je ca. 1.100 Gramm und einem geschätzten Reduktions-Gewicht von (nur) je ca. 600 Gramm ohnehin nicht davon ausgegangen werden, dass dies zu einer bedeutsamen Verminderung der "Brustlast" und damit "Entlastung" der Wirbelsäule führen könne. Desweiteren habe sich Dr. H. mit den hier offensichtlich vorrangig in Betracht zu ziehenden alternativen Ursachen der geklagten Beschwerden, nämlich einer Fehlstatik der Wirbelsäule bei Beckentiefstand links mit links-konvexer Verbiegung der LWS bei degenerativen Veränderungen vor allem an der unteren Wirbelsäule, Verschleißerscheinungen im Bereich der HWS und insbesondere LWS und einer offenkundigen muskulären Insuffizienz und einer (der Klägerin auch selbst bewussten) rezidivierenden Fehlhaltung (Hohlrundrückeneinstellung) nicht ausreichend auseinander gesetzt, obwohl damit die Beschwerdesymptomatik der Klägerin bereits durchaus schlüssig zu begründen sei. Zu Recht werde vom MDK darauf hingewiesen, dass hier ein intensives Training ansetzen müsse, um die entsprechenden Muskelpartien im Rückenbereich zu stärken. Dass ein solches effektives Rückentraining in der dem vorliegenden Leistungsantrag vorangegangenen Zeit tatsächlich mit ausreichender Konsequenz stattgefunden habe, ergebe sich weder aus dem Zeugnis und den Berichten behandelnder Ärzte noch aus dem Gerichtsgutachten noch aus den Unterlagen der Beklagten. Auch die in letzter Zeit zur Frage der Kostenübernahme für eine operative Brustverkleinerung bekannt gewordenen weiteren obergerichtlichen Urteile (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 11.6.2008 - L 9 KR 62/06 und L 9 KR 589107 - , Urteile des Bayerischen LSG vom 15.11.2007 - L 4 KR 16/06 - und vorn 31.7.2007 - L 5 KR 191/06 -, Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 21.11.2007 - L 5 KR 80/06 - und Urteile des LSG NRW vom 10.5.2007 - L 5 KR 118/04 - und vorn 26.4.2006 - L 11 KR 24/05 -) bestätigten das Gericht in der Überzeugung, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass behandlungsbedürftige Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule ursächlich wesentlich von einer dafür angeschuldigten "Brustlast" hervorgerufen würden und diesbezüglich eine Behandlung nur in Form einer Mammareduktionsplastik möglich sei. Bei dieser Sachlage könne dahingestellt bleiben, ob der strittige Kostenerstattungsanspruch nicht auch bereits daran scheitere, dass bislang eine vertragsärztliche Verordnung bzw. Krankenhauseinweisung bezüglich der strittigen stationären Behandlung der Klägerin im März 2008 ebenso wenig vorliege wie ein Nachweis darüber, dass die Klägerin auch tatsächlich die Kosten der durchgeführten Mammareduktionsplastik getragen habe.
Gegen diesen der Klägerin am 12.11.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.12.2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Es sei zwar zutreffend, dass es in Deutschland bislang keine groß angelegte Studie zwischen Rückenschmerzen und übergroßer Brustlast gegeben habe, es bestünden jedoch beachtliche Stimmen in der Ärzteschaft, die diese Zusammenhänge bejahen. Auch der Sachverständige Dr. H. habe diesen Zusammenhang für möglich gehalten, seine Ausführungen habe das SG aber nur in sehr unzureichendem Maße berücksichtigt. Dass es in der Medizin ständig Fortschritte gebe, habe das SG nicht bedacht. Die Reduzierung des Brustgewichts vermindere die Belastung auf den gesamten Stützapparat. Der stattgefundene Eingriff habe ihre erheblichen Probleme im Bereich der Wirbelsäule beseitigt und weitere Behandlungskosten erspart.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid vom 6.11.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 15.3.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die stationäre Behandlung zur Mammareduktion und die damit verbundenen Folgekosten zu erstatten.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend und ihren Bescheid für rechtmäßig. Der Auffassung des Sachverständigen Dr. H. über einen Zusammenhang zwischen Brustgewicht und Rückenproblemen könne nicht gefolgt werden. Bisher sei noch kein wissenschaftlich anerkannter Nachweis über den Ursachenzusammenhang zwischen Brustgröße/Brustgewicht und Wirbelsäulenbeschwerden erbracht worden. Eine Ausnahmekonstellation liege bei der Klägerin nicht vor.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine operative Brustverkleinerung (Mammareduktionsplastik) zu gewähren bzw. die dafür entstehenden Kosten zu übernehmen. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
Als Rechtsgrundlage des nach erfolgter Operation als Erstattungsanspruch weiterverfolgten Freistellungsanspruchs kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten für (notwendige) selbst beschaffte Leistungen zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V). Beides ist hier nicht der Fall. Um eine unaufschiebbare Leistung geht es vorliegend nicht. Die Krankenkasse hat auch die Übernahme der Kosten für die brustverkleinernde Operation zu Recht abgelehnt. Ihr Bescheid vom 15.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006 ist nicht zu beanstanden.
Sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit als auch der Anspruch auf Versorgung oder Kostenfreistellung für die Zukunft reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BSG vom 6. 11. 2008 - B 1 KR 6 /08 R m.w.N.). Einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit einer chirurgischen Mammareduktion wegen geklagter Rückenprobleme hatte die Klägerin jedoch nicht.
Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Allerdings stellt nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit eine Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. (zu alledem näher: Senatsurteile vom 5.4.2006 – L 5 KR 3888/05 –, vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – und vom 10.12.2008 - L 5 KR 2638/07 - unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R – "Mammareduktionsplastik").
Die begehrte Krankenbehandlung muss außerdem notwendig sein. Hierzu bestimmt die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergänzend und präzisierend, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 9/04 R –; BSGE 85, 86). Im Hinblick darauf sind Operationen am gesunden Körper (wie hier: Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 5.4.2006 – L 5 KR 3888/05 – und vom 22.11.2006 – L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Brustverkleinerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass die Größe der Brüste der Klägerin vor der Operation weder eine "Krankheit" darstellte noch entstellend wirkte und weder zur Behandlung der angegebenen psychischen Störungen noch zur Behandlung der Rückenbeschwerden gerechtfertigt gewesen sei. Ebenso zutreffend hat es ausgeführt, dass Krankheiten i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Gestalt von Veränderungen des Skelett- und Muskelapparats bei der Klägerin zwar vorliegen, der postulierte therapeutische Nutzen dieser Operation lediglich erhofft, nicht aber ausreichend gesichert war und die hinreichende Wirksamkeit einer Mammareduktionsplastik zur Verminderung von Rückenbeschwerden wissenschaftlich nicht belegt sei, weswegen es nicht festgestellt werden könne, dass die Brustverkleinerungsoperation zur Heilung dieser Krankheiten bzw. zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung von Krankheitsbeschwerden gem. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V notwendig und zweckmäßig sei. Auf diese Ausführungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug, sieht von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angegriffenen Entscheidung zurück.
Hervorzuheben ist lediglich, dass unabhängig von der Frage eines hinreichend sicher feststellbaren therapeutischen Nutzens der Brustverkleinerungsoperation für die Beseitigung oder Linderung orthopädischer Krankheitsbeschwerden im Hinblick auf den Eingriff in ein gesundes Organ mit den damit verbundenen Risiken auch in Bezug auf Folgeerkrankungen die unmittelbar an der behandlungsbedürftigen Krankheit ansetzenden Therapien in der Regel zunächst auszuschöpfen sind. Insoweit genügt es nicht, dass die Klägerin die genehmigten physiotherapeutischen Maßnahmen in Anspruch genommen hat. Insbesondere kann durch Massagen und manuelle Therapie keine Muskulatur aufgebaut und Haltungsfehler korrigiert werden. Dies kann in erster Linie durch Wirbelsäulengymnastik erreicht werden, die jedoch auch nach ihren Angaben im November 2005 Dr. B. gegenüber von der Klägerin nicht konsequent durchgeführt wurde, obwohl entsprechende therapeutische Maßnahmen jeweils zur Besserung der Beschwerdesymptomatik geführt hatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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