L 10 R 1446/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3355/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1446/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.02.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.01.2008 um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die Klägerin ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Von April 1970 bis Juli 1997 war sie als Fabrikhilfsarbeiterin bei einem Lebensmittelhersteller beschäftigt.

In der Zeit von Januar 1998 bis August 1999 gewährte die Beklagte der Klägerin eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dem lag im Wesentlichen die im März 1998 durch den Nervenarzt Dr. P., den Orthopäden Dr. S. und den Internisten Dr. L. durchgeführte Mehrfachbegutachtung zugrunde. Maßgeblich für die Rentenbewilligung war ein von Dr. S. diagnostiziertes chronisch lumbales Wurzelreizsyndrom mit erheblicher schmerzhafter Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS) bei Bandscheibenprolaps L 3/4. Daneben diagnostizierte Dr. S. eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks bei Supraspinatussyndrom, eine Cervikobrachialgie bei degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen sowie eine Insuffizienz der Rumpfmuskulatur. Dr. P. diagnostizierte ebenfalls ein chronisches lumbosakrales Wurzelreizsyndrom sowie eine reaktive depressive Verstimmung, sah jedoch - im Unterschied zu Dr. S. - von seinem Fachgebiet her keine Bedenken gegen eine vollschichtige Tätigkeit.

Einen Fortzahlungsantrag der Klägerin vom Mai 1999 lehnte die Beklagte nach einer erneuten Mehrfachbegutachtung durch Dr. L., Dr. S. und Dr. B. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) ab. Dr. S. sah die bei der aktuellen Untersuchung vorgetragenen Klagen und Beschwerden der Klägerin durch den klinischen Befund nicht (mehr) in vollem Maß objektiviert. Er ging von einem inzwischen chronifizierten Schmerzsyndrom aus, hielt die Klägerin jedoch gleichwohl in der Lage, vollschichtig leichte Frauenarbeiten durchzuführen. Dr. B. stellte keine psychiatrische Diagnose. Er beschrieb lediglich eine gewisse, nicht eigenständig krankheitswertige funktionelle Überlagerung der Beschwerden. Dr. H. (Sozialmedizinischer Dienst der Beklagten) teilte die Einschätzungen der Gutachter. Es bestünden allenfalls Zweifel hinsichtlich des Erstgutachtens von Dr. S ...

Die hiergegen gerichtete Klage (Sozialgericht Konstanz - SG - S 8 RJ 2032/99) sowie die gegen das klageabweisende Urteil eingelegte Berufung (L 9 RJ 3048/01) der Klägerin blieben erfolglos. Die vom SG als sachverständige Zeugen gehörten behandelnden Ärzte Dr. K. (Arzt für Neurologie und Psychiatrie), Dr. R. (Facharzt für Orthopädie) und der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Metzger hielten die Klägerin für vollschichtig leistungsfähig. Lediglich die Allgemeinmedizinerin Dr. F. erachtete die Klägerin wegen der Schmerzzustände nicht für leistungsfähig. Der vom SG gehörte Gutachter Dr. K. und der vom LSG gehörte Gutachter Prof. Dr. R. diagnostizierten in ihren orthopädischen Gutachten im Wesentlichen übereinstimmend eine Osteochondrose der LWS mit degenerativer Instabilität L3/4, ein Cervikalsyndrom sowie Beschwerden in beiden Schultergelenken. Gleichwohl hielten sie die Klägerin für in der Lage, leichte Tätigkeiten unter Beachtung verschiedener qualitativer Einschränkungen vollschichtig auszuüben. Letzteres sah auch der vom LSG zusätzlich gehörte Gutachter Dr. F. (Arzt für Psychiatrie und Neurologie), der eine sonstige anhaltende affektive Störung diagnostizierte, so.

Auch einen neuen Rentenantrag der Klägerin vom Oktober 2003 lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens der Allgemeinmedizinerin Dr. St. (leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig möglich) ab. Die hiergegen erhobene Klage (S 7 RJ 1345/04) blieb erfolglos. Die vom SG wiederum als sachverständige Zeugin gehörte Dr. F. beschrieb übereinstimmend mit dem ebenfalls gehörten Facharzt für Neuchirurgie, Orthopädie, Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. R. ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich. Der sachverständige Zeuge Dr. V. (Gemeinschaftspraxis für Psychiatrie und Neurologie) gab ein Leistungsvermögen von drei bis maximal sechs Stunden an. Keine Leistungseinschätzung gab der Facharzt für Orthopädie Dr. M. ab. Der vom SG gehörte Gutachter Dr. B. (Facharzt für Orthopädie) beschrieb eine lediglich leichte Verschlechterung gegenüber dem Zustand zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. R., hielt die Klägerin jedoch nach wie vor für vollschichtig leistungsfähig.

Am 19.09.2006 beantragte die Klägerin erneut unter Hinweis, seit dem Jahr 1999 nicht leistungsfähig zu sein, die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung in ihrer ärztlichen Untersuchungsstelle. Die Ärztin Dr. K.-K. diagnostizierte aufgrund der Untersuchung vom Dezember 2006 rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen, Coxarthrosen beidseits, eine Gonarthrose rechts, einen Morbus Ledderhose beider Füße, ein medikamentös gut eingestelltes Asthma bronchiale sowie eine psychische Überlagerung. Trotz dieser Erkrankungen hielt sie die Klägerin für in der Lage, vollschichtig körperlich leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltungen für die Wirbelsäule und ohne Tätigkeiten im Knien zu verrichten. Mit Bescheid vom 20.12.2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den Widerspruch dagegen begründete die Klägerin mit einem chronischen Schmerzsyndrom und verwies auf sachverständige Zeugenaussagen von Dr. F. und Dr. V. sowie auf ein orthopädisches Gutachten von Dr. R. aus einem parallel anhängigen Schwerbehindertenverfahren (S 6 SB 915/05). Nachdem Dr. K.-K. mitteilte, die in den eingereichten Unterlagen beschriebenen Gesundheitsstörungen seien bereits berücksichtigt, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30.10.2007 zurück.

Deswegen hat die Klägerin am 05.12.2007 beim SG Klage erhoben. Das SG hat Dr. R. und Dr. F. wiederum als sachverständige Zeugen gehört. Beide haben sich im Ergebnis der Leistungsbeurteilung der Beklagten angeschlossen.

Seit dem 01.02.2008 bezieht die Klägerin eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.02.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei insbesondere auf das Gutachten von Dr. K.-K. und die sachverständigen Zeugenaussagen gestützt. Offengelassen hat das SG Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf die Einhaltung der Klagefrist.

Gegen den ihr am 03.03.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 25.03.2008 Berufung eingelegt. Sie legt eine Mehrfertigung des Begleitschreibens der Beklagten zum Widerspruchsbescheid vor, der den Eingangsstempel ihres Bevollmächtigten vom 05.11.2007 trägt. Ferner reicht sie das für das SG in der Schwerbehindertenangelegenheit S 6 SB 915/05 von Dr. v. K. (Facharzt für Innere Medizin) aufgrund einer Untersuchung vom Mai 2006 erstellte internistische Gutachten vor, in dem dieser auf ein bei der Klägerin nicht in voller Ausprägung vorliegendes Chronic-Fatigue-Syndrom (nachfolgend: CFS) hinwies.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Prof. Dr. S.-C.-S. (Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Asklepios Westklinikums Hamburg) sowie den Arzt S. (Betriebs-, Sport- und Umweltmedizin) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Sachverständigen haben aufgrund der im Januar 2009 durchgeführten gutachtlichen Untersuchung der Klägerin ein mittelschweres CFS sowie eine chronische Anpassungsstörung diagnostiziert. Bei der Klägerin habe mindestens seit dem Jahr 1998 nur noch ein Leistungsvermögen von zwei bis drei Stunden täglich in maximal 30-minütigen Leistungsintervallen vorgelegen. Die Abweichung zu den Vorgutachten haben die Sachverständigen mit der Anwendung eines Algorhythmus zur Diagnosestellung eines CFS begründet. Die objektivierbare Befundlage der Vorgutachten sei mit dieser Diagnose vereinbar. In einer ergänzenden Stellungnahme haben die Sachverständigen ausgeführt, eine Erschöpfungssymptomatik der Klägerin gehe bereits aus einem Befundbericht von Prof. Dr. H. aus dem Jahr 1995 hervor, auch im Übrigen ergäben sich Hinweise auf ein CFS, insbesondere aus den Gutachten von Dr. v. K ... Die Klägerin selbst habe bis zur Begutachtung in der Erschöpfung nur ein Begleitphänomen gesehen, so dass das Beschwerdebild erst auf gezielte Befragung hätte herausgearbeitet werden können. Für den sozialmedizinischen Dienst der Beklagten haben Dr. H. und Dr. B. dagegen eingewandt, das Gutachten sei nicht schlüssig und beruhe auf den subjektiven Angaben der Klägerin, bei der in der Vergangenheit Verdeutlichungstendenzen nachgewiesen worden seien. Aus den Vorgutachten gingen umfangreiche Aktivitäten der Klägerin hervor. Auch bei einer stationären Behandlung in den Kliniken Schmieder im Jahr 2003 sei die Schmerzsymptomatik und nicht eine Erschöpfbarkeit im Vordergrund gestanden.

Das Gutachten von Prof. Dr. S.-C.-S. und dem Arzt S. wurde Grundlage eines Vergleichs, der im zwischenzeitlich beim Landessozialgericht anhängigen Schwerbehindertenverfahren (L 8 SB 3366/07, nach Wiederanrufung L 8 SB 740/09) im Hinblick auf den dort streitgegenständlichen Verschlimmerungsantrag vom April 2004 im März 2010 geschlossen wurde. Auf der Grundlage, das CFS als neu hinzugetretene Funktionsbeeinträchtigung zu werten, einigten sich die Beteiligten dort auf die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 60 ab Januar 2009.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 29.02.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung auch bei Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 01.09.2006 bis 31.01.2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 20.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.10.2007. Darin entschied die Beklagte ausgehend von dem Antrag der Klägerin vom September 2006 über einen aktuellen Rentenanspruch der Klägerin. Entsprechend hat die Klägerin ihren Antrag gegenüber dem Senat ausdrücklich auf die Zeit vom 01.09.2006 (Antragsmonat) bis zum Beginn der Altersrente für Schwerbehinderte beschränkt.

Die gegen die Entscheidung der Beklagten gerichtete Klage ist zulässig. Die vom SG geäußerten Zweifel, ob die Klagefrist von einem Monat (§ 87 SGG) eingehalten ist, erweisen sich als unbegründet. Die Klägerin hat durch Vorlage des Begleitschreibens zum Widerspruchsbescheid, das den Eingangsstempel ihres Bevollmächtigten vom 05.11.2007 trägt, die nach § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) geltende gesetzliche Vermutung, dass der Widerspruchsbescheid am dritten Tage nach seiner Aufgabe zur Post zuging, widerlegt. Damit ist erst von einer Bekanntgabe am 05.12.2007 auszugehen. Die Klagefrist ist bei Eingang der Klage am 05.12.2007 mithin eingehalten. Richtige Klageart ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs- /Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) für die hier von der Klägerin beanspruchten Renten dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für keine der in Betracht kommenden Renten erfüllt, weil sie leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann und im Hinblick auf die von ihr zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann, also keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Auch der Senat stützt sich insoweit vornehmlich auf das überzeugende Gutachten von Dr. K.-K ... Danach leidet die Klägerin unter rezidivierenden Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen, beidseitigen Coxarthrosen, einer Gonarthrose rechts, einem Morbus Ledderhose beider Füße und einem Asthma bronchiale, das jedoch medikamentös gut eingestellt ist. Ferner liegt bei der Klägerin eine psychische Überlagerung der daraus resultierenden Beschwerden vor. Diese Diagnosen stehen im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den von Dr. B. bereits Ende des Jahres 2004 gestellten Diagnosen. Aus dem Gutachten von Dr. B. ergibt sich auch, dass die Klägerin der Gutachterin Dr. K.-K. unzutreffend mitteilte, Schmerzen im rechten Knie seien neu hinzugekommen. Denn bereits Dr. B. berichtete von einer initialen Gonarthrose rechts mit einer Einschränkung der Beweglichkeit, insbesondere des Gehens und längeren Stehens. Ob Dr. K.-K. zu Unrecht Beschwerden an der linken Schulter bei den von ihr gestellten Diagnosen außer Acht ließ - immerhin wies die Klägerin bei ihrer Begutachtung auf seit dem Jahr 1996 in der linken Schulter bestehende Schmerzen hin und äußerte im Rahmen der gutachtlichen Untersuchung bei der Prüfung der Beweglichkeit des linken Armes Schmerzen am linken Schulterblatt - kann dahingestellt bleiben, da sich selbst bei Berücksichtigung des unter anderem von Dr. B. diagnostizierten Supraspinatussehnensyndroms an der linken Schulter kein rentenrelevant eingeschränktes Leistungsvermögen herleiten lässt. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugende Einschätzung von Dr. B., der im Vergleich zu der Vorbegutachtung durch Prof. Dr. R. nur eine leichte Verschlechterung des Gesundheitszustands sah. Auch Dr. R. hat in dem von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegten Gutachten keine Diagnosen genannt, die wesentlich von den eingangs erwähnten abweichen.

Hinsichtlich der von Dr. K.-K. auf dem psychiatrischen Fachgebiet gestellten Diagnose einer psychogenen Überlagerung besteht eine Übereinstimmung mit dem Bericht der Kliniken Schmieder - Dr. K. (Facharzt für Neurologie) - über den stationären Aufenthalt vom Mai/Juni 2003. Auch von den dort behandelnden Ärzten wurde ein deutlicher Hinweis auf eine starke psychogene Überlagerung der Symptomatik, die als chronisches Schmerzsyndrom bei den bekannten Wirbelsäulenbeschwerden diagnostiziert wurde, geschildert. Dies entspricht im Ergebnis der bereits im April 2002 von Dr. F. gestellten Diagnose einer "sonstigen anhaltenden affektiven Störung" die - so der Gutachter - früher als psychogener Beschwerdenausbau bezeichnet wurde. In diese Richtung gehen grundsätzlich auch die Ausführungen von Dr. V. vom Juli 2005, der von einer ausgeprägten Hyperfokusierung der Klägerin auf die körperlichen Beschwerden berichtete. Soweit er in Abweichung zu Dr. F. von einer somatisierten Depression im Sinne einer Somatisierungsstörung sowie einer Dysthymia ausging, überzeugt dies den Senat nicht. Dr. F. konnte keinen Befund erheben, der auf der affektiven Ebene über eine Missgestimmtheit hinausging. Insbesondere sah Dr. F. vor dem Hintergrund eines deutlichen Wunsches der Klägerin nach Berentung eine Ausgestaltung ihrer Beschwerden. Der Befund zeigte sich ihm gegenüber "nicht frei von aggravatorischem Beiwerk". In diesem Zusammenhang sieht der Senat auch den Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der psychogenen Überlagerung und der unklaren Berentungssituation im Bericht der Kliniken Schmieder (siehe eben). Für generell erhebliche Verdeutlichungstendenzen im Rahmen der Begutachtungen sprechen auch die Beobachtungen von Prof. Dr. R., der sich nicht in der Lage sah, einen geordneten Untersuchungsgang durchzuführen und insbesondere bei Ablenkung der Klägerin eine bessere Beweglichkeit feststellte, als bei den gezielten Bewegungsprüfungen. In diese Richtung gehen auch die Beobachtungen von Dr. St. im Dezember 2003, die im Zusammenhang mit der Begutachtung bemerkte, dass die Klägerin außerhalb ihrer Dienststelle im Unterschied zur Prüfung bei der Begutachtung ein freies und flottes Gangbild zeigte.

Trotz der genannten Gesundheitsstörungen ist die Klägerin, wie Dr. K.-K. überzeugend ausführte, in der Lage, vollschichtig leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltungen für die Wirbelsäule sowie ohne Tätigkeiten im Knien zu verrichten. Diese Leistungseinschätzung steht in Übereinstimmung mit den Auffassungen fast aller der hier über viele Jahre hinweg tätig gewordenen Gutachter. Lediglich Dr. S. beschrieb im ersten Gutachten vom März 1998, das Grundlage der vorübergehenden Rentengewährung wurde, ein rentenrelevant zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen. Bereits bei der zweiten Begutachtung im Juni 1999 konnte Dr. S. jedoch keine Grundlage mehr für diese Einschränkung finden. Ob die von Dr. H. im Nachhinein gegen das erste Gutachten von Dr. S. ausgesprochenen Zweifel berechtigt sind, kann dahingestellt bleiben, da die Rechtmäßigkeit der Rentengewährung von Januar 1998 bis August 1999 hier nicht im Streit steht. Eine andere, jedoch nicht überzeugende (s.u.) Auffassung zum Leistungsvermögen vertreten aktuell nur die Sachverständigen Prof. Dr. S.-C.-S. und Sobetzko.

Im Urteil des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.08.2002 (L 9 RJ 3048/01) wurde - umfassend begründet - ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wir auf die dortigen Ausführungen verwiesen. Insbesondere wurde festgestellt, dass die Klägerin über einen geregelten Tagesablauf verfügte, zum Tanzen, Schwimmen etc. ging, las, Kreuzworträtsel löste und regelmäßigen Kontakt zu Verwandten, Freunden und Bekannten hatte und dafür auch Fahrwege von 40 bis 50 km in Kauf nahm. Nachdem keiner der seit dem Berufungsurteil vom 27.08.2002 in zwischenzeitlich zwei Klageverfahren befragten sachverständigen Zeugen (Dr. F., Dr. V., Dr. M., Dr. R.) ein auf unter sechs Stunden abgesunkenes Leistungsvermögen gesehen hat und sich aus den Gutachten von Dr. St. und Dr. B. keine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin ergibt, sieht der Senat keine Anhaltspunkte für eine seit diesem Urteil erfolgte, erhebliche Änderung im Leistungsvermögen der Klägerin - dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin ihren Alltag zwischenzeitlich deutlich eingeschränkter schildert. Dafür spricht auch, dass die Klägerin den streitgegenständlichen Rentenantrag aus dem Jahr 2006 mit einer seit dem Jahr 1999 angeblich bestehenden Leistungsunfähigkeit begründete, mithin selbst nicht von einer wesentlichen Änderung ihres Zustands seit dem Berufungsurteil vom August 2002 ausging.

Der Senat folgt nicht dem auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachten von Prof. Dr. S.-C.-S. und des Arztes S ... Dieses Gutachten überzeugt weder hinsichtlich der erstmalig gestellten Diagnose eines CFS noch hinsichtlich der dort beschriebenen zeitlichen Leistungseinschränkung. Der Senat verkennt nicht, dass bereits in der Vergangenheit unter anderem im Befundbericht von Prof. Dr. H. als auch in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. V. vom Juli 2005 auf eine Erschöpfung der Klägerin hingewiesen wurde und Dr. v. K. schon vor der Begutachtung ein nicht im Vollbild vorliegendes CFS ansprach. Gleichwohl stand eine Erschöpfungssymptomatik über die hier dokumentierte Zeit ab dem Jahr 1997 nie im Vordergrund der von der Klägerin im Rahmen verschiedener Begutachtungen geschilderten Beschwerden. Im Vordergrund stand vielmehr eine chronische Schmerzsymptomatik, so auch, wie Dr. H. betont, im Rahmen der stationären Behandlung in den Kliniken Sch. im Jahr 2003. Es ist bezeichnend, dass die Klägerin nicht ein Mal gegenüber Prof. Dr. S.-C.-S. von sich aus bei der Schilderung ihrer aktuellen Beschwerden eine Erschöpfungssymptomatik angab, diese vielmehr erst vom Sachverständigen, wie er selbst schreibt, "herausgearbeitet" werden musste. Soweit die Sachverständigen diesen Umstand damit zu erklären versuchen, die Klägerin habe die Erschöpfungssymptomatik selbst nur als Begleitphänomen ihrer multiplen Beschwerden verstanden, überzeugt dies vor dem Hintergrund, dass dieses Begleitphänomen zu einer Leistungseinschränkung auf zwei bis drei Stunden täglich mit maximal dreißigminütigen Leistungsintervallen führen soll, keineswegs. Ein derart aus Gründen einer Erschöpfung eingeschränktes Leistungsvermögen hätte schon lange zu entsprechenden spontanen Schilderungen der Klägerin gegenüber den Gutachtern und behandelnden Ärzten sowie zu einer entsprechenden Befunderhebung führen müssen.

Offensichtlich wird die Unschlüssigkeit des eingeholten Gutachtens auch durch den Umstand, dass die Sachverständigen den von ihnen beschriebenen Zustand nach Auswertung der Unterlagen mindestens auf die Zeit seit dem Jahr 1998 zurückdatieren. Dr. H. weist völlig zu Recht darauf hin, dass dies keinesfalls mit den anamnestischen Angaben der Klägerin, die in diesem Zeitraum gemacht wurden, in Einklang zu bringen ist. Nur beispielhaft wird auf die Angaben der Klägerin, die sie gegenüber dem Gutachter Dr. B. im Juni 1999 zu ihrem Alltag machte, hingewiesen, die vom 9. Senat - wie bereits zitiert - dem Urteil vom August 2002 zu Grunde gelegt wurden.

Entgegen der Auffassung der Sachverständigen geht der Senat - wie bereits ausgeführt - durchaus von Verdeutlichungstendenzen der Klägerin im Rahmen von Begutachtungen aus. Der Einschätzung der beiden Sachverständigen, die unkritisch die Angaben der Klägerin verwertet haben, ist auch insoweit die Grundlage entzogen. Für den Senat überzeugend weist Dr. B. in seiner ergänzenden Stellungnahme darauf hin, dass allein schon die Angabe der Klägerin, sie verbringe ca. 19 Stunden des Tages schlafend, liegend oder ruhend nicht glaubhaft sei.

Soweit im parallel anhängig gewesenen Schwerbehindertenverfahren (L 8 SB 740/09) das Gutachten von Prof. Dr. S.-C.-S. und des Arztes S. Grundlage eines für die Klägerin günstigen Vergleiches wurde, kann der Senat daraus keine günstigere Beurteilung für die Klägerin herleiten. Zum einen überzeugt den Senat das Gutachten - wie eben dargestellt - schon im Ansatz nicht. Zum anderen haben sich die Beteiligen des dortigen Verfahrens selbst ausdrücklich auf eine Verschlechterung in Form des Hinzutritts von Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund eines chronischen Müdigkeitssyndroms ab 01.01.2009 geeinigt. Selbst wenn der Senat zu Gunsten der Klägerin diese Einigung als inhaltlich zutreffend unterstellen würde, würde sich dadurch keine günstigere Rechtsfolge ergeben, da streitgegenständlich nur eine Rentengewährung bis zum 31.01.2008 ist. Mithin ist die dem Vergleich zu Grunde gelegte Verschlechterung ab Januar 2009 für den vorliegenden Rentenrechtsstreit ohne Bedeutung. Zu diesem Zeitpunkt bezog die Klägerin bereits eine Altersrente für Schwerbehinderte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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