S 5 U 144/97

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 5 U 144/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 102/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Förderung einer Umschulungsmaßnahme.

Der am 00.00.1969 geborene Kläger ist gelernter Schreiner und arbeitete nach seiner Ausbildung als Schreinergeselle zuletzt als Möbelschreiner bei der Firma H. in W ... Am 18.08.1997 begann der Kläger eine Umschulung zum Holztechniker in der Techni¬schen Schule in B. für die Dauer von zwei Jahren. Die Umschu¬lung wird auf eigene Kosten durchgeführt.

Bereits 1995 war der Verdacht aufgetreten, bei dem Kläger liege eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit vor. Die Beklagte veranlaßte unter dem 29.03.1996 ein Gutachten des Dr. C., der den berufsbedingten Hörverlust mit 0 % einstufte, jedoch der Auffassung war, bei dem Kläger sei bereits nach wenigen Berufsjahren eine sicher beruflich bedingte Lärmschädigung im Hochtonbereich aufgetreten. Er hielt den Kläger für gefährdeter als altersgleiche Menschen in seinem Beruf und empfahl eine lückenlose jährliche Kontrolle. Sofern im Laufe der Zeit eine deutliche Hörverschlechterung eintrete, müßten Maßnahmen nach § 3 der BKVO geprüft werden. Durch Schreiben vom 16.04.1996 forderte die Beklagte den Kläger auf, geeigneten Gehörschutz zu tragen.

Unter dem 27.03.1997 teilte Dr. S. der Beklagten mit, im Rahmen einer Kontrolluntersuchung habe eine zunehmende Progredienz festgestellt werden können. Es wurde empfohlen, eine Umschulung zu prüfen. Im Gutachten vom 26.06.1997 schätzte Dr. X. die lärmbedingte Schwerhörigkeit des Klägers mit unter 10 v.H. ein. Er wies darauf hin, daß der Kläger sorgfältig persönlich angepaßten Lärmschutz benutzt habe und damit eine wesentliche Zunahme der Schwerhörigkeit seit der Vorbegutachtung hätte vermeiden können. Wegen des deutlichen Vorschadens links und der nach sieben Lärmjahren bereits sehr deutlich als verhältnismäßig tiefe C5-Senke aufgetretenen Lärmschwerhörigkeit rechts sei der Kläger jedoch für weitere Lärmarbeit nicht geeignet, zumal der Lärmschaden an dem vorgeschädigten Ohr eine deutliche Tendenz zur Verschlimmerung habe. Mit Bescheid vom 24.07.1997 erkannte die Beklagte bei dem Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Ziff. 2301 der Anlage 1 zur BKVO an mit der Folge der Berufskrankheit "minimale Hochtoninnenohrschwerhörigkeit rechts". Nicht als Folge der Be-rufskrankheit anerkannt wurde eine knapp geringgradige Hochton-innenohrschwerhörigkeit links. Die Beklagte lehnte einen Anspruch auf Rente und auf Gewährung von Leistungen nach § 3 BKVO (Umschu¬lung) ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, es sei nicht davon auszugehen, daß die konkrete Gefahr der Verschlimmerung der Innenohrschwerhörigkeit durch Lärm bestehe. Die Verlaufsbeobachtung habe deutlich gemacht, daß bei sorgfältig angepaßtem Lärmschutz eine Zunahme der lärmbedingten Hörstörung verhindert werden könne. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach § 3 BKVO. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, bei der Firma H. während der Arbeitszeit ständig mit sehr lauten Maschinen umgehen zu müssen. Die zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen reichten nicht aus, eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes zu verhindern. Die Ärzte bestätigten eine Zunahme der Lärm-schwerhörigkeit. Eine Umschulung zum Holztechniker sei sinnvoll. Hier könne er in dem ihm bekannten Bereich tätig werden. Die Belästigung durch die lauten Maschinen entfalle allerdings in diesen vorbereitenden Tätigkeitsbereich, in dem vor allen Dingen Angebote erstellt würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie legte unter anderem dar, bei der Nachuntersuchung sei keine Verschlimmerung des Krankheitsbildes nachzuweisen gewesen. Darüber hinaus habe die Erfahrung gezeigt, daß sorgfältig ausgesuchter und angepaßter Gehörschutz, der konsequent getragen werde, einen sicheren Schutz vor schädigender Lärmeinwirkung biete, so daß von daher ein Umschulungszwang nicht zu begründen sei.

Der Kläger macht geltend, die Umschulung zum Holztechniker sei ein geeignetes Mittel, der Gefahr der Verschlimmerung der Berufskrankheit entgegen zu wirken. Bei der Tätigkeit eines Holztechnikers handele es sich zum Teil um eine reine Bürotätigkeit. Sofern er bei anderen Firmen als bei der Firma H. tätig werden müßte, müsse er sich in Gefahrbereich nur für wenige Minuten aufhalten. Als Holztechniker wäre er einer Lärmexposition nicht mehr ständig ausgesetzt. Dadurch würde die Gefahr der Verschlimmerung gemindert.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid der Beklagten vom 24.07.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 18.08.1997 an Leistungen nach § 3 BEKO (Umschulung) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, ein Zwang zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit sei nicht gegeben. Von daher bestehe keine Notwendigkeit für eine Umschulung. Zudem scheide eine Umschulung zum Holztechniker schon deshalb aus, weil der Kläger auch da noch lärmexponiert tätig sei. Zur Begründung legte die Beklagte Kopien aus dem Grundwerk ausbildungs- und berufskundliche Information zur Arbeitssituation des Holztechnikers bei.

Das Gericht hat die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die beigezogene Akte sowie auf die im Klageverfahren gegenseitig gewechselten vorbereitenden Schriftsätze. Sie sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger wird durch den Bescheid der Beklagten vom 24.07.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.10.1997 nicht be¬schwert, da dieser nicht rechtswidrig ist (§ 54 Abs. 2 SGG).

Der hier allein streitgegenständliche Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 3 BKVO richtet sich konkret auf die Förderung des Klägers zum Holztechniker ab 18.08.1997. Zwar wird im Klageantrag allgemein die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKVO - Umschulung - geltend gemacht, aus der weiteren Begründung des Klagevorbringens ergibt sich jedoch, daß der Kläger die Umschulung zum Holztechniker durch die Beklagte gefördert wissen will. Ein dahingehender Anspruch des Klägers besteht nicht.

Besteht für einen Versicherten die Gefahr, daß eine Berufskrankheit entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, so hat der Träger der Unfallversicherung gemäß § 3 BKVO mit allen geeigneten Mitteln dieser Gefahr entgegen zu wirken. Ist die Gefahr für den Versicherten nicht zu beseitigen, hat der Träger der Unfallversicherung ihn aufzufordern, die gefährdende Tätigkeit zu unterlassen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dahinstehen kann die Beantwortung der Frage, ob sich die beim Kläger bestehende berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit bei Fortführung seiner Tätigkeit als Möbelschreiner bei der Firma H. mit der Gefahr der Verschlimmerung verbunden ist. Selbst wenn dieses der Fall wäre und geeignete Gehörschutzmaßnahmen nicht ausreichend wären, die Gefahr zu beseitigen, ist die Umschulung des Klägers zum Holztechniker jedenfalls kein geeignetes Mittel, der Gefahr entgegen zu wirken. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, daß ein Holztechniker nicht ausschließlich in lärmexponierten Bereichen tätig zu sein hat, sondern dessen Aufgabengebiet sich auch in Bereichen vollzieht, die mit Lärmbelastungen nicht verbunden sind. Dieses wird auch bestätigt durch die berufskundlichen Unterlagen - GABI -, die die Beklagte zum Beruf des Holztechnikers überreicht hat. Gleichwohl ist die Tätigkeit eines Holztechnikers je nach Einsatzbereich mit mehr oder minder starken Lärmbelastungen, die gehörschädigend sein können, verbunden. Auch dieses ergibt sich aus den berufs- kundlichen Unterlagen, in denen als Belastungen, die mit dem Beruf verbunden sind, die häufige Lärmarbeit durch entsprechende Holzbearbeitungsmaschinen erwähnt wird. Je nach Arbeitsbereich treten Umgebungseinflüsse wie der Maschinenlärm auf. Durch eine Tätigkeit als Holztechniker wird demnach die Gefahr durch Lärmschädigung beim Kläger nicht völlig beseitigt. Der Kläger wird eine gefährdende Tätigkeit nicht völlig aufgeben. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß der Kläger bei seinem alten Arbeitgeber nicht lärmexponiert tätig sein müßte, ist für die Umschulung Voraussetzung, daß dadurch die gefährdenden Tätigkeitsbereiche gänzlich aufgegeben werden, und zwar nicht nur beim konkreten Arbeitsplatz, sondern für alle in Betracht kommenden Arbeitsplätze. Nur dann nämlich ist der Kläger wettbewerbsfähig in den allgemeinen Ar¬beitsprozeß wieder einzugliedern, ohne daß dessen Tätigkeitsfeld auf Teilbereiche des Holztechnikers, die nicht lärmexponiert sind, zu beschränken wäre. In diesem Zusammenhang kann auch Bezug genommen werden auf die Ausführungen des Bundessozialgerichts im Urteil vom 26.02.1992 zum Az.: 9b RAr 3/91. Die darin getroffenen Erwägungen treffen auch auf den vorliegenden Fall zu.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß unter Berücksichtigung der Eignung und Neigung des Klägers sowie den Erfordernissen des § 3 BKVO andere Berufsfelder für den erst 30-jährigen Kläger nicht mehr in Betracht kommen.

Dem Antrag des Klägers, ein Gutachten gemäß § 109 SGG einholen, war nicht stattzugeben, da es sich vorliegend nicht um die Frage einer medizinischen Zusammenhangsbegutachtung handelt, sondern um eine berufskundliche Frage, medizinische Fragen deshalb nicht ent-scheidungserheblich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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