L 3 SB 859/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 5006/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 859/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers im Streit, der die Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch begehrt.

Der am 08.02.1955 geborene Kläger beantragte am 22.02.2007 beim Landratsamt Ortenaukreis - Amt für Soziales und Versorgung - (LRA), seine Funktionsbeeinträchtigungen als GdB festzustellen. Er gab hierzu an, an Hypertonie, Adipositas - Hypoventilationssyndrom -, einem Impingementsyndrom, Coxarthrose, einer Prostatahypertrophie und einer Fraktur "11 und 12 BWK" zu leiden. Das LRA führte die vom Kläger zur Begründung seines Antrages vorgelegten Arztbriefe einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. Haug zu, der in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 06.03.2007 für die Funktionsbeeinträchtigung "Schlafapnoe-Syndrom, Adipositas per magna" einen Einzel-GdB von 20 sowie für die Funktionsbeeinträchtigungen "Bluthochdruck" und "Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks" einen Einzel-GdB von jeweils 10 annahm. Den GdB schätzte Dr. Hauk mit 20 ein.

Mit Bescheid vom 20.03.2007 stellte das LRA den GdB des Klägers seit dem 22.02.2007 mit 20 fest. Seine Entscheidung begründete es damit, dass die Funktionsbeeinträchtigungen Schlafapnoe-Syndrom, Adipositas per magna sowie Bluthochdruck und Funktionsbehinderungen des rechten Schultergelenkes mit einem GdB von 20 angemessen bewertet seien. Die weiterhin geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Wirbelkörperbruch, Funktionsbehinderung des Kniegelenks, Nekrose des Blasenspinkters, Prostatavergrößerung) bedingten keine Funktionsbeeinträchtigung, die mit einem Einzel-GdB von wenigstens 10 bewertet werden könne.

Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass unter Berücksichtigung seiner beruflichen Situation ein Einzel-GdB für die orthopädischen Erkrankungen gerechtfertigt sei. Das Schlafapnoe-Syndrom und die Adipositas seien mit einem Einzel-GdB von 20 zu gering bewertet. Für die Bluthochdruckerkrankung sei ein Einzel-GdB von 40 angemessen, da der diastolische Druck mehrfach über 100 mmHg gelegen habe. Hierdurch sei eine erhöhte Leistungsbeeinträchtigung eingetreten. Zur weiteren Begründung übersandte der Kläger eine Mehrfertigung seines Allergiepasses und einen Arztbrief des Klinikums D. - Neurologie mit Schlaflabor - über eine vorstationäre Behandlung des Klägers am 08.02.2007. Auf Anforderung des LRA wurde durch das Ortenau-Klinikum, D.-Gengenbach, sodann ein Arztbrief des Leiters des Schlaflabors Dr. A. vom 16.02.2007 vorlegt, in dem über Untersuchungen des Klägers vom 05. bis 08.02.2007 berichtet wird, anlässlich derer beim Kläger ein Restless-legs-Syndrom, ein kompensiertes Adipositas Hypoventilationssyndrom - CPAP-Therapie seit Juli 2006 bei einer Gerätebenutzung von 3 Stunden/ Nacht - und eine latente Restharnbildung diagnostiziert worden seien. Anlässlich einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch Dr. B. vom 15.05.2007 wurde der Arztbrief dahingehend ausgewertet, dass hiernach ein "Restless-legs-Syndrom" mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt werden könne und der GdB des Klägers mit 30 zu bewerten sei.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 02.07.2007 stellte das LRA den GdB des Klägers ab dem 01.02.2007 mit 30 fest.

Der Kläger hielt auch nach Erlass des Teil-Abhilfebescheides an seinem Widerspruch fest und führte hierzu an, dass auch ein GdB von 30 der Schwere des Krankheitsbildes nicht gerecht werde. Anlässlich einer Untersuchung des Klägers im Schlaflabor sei nachgewiesen worden, dass es zu wiederholten kompletten und partiellen Kollapsen der oberen Atemwege gekommen sei. Er legte hierzu Arztbriefe von Dr. C. sowie des Klinikums D. vor.

Nach einer versorgungsärztlichen Überprüfung durch die Ärztin E. vom 06.08.2007, die anführte, dass es bei der Benutzung eines CPAP-Geräts von nur drei Stunden pro Nacht bereits zu einer deutlichen Besserung der Vigilanz gekommen sei und das nur vermutete Restless-legs-Syndrom mit einem Einzel-GdB von 20 bereits großzügig bewertet sei, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung seiner Entscheidung führte er an, dass die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30 ausreichend und angemessen bewertet seien. Da bei der Nutzung eines CPAP-Geräts von nur drei Stunden pro Nacht eine deutliche Besserung eingetreten sei, sei die Bewertung des Schlafapnoe-Syndroms nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat der Kläger am 24.09.2007 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, dass der GdB von 30 seinen Gesundheitszustand nicht ausreichend berücksichtige. Die bei ihm bestehenden erheblichen Schlafstörungen verursachten die bestehende Bluthochdruck-Erkrankung, die mit einem GdB von 10 zu gering bewertet sei. Infolge der unregelmäßigen Blutdruckwerte träten Kopfschmerzen und Schwindel auf. Diese Symptome begännen bei einen Blutdruck von ca. 135 mmHg systolisch zu 90 mmHg diastolisch. Blutdruckwerte von 170 zu 95 seien bei ihm keine Ausnahme. Die Sphinkternekrose der Blase mit einem Restharn von ca. 50 ml führe dazu, dass er maximal vier Stunden am Stück schlafen könne und unter permanenten Schlafstörungen leide. Durch die Nutzung der CPAP-Maske könne er gleichfalls maximal vier Stunden am Stück schlafen und anschließend nicht wieder in den Schlaf finden. Er sei infolge der Erkrankung der Blase, des Schlafapnoe-Syndroms des schlechten Schlafes in seinem Lebensgefühl nachteilig beeinträchtigt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. von der Borch vom 27.06.2008 vorgelegt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. C., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie hat in ihrer Stellungnahme vom 26.02.2008 mitgeteilt, sie habe den Befund einer mittelschwer ausgeprägten schlafbezogenen Atmungsstörung erhoben. Bezüglich eines Restless-legs-Syndrom seien ihr gegenüber keine Angaben gemacht worden, weswegen Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien. Dr. F., Internist, hat in seiner Stellungnahme vom 10.04.2008 mitgeteilt, dass der Kläger regelmäßig seine Blutdruckwerte messe. Der Kläger bedürfe einer ständigen nächtlichen Überdruckbeatmung, die ihn jedoch erheblich beeinträchtige, da hierdurch ein trockener Mund und eine trockene Nase eintrete. Seine Arme könne er beidseitig um ca. 110 Grad anheben. Er komme, ohne eine medikamentöse Behandlung, aktuell mit den Beschwerden des Restless-legs-Syndroms zurecht. Der Kläger leide an einem Prostataadenom mit Miktionsbeschwerden, wobei eine Restharnbildung nicht vorliege. Der Kläger müsse jedoch ein bis zwei Mal nachts auf die Toilette. Durch eine geringgradige Coxarthrose träten belastungsabhängige Schmerzen beider Hüftgelenke auf, die geringfügig in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt seien. Im HWS- wie im LWS Bereich träten regelmäßig Schmerzen auf. Gleiches gelte für das rechte Kniegelenk des Klägers. Dr. F. maß den von ihm benannten Gesundheitsstörungen Schlafapnoe-Syndrom, Restless-leg-Syndrom, Prostataadenom mit Miktionsbeschwerden, Coxarthrose und Wirbelsäulenbeschwerden jeweils einen Einzel-GdB von 20, dem Bluthochdruck und den Kniebeschwerden sowie dem Impingement-Syndrom der rechten Schulter jeweils einen Einzel-GdB von 10 zu.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.01.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, dass die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30 ausreichend und angemessen bewertet seien. Die, die Behinderung des Klägers maßgeblich bestimmende Funktionsbeeinträchtigung sei das mit einem erheblichen Übergewicht einhergehende Schlafapnoe-Syndrom, welches die nächtliche Beatmung mittels einer CPAP-Maske notwendig mache. Dies sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Das Restless-legs-Syndrom könne, da keine medikamentöse Behandlung erforderlich sei, um mit den Beschwerden zurecht zu kommen, nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden. Die medikamentös behandelte Bluthochdruckerkrankung könne gleichfalls mit einem Einzel-GdB von 10 Berücksichtigung finden. Gleiches gelte für die orthopädischen Erkrankungen der rechten Schulter, der Wirbelsäule und beider Hüftgelenke. Mit einem GdB von 30, wie er vom Beklagten festgestellt sei, sei den Funktionsbeeinträchtigungen daher ausreichend Rechnung getragen.

Gegen den am 26.01.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.02.2009 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, das Schlafapnoe-Syndrom und die Bluthochdruck-Erkrankung seien zu niedrig bewertet. Infolge der nächtlichen Überdruckbeatmung bestünden Durchschlafstörungen, Mund- und Nasentrockenheit und morgendlicher Kopfschmerz. Die Funktionsbeeinträchtigung sei daher mit 30 zu bewerten. Die medikamentöse Behandlung der Bluthochdruckerkrankung führe zu witterungsbedingten Störungen. Bei hohen Temperaturen träten hohe Leistungsbeeinträchtigungen auf. Das Restless-legs-Syndrom, das vorwiegend in der Nacht auftrete, sei mit 20 zu bewerten. Wegen der bestehenden Prostatavergrößerung sowie psychoorganischen Störungen stünde er nicht in Behandlung. Er benutze das CPAP Gerät ca. drei bis vier Stunden pro Nacht. Zur weiteren Begründung legte der Kläger einen Arztbrief des Orthopäden Dr. G. vom 23.03.2009 vor. Der Kläger hat ferner den Rehabilitationsentlassungsbericht der vom 09.06. bis 01.07.2009 in der Schwarzwaldklinik, Bad Krozingen, durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme vorgelegt. Anlässlich des dortigen Aufenthalts des Klägers wurde ein degeneratives LWS-Syndrom bei Spondylose Th 10 - L 5 bei Verdacht auf Baastrup-Phänomen und Spondylarthrose L5/S1, eine Coxarthrose links ) rechts, ein femoropatellares Schmerzsyndrom bei beginnenden degenerativen Veränderungen, IM-Degeneration und Baker Zyste rechts, ein Impingement-Syndrom des rechten Schultergelenks (operative Versorgung 2006) sowie Übergewicht, Hypertonie, Hyperurikämie und Hyperlipidämie diagnostiziert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Entlassungsberichts wird auf Bl. 39 bis 49 der Senatsakte verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20. März 2007 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 02. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2007 zu verurteilen, die bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von mindestens 50 ab dem 22. Februar 2007 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages verweist der Beklagte auf die aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. von der Borch. Ergänzend bringt er vor, das Restless-legs-Syndrom sei nicht behandlungsbedürftig. Schließlich hat er eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Reiniger vom 29.04.2010 vorgelegt.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen. Dr. G., Arzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin hat in seiner Stellungnahme vom 10.08.2009 mitgeteilt, dass der Kläger zwei Wochen vor der erstmaligen Behandlung am 19.03.2009 einen Hexenschuss erlitten habe. Bei der letzten Untersuchung des Klägers am 21.04.2009 sei er beschwerdefrei gewesen. Dr. F. hat in seiner Stellungnahme vom 11.01.2010 mitgeteilt, dass die in der Praxis gemessenen Blutdruckwerte um 150 zu 90 mmHg gelegen hätten. Eine Langzeitblutdruckmessung am 03. und 04. 11.2009 habe jedoch deutlich bessere Werte mit einem Mittel von 125 zu 84 mmHg ergeben. Seit Anfang 2009 seien beim Kläger vermehrt Rückenschmerzen aufgetreten. Ferner seien Knieprobleme aufgetreten.

Mit Schriftsatz vom 01.03.2011 hat der Kläger, mit solchen vom 07.03.2011 der Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beim Beklagten für den Kläger geführte Schwerbehindertenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 20.03.2007 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 02.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren GdB als 30 festzustellen sind.

Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Feststellung des GdB des Klägers ist § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest, für den die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend gelten (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX).

Bei der konkreten Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP), herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der jeweils gültigen Fassung (zuletzt 2008) heranzuziehen. In den AHP (die jeweilige Seitenangabe ist nach der Publikation des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Printexemplars zitiert) ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderung wiedergegeben. Die AHP ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Auch das Bundessozialgericht (BSG) betont die Bedeutung der AHP und beschreibt sie als "einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge" (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 01.09.1999 -B 9 V 25/98 R- zit. nach juris). Sie sind für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar nicht rechtsverbindlich, sie tragen als "antizipierte Sachverständigengutachten" jedoch der Notwendigkeit Rechnung, Gesundheitsstörungen gleichmäßig zu bewerten. Angesichts dieser Bedeutung, wie aus Gründen der Gleichbehandlung aller behinderten Menschen folgt der Senat den Bewertungsvorgaben der AHP. Dies gilt insb. auch, als über die jeweiligen Neuauflagen der AHP die jeweils neuesten Erkenntnisse und Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft über die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen in die AHP eingeflossen sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16.09.2003 - B 9 SB 3/02 R – zit. nach juris). Ab dem 01.01.2009 ist an die Stelle der AHP der Teil B der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG; die Seitenangabe ist jeweils nach der Publikation des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Printexemplars zitiert) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung [VersMedV]) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.

In Anwendung dieser Maßstäbe ist der Senat nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 30, wie er vom Beklagten bereits im Teil-Abhilfebescheid festgestellt ist, ausreichend und angemessen bewertet sind.

Das beim Kläger bestehende Schlafapnoe-Syndrom kann nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 20 Berücksichtigung finden. Gemäß Ziffer 26.8 (S.70) der AHP bzw. Ziffer 8.6 (S.62) der VG ist ein obstruktives oder gemischt förmiges Schlafapnoe-Syndrom (Nachweis durch Untersuchung im Schlaflabor) ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung mit einem Einzel-GdB von 0-10, mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung mit einem Einzel-GdB von 20 und im Falle einer nicht durchführbaren nasalen Überdruckbeatmung mit einem Einzel-GdB von (wenigstens) 50 zu bewerten. Da eine nasale Überdruckbeatmung des Klägers möglich ist und von diesem auch partiell durchgeführt wird, ist das Schlafapnoe- Syndrom mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Folgeerscheinungen oder Komplikationen des Schlafapnoe-Syndroms sind hierbei zusätzlich zu berücksichtigen. Die Bewertung der Hypertonie-Erkrankung des Klägers, nach dessen Vortrag eine Folgeerscheinung des Schlafapnoe-Syndroms, bestimmt sich nach Ziffer 26.9 (S.75) der AHP bzw. Ziffer 9.3 (S.67 f) der VG nach dem jeweiligen Schweregrad. Eine leichte Form ohne oder nur geringen Leistungsbeeinträchtigungen (höchstens leichte Augenhintergrundsveränderungen) sind mit einem Einzel-GdB von 0-10, eine mittelschwere Form mit Organbeteiligungen leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I bis II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie, diastolischer Blutdruck mehrfach trotz Behandlung über 100 mmHg) je nach Leistungsbeeinträchtigung mit einem solchen von 20 bis 40, schwere Formen mit Beteiligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigungen der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung mit einem Einzel-GdB von 50 bis 100 und maligne Formen mit einem diastolischen Blutdruck konstant über 130 mmHg; Fundus Hypertonicus III bis IV (Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen); unter Einschluss der Organbeteiligung (Herz, Nieren, Gehirn) mit einem Einzel-GdB von 100 zu bewerten. Zur Überzeugung des Senats liegt beim Kläger lediglich eine leichtgradige Form der Hypertonie vor. Organbeteiligungen leichten bzw. mittleren Grades wurden weder von den behandelnden Ärzten benannt noch wurden sie im Rehabilitationsentlassungsbericht aufgeführt. Auch die Untersuchungen der von Dr. F. durchgeführten Langzeitblutdruckmessung, die im Mittel einen Blutdruck von 125 zu 84 mmHg ergaben, rechtfertigen nicht die Annahme einer mittelschweren Störung. Nach der Klassifikation der Deutschen Hochdruckliga, 2008 (abgedruckt u.a. in Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 2011, S.936), ist bei diesen Werten von normalen Blutdruckwerten auszugehen. Eine mittelschwere Hypertonie (Grad 2) kann hingegen erst bei Blutdruckwerten von 160-179 zu 100-109 mmHg angenommen werden. Die vom Kläger mitgeteilten Leistungsbeeinträchtigungen sind von diesem selbst unter der Einschränkung benannt worden, dass diese nur witterungsabhängig auftreten würden. Schließlich wird im Rehabilitationsentlassungsbericht ein gleichfalls unauffälliger internistischer Untersuchungsbefund mitgeteilt. Dort sind gleichfalls keine Anhaltspunkte für eine Organbeteiligung aufgeführt, so dass der Senat die Bluthochdruck-Erkrankung des Klägers mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt.

Das Restless-legs-Syndrom kann gleichfalls nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden. Dies gründet darin, dass ausweislich der klägerischen Stellungnahme Krankheitszeichen nur während der Nacht auftreten. Maßgebliche Einschränkungen der Gehfähigkeit, die in Anlehnung an die Bewertung arterieller Verschlusskrankheiten (Ziffer 26.9 [S.73 f] der AHP bzw. Ziffer 9.2.1 [S.65 f] der VG) zu bewerten wären, d.h. mit einer Einschränkung des Gehvermögens einhergehen, sind nicht ersichtlich.

Die Blasenentleerungsstörung des Klägers kann gleichfalls nicht mit einem höheren Einzel-GdB als 10 bewertet werden. Deren Bewertung erfolgt anhand Ziffer 26.12 (S.90) der AHP bzw. Ziffer 12.2.2 (S.82) der VG anhand des vorliegenden Schweregrades. Leichte Störungen, die durch eine geringe Restharnbildung und längeres Nachträufeln gekennzeichnet sind, können mit einem Einzel-GdB von 10, solchen stärkeren Grades, bei denen z.B. die Notwendigkeit einer manuellen Entleerung besteht und eine erhebliche Restharnmenge verbleibt mit einem solchen von 20 bis 40 bewertet werden. Nachdem jedoch Dr. F. in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG vom 10.04.2008 mitgeteilt hat, dass keine Restharnbildung besteht, ist ein höherer Einzel-GdB als 10 nicht zu berücksichtigen.

Gleiches gilt für die Erkrankungen des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet. Die Bewertung von Erkrankungen der Wirbelsäule bestimmt sich nach Ziffer 26.18 (S.116) der AHP bzw. nach Ziffer 18.9 (S.107) der VG in erster Linie aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, selten und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bedingen danach einen GdB von 10. Bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) wird ein GdB von 20 erreicht. Bei Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein GdB von 30 gerechtfertigt. Liegen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, kann ein GdB von 30 bis 40 festgestellt werden. Bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwere Skoliose - ab ca. 70 Grad nach Cobb -) wird ein GdB von 50-70 festgestellt. Bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit kann ein GdB von 80-100 gerechtfertigt sein. Ausweislich der orthopädischen Untersuchungsbefunde die anlässlich des stationären Aufenthalts des Klägers in der Schwarzwaldklinik, Bad Krozingen, erhoben wurden, bestehen beim Kläger keine maßgeblichen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit oder der Entfaltbarkeit des Achsenorgans. Anhaltspunkte für eine radikuläre Beteiligung oder Wirbelgleiten sind insb. aus dem Entlassungsbericht nicht ersichtlich. Ein höherer Einzel-GdB als 10 kann daher nicht festgestellt werden.

Das femoropatellare Schmerzsyndrom bei beginnenden degenerativen Veränderungen bedingt ausweislich des Rehabilitationsentlassungsberichts und der dort mitgeteilten Bewegungsmaße von Extension/Flexion 2-0-150° keine über ein geringes Maß hinausgehende Bewegungseinschränkung der Kniegelenke. Ausgeprägtere Knorpelschäden sind beim Kläger gleichfalls nicht befundet worden, so dass eine Berücksichtigung der Gonarthrose mit einem höheren GdB als 10 nicht möglich ist (vgl. Ziffer 26.18 [S.126] der AHP bzw. Ziffer 18.14 [S.117] der VG). Gleiches gilt für die Coxarthrose der Hüftgelenke, die links stärker als rechts ausgeprägt ist. Die im Entlassungsbericht mitgeteilten Bewegungsmaße, die eine Flexion bis 130° wiedergeben, rechtfertigen einen höheren Einzel-GdB als 10 nach Ziffer 26.18 (S.124) der AHP bzw. Ziffer 18.14 (S.115) der VG nicht.

Funktionelle Beeinträchtigungen infolge der Prostatavergrößerung oder einer Einschränkung im Funktionssystem Psyche sind durch die gerichtliche Beweisaufnahme nicht bestätigt. Dies wird auch dadurch getragen, dass der Kläger hierzu mitgeteilt hat, sich nicht in ärztlicher Behandlung befunden zu haben.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX ist bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Grade hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Unter Berück¬sichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen sind Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzu¬stellen, zu denen in der Tabelle feste GdB-Werte angegeben sind. Die beim Kläger bestehenden funktionellen Einschränkungen sind mit denen, die mit dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterarm auftreten, die jeweils einen GdB von 50 begründen, nicht vergleichbar. Dies wird maßgeblich dadurch bestimmt, dass keine schwerwiegenden Erkrankungen beim Kläger bestehen.

Der Kläger hat hiernach keinen Anspruch darauf, dass die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren GdB als 30 festzustellen sind. Der Bescheid vom 20.03.2007 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheides vom 02.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen; die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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