S 23 BA 124/18 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
23
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 23 BA 124/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 16/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.496,68 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, hilfsweise die Anordnung, der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 20.10.2018 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.09.2018, mit dem diese eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 61.986,72 EUR für die Beschäftigung der Frau U. U. als Geschäftsführerin geltend macht.
Bis zum 30.06.2014 verteilten sich die Gesellschaftsanteile der Antragstellerin wie folgt: B. U. 75%, D. GmbH 25%.
Durch notariellen Vertrag vom 30.06.2014 erfolgte eine Umstellung auf Euro, sowie ein Verkauf, eine Schenkung und Abtretung von GmbH Geschäftsanteilen. Das Stammkapi-tal beträgt 26.000,- EUR. Herr B.U. teilte seine Anteile in zwei gleiche Teile auf und verkaufte 37,50% der Anteile an Herrn N.N. und schenkte die weiteren 37,50% seiner Tochter U.U ... Die D. GmbH verkaufte ihre 25% Anteile an die Antragstellerin, die damit 25% Anteile an ihrer eigenen GmbH besitzt. Die Gesellschafterliste wurde mit Datum vom 24.04.2018 vom Amtsgericht Münster in den Registerordner aufgenommen.

Der Geschäftsführerdienstvertrag vom 30.06.2014 zwischen der Antragstellerin und Frau U.U. enthält unter anderem folgende Regelungen:
( )
§ 2 (1) Der Geschäftsführer ist alleingeschäftsführungs- und alleinvertretungsberech-tigt, hat sich aber mit dem weiteren Geschäftsführer B.U. und N.N. jeweils ab-zustimmen.
(2) Der Geschäftsführer hat alle gesetzlichen, satzungsmäßigen und auf Weisun-gen der Gesellschafterversammlung beruhenden Beschränkungen seiner Tä-tigkeit im Innenverhältnis einzuhalten. Weisungen der Gesellschafterversamm-lung ist Folge zu leisten.
§ 3 Der Geschäftsführer bedarf der vorherigen Zustimmung der Gesellschaft
a) Zum Erwerb, zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken oder grund-stücksgleichen Rechten,
b) Zur Errichtung von Zweigniederlassungen, zum Erwerbs anderer Unterneh-men und der Beteiligung an solchen, zum Erwerbs von Betrieben anderer Un-ternehmen sowie der Ausdehnung der GmbH auf neue Geschäftszweige und zur Aufgabe bisheriger Tätigkeiten,
c) Zur Veräußerung des Betriebes im Ganzen, zur Veräußerung von Teilen des Betriebes sowie zum Abschluss von Umgründungs-, Verschmelzungs- und Umwandlungsverträgen, d) Zu allen sonstigen Geschäften und Rechtshandlungen, die über den gewöhn-lichen Geschäftsbetrieb hinausgehen.
§ 4 Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
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§ 6 (1) Das Gehalt des Geschäftsführers beträgt 72.000,00 EUR jährlich.
( )
§ 7 Der Geschäftsführer erhält jährlich einen Urlaub von 30 Arbeitstagen.
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Der Gesellschaftsvertrag vom 05.03.1981 enthält unter anderem folgende Regelungen:
( )
§ 7 Gesellschafterversammlung und Beschlüsse
( )
6. Der Beschlussfassung unterliegen alle Angelegenheiten der Gesellschaft, die nicht zu den gewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen gehören oder die der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen.
7. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens 76% des Stammkapitals vertreten sind.
( )
9. Bei allen Abstimmungen gewähren je angefangene 100,- DM Stammkapital ei-ne Stimme.
( )
In der Zeit vom 19.02.2018 bis zum 03.09.2018 führte die Antragsgegnerin für den Prüf-zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2017 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV in dem Betrieb der Antragstellerin durch.

Mit Bescheid vom 28.09.2018 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 61.986,72 EUR. Die im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung eingeleitete sozialversicherungsrechtliche Beurteilung habe zu dem Ergebnis geführt, dass für Frau U.U. vom 01.07.2014 bis 23.04.2018 ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als Geschäftsführerin bestanden habe. Da die Gesellschafterliste ab dem 01.07.2014 erst mit Datum vom 24.04.2018 vom Amtsgericht Münster in den Registerordner aufgenommen wurde, sei Frau U.U. in der Zeit vom 01.07.2014 bis 23.04.2018 als Fremdgeschäftsführerin ohne Gesellschaftsanteile zu beurteilen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 28.09.2018 Bezug genommen.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.10.2018 Wider-spruch ein. Zur Begründung führt sie insbesondere an, dass Frau U. mit 37,5% eine Sperrminorität besitze und alleinvertretungsbefugt unter Befreiung vom Verbot der Selbstkontraktion sei. Sie sei am Erfolg der Gesellschaft maßgeblich beteiligt und habe auch in Bezug auf Krankheits-, Urlaubs- und Kündigungsregelungen nicht den üblichen Vereinbarungen abhängiger Beschäftigter unterlegen. Unerheblich sei, dass sie erst am 24.04.2018 in die dem Handelsregister beigefügte Gesellschafterliste aufgenommen worden sei. Sie habe seit dem 23.10.2014 ihre Geschäftsführungstätigkeit, unabhängig von dem Zeitpunkt der Eintragung in die Gesellschafterliste, nicht mehr in abhängiger Beschäftigung ausgeübt und habe damit keiner Sozialversicherungspflicht unterlegen.

Die Antragstellerin beantragte zudem mit Schreiben vom 25.10.2018 die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides.

Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung der Vollziehung unter dem 31.10.2018 ab. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bei-tragsbescheides und die Vollziehung desselben bedeute keine unbillige Härte.

Am 13.11.2018 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung führt sie an, dass der Widerspruch nach § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV aufschiebende Wirkung habe. Zudem sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig. Er verkenne, dass Frau U. aufgrund ihres Gesellschaftsanteils und der konkreten Ausgestaltung ihrer Gesellschafterstellung ein erheblicher Einfluss in der Ge-sellschaft zukomme. Insbesondere wirke sich hierauf nicht aus, dass Frau U. erst am 24.04.2018 in das Handelsregister eingetragen wurde. Die Rechtswirkung des Anteilser-werbs habe sich bereits wirksam am 23.10.2014 vollzogen. Der Eintragung komme inso-weit nur deklaratorische Wirkung zu.

Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.10.2018 gegen den Bei-tragsbescheid vom 28.09.2018 festzustellen, hilfsweise anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes abzulehnen.

Zur Begründung führt sie insbesondere an, dass die Vorschrift des § 7a Abs. 7 SGB IV sich nur auf Entscheidungen beziehe, welche im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV ergehen. Zudem habe die Eintragung im Handelsregister Auswirkung auf die Rechtsmacht der Gesellschafter. Die Rechtsmacht als Gesellschafterin habe erst ab dem 24.04.2018, dem Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschafterin, wirken können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsak-te Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 20.10.2018 gegen den Beitragsbescheid vom 28.09.2018 sowie der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sind jeweils zulässig, aber unbe-gründet.

Soweit die Antragstellerin zunächst die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt, kann diesem Begehren nicht entsprochen werden. Ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ist dann begründet, wenn Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben. Der gegen den Beitragsbe-scheid vom 28.09.2018 von der Antragstellerin eingelegte Widerspruch hat gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei Entscheidungen über Beitragspflichten und der Anforde-rung von Beiträgen. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht aus § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV. Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenver-sicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV haben weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung [so bereits mit ausführlicher Begründung Senat, Beschluss v. 20.12.2012, L 8 R 565/12 B ER; Beschluss v. 16.9.2013, L 8 R 361/13 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss v. 16.3.2010, L 5 R 21/10 B ER; LSG Hamburg, Beschluss v. 16.4.2012, L 3 R 19/12 B ER; Hessisches LSG, Beschluss v. 22.8.2013, L 1 KR 228/13 B ER; Sächsisches LSG, Be-schluss v. 30.8.2013, L 1 KR 129/13 B ER; jeweils juris] (vgl. zum Vorstehenden: Landes-sozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Mai 2015 – L 8 R 106/15 B ER –, Rn. 77, juris).

Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist un-begründet.

Das Gericht kann in den Fällen, in denen – wie im vorliegenden Fall – Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG diese ganz oder teilweise anordnen.

Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteres-ses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anleh-nung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen ge-botene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitrags-bescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechts-behelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eil-entscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Sep-tember 2016 – L 8 R 221/14 B ER –, Rn. 2, juris m.w.N.).

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prü-fung ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig erweisen wird. Der angefochtene Bescheid ist nicht offensichtlich rechtswidrig, sodass das Ergebnis einer abschließenden Prüfung allenfalls als offen bezeichnet werden kann.

Nach summarischer Prüfung besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragsgegnerin die Sozialversicherungsbeiträge für Frau U. zu Unrecht erho-ben hat. Vielmehr hat die Antragsgegnerin zu Recht mit Bescheid vom 28.09.2018 Sozi-alversicherungsbeiträge geltend gemacht.

Ermächtigungsgrundlage für die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rah-men der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförde-rung gegenüber den Arbeitgebern.

Es bestehen keine überwiegenden Zweifel daran, dass die Antragstellerin dem Grunde nach verpflichtet ist, für die in ihrem Auftrag tätig gewordene Geschäftsführerin Frau U. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung zu entrichten, da vorgenannte Geschäftsführerin im streitgegenständlichen Zeit-raum bei der Antragstellerin beschäftigt war.

Der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeits-förderung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (vgl. § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 S. 1 SGB III).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist die Regelung des § 7 Abs. 1 SGB IV, die sowohl für die gesetzliche Rentenversicherung als auch für das Recht der Arbeitsförderung heranzuziehen ist.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbeson-dere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsor-ganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Be-schäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Be-trieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfas-senden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfei-nert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungs-möglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 31. März 2015 – B 12 KR 17/13 R -, Rn. 15, juris m.w.N.).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Erst auf Grundlage der getroffenen Feststellungen über den Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 24. März 2016 – B 12 KR 20/14 R –, Rn. 14, juris).

Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Be-ziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinba-rungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolge-rung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Ver-einbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne ge-hört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R –, Rn. 22, juris m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob ein Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Be-schäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeber-funktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bin-dung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter. Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisun-gen an sich jederzeit verhindern kann. Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäfti-gungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafter-rechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. Juni 2016 – L 8 R 529/15 -, Rn. 128, juris m.w.N.). Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Ab-grenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Ein Gesellschaf-ter-Geschäftsführer ist nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 v.H. der An-teile am Stammkapital hält. Ein Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbe-teiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist. Denn der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer muss eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die er-forderliche Rechtsmacht zu vermitteln (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, Rn. 21, juris).

Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze und nach gebotener summarischer Prüfung in vertraglicher und in tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Ge-richts fest, dass die Geschäftsführerin U. im streitgegenständlichen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Antragstellerin tätig geworden ist und insoweit der Versicherungspflicht unterliegt.

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit der Geschäftsführerin im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der Anstellungsvertrag der Ge-schäftsführerin vom 30.06.2014. Dieser Anstellungsvertrag enthält arbeitnehmertypische Regelungen. So erhält die Geschäftsführerin nach § 6 des Vertrages ein festes jährli-ches Gehalt und nach § 7 des Vertrages erhält sie einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen.

Auf dieser vertraglichen Grundlage ist die Geschäftsführerin U. auch in tatsächlicher Hinsicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Antragstel-lerin tätig geworden. Unerheblich ist, ob erst die Eintragung in das Handelsregister die Rechtswirkungen des Anteilserwerbs entfaltete. Selbst bei Unterstellung, dass die Rechtswirkungen des Anteilserwerbs bereits am 23.10.2014 vollzogen wurden, liegt nach gebotener summarischer Prüfung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und mithin Versicherungspflicht vor.

Während ihrer Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum war die Geschäftsführerin U. vollständig in den Betrieb der Antragstellerin eingegliedert. Dies folgt nach gebotener summarischer Prüfung maßgeblich aus dem Umstand, dass sie im streitgegenständli-chen Zeitraum als sogenannte Minderheitsgesellschafterin mit einem Gesellschaftsanteil von 37,50% einem Weisungsrecht der Antragstellerin bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit unterlag, da ihr nicht die entscheidende abstrakte Rechtsmacht zu-stand.

Vorgenannte Geschäftsführerin unterliegt zum Einen bereits ausdrücklich nach § 2 des Geschäftsführeranstellungsvertrages, aber auch nach §§ 37 Abs.1, 46 GmbHG dem Wei-sungsrecht der Gesellschafterversammlung.

Nach § 47 Abs. 1 GmbHG erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen durch Beschlussfassung nach der Mehr-heit der abgegebenen Stimmen. Angesichts des Umstandes, dass die Geschäftsführerin U. einen Geschäftsanteil von lediglich 37,50% hält, steht ihr nicht die entscheidende abstrakte Rechtsmacht zu. Sie hatte auch nicht die Möglichkeit, ihr nicht genehme Wei-sungen der Antragstellerin zu verhindern. Ihr fehlte in rechtlicher Hinsicht, wie bereits dargestellt, der notwendige maßgebliche Einfluss auf diese, da ein solcher regelmäßig dann vorliegt, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v. H. des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Be-darfsfall jederzeit verhindern kann (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.01.2018, a.a.O. Rn. 18, juris m.w.N.) oder ihm bei einer ge-ringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende Sperrminorität eingeräumt ist (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R –, Rn. 21, juris). Die Geschäftsführerin verfügte nicht übe einen Gesellschaftsanteil in dieser Höhe. Eine Sperrminorität war im Rahmen des Gesellschaftsvertrages nicht vereinbart.

Die Vollziehung hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwie-gende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge.

Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für die Antragstellerin verbunde-nen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wieder gut zu machende Nachteile sind nicht erkennbar. Im Hin-blick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr gerade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldi-ge Beitreibung geboten sein. Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Bei-treiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Ge-schäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (Landessozialge-richt für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. April 2014 – L 8 R 737/13 B ER –, Rn. 60, juris). Dies ist vorliegend jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 52 Abs. 1 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel ein Viertel des Hauptsachestreitwerts anzu-setzen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Mai 2015, Az.: L 8 R 106/15 B ER, Rn. 109, juris). Da in der Hauptsache für das wirtschaftliche Inte-resse der Antragstellerin die Höhe der Beitragsnachforderung maßgeblich wäre, war hier ein Viertel der Beitragsnachforderung anzusetzen.

Für die Streitwertfestsetzung gilt Rechtsmittelbelehrung II, im Übrigen gilt die Rechtsmit-telbelehrung I.
Rechtskraft
Aus
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